Protocol of the Session on December 9, 2010

Brandbriefe zum Erzieherinnenmangel in den Grundschulen – wann schafft das Qualitätspaket Abhilfe?

Bitte schön, Herr Steuer, ergreifen Sie das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Kennt der Senator Zöllner den Brandbrief zum anhaltenden Erzieherinnenmangel an der Fritz-KarsenSchule vom 28. November der Gesamtelternvertretung, und was hat der Senat bisher unternommen, um die Schule so auszustatten, damit die vom Senat eingeforderten Ansprüche aus dem Qualitätspaket auch umsetzbar werden?

2. Wie lässt sich erklären, dass der Astrid-LindgrenGrundschule tatsächlich seit Schulbeginn Erzieherinnen fehlen und die regionale Schulaufsicht dies einerseits mit zwei noch unbesetzten Stellen erklärt, aber anderseits der Schule vorrechnet, dass sie nach den Zumessungsrichtlinien eine mehr als 100-prozentige Ausstattung hat und daher keine zusätzlichen Erziehrinnen erhält?

Danke schön! – Der Bildungssenator hat das Wort. – Bitte schön, Herr Prof. Zöllner!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Zu Frage 1: Einen Brandbrief der Gesamtelternvertretung zu einem anhaltenden Erzieherinnen- und Erziehermangel an der Fritz-Karsen-Schule vom 28. November liegt mir bis jetzt nicht vor. Auch der zuständigen Schulaufsicht meines Hauses für die Region Neukölln sowie dem Schulleiter der Fritz-Karsen-Schule ist von einem Brandbrief der Gesamtelternvertretung zur Erzieherausstattung nichts bekannt. Durch gezielte Nachfrage ist lediglich bekannt geworden, dass die Gesamtelternvertretung der Schule das Verfassen eines solchen Briefes erwogen, ihn jedoch noch nicht formuliert hat.

Dennoch benenne ich Ihnen gern die aktuelle Erzieherinnen- und Erzieherausstattung an dieser Schule. Bei einer Gesamtschülerzahl von 1 200 Schülerinnen und Schüler verfügt diese Schule über 18 Erzieherinnen und Erzieher. Erst im September dieses Jahres hat die Schule drei Neueinstellungen für den Grundschulbereich erhalten sowie für den Sek-I-Bereich einen Erzieher aus dem zentralen Stellenpool. Der Schule fehlen nach gegenwärtigen Feststellungen noch drei Erzieherinnen und Erzieher. Eine endgültige Bedarfsfeststellung kann allerdings erst nach Vorliegen der Erzieherbedarfsprüfung am 15. Dezember erfolgen. Erste Maßnahmen, um den derzeit noch beste

henden Personalmangel auszugleichen, sind jedoch bereits durch eine überregionale Umsetzung eingeleitet worden. Des Weiteren werden spätestens bis zum Schulhalbjahreswechsel zwei weitere Erzieherinnen und Erzieher an die Fritz-Karsen-Schule umgesetzt werden können.

Zu Frage 2: Vorweggeschickt sei, dass die Erzieherausstattung einer Schule sich durch leicht schwankende Schülerzahlen in den ergänzenden Betreuungen im Verlauf eines Schuljahres prozentual verändern und es dadurch im Verlauf eines Schuljahres zu veränderlichen Bedarfslagen kommen kann. Das ist ein Unterschied zu der Situation mit der Lehrerausstattung. Dies betrifft auch die Astrid-Lindgren-Grundschule, die gegenwärtig nicht zu 100 Prozent mit Erzieherinnen und Erziehern ausgestattet ist. Derzeit verfügt sie über 13 Erzieherinnen und Erzieher und hat gegenwärtig noch einen offenen Bedarf von zwei Erzieherinnen und Erziehern. Der Personalbedarf an dieser Schule wird durch überregionale Umsetzungen ebenfalls in Folge der Ergebnisse der Erzieherbedarfsprüfung vom 15. Dezember, spätestens aber bis zum Schulhalbjahreswechsel ausgeglichen werden können.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Steuer. – Bitte schön!

Herr Senator! Wäre es nicht sinnvoller, anstatt uns immer wieder vorzurechnen, an welchen Schulen es Erzieher- und Lehrermangel gibt, die Schulreformen wie zum Beispiel die Einführung der Ganztagsschule von vornherein so auszustatten, dass mit ausreichendem Personal vernünftig gearbeitet werden kann, anstatt dann am Ende Ihrer Amtszeit ein Qualitätspaket hinterherzuschieben, mit dem die Defizite der letzten vier Jahre nachträglich ausgeglichen werden sollen?

Herr Senator Prof. Zöllner – bitte sehr!

Wir statten die Schulen mit einer ausreichenden Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern aus. Wir statten sie ebenfalls mit einer ausreichenden Anzahl von Erzieherinnen und Erziehern aus. Ich habe Sie daraufhingewiesen, auch bei Beantwortung dieser kurzen Anfrage, dass sich gerade im Erzieherinnen- und Erzieherbereich die Situation aufgrund der sich individuell verändernden Bedarfe innerhalb eines Schuljahres wechseln kann. Dass Sie nicht die Schulen nachfragen, die nach den Organisationsrichtlinien zu viele Lehrerinnen und Lehrer haben, und nicht die Schulen nachfragen, die gemäß den entsprechenden Zumessungsrichtlinien zu viele Erzieherinnen und Erzieher haben, liegt in der Natur der Sache. Wenn wir beispielsweise im Schulbereich eine hundertprozentige Ausstat

tung haben, es aber letztlich aufgrund von Veränderungen und Umsetzungen, die wir nicht schnell genug tätigen können, zu Ungleichheiten kommt, bedeutet es nicht, dass keine entsprechende Ausstattung vorliegt.

Jetzt komme ich sogar sehr gern zum zweiten Teil Ihrer Frage: Wenn das Berliner Schulsystem wie das Schulsystem in Deutschland bei allen Problemen und Bemühungen, die Qualität zu steigern – da sind Erfolge zu verzeichnen –, einen einzigen Punkt quasi reflexartig immer wieder bei den Reden über Qualität vorträgt, dass es ein Mehr an Stellen sein muss, werden wir das Problem nicht lösen. Bei jeder Ausstattung, sehr verehrter Herr Steuer, kann ich mich – ob sie zu viel oder zu wenig ist – um einen effizienten Einsatz der vorhandenen Ressourcen bemühen. Nur wenn ich dieses nachweislich tue, kann ich auch überzeugend darlegen, dass ich möglicherweise noch einen erhöhten Anspruch an Lehrerinnen und Lehrern oder Erzieherinnen und Erziehern habe. Deswegen meine ich, dass es unter dem Strich die wichtigste Aufgabe von uns in der Schule ist, tagtäglich auf allen Ebenen in der Klasse, in der Schule, bei der Schulaufsicht und bei dem Senator diesen simplen Dreisatz zu befolgen, sich ein Ziel setzen, Maßnahmen ergreifen und kontrollieren, ob man an dem Ziel angekommen ist. Wenn wir das nicht tun, werden alle Ressourcen nicht helfen. Deswegen meine ich, dass völlig unabhängig von der Ressourcenfrage, die sicher geklärt werden muss, dieses unbedingt notwendig ist, und nachweislich – das ist der letzte Satz zu diesem sehr wichtigen Punkt – ist dieses der Weg, der auch den Erfolg von PISA kontinuierliche Verbesserungen der Schulleistungen insgesamt in Deutschland bewirkt hat, Maßnahmen der Qualitätssicherung als einen alltäglichen Bestandteil von Schule ernst zu nehmen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es liegt eine Nachfrage des Kollegen Mutlu vor. – Bitte schön, Herr Mutlu!

Herr Senator! In diesem Zusammenhang habe ich die Frage, ob es gewährleistet ist, dass die Schüleradministrationssoftware bzw. „Schülerdatei“ zum kommenden Schuljahr auch tatsächlich eingeführt wird, damit auf Unterrichtsausfall, Lehrermangel, Erziehermangel zeitnah und schnell reagiert werden kann. Wie ist der Stand?

Herr Senator Prof. Zöllner, bitte!

Die Schülerdatei wird sicher zum nächsten Schuljahr in der auf Dauer zu etablierenden Onlineversion zur Verfügung stehen, sodass zeitgleich die Erfassung von Daten

mit der Verwertung von Daten über ein Onlineverfahren stattfinden kann. Ich gehe aber davon aus, dass tatsächlich die bisher erhobenen Daten und das Wechselspiel, das mit den einzelnen Schulen über Angleichung von Daten stattfinden kann und damit ein wesentlicher Beitrag zur erfolgreichen Einrichtung des neuen Schuljahres stattfinden wird, und zwar schulscharf.

Danke schön, Herr Senator! – Bevor ich Frau Ströver aufrufe, die schon nach vorn kommen kann, möchte ich 15 Teilnehmerinnen des Müttersprachkurses der AlbertEinstein-Volkshochschule Tempelhof-Schöneberg unter Leitung von Frau Neuhäuser begrüßen.

[Beifall]

Herzlich willkommen! Wir freuen uns über Ihr Interesse. Für den Sprachkurs wünschen wir Ihnen viel Erfolg. Schönen Dank, dass Sie da sind! –

Frau Ströver, Sie haben das Wort zu dem Thema

Berliner Kammeroper vor dem Aus!

Bitte, Frau Ströver!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie ernst nimmt der Regierende Bürgermeister in seiner Funktion als Kultursenator die große Zahl von Protestbriefen zum Ende der Basisförderung für die Berliner Kammeroper, die am dem 1. Januar 2011 beendet werden soll, und welche Antwort gibt er auf die Schreiben?

2. Welche Musiktheater in Berlin beschäftigen sich auch nur annähernd mit Musikstoffen, um die sich die Berliner Kammeroper mit großer internationaler Beachtung als Teil der professionell arbeitenden freien Szene in Berlin bisher erfolgreich gekümmert hat?

Danke schön, Frau Ströver! – Der Regierende Bürgermeister als Kultursenator hat das Wort. – Bitte! Einen kleinen Moment, wir haben hier ein Problem. – Herr Senator Zöllner, können Sie Ihr Mikrofon ausschalten?

[Senator Dr. Jürgen Zöllner: Soll ich es herausreißen?]

Das wäre Sachbeschädigung. – Haben wir für den Regierenden Bürgermeister ein anderes Mikrofon?

Jetzt geht es. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu 1 und 2: Die Berliner Kammeroper erhält bis Ende 2010 eine Basisförderung in Höhe von 150 000 Euro im Jahr. Bei der Basisförderung handelt

es sich um eine Projektförderung über einen Zeitraum von zwei Jahren. Diese Förderung wird auf der Grundlage eines Votums einer Fachjury, die mit der darstellenden Kunst in Berlin vertraut ist, und aufgrund von eigenen Beobachtungen der Berliner Szene alle für die Förderung in Betracht kommenden Bereiche kennt und beurteilen kann, vergeben. Es besteht hier kein Anspruch auf eine Regelförderung, was der Berliner Kammeroper auch hinlänglich bekannt ist, da nicht nur in jedem Zuwendungsbescheid auf diesen Tatbestand verwiesen wird, sondern die Basisförderung auch immer nach dem ersten Förderjahr neu beantragt werden muss, was impliziert, dass es sich hierbei um eine zeitlich begrenzte Förderung handelt.

Die Entscheidung über die Basisförderung 2011/2012 ist bereits im Mai dieses Jahres von der Jury getroffen und der Berliner Kammeroper auch mitgeteilt worden. Diese frühzeitige Entscheidung fällt auch vor dem Hintergrund, dass die nicht mit einer Förderung bedachten Theater die Möglichkeit erhalten, rechtzeitig andere Finanzgeber zu finden oder aber auch das Gespräch mit der Kulturverwaltung zu suchen.

Die Berliner Kammeroper hat sich mit ihren Schwierigkeiten aber erst im Herbst dieses Jahres nach der Vergabe der anderen Förderarten wie Einzelprojekt-, Spielstätten- und Einstiegsförderung für das Jahr 2011 an die Kulturverwaltung gewandt, sodass zu diesem Zeitpunkt bereits die disponiblen Mittel für 2011 gebunden waren. Dass die Kulturverwaltung die Protestbriefe ernst nimmt, zeigt die Tatsache, dass bereits erste Gespräche zwischen der Berliner Kammeroper und der Kulturverwaltung stattgefunden haben. In der nächsten Woche wird erneut in meinem Haus ein Gespräch stattfinden, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, die hierzu allerdings noch kein abschließendes Ergebnis vorzuliegen hat. Deshalb sind auch die Protestbriefe noch nicht beantwortet worden, weil wir noch an der Lösung arbeiten.

Die Jury begreift die Basisförderung als ein Förderinstrument, das eine gewisse Beweglichkeit hat, das heißt, dass es keine Abonnements auf Förderungen gibt, sondern die Theater auf eine größere Kooperation mit anderen Häusern und Veranstaltern setzen sollen. Nach Ansicht der Jury ist das künstlerische Profil der Berliner Kammeroper hervorragend geeignet für eine Kooperation mit den festen Opern- und Konzerthäusern. So engagiert beispielsweise das Konzerthaus jede Spielzeit eine große Anzahl von Kammerensembles, die auf keiner anderen Grundlage arbeiten als die Berliner Kammeroper, aber keine entsprechende Basisförderung erhalten. Hier ist also eine größere Kooperationssuche vonseiten der Berliner Kammeroper, die in ihrem ursprünglichen Basisantrag nur eine rund 20-prozentige Kofinanzierung vorsah, sowie aber auch eine breitere Öffnung der festen Häuser gefragt, um Synergieeffekte und Finanzierungen von dritter Seite besser nutzen zu können.

Erschwerend kommt hinzu, dass im Gegensatz zu anderen Musiktheatergruppen wie beispielsweise der zeitgenössischen Oper in Berlin die Berliner Kammeroper nur acht bis zehn Aufführungen im Jahr zeigt, sodass für eine Förderung in der von der Berliner Kammeroper gewünschten Höhe von mindestens 300 000 Euro pro Jahr angesichts der knapp bemessenen Mittel sicherlich keine Realisierbarkeit gegeben ist.

Es ist also ein wenig systemimmanent, was hier passiert. Wir können nicht im Abgeordnetenhaus, im Kulturausschuss und im Senat Jurys berufen, die eine Bewertung vornehmen und die Mittel verteilen, und bei jeder negativen Entscheidung eine Korrektur fordern. Das ist ein „trotzdem“, sage ich hier. Deshalb führen wir auch die Gespräche. Die Arbeit der Kammeroper wird von uns hoch geschätzt. Wir werden versuchen, dort eine Hilfestellung zu leisten. Wie diese aussehen wird, können wir momentan noch nicht endgültig sagen.

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Jetzt scheint das Mikrofon auch wieder zu funktionieren. Erst einmal ist Frau Ströver mit einer Nachfrage an der Reihe. – Bitte schön, Frau Ströver!

Herr Regierender Bürgermeister! Warum weichen Sie als zuständiger Fachsenator, darauf hatte ich Sie auch in meiner ersten Frage hingewiesen, nicht von den Empfehlungen ab, wie es von Rot-Rot in einer Vielzahl von Fällen – ich nenne Beispiele wie das Renaissance-Theater, die Tribüne oder Atze – getan hat, wenn es sich tatsächlich um ein Repertoire handelt, das von keiner anderen Oper in Berlin in den letzten 30 Jahren auch nur annähernd auf die Bühne gebracht worden ist? Das, denke ich, ist doch die Frage. Und wenn Sie sagen, 150 000 Euro sind im Rahmen der Haushaltswirtschaft nicht zu erbringen, dann glauben Sie das doch selbst nicht.

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Ich habe nicht davon gesprochen, dass 150 000 Euro im Wege der Haushaltswirtschaft zu erbringen seien. Aber hier ist die Frage, welche Gruppen gefördert werden. Dafür haben wir die entsprechenden Titel und Systeme. Hier ist es die Juryentscheidung. Sie haben ja selbst so etwas administriert, ich weiß ja nicht, wie kreativ Sie in der Haushaltswirtschaft waren, aber zumindest war das System damals auch schon vorhanden, dass eine Jury das beurteilt. Das bedeutet, dass es Auf- und Absteiger geben muss. Wenn das alles festgezurrt ist, brauchen wir die Jury nicht,

[Alice Ströver (Grüne): Darum geht es doch gar nicht!]

dann brauchen wir auch nicht den Sammeltitel, sondern setzen dort ein: Kammeroper bekommt immer wieder so und so viel.

[Zuruf von Alice Ströver (Grüne)]

Ihr Hinweis zum Renaissance-Theater war genau so ein Beispiel, wo ein Riesenbetrag aus der Summe jedes Jahr erneut gegeben wurde. Die Jury hat nicht gesagt, sie kriegen es nicht mehr, weswegen wir gesagt haben, dann können wir mit der Regelung aufhören und einen eigenen Titel schaffen, damit es sich nicht jedes Mal aus dem Topf heraus speist, was es sowieso gemacht hätte. Deshalb ist es überhaupt kein Vergleich, der in diesem Zusammenhang zulässig ist.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Birk von Bündnis 90/Die Grünen – bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ein weiteres Beispiel für ein Abweichen von einer Juryentscheidung war die Förderung der Hans-Wurst-Nachfahren, was wir begrüßt haben. Das haben Sie zweimal gemacht. Insofern ist es natürlich möglich. Deswegen frage ich Sie: Werden Sie, wenn Sie jetzt über Lösungen nachdenken, die Kammeroper in die Lage versetzen, sich weiter um die Basisförderung bewerben zu können? Dazu braucht man schließlich eine Finanzierung, die überhaupt ermöglicht, Aufführungen machen zu können.