2. Wessen und welche wirtschaftlichen Interessen müssen nach Auffassung des Senats von Berlin gegenüber dem berechtigten Interesse der Bürger auf Lärmschutz zurückstehen?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Braun! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den Fragen 1 und 2: Der Berliner Senat hat wiederholt im Zusammenhang mit der Diskussion um die Flugrouten am neuen Flughafen Berlin-Brandenburg zum Ausdruck gebracht, dass er dem Thema Lärmschutz für die Anwohner eine höhere Priorität einräumt als wirtschaftlichen Interessen beispielsweise der Airlines. Wir haben in diesem Zusammenhang aber immer darauf aufmerksam gemacht, dass auf einen unabhängigen Parallelflugbetrieb nicht verzichtet werden kann. Auf dieser Grundlage sind wir in die Diskussion
gegangen. Sie wissen, dass wir der Auffassung sind, dass die jetzt vorgelegten Flugrouten so nicht Bestand haben können. Da muss es Veränderungen geben, um Bürgerinnen und Bürger, die bislang nicht betroffen gewesen wären, nachhaltig zu entlasten. Auf Parallelstarts kann aber nicht verzichtet werden.
Herr Regierender Bürgermeister! Weshalb ist es am Flughafen Heathrow in London möglich, auf unabhängige Parallelstarts zu verzichten, an einem Flughafen, der weit über 50 Millionen Passagiere im Jahr hat, während es in Berlin-Schönefeld allenfalls die Hälfte sein werden?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! All diese Fragen müssen geklärt werden. Es gibt bereits Antworten, aber ich finde, die soll man auch offen diskutieren. Man muss sie austauschen und gegebenenfalls auch bewerten. Allerdings hat die Frage der Parallelstarts mit der Frage, die wir zu diskutieren haben, überhaupt nichts zu tun, weil die Aufgabe von Parallelstarts nur dann sinnvoll ist, wenn Sie die Spreizung von 2 mal 15 Grad machen.
Natürlich! Nehmen Sie die Spreizung von 15 Grad von der Nordbahn Richtung Westen weg, die nicht notwendig ist, weil Sie die Spreizung von 15 Grad zur Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern im südlichen Blankenfelde haben, dann sind Parallelstarts kein Sicherheitsthema mehr und die Bürgerinnen und Bürger, die Sie mit Ihrer Plakette vertreten, sind nicht mehr betroffen.
Ich habe auch eine. Ja, ich habe auch eine. – Deshalb ist das nicht mehr eine Frage der Parallelstarts. Sie sind da auf einer falschen Route, Herr Braun, wie häufiger mal.
Herr Regierender Bürgermeister! Treffen Informationen zu, dass bereits zu Zeiten des Diepgen-Senats, also unter CDU-Verantwortung, das Abknicken der Flugrouten und damit die Belastung des Südwestens diskutiert worden ist?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Meyer! Es wird immer über ein Schreiben diskutiert, das der damalige Chef der Flughafengesellschaft bekommen hat – ich glaube, das ist unstrittig –, in dem die Flugsicherung auf die 15-GradProblematik hingewiesen hat, allerdings nicht verbindlich und abschließend. Gleichwohl ist dies nicht die Geschäftsgrundlage gewesen, sondern immer noch die parallel verlaufenden Geradeausstarts. Inwieweit Herr Diepgen davon Kenntnis hatte, kann ich nicht beurteilen. Das entzieht sich nach unseren Recherchen der Aktenlage.
Jetzt geht es weiter mit der Frage Nr. 3 der Kollegin Claudia Hämmerling von Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema
Weshalb hat der Senat in der Flugroutendebatte verschwiegen, dass Berlin die Bundesratsinitiative von Rheinland-Pfalz gegen die Flugabgabe unterstützt hat?
1. Welche umwelt- und klimapolitische Strategie verfolgt der Senat mit der Unterstützung der Bundesratsinitiative des Bundeslandes Rheinland-Pfalz gegen die Flugabgabe?
2. Weshalb erweckt der Senat öffentlich den Eindruck, dass er auf den Verzicht von Parallelstarts drängt – Frau Junge-Reyer hat es dargelegt – und ihm an dem größtmöglichen Lärmschutz der Bevölkerung gelegen ist, während er klammheimlich den Flugverkehr forciert?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch hier wird deutlich, dass alles quer durcheinander geht und alles irgendwie gemixt wird.
Der Senat hat überhaupt nichts verschwiegen, und zwar schon gar nicht seine Haltung zu dieser unsäglichen Steuer, die die Bundesregierung meinte von heute auf morgen einführen zu müssen.
Ich beantworte aber Ihre Frage gern im Einzelnen: Der Senat hat den zuerst im Verkehrsausschuss des Bundesrates von Rheinland-Pfalz und Brandenburg eingebrachten Antrag unterstützt,
und zwar nicht, weil er grundsätzlich gegen eine Luftverkehrsabgabe ist, sondern weil die von der Bundesregierung vorgeschlagene Form der Abgabe verfehlt und auch umweltpolitisch schädlich ist. Ein nationaler Alleingang verursacht Umgehungs- und Verlagerungsverkehr zugunsten von Flughäfen in Nachbarländern und beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.
Kein Quatsch, es ist so! Erkundigen Sie sich einmal hinsichtlich der anderen Abgaben, die eingeführt worden sind – z. B. in Großbritannien. Die sind schon längst wieder zurückgenommen worden.
Die konkrete Ausgestaltung der Abgabe – z. B. die Herausnahme des Frachtverkehrs – führt auch zu unterschiedlichen Belastungen bei den einzelnen Flughäfen. Berlin und Brandenburg würden überproportional getroffen. Diese Wettbewerbsverzerrung können wir nicht hinnehmen.
Zu 2: Wie ich schon in meiner Antwort zur Mündlichen Anfrage Nr. 2 gesagt habe, strebt der Senat keinen Verzicht auf die Möglichkeit von Parallelstarts an. Wir wollen – und dies keinesfalls klammheimlich – einen leistungsfähigen und erfolgreichen Flughafen Berlin Brandenburg, der einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung Berlins und der Region leisten kann und soll. Auf der anderen Seite ist aber ebenso klar, dass der Flugverkehr am neuen Flughafen Berlin Brandenburg so abgewickelt werden muss, dass die Bürgerinnen und Bürger möglichst wenig durch Fluglärm belastet werden. Das ist das Ziel.
Nochmals, damit das auch ganz klar wird: Der Senat hat in der letzten Fluglärmkommission – und wird das auch in Zukunft tun – die Position eingenommen – und das ist eine abgestimmte Position –, dass wir bei der nördlichen Startbahn zu dem alten Vorschlag zurückkehren wollen. Damit wäre die Problematik von Parallelstarts dann auch in der Weise erledigt.
Trotzdem sagen wir auch: Zur Entlastung auch der Menschen in Blankenfelde muss dort selbstverständlich bei der Umsetzung der Korridore beachtet werden, dass so wenig Belastungen wie möglich für die Menschen entstehen. Das heißt also, wenn man so viele Starts wie möglich von der südlichen Startbahn durchführen könnte, dann unterstützen wir das selbstverständlich, weil dann weniger Belastung für diejenigen entstünde, die durch die Überfliegung von der Nordbahn aus betroffen wären. Das sind
dann konkrete Dinge. Aber wir können nicht von vornherein auf diese Parallelstarts verzichten. Das wäre in den Spitzenzeiten nicht machbar. Es macht auch keinen Sinn, den Bürgerinnen und Bürgern hier irgendwie etwas vorzumachen. Es wird nach unseren Erkenntnissen zu Parallelstarts kommen müssen, erst recht dann, wenn der Flughafen weiter expandiert, was er zurzeit tut und was wir auch wollen. Wir wollen, dass dort mehr Leute fliegen und mehr Flugbewegungen sind. Das ist wirtschaftspolitisch das Ziel. Da unterscheiden wir uns von den Grünen, die sagen: Packt den ein und reduziert den Flugverkehr! – Nein, wir sind dafür, dass sich der Flugverkehr dort ausdehnt.
[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Michael Schäfer (Grüne): Wir sind gegen die Subventionierung von Billigflügen! Das ist der Unterschied!]
Schönen Dank, Herr Präsident! – Herr Wowereit! Sehen Sie denn keinen Widerspruch darin, dass Sie einerseits die Vielfliegerei forcieren, indem Sie diese Bundesratsinitiative unterstützen, und andererseits den Bürgerinnen und Bürgern den größtmöglichen Lärmschutz versprechen?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Mich wundert Ihre Position ein wenig. Bislang – jedenfalls in letzter Zeit – haben Sie als Grünen-Fraktion den Flughafen Berlin Brandenburg International nicht infrage gestellt. Deshalb die Frage: Stellen Sie die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Kapazitäten infrage?
[Zurufe von den Grünen: Nein! – Michael Schäfer (Grüne): Die staatliche Subventionierung von Billigflügen stellen wir infrage!]
Diese Kapazitäten waren so, dass im Planfeststellungsverfahren eine Eingangskapazität von 22 Millionen Fluggästen – und selbstverständlich steigend – festgelegt worden ist. Da sind nämlich die Erweiterungsmöglichkeiten mit den Satelliten vorgesehen. Wir haben hier diskutiert, wie groß dieser Flughafen sein muss, und werden beim Start am 3. Juni 2012 noch nicht annähernd die Auslastung erreicht haben, die dieser Flughafen planfestgestellt bietet. Darauf kann nicht verzichtet werden. Ansonsten müssen Sie sagen: Bitte sehr, stopp! Weist Flugverkehr ab von Schönfeld! Das ist die Position der Grünen. – Das möchte
ich aber dann mal von Ihnen klipp und klar artikuliert hören: Wollen Sie, dass der Gesellschafter Land Berlin dafür sorgt, dass die Fluggastzahlen und die Flugbewegungen in Schönefeld zurückgehen, weniger Verkehr generiert wird und weniger Wirtschaftswachstum in dieser Stadt besteht? – Diese Frage müssen Sie dann bitte schön beantworten, und zwar klar – nicht so ein Wischiwaschi, wie es in letzter Zeit immer wieder kam.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Regierender Bürgermeister! Angesichts der Aufregung bei der GrünenFraktion die Frage: Es gibt offensichtlich ein Missverständnis bei der Luftverkehrsabgabe, aber der Senat wird doch hoffentlich dafür eintreten, dass man international eine Besteuerung von Luftverkehr, d. h. eine Kerosinsteuer, unterstützt.