Protocol of the Session on November 11, 2010

[Beifall bei der FDP]

Aber, Herr Müller, wir müssen auch die skandalösen Nachverhandlungen der Verträge im Jahr 2004 thematisieren. Der Berliner Senat hat sich hierbei als öffentlicher Wegelagerer etabliert, um sich durch Zinstricksereien ein möglichst großes Stuck vom Kuchen abzuschneiden. Das gehört zur Wahrheit dazu. Wir fordern Sie heute auf: Leiten Sie unverzüglich Schritte ein, um den Wasserpreis dauerhaft durch Verzicht auf Ihre Gewinnausschüttung für das Land Berlin zu senken! Ein entsprechender Antrag der FDP liegt Ihnen heute vor.

[Beifall bei der FDP]

Nehmen wir das Beispiel Strom- und Fernwärmenetze. Handelt eine Senat, der mit Strom handeln will, im Sinne der Bürger? – Eindeutig nicht! Was haben wir davon, wenn das Land Berlin neben den zweihundert aktuellen Stromanbietern zusätzlich Strom anbietet? – Nichts, außer höheren Zinszahlungen und eine Neuverschuldung, die die kommenden Generationen tragen müssen! Das ist Ihre Zukunftspolitik, Herr Wowereit und Herr Wolf. Berlin braucht eine Neuausschreibung der Konzessionsverträge für Gas- und Stromnetze, bei der der Wettbewerb und damit der Nutzen für den Berliner Verbraucher im Vordergrund steht.

[Beifall bei der FDP]

Zur S-Bahn: Soll der Senat Schulen und Straßen reparieren oder S-Bahnzüge kaufen? Schuld am S-Bahnchaos ist mangelnder Wettbewerb im Nahverkehr. Nur ein Monopolist im Staatseigentum, ohne Wettbewerber und Kontrolle kann Unternehmen finanziell so auspressen und kaputt optimieren, wie das bei der Berliner S-Bahn geschehen ist. Hier müsste ein Umdenken bei den Möchtegernverstaatlichern stattfinden.

[Beifall bei der FDP]

Die aktuellen Perspektiven sind wenig ermutigend. Die durch die HOWOGE- und die A-100-Debatte angeschlagene Senatorin Junge-Reyer wollte ursprünglich zumindest den Wettbewerb in einem Teilnetz ab 2017 ermöglichen. Aber offensichtlich scheint die Senatorin auf Abruf mittlerweile sogar zu schwach zu sein, um dieses Minimalziel durchzusetzen. Der Betrieb eines Viertels des S-Bahnnetzes durch die BVG und der Erwerb der S-Bahn durch das Land Berlin, was offensichtlich auf dem SPDParteitag am Wochenende diskutiert wird, ist beides inakzeptabel. Nur Wettbewerb bei Verkehrsleistung schafft dauerhaft niedrige Preise und Qualität. Wir brauchen einen konsequenten Wettbewerb, d. h. nicht nur bei einzelnen Teilnetzen, sondern im Gesamtnetz in einer geregelten Ausschreibung in sinnvollen Streckenbündeln. Wir fordern Sie auf: Beenden Sie Ihre verantwortungslosen und unfinanzierbaren Monopoly-Planspiele, und schaffen Sie mehr Wettbewerb! Nur das sichert dauerhaft Wachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand für Berlin.

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Meyer! – Ich lasse jetzt abstimmen, und zwar zuerst über den Antrag der Koalitionsfraktionen. Wer den zur Aktuellen Stunde machen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das sind CDU und FDP. Die Grünen enthalten sich. Damit war das erste die Mehrheit. Die anderen Themen haben damit ihre Erledigung gefunden.

Ich möchte Sie auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte das im Einzelfall nicht so sein, bitte ich um eine entsprechende Mitteilung.

Folgende Senatsmitglieder sind für heute entschuldigt: Senator Dr. Zöllner, der ab ca. 19 Uhr abwesend sein wird, um an einer Festveranstaltung des DeutschJapanischen Zentrums teilzunehmen, und der Regierende Bürgermeister, der ab 18.30 Uhr abwesend sein wird, um zur Bambi-Verleihung im Filmpark Babelsberg zu gehen.

[Michael Schäfer (Grüne): Kriegt er wenigstens etwas verliehen?]

Dem Erfordernis der Abwesenheit des Regierenden Bürgermeisters hat die Fraktion der CDU im Ältestenrat widersprochen. Die beiden anderen Oppositionsfraktionen haben sich dieser Kritik angeschlossen.

Damit komme ich zur

lfd. Nr. 1:

Fragestunde – Mündliche Anfragen

Bevor ich die erste Frage aufrufe, teile ich mit, dass die Frage Nr. 29 von der Kollegin Kroll von der CDUFraktion zurückgezogen worden ist.

Zur ersten Mündlichen Anfrage hat nun Frau Radziwill von der SPD-Fraktion das Wort, und zwar zum Thema

Der Winter steht vor der Tür: Sind alle Hilfsangebote für Wohnungslose gesichert?

Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Werden auch in diesem Winter und im kommenden Jahr alle zuwendungsfinanzierten Projekte der Straßensozialarbeit und der Wohnungslosenberatung fortgesetzt?

2. Wie stellt der Senat im Falle der Übernahme von Projekten durch andere Träger die Kontinuität und die Qualität der Angebote sicher?

Das beantwortet die Frau Senatorin Bluhm. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Radziwill! Zunächst zu Ihrer Hauptfrage: Ja! Alle Hilfsangebote für Wohnungslose sind gesichert. Wir sind auf den Winter vorbereitet. Die Kältehilfe ist ein zusätzliches Notprogramm der Berliner Bezirke für auf der Straße lebende Menschen, die die Regelversorgung nicht in Anspruch nehmen. Seit 1998 werden in der Winterzeit – von Anfang November bis Ende März – zusätzliche Notschlafplätze und Tagesaufenthalte im Land Berlin zur Verfügung gestellt.

Das gesicherte Angebot an Notschlafplätzen umfasst in dieser Winterperiode bisher 258 Plätze in insgesamt 14 Notübernachtungseinrichtungen zuzüglich einer täglich variierenden Platzzahl in 17 Nachtcafes. Demnach verfügen wir aktuell über eine Gesamtkapazität beider Angebote zwischen 300 bis 400 Plätzen täglich. Das endgültige Angebot wird frühestens Mitte November dieses Jahres vorliegen. Bei den Nachtcafés stehen noch Meldungen aus. Wie in jedem Jahr wird das gesamte Angebot im Internet unter www.kaeltehilfe-berlin.de abrufbar sein.

In seinem derzeitigen Umfang wird das Angebot von allen Fachleuten und Verbänden als knapp bemessen eingestuft, aber es wird auch eingeschätzt, dass es unter normalen winterlichen Bedingungen ausreicht. Die Senatsverwaltung steht mit den Bezirken, die für die Be

reitstellung von Plätzen zuständig sind, in engem Kontakt. Sollte der Winter ähnlich hart werden wie der letzte, werden wir uns gemeinsam für die Schaffung weiterer Plätze engagieren. Das ist uns auch im vorigen Winter gelungen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich appelliere an dieser Stelle natürlich noch einmal an alle Einrichtungen und Akteure, ihre Angebote in der Öffentlichkeit breit darzustellen, und an die Betroffenen, sich über die Angebote zu informieren und diese in Anspruch zu nehmen.

Sie verbinden in Ihrer Anfrage völlig zu Recht die Angebote der Kältehilfe mit den ganzjährigen Angeboten der Wohnungslosenhilfe. Es ist erklärtes Ziel, in der Kältehilfe weitergehende Angebote und Hilfen aufzuzeigen und einen Ausweg aus der Wohnungslosigkeit zu ermöglichen. Wir fördern insgesamt zwölf ambulante Dienste und Einrichtungen in der Wohnungslosenhilfe, die nicht nur im Winter für viele Wohnungslose der erste Anlaufpunkt sind, um Hilfe zu erhalten.

Die in Ihrer Frage angesprochenen Projekte der Straßensozialarbeit und der Beratung für Wohnungslose sind ein wichtiger Bestandteil des Hilfesystems, und wir werden sie im kommenden Jahr weiterfinanzieren. Das steht völlig außer Frage.

Ich vermute, der Hintergrund Ihrer Frage ist der von mir eingeleitete Trägerwechsel bei zwei Projekten. Aufgrund der Vorgänge bei der Treberhilfe habe ich entschieden, die Zuwendungsförderung für diesen Träger im nächsten Jahr nicht fortzusetzen. Diese Absicht ist der Geschäftsführung der Treberhilfe schon seit einigen Monaten bekannt. Wir haben dazu auch Anhörungen durchgeführt. Einen Anspruch auf Weiterförderung gibt es bei Zuwendungen nicht. Das weiß die Treberhilfe. Ich kann Ihnen versichern, dass es das Hilfsangebot in gleicher Qualität und im gleichen Umfang weiterhin geben wird, allerdings nicht mit der Treberhilfe, sondern mit anderen erfahrenen Trägern. Es ist bei einem Trägerwechsel auch wichtig, dass die Beschäftigten, die in der Straßensozialarbeit und der Betreuung der Wohnungslosen tätig sind, ihre Arbeit fortsetzen können. Ich bin zuversichtlich, dass wir dies für diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zu einem neuen Träger wechseln wollen, hinbekommen werden.

Danke schön, Frau Senatorin! – Können Sie bitte im Saal etwas leiser sein! Es herrscht eine diffuse Unruhe, die unangenehm ist.

Frau Radziwill hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte schön, Frau Radziwill!

Vielen Dank für den ersten Teil Ihrer umfassenden Antwort. In der Tat steckt das, was Sie vermutet haben, im

zweiten Teil meiner Nachfrage. Diesbezüglich möchte ich nachfragen: Wie bewerten Sie denn die bisherige Straßensozialarbeit des Trägers Treberhilfe qualitativ? Ich frage dies deshalb, weil ein Trägerwechsel immer auch eine gewisse Gefahr von Qualitäts- und Kontinuitätsverlust birgt, zumal ich davon ausgehe, dass Sie wissen, dass ein Großteil der Mitarbeiter einen Trägerwechsel nicht will.

Bitte schön, Frau Senatorin Bluhm!

Ich bewerte die Arbeit der Beschäftigten in dem Zuwendungsbereich, was die Beratung von wohnungslosen Menschen und die Straßensozialarbeit betrifft, sehr hoch. Wir haben immer betont, dass die Qualität dieser Arbeit für uns ein wirklich erhaltenswertes Gut darstellt und dass dieses Infrastrukturangebot für die Stadt auch erhalten bleiben soll. Andererseits haben wir letzte Woche im Fachausschuss diskutiert, dass uns sechs Beschäftigte, die auch mit ihrem Namen dafür einstehen, mitgeteilt haben, dass sie genau diese Arbeit mit dieser Qualität gern aufrecht erhalten möchten, dafür jedoch einen anderen Träger suchen und ihre Arbeit unter dem Dach der Treberhilfe nicht fortsetzen wollen. Es hat mich jetzt ein Brief anderer Beschäftigter erreicht, die geschrieben haben, sie wollten ihre Arbeit im Zuwendungsbereich unter dem Dach der Treberhilfe fortsetzen, wozu ich festgestellt habe, dass diese Beschäftigte gar nicht alle im Zuwendungsbereich arbeiten. Deshalb bitte ich darum, dass wir die Auseinandersetzung um die Treberhilfe, um die Fortsetzung der Zuwendungsfinanzierung bei der Treberhilfe nicht auf dem Rücken der Beschäftigten austragen. Sie haben es verdient, dass wir gemeinsam alles dafür tun, dass sie am 1. Januar 2011 ihre Arbeit in der wirklich hervorragenden Qualität fortsetzen können.

Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt ist der Kollege Hoffmann mit einer Nachfrage an der Reihe. – Bitte schön, Herr Hoffmann!

Ich möchte in der Sache die Senatorin fragen: Ist es nicht ein Stück weit Willkür, mit der Sie vorgehen, wenn Sie auf der einen Seite feststellen, dass die Leistungsangebote gut und ordentlich sind – und dies von den Bezirken bestätigt wird –, und auf der anderen Seite sagen, es werde kein Geld mehr geben, unabhängig davon, auf welche Art und Weise die Arbeitsleistung erbracht worden ist? Das ist doch das Austragen einer politischen Handlung zulasten der Beschäftigten.

Frau Senatorin Bluhm – bitte!

Für die landesfinanzierte, zuwendungsfinanzierte Arbeit in diesem Bereich braucht es Vertrauen. Wir haben sehr viele Informationen darüber ausgetauscht, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist oder nicht. Mir ist es wichtig, dass die Arbeit fortgesetzt werden und ich dem Wunsch der Beschäftigten entsprechen kann, unter einem anderen Träger diese Arbeit fortzusetzen. Wir werden alle Beschäftigten, die sich an mich persönlich gewandt haben, in die Senatsverwaltung einladen und mit ihnen alle zu klärenden Fragen klären und sie vertrauensvoll bei einem Trägerwechsel begleiten, wenn sie es wollen.

Danke schön!

Es geht weiter mit der Frage Nr. 2 des Kollegen Michael Braun von der CDU-Fraktion über

BBI-Flugrouten – jetzt ist der Senat von Berlin gefordert!

Bitte schön, Herr Braun!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wird der Senat von Berlin seine Gesellschafterstellung in der Flughafengesellschaft dazu nutzen, das Prinzip Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit durchzusetzen, indem er gemeinsam mit dem Bund von der Geschäftsführung verlangt, dass sie auf einen abhängigen statt unabhängigen Parallelbetrieb bei den Starts gegenüber der Deutschen Flugsicherung besteht?

2. Wessen und welche wirtschaftlichen Interessen müssen nach Auffassung des Senats von Berlin gegenüber dem berechtigten Interesse der Bürger auf Lärmschutz zurückstehen?