Protocol of the Session on September 9, 2010

Deshalb haben wir uns als CDU-Fraktion im Rahmen eines großen Fachgesprächs mit dem Thema mit vielen Experten und Wissenschaftlern beschäftigt. Und wir sind überrascht, dass auch jetzt nach der Sommerpause noch keine andere Fraktion und auch nicht der Senat zu diesem Thema etwas vorgelegt hat.

Berlin steht wegen der mangelhaften Umsetzung des Artikels 24 der UN-Konvention in der Kritik. Trotz eindeutiger Vorgaben und bundesrechtlicher Regelungen war der Senat bisher nicht bereit, beim Umbau der Berliner Schulstruktur die Teilhabe aller Kinder am Bildungsprozess umzusetzen. Auch im Schuljahr 2010/2011 wird sich dies nicht ändern, da die Senatsbildungsverwaltung noch immer kein Konzept für die Umsetzung der Vorgaben der UN-Konvention oder der Empfehlungen der KMK vorgelegt hat.

Die CDU-Fraktion hat nun Grundlagen für die Umsetzung der UN-Konvention in Berlin vorgelegt und diese heute als Antrag eingebracht. Wir wollen, dass alle Kinder gemeinsam in der Berliner Schule lernen können. Wir wollen, dass Kinder mit und ohne Förderbedarf zusammen lernen und dass die Unterstützungssysteme ausgebaut werden. Die integrative Beschulung muss zu einer Selbstverständlichkeit werden. Der Senat muss daher mit allen Akteuren einen Masterplan mit konkreten zeitlichen Schritten für die Umsetzung und eine solide Ausfinanzierung der UN-Konvention erarbeiten und noch in diesem Jahr vorlegen.

Im Zentrum der Umsetzung der UN-Konvention muss das einzelne Kind und damit die Organisation der besten Förderung der Entwicklungsmöglichkeiten eines jeden Kindes stehen. Auch hier gilt wieder: Jedes Kind ist unterschiedlich. Bereits heute gelingt eine qualitativ hochwertige Förderung in vielen Förderschulen und Regelschulen. Nicht der Staat, sondern die Menschen müssen auch in der Zukunft entscheiden können, ob ihnen die Regelbeschulung wichtiger und richtig für das einzelne

Kind ist oder die besonders intensive sonderpädagogische Förderung nach Fachrichtungen an einer Förderschule oder in einer Förderklasse. Die Eltern müssen eine echte Wahlfreiheit haben.

[Beifall bei der CDU]

Als erster Schritt zur Umsetzung der UN-Konvention müssen daher umgehend die Standards sonderpädagogischer Förderung, und zwar unabhängig vom Lernort, definiert werden. Dabei müssen alle Akteure, insbesondere Praktiker und Wissenschaft, einbezogen werden. Die stetige Verstärkung der Integration im Sinne der UNKonvention darf auf keinen Fall zu einer Regelbeschulung ohne sonderpädagogische Förderung des einzelnen Kindes umgedeutet werden, so wie wir das heute in einigen Debatten erleben. Lassen Sie uns die Chance nutzen, in diesem Haus das Thema unideologisch anzugehen und tatsächlich zu einem Konsens aller Parteien zu kommen. Um die Standards der sonderpädagogischen Förderung an allen Lernorten zu garantieren, muss der Förderbedarf eines Kindes weiterhin, und zwar schon vor Schuleintritt, festgestellt – –

Herr Steuer! Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Okay; aber hier blinkt nicht mal auf, dass noch eine Minute übrig ist. Mittlerweile blinkt gar nichts mehr auf. Insofern werde ich mir Mühe geben, schnell zum Ende zu kommen. – Angesichts ständig steigender Zahlen des Integrationsbedarfs ist eine kostenneutrale Umsetzung der UN-Konvention nicht denkbar. Der Senat muss deshalb umgehend den Finanzierungsbedarf zur Erreichung der Barrierefreiheit für alle Bezirke sowie die Mittel für das sonderpädagogisch qualifizierte pädagogische Personal und den Umbau der Förderschulen zu Kompetenzzentren feststellen und einen Finanzierungsplan für 2011 vorlegen. Geben wir so allen Kindern eine Chance auf Bildung und Teilhabe in den Berliner Schulen!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Steuer! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat Frau Harant.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Ich denke, wir sind weitgehend einer Meinung, und den Konsens, den Herr Steuer gerade angemahnt hat, sehe ich eigentlich nicht als großes Problem an. Was Sie kritisieren, ist die Geschwindigkeit der Umsetzung. Und da muss ich Ihnen sagen, das geht nicht von heute auf morgen. Wie jeder völkerrechtliche Vertrag ist auch die Behindertenrechtskonvention auf eine schrittweise Umsetzung angelegt. Es macht eben nur Sinn – Sie hatten es im

Grunde selbst gesagt –, wenn der Zugang zu den Regelschulen verbunden ist mit einer sonderpädagogischen Förderung der Kinder. Das ist übrigens genau der Grund gewesen, warum wir in der Schulstrukturreform nicht auch noch gleichzeitig die Inklusion umgesetzt haben. Hier ist Sorgfalt wichtiger als Geschwindigkeit.

[Mieke Senftleben (FDP): Nicht nur da!]

Wir wollen eine vernünftige Form der Inklusion entwickeln.

Zur Rechtslage in Berlin: Das Berliner Schulgesetz von 2004 legt bereits den Vorrang der gemeinsamen Bildung und Erziehung fest. Die Eltern von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben schon heute das Recht zu wählen, ob ihr Kind eine allgemeine Regelschule oder ein sonderpädagogisches Förderzentrum besucht. Der Besuch der Regelschule steht aber, das weiß ich, unter dem Vorbehalt der personellen, sächlichen und organisatorischen Möglichkeiten. Das heißt, das Land Berlin ist nur innerhalb seiner finanziellen Möglichkeiten verpflichtet, ein Höchstmaß an inklusiver Beschulung zu ermöglichen.

Wie weit sind wir da nun gekommen? – Sie haben Zahlen genannt. Ich habe etwas andere Zahlen. Im Schuljahr 2008/2009 haben knapp 40 Prozent aller Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf am Unterricht in Grund- und weiterführenden Schulen teilgenommen. Und im Schuljahr 2009/2010 waren es bereits 42 Prozent. Damit nimmt Berlin im Ländervergleich einen der drei vordersten Plätze ein und liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 19 Prozent – mehr als doppelt so viel haben wir.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das ist eine durchaus beachtliche Leistung. – Einen Wermutstropfen gibt es: Die Unterschiede zwischen den Bezirken sind sehr groß. Schlusslicht ist Lichtenberg mit 19 Prozent; am besten schneidet Tempelhof-Schöneberg mit 62 Prozent ab.

In Ihrem Antrag vom Juni 2010 fordern Sie jetzt zum Schulanfang einen Masterplan. Das ist ein bisschen schnell, finde ich. Da habe ich doch den Verdacht, Sie wissen, dass daran gearbeitet wird. Es wird daran gearbeitet, schon längst. Wir werden innerhalb der nächsten vier Jahre die sonderpädagogische Förderung in Berlin auf neue Beine stellen, neu regeln. Schwerpunkte – ich nenne sie nur stichpunktartig – sind erstens die Erhöhung des Anteils der inklusiven Beschulung, zweitens die Reduzierung der Anzahl der Förderzentren unter Berücksichtigung der Gewährleistung des Elternwahlrechts, drittens die Gewährleistung vergleichbarer Rahmenbedingungen in allen Bezirken, da ist es heute noch ziemlich ungleich verteilt, und viertens die Konzentration der sonderpädagogischen Förderung im Bereich Sprache auf die ersten Jahre der Grundschule. Also, es wird daran gearbeitet. Ziel ist, dass der Vorbehalt für den gemeinsamen Unterricht aufgehoben wird und auf Wunsch der Eltern jedem

Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf ein Platz an einer Regelschule zur Verfügung gestellt werden kann.

Bange Frage in diesem Zusammenhang, die stellen Sie zu Recht: Was kostet das alles? Wie ist das finanziert? – Hier brauchen wir belastbare Zahlen, da gebe ich Ihnen recht. Ich denke, die werden wir in Kürze erhalten. Aber meine Ausführungen zeigen, wie intensiv an diesem Thema bereits gearbeitet wird, wie weit das von Ihnen verlangte Konzept schon konkretisiert ist. Ich denke, das ist auf jeden Fall eine gute Nachricht. Das Ganze lässt sich noch unterstreichen dadurch, dass in der nächsten Ausschusssitzung genau dieses Thema besprochen werden wird und dieser Antrag dann noch einmal diskutiert werden kann. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Harant! – Das Wort für die Grünen hat der Kollege Mutlu.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag hat viel Gutes, aber auch einige Schattenseiten. Ich habe bei der Rede von Herrn Steuer zum Beispiel nicht herausgehört oder verstanden, was er mit der Wahlfreiheit meint. Dabei ist die UN-Deklaration zu den Rechten von Menschen mit Behinderung klar und eindeutig. Sie ist von der Bundesregierung ratifiziert, damit sind die Bundesländer in der Pflicht, auch dieses in absehbarer Zeit umzusetzen.

Glücklicherweise hat sich die KMK damit schon auseinandergesetzt. Aber leider ist das, was die KMK diskutiert und abgemacht hat, länderübergreifend nicht besonders. Man hat das Gefühl, dass die dort alle nach Lücken in der Deklaration gesucht haben, wohinter sie sich verstecken können. Jedes der 16 Bundesländer findet sich irgendwie in diesem Konzept der UN wieder. Irgendwie habe ich das Gefühl, ein so großes Interesse haben die Bundesländer nicht, da etwas zu tun.

Berlin ist glücklicherweise weiter in dieser Frage. Es ist in der Tat so, dass wir eine sehr gute Betreuung oder ein sehr gutes Angebot haben. Das hilft aber nicht, wenn wir schon seit mehreren Jahren in diesem Bereich Kürzungen vornehmen. Es ist nämlich nur eine Vorgabe des Schulgesetzes, nämlich dass es einen Vorrang gibt für die Integration, aber richtig umgesetzt wird das leider nicht, weil der Topf dafür gedeckelt ist. Das heißt, wenn mehr Schülerinnen und Schüler und wenn mehr Eltern an der Integration partizipieren möchten, ihre Kinder integrativ beschulen lassen möchten, gibt es nicht mehr Geld. Das Geld, das da ist, wird verteilt, mit dem Ergebnis, dass immer mehr Schülerinnen und Schüler mit weniger auskommen müssen. Das kann weder im Interesse dieses Hauses noch der Schülerinnen und Schüler sein.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ich möchte an dieser Stelle unterstreichen, dass Integration nicht gleich Inklusion bedeutet. Inklusion ist ein bisschen mehr, und das sollten Sie alle einmal, wenn der Bericht hoffentlich bald vom Senator vorgelegt wird, genau anschauen. Berlin muss in der Tat mehr tun. Berlin muss einen Systemwechsel vornehmen. Wir hoffen, dass das Konzept, das hoffentlich bald kommt, uns den Weg dazu bereitet. Im Übrigen ist das nichts Neues, dieser Masterplan, den die CDU fordert. Wir haben schon vor zwei Jahren gefordert, dass der Senat einen Systemwechsel vornehmen soll. Im Schulausschuss haben wir auch verabredet, dass wir diesen Bericht abwarten. Nur der muss endlich mal kommen.

[Beifall von Elfi Jantzen (Grüne)]

Die Frage ist uns der Senator nach wie vor schuldig. Deshalb kann es nicht schaden, wenn die CDU mit diesem Antrag die Diskussion ein bisschen wieder befördern will. Wir müssen über die einzelnen Spiegelstriche sicherlich noch sprechen, weil die Meinungen hinsichtlich der Interpretation der UN-Deklaration scheinbar hier bei den Parteien in unterschiedliche Richtungen gehen. Ich kann nur sagen, wir dürfen nicht viel Zeit verlieren, denn es geht um die Kinder, um die Schülerinnen und Schüler, die jedes Jahr um ihr Recht gebracht werden. Ich sage nur einen Punkt: Schulhelferproblematik.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Kollege Mutlu! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Kollege Zillich.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung liegt uns sehr am Herzen.

[Elfi Jantzen (Grüne): In der Schublade!]

Die Umsetzung einer inklusiven Schule, eines inklusiven Schulsystems liegt uns sehr am Herzen. Wir haben im Land Berlin erheblichen Handlungs- und Veränderungsbedarf. Das wissen wir. Deswegen hat die Koalition den Senat beauftragt, ein Konzept vorzulegen. Soweit der CDU-Antrag fordert, einen Plan vorzulegen, ist er überflüssig, denn diesen Auftrag hat der Senat schon. Ich gehe davon aus, dass diese Vorlage des Senats in Kürze vorliegen wird. Wir werden intensiv diskutieren. Und soweit der CDU-Antrag hierzu Vorschläge macht, werden wir ihn in diese Debatte mit einbeziehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Senftleben.

Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es eigentlich auch kurz machen, fällt mir ein, denn es ist halb neun, und wir haben heute schon alle viel geredet. Ich will nur eines noch mal sagen: Bei dieser angelegten Strukturreform, die wir ja nun hinter uns haben oder vor uns haben, je nachdem, wie man es nimmt, da spielte das Thema Inklusion keine Rolle. Auch bei den vorbereitenden baulichen Maßnahmen – Thema Konjunkturpaket II – wissen wir, dass nicht alle Maßnahmen getroffen wurden, die einen behindertengerechten Ausbau berücksichtigen. Der Senator wies eben auch mehrmals darauf hin, Frau Harant hat es eben auch gesagt, beides zusammen, Strukturreform und Inklusion mit Beginn des Schuljahres haut nicht hin. Und da sage ich hier auch sehr deutlich, das war und ist auch im Sinne der FDP.

[Beifall von Volker Thiel (FDP)]

Und zu diesem: Wir sagen also nach wie vor, wir vertreten die Auffassung: Inklusion mit dem Grundsatz der Inklusion von Sonderbeschulung, Wahlrecht der Eltern muss erhalten bleiben. Einen Zwang, eine rigide oktroyierte Umsetzung in die eine wie in die andere Richtung lehnen wir ab. Eine kostenneutrale kurzfristige Umsetzung halten wir für völlig illusorisch. Da träumen wir wieder von irgendwelchen Lösungen, und es funktioniert hinterher nicht. Bei den Förderzentren bin ich auch sicher, dass die Schulen im Augenblick die Förderzentren als begleitende Kompetenzzentren noch brauchen. Lehrerausbildung, Lehrerfortbildung, die müssen wir auf die breite Basis stellen, damit sie die Anforderungen an eine inklusive Schule auch erfüllen können. Ich sehe hier noch sehr viele Hürden. Das bisherige Handeln des Senats war nicht so richtig überzeugend. Wenn ich an die Schulhelfer denke, dann stehen mir die Haare zu Berge.

[Heiterkeit bei Özcan Mutlu (Grüne)]

Deswegen halten wir die Aufforderung der CDU an Senator Zöllner, hier einen Masterplan vorzulegen, für völlig berechtigt. Wir können uns in weiten Teilen den angemahnten fachlichen Punkten anschließen, lieber Herr Steuer! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Zurufe von den Grünen]

Auch wir danken für die Stringenz aller Wortmeldungen. Weitere liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/3305 an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Die Tagesordnungspunkte 30 und 31 befinden sich auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 32:

Antrag

Planungsblockade für die Straßenbahnanbindung zum Hauptbahnhof beenden – Planfeststellungsbeschluss ändern

Antrag der Grünen Drs 16/3405