Protocol of the Session on June 3, 2010

Aber lassen Sie mich noch mal grundsätzlich auf den Kern des Problems, auf die planungsrechtliche Steuerung des großflächigen Einzelhandels eingehen! Dies erscheint mir doch notwendig, da Sie neben dem bisher schon Genannten auch noch eine Bundesratsinitiative zur Änderung der Regelungen der Baunutzungsverordnung einfordern. Der von Ihnen geforderte Schutz der Stadtstruktur sowie der Erhalt von kleinteiligen Einzelhandelsstrukturen wird schon durch die Regelung des § 34 Abs. 3 des Baugesetzbuches gewährleistet. Mir ist bewusst, dass die Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel oftmals sehr kontrovers diskutiert wird und meistens eine lokale Dis

kussion erzeugt. Trotzdem bin ich der Auffassung, dass die vorhandenen gesetzlichen Regelungen das definierte und gewünschte Ziel, eine stadtverträgliche Lösung für diese Ansiedlung zu erreichen, schon heute hinreichend erfüllen.

[Beifall bei der CDU]

Ich denke hier beispielsweise an entsprechende Bebauungspläne oder vorhandene gesamtstädtische bzw. bezirkliche Zentren- und Einzelhandelskonzepte.

Wie Sie also sehen, meine Damen und Herren der Koalition, sind alle in Ihrem Antrag erhobenen Forderungen bereits seit mehreren Jahren umgesetzt. Oder haben Sie bereits vergessen, dass der Senat bereits im Jahr 2006 die geplante Erweiterung des Estrel-Convention-Centers mit der Ansiedlung von rund 12 000 m² Verkaufsfläche als nicht zulässig verhindert hat? Die Begründung war seinerzeit eine etwaige Gefährdung des Handels in der KarlMarx-Straße.

[Christian Gaebler (SPD): Das ist doch eine ganz andere Größenordnung! Es geht doch um unter 750 m²!]

Dazu komme ich jetzt, Herr Gaebler! – Letztlich drängt sich mir nämlich der Verdacht auf, dass Sie mit diesem Antrag weniger das in der Überschrift formulierte Ziel verfolgen, sondern dass es Ihnen vielmehr darum geht, Einfluss auf die Genehmigungsfähigkeit von sogenannten Discountern zu nehmen.

[Christian Gaebler (SPD): Ja, genau! Jetzt haben Sie es begriffen!]

Diese aber haben in der Regel einen geringeren Verkaufsflächenumfang als 800 m², Herr Gaebler, und erfüllen damit, wie Sie eigentlich wissen müssten, eben nicht den Tatbestand der Großflächigkeit. Für derartige Bauvorhaben liegt die Genehmigungshoheit allein bei den Bezirken.

[Christian Gaebler (SPD): Deshalb doch der Antrag!]

Nach meiner Überzeugung handeln die Bezirke auf Grundlage ihrer eigenen Zentrenkonzepte sehr verantwortungsvoll.

[Beifall bei der CDU – Christian Gaebler (SPD): Deshalb haben Sie dem Antrag auch zugestimmt!]

Daher denke ich, dass dieser Antrag nicht zielführend und damit überflüssig ist.

[Beifall bei der CDU – Christian Gaebler (SPD): Sie haben doch dafür gestimmt!]

Ich habe nicht dafür gestimmt.

Frau Bung! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Buchholz?

Nein, ich möchte erst mal fertig werden! – Sie wollen den großflächigen Einzelhandel stärker steuern, meinen aber eigentlich etwas anderes. Ich bitte Sie, offen und ehrlich zu sagen, was Sie meinen, Herr Gaebler! Zudem empfehle ich der Koalition, das scheinbar vorhandene Kommunikationsproblem mit dem Senat sowie das offensichtliche Informationsdefizit zu beheben.

[Zurufe von Christian Gaebler (SPD) und Daniel Buchholz (SPD)]

Mit Ihren Forderungen hängen Sie sogar dem ohnehin schon mehr als behäbigen Senat noch hinterher. Wie ich Ihnen dargelegt habe, existieren bereits umfangreiche Konzepte und Veröffentlichungen hierzu. Die noch fehlenden Konzepte der Bezirke sollen bis Dezember 2010 vorliegen. Ich denke, die Senatorin für Stadtentwicklung und auch der Wirtschaftssenator werden diese auch Ihnen gern zur Verfügung stellen. Ich empfehle Ihnen, Herr Gaebler, vielleicht hören Sie noch kurz zu, kümmern Sie sich doch einfach um das von Herrn Buchholz schon erwähnte Problem, dass immer mehr Spielhallen in Berlin eröffnet werden.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Das ist nämlich ein wirkliches Problem. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Bung! – Für die Linksfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Flierl das Wort.

[Zuruf von der CDU: Noch so ein Zentralist!]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Leider hatte ich nicht das Vergnügen, bei der Behandlung im Ausschuss dabei zu sein. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich wegen Krankheit nicht teilnehmen können, aber mir wird berichtet, dass die CDU dafür gewesen ist.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Insofern ist völlig unverständlich, warum das unterschiedliche Abstimmungsverhalten der CDU-Fraktion einerseits im Wirtschaftsausschuss, dann im Stadtplanungsausschuss jetzt zu diesem Sinneswandel führt. Es kann nur einen Grund haben, auf den ich gleich noch zu sprechen komme.

Ich glaube, dass wir hier einen sehr sinnvollen Antrag haben, nicht weil er Zentralismus bedeutet, wie hier eben hineingerufen wurde, sondern eine sinnvolle Kopplung der verschiedenen planungsrechtlichen Instrumente und Instanzen. Es gibt auch keine Differenz mit der Senatsverwaltung, denn wir haben gerade im Bewusstsein der jetzigen Rechtslage, Frau Bung, und der Zuständigkeiten

zu gegenwärtigen, dass es auch eine Reihe von Missständen gibt und dass wir einerseits alle für eine interessante und vielfältige Einkaufssituation in Berlin und in den Bezirken eintreten, andererseits aber eine Diskrepanz zwischen den wachsenden Flächen an Einzelhandelsmöglichkeiten und der gleichbleibenden oder gar geringer werdenden Kaufkraft verzeichnen. Insofern bleibt das Problem, wie man mit diesen Einrichtungen umgeht. Wir bekennen uns ausdrücklich dazu, dass wir die Polyzentralität Berlins erhalten, die vorhandenen Zentren stärken und eine sinnvolle Entwicklung in diesem Bereich unterstützen wollen. Da gibt es nun diese Planungsinstrumente, die Sie auch genannt haben, FNP, AV Zentren, den StEP Zentren und eben auch die Notwendigkeit, dass die Bezirke Konzepte entwickeln. Der Kollege Buchholz war ja so vornehm, darauf zu verzichten, die beiden Bezirke zu nennen, die solche Zentrenkonzepte noch nicht haben, aber Spandau und Reinickendorf fallen eben hier noch raus. Deswegen ist es wichtig, dass wir auch vonseiten des Senats und des Abgeordnetenhauses die Bezirke stärker animieren.

Herr Flierl! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Scholz?

Bitte schön!

Danke, Frau Präsidentin! – Herr Kollege Flierl! Ist Ihnen klar, dass aufgrund der desolaten Wirtschaftspolitik in Berlin es vielen Menschen nicht vergönnt ist, es sich leisten zu können, beim Biobauern oder beim TanteEmma-Laden einkaufen zu gehen?

[Uwe Doering (Linksfraktion): Darum geht es doch überhaupt nicht! – Zurufe von der SPD]

Das will ich überhaupt nicht bestreiten, dass auch Discounter für viele Bevölkerungsgruppen wichtige Versorgungseinrichtungen sind. Das sagt aber noch nichts darüber, wie diese städtebaulich eingeordnet werden sollen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Es ist eben genau falsch – jetzt komme ich auf den zweiten Punkt, der ganz offenbar den Sinneswandel bei der CDU bewirkt hat, dass sie sich nämlich heute vom Leitartikler der „B.Z.“ hat inspirieren lassen, ein Kampffeld aufzumachen, dass vermeintlich Linke und SPD gegen die Discounter eintreten. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass wir hier einen sehr vernünftigen, breit getragenen Antrag haben. Und heute lese ich also bei einem Menschen, dem man immer sagen soll, ob er recht hat

oder nicht recht hat, dass SPD und Linkspartei gegen Discounter seien und wir heute die Supermarktketten angreifen würden.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Diese Art von absurder Zuspitzung der Debatte, die Sie offenbar aufgreifen und sich von diesem Herrn vorschreiben lassen, müssten wir hier mit breiter parlamentarischer Mehrheit zurückweisen, um mal zu sagen, der Mann hat nicht recht.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Und er ist nicht nur am Gegenstand völlig vorbei, wenn es darum geht, differenzierte Einzelhandelsstrukturentwicklung zu ermöglichen, sondern er ist auch an den politischen Mehrheiten in diesem Haus vorbei. Es ist ja schade, dass Sie sich der billigen Polemik und der Zuspitzung willen von Ihren eigenen Erkenntnisprozessen wieder verabschieden. Insofern kann ich nur wiederholen, was auch schon bei Einbringung des Antrags von mir gesagt wurde: Wir halten diesen Antrag für sinnvoll, siedlungs-, stadtbild- und zentrenverträgliche Entwicklung des Einzelhandels zu befördern und damit auch die planungsrechtlichen Instrumente zu schärfen. In diesem Sinne bitte ich für meine Fraktion um Zustimmung und meine, dass wir damit bestimmten negativen Entwicklungen, die sich keineswegs nur auf die Discountketten konzentrieren, gegensteuern können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Bis zum nächsten Mal, Frau Bung!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Flierl! – Frau Bung! Tut mir leid, er war halt schon fertig mit seiner Rede. – Jetzt hat Frau Abgeordnete Eichstädt-Bohlig für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe das etwas anders als der Kollege Flierl. Wir stimmen dem Antrag zwar zu, weil in dem ja nichts Falsches drinsteht, aber das Entscheidende ist die Diskrepanz zwischen Handeln und der Leitidee „Stadtentwicklungsplan Zentren“. Denn im Endeffekt gestehen Sie mit dem Antrag ein, dass die bisherige Leitplanung des Senats und vielfach auch die Planung auf Bezirksebene nicht richtig greifen. Die Instrumente sind dem Land Berlin und den Bezirken durchaus gegeben, aber das Handeln ist nicht entsprechend. Darin sehen wir das Problem, obwohl wir dem Antrag zustimmen.

[Beifall bei den Grünen]

Und das bezieht sich sowohl auf den Umgang mit den großflächigen Einzelhandelsanlagen als auch auf die inzwischen schon aberwitzige Discounterkonkurrenz und die vielfachen Genehmigungen. Ich glaube, der Bezirk Steglitz ist eine der wenigen Ausnahmen, wo wirklich so agiert wird, dass man sagen kann, die Verträglichkeit wird

sehr ernsthaft geprüft und nicht einfach nur durch Genehmigungen abgehakt.

Mit dem Zentrenkonzept 1999 wollte der Senat im Interesse der Stärkung der vorhandenen Zentrenstruktur die Neuansiedlung von großflächigem Einzelhandel noch begrenzen. Insofern liegt ein großer Fehler im Zentrenkonzept 2005, auf das wir uns immer wieder beziehen. Da haben Sie dieses Ziel der Begrenzung aufgegeben und haben sich ausschließlich darauf beschränkt, dies stadtverträglich zu steuern. Das ist auch ein Problem dieses Antrags, dass nur noch gesteuert werden soll, nicht mehr begrenzt.

Ich will ein paar Beispiele nennen, die zeigen, warum dies ein so großes Problem ist. Erstens: Wir haben bereits 4,4 Millionen Quadratmeter Verkaufsflächen. Die Zielzahlen bis 2020 sehen noch mal 630 bis 700 000 Quadratmeter zusätzliche Fläche vor. Das entspricht 25 bis 35 mal den Potsdamer-Platz-Arkaden oder entsprechend großen Fachmarktansammlungen – sprich: Lagerhäuser mit angeschlossener Kasse. Man sieht schon allein an diesen Zahlen, dass das zu viel ist. Das sollte man wirklich endlich ernst nehmen.

[Beifall bei den Grünen]

Das zweite Problem: Der Einzelhandelsumsatz in Berlin stagniert und sinkt genau umgekehrt proportional zum Flächenzuwachs. Hierzu drei Zahlen: 1992 18,7 Milliarden Euro Einzelhandelsumsatz, 2002 15,3 Milliarden Euro Einzelhandelsumsatz, 2007 12,4 Milliarden Euro Einzelhandelsumsatz. An diesen Zahlen sehen Sie, dass im Endeffekt nur die permanente Steigerung der Konkurrenz vorangeht.