Protocol of the Session on June 3, 2010

Das Signal, das von diesem Nichthandeln in alle Landesbeteiligungen der Stadt ausgeht, ist fatal. Wer soll das Land als Gesellschafter oder Aufsichtsrat noch ernst nehmen, wenn hier nicht gehandelt wird, wenn sich augenscheinlich der Regierende von den Geschäftsführern an der Nase herumführen lässt?

Nun zur zweiten Nebelkerze, die zurzeit geworfen wird. Natürlich sind erhebliche Schäden entstanden. Jeder Tag

ohne Betrieb kostet rund 300 000 Euro zusätzlich Zwischenfinanzierungszinsen, rund 100 Millionen Euro im Jahr. Jede Vermeidung weiterer Verzögerung durch Baubeschleunigung kostet Geld, zusätzliches Personal, zusätzliche Gebläse für Trocknungsprozesse usw. Da können Sie hier so viel reden, wie Sie wollen, dass das vielleicht alles noch im Rahmen machbar wäre, dass vielleicht die Flughafengesellschaft in der wirtschaftlichen Lage ist, das selbst finanzieren zu können: Trotzdem kostet es Geld. Man könnte auch andere Sachen damit finanzieren und anfangen, Zinsen und Kredite zurückzuzahlen. Nein, hier wird schlichtweg Geld verbrannt, und das sollte man offen zugeben.

[Beifall bei den Grünen]

Die Schäden treffen nicht nur den Haushalt des Landes oder die Flughafengesellschaft, sondern sie treffen auch diejenigen, die im Umfeld des Flughafengeländes Grundstücke erworben haben, um zum Beispiel Hotels und Gastronomie zu betreiben. Sie haben schon Verträge, aber jetzt auch längere Zwischenfinanzierungskosten, die sie tragen müssen. Das schadet der Stadt! Das schadet der Stadt finanziell und dem Image. Nicht jede Meldung, die weltweit verteilt wird, ist eine gute Werbung für die Stadt, und diese ist es gewiss nicht.

Zum Schluss die Frage: Warum passiert das immer wieder? Warum werden öffentliche Bauvorhaben immer wieder teurer oder dauern länger? Allein gestern haben wir im Hauptausschuss zwei Maßnahmen beraten müssen, die teurer werden, weil wir Baubeschleunigungen vornehmen müssen. Es sind immer wieder dieselben Themen: Umplanung im laufenden Betrieb, unkorrekte und unzuverlässige Planung. Wenn ich höre, dass jetzt schon wieder die in Insolvenz gegangene Firma das alles damit begründet, dass ihr von den anderen Firmen – gmp zum Beispiel – immer wieder neue Planungen vorgelegt wurden und sie ihre Ausbauplanung dann in den Müll werfen durften und auch nicht bezahlt bekamen, dann macht mich das ärgerlich, weil es nicht das erste Mal ist, dass wir diese Erfahrung mit gmp machen. Wer mit mir gemeinsam den Untersuchungsausschuss „Tempodrom“ verfolgt hat – Herr Braun lächelt schon –, der wird sich an den Auftritt des Herrn Gerkan erinnern, der uns seine Mentalität als Planer dort dargestellt hat nach dem Motto: Was interessieren mich die Kosten? Ich plane, und wenn mir etwas Neues einfällt, dann plane ich etwas Neues. – So kann man nicht arbeiten. Kein normales Unternehmen und kein normaler Bauherr würde so arbeiten. Die öffentliche Hand tut das immer wieder. Das, Herr Wowereit, liegt in Ihrer Verantwortung, denn das hätte der Aufsichtsrat stoppen müssen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schruoffeneger! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Matuschek das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über die Beiträge des Kollegen Friederici kann ich nur sagen: So viel Schauspielunterricht – vergeblich! So viel Empörung zu spielen, brauchen wir uns hier eigentlich nicht anzutun.

[Beifall von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

Ihr Anteil am Erfolg des Flughafens ist vielleicht im 0,0Bereich zu berechnen, aber nicht mehr.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

All Ihre Empörung hat über die mangelnde Sachkompetenz nicht hinwegtäuschen können.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Zu den Grünen kann ich nur sagen – auch in Anbetracht der Medienäußerungen in den letzten Tagen: Bei der langjährigen Regierungsabstinenz, die die Grünen in Berlin vorzuweisen haben, und der diametral dazu entgegenstehenden Besserwisserei kann ich nur sagen: Sie hätten natürlich immer alles besser gewusst und immer alles besser gemacht. Sie hätten wahrscheinlich auch die Geschäftsführung nach dem grünen Rotationsprinzip schon fünfmal ausgewechselt. Das wäre dem Projekt bestimmt nicht bekommen.

[Zurufe der Grünen]

Das eigentlich Erstaunliche ist, dass dieses Projekt so dasteht, wie es heute dasteht: einigermaßen im Zeitplan,

[Özcan Mutlu (Grüne): Einigermaßen!]

aber vor allen Dingen im Kostenplan – bis heute, was absehbar ist. Das Erstaunliche ist, dass sich trotz aller Unkenrufe die Berliner Flughäfen im Aufschwung befinden, dass selbst die Finanzkrise und auch die Krise im Luftverkehr nicht zu solchen dramatischen Einbrüchen geführt haben, wie es in anderen Regionen der Fall war, und dass die FBS, die Flughafengesellschaft, bis heute von den geplanten 440 Millionen Euro zur Finanzierung des BBI schon 336 Millionen Euro beigetragen hat. Das ist ein Erfolg, den man nicht kleinreden darf. Dafür gebührt der Geschäftsführung sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Projekts Dank und Respekt.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Die Diskussionen der vergangenen Tage können nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir schon häufiger Diskussionen hatten, die immer mit den Worten „Skandal“, „Gefahr im Verzug“ und was weiß noch alles verbunden wurden. Wir hatten eine Standortdiskussion, die ätzend war. Wir hatten einen Baustopp kurz nach dem schwierigen Planfeststellungsbeschluss. Mehrere Situationen waren kritisch. Wir hatten eine Erpressungssituation durch die Anbieter zur Ausschreibung des Terminals, und wir hatten eine Finanzkrise. Alle diese Schwierigkeiten, die hart gewesen sind, wurden zusammen mit der Geschäftsführung, aber vor allen Dingen zusammen mit dem Aufsichtsrat unter der Führung von Klaus Wowereit gemeistert. Das darf man nicht vergessen, und das muss man auch in Relation stellen, wenn wieder mal jemand „Skandal“ oder sonst etwas ruft.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Gerade die CDU versucht seit Jahren – Herr Gaebler sprach von Totengräbern, ich würde es bestenfalls als den Versuch eines Begräbnishelfers bezeichnen –, diesem Projekt Steine in den Weg zu legen und das Scheitern dieses Projekt nahezu herbeizureden. Es gab die Diskussion über die angeblich nicht vorhandene Kapazität in Tegel, die Diskussion über „Das Chaos bricht aus, wenn Tempelhof geschlossen wird!“, und es gab lange Diskussionen darüber, dass die Finanzierung auf keinen Fall zustande käme,

[Heidi Kosche (Grüne): Was hat das mit BBI zu tun?]

dass der Winter zu hart sei und der Flughafen nicht auch noch einen Bahnhofsrohbau bauen könne. Das alles waren Schlagworte der Diskussion, die die Opposition beigetragen hat. Nichts davon ist eingetreten. Lieber Herr Friederici! Ihr heutiger Antrag ist einfach lächerlich. Das ist lächerlicher Aktionismus.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Über die tatsächlichen Probleme, die zurzeit zu bewältigen sind, herrscht Offenheit seitens des Aufsichtsrats und der Geschäftsführung. Ja, es ist richtig, dass eine Firma – übrigens von über 1 000 an dem gesamten Flughafenprojekt beteiligten Firmen – in Insolvenz gegangen ist. Aber auch bei der Auftragsvergabe an diese Firma sind Sicherungen eingebaut worden. Da ist zu berücksichtigen, dass das nicht diese eine Firma ist, sondern der Planungsauftrag ist an eine Arbeitsgemeinschaft, an ein Planungskonsortium gegangen. Da ist vertraglich vereinbart worden, dass dann, wenn einer ausfällt, die anderen diese Ausfälle zu decken haben. Es wurden Sofortmaßnahmen ergriffen und 60 neue Planer eingestellt. Inzwischen sind über 40 Prozent der Planungsleistungen geleistet. Der Aufsichtsrat wurde darüber informiert, und es wurde eine Bewertung mit abgegeben, ob sich aus dieser Insolvenz tatsächlich Folgen ergeben, die zeit- und finanzkritisch sind. Im März waren die Informationen, die damals vorlagen, nicht so, dass sie eingeschätzt wurden: Ja, es sei zeitkritisch. Noch am 19. Mai bestätigte die Planungsgemeinschaft der Geschäftsführung schriftlich, dass der Zeitplan eingehalten wird. – Das ist wenige Tage her. – Allerdings ging zeitgleich ein dem widersprechendes Schreiben ein, über das auch die Presse berichtet hat, und außerdem wurde – übrigens mit Wissen des Aufsichtsrats – eine Sonderprüfung in Auftrag gegeben, ob denn die Prognosen über den Zeitplan tatsächlich stimmen.

Da kann ich Ihnen nur sagen: Eine sorgfältige Prüfung ist die Basis einer sachgerechten Entscheidung. Die Prüfung, welche tatsächlichen Folgen sich aus der Insolvenz dieser Firma und dem möglichen Planungsverzug ergeben, wird dem nächsten Aufsichtsrat vorgelegt werden, der am 25. Juni tagt. Danach weiß man mehr. Vorher hier zu spekulieren, ist sicherlich ein schöner Gemeinschaftssport, aber nicht sachdienlich.

Das zweite Thema ist die neue EU-Verordnung. Herr Schruoffeneger! EU-Verordnung, nicht Richtlinie! Die

EU-Verordnung unterscheidet sich von einer Richtlinie dadurch, dass sie sofort gültig ist, ohne erst noch in bundesgesetzliche Regelungen umgesetzt zu werden. Diese EU-Verordnung ist auch dadurch bedingt, dass im Dezember 2009 ein versuchter Anschlag auf den Flugverkehr in Detroit Gott sei Dank nicht zum Tragen kam, danach aber eine Sicherheitsdiskussion über neue Geräte und neue Sicherheitsanforderungen im internationalen Flugverkehr entfacht wurde. Diese EU-Verordnung ist am 29. April 2010 in Kraft getreten und hat zur Folge, dass die Sicherheitsanlagen ab 2013 anders dimensioniert sein werden als die zur Zeit in Gebrauch befindlichen Sicherheitsanlagen. Sie werden doppelt so groß sein und vier Mal so schwer. Natürlich hat das Auswirkungen auf die bauliche Konsistenz eines im Bau befindlichen Flughafens, und natürlich hat das Auswirkungen auf die Planung der Platzverhältnisse. Da steht eine Entscheidungssituation an, ob im Jahr 2011, bei Betriebsaufnahme des Flughafens, die bisherige Technik eingebaut wird – was einen sofortigen Umrüstprozess bis 2013 zur Folge hätte –, oder ob zur Betriebsaufnahme des neuen Flughafens schon die neue Technik, die ab 2013 vorgegeben ist, zum Einsatz kommt – eine Technik übrigens, die es bis heute nicht in serienmäßiger Ausführung gibt. Das ist eine Entscheidung, die ordentlich getroffen werden muss, und natürlich wird dafür der Aufsichtsrat die nötigen Informationen haben und die Geschäftsführung eine entsprechende Vorlage bereiten. Das werden nicht wir hier entscheiden, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, aber es ist eine Entscheidung, die Auswirkungen auf den Zeitplan und auch auf den Kostenplan haben wird.

Zeit und Geld beim Flughafen sind kommunizierende Röhren.

[Oliver Friederici (CDU): Bla, bla, bla!]

Der Eröffnungstermin 30. Oktober 2011 ist seit Jahren von uns in den Mittelpunkt gestellt worden, und es wäre schön und richtig und wichtig, wenn dieser Zeitplan eingehalten werden kann.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Darauf richten sich alle Aktivitäten zur nötigen Entscheidungsvorbereitung. Sollte aber – nach sorgfältiger Prüfung und Abwägung aller Konsequenzen – dieser Zeitplan nicht eingehalten werden können, dann ist das eine sachgerechte Entscheidung, die dann übrigens auch nicht zum Ende des Projekts oder zu einer Katastrophe führt, sondern dazu, dass der neue Flughafen so schnell wie möglich, nur leider nicht am 30. Oktober 2011, in Betrieb geht.

Insofern ist es richtig, dass auch wir als Beteiligte mehr Informationen über die Ergebnisse der Überprüfung brauchen. Wir führen diese Prüfungen nicht durch, aber wir brauchen Informationen über die Ergebnisse. Wir brauchen eine Darstellung der konstruktiven und finanziellen Folgen dieser von mir eben aufgezeigten Entscheidungsalternativen – wie wirkt sich das auf die Investitionskosten aus, wie auf die Einnahmerisiken, wie auf die Zins- und Kreditrisiken? – Wir brauchen und wir werden sie

haben, die Debatte im Hauptausschuss – übrigens schon in der nächsten Sitzung.

Bei all den aufgeregten Diskussionen der letzten Tage vermisse ich übrigens eine Äußerung der anderen Gesellschafter.

Frau Matuschek! Ihre Redezeit ist beendet!

Ich bin beim letzten Satz! – Berlin ist einer von drei Gesellschaftern; die anderen Gesellschafter haben sich bisher noch nicht geäußert. Auch der Bund sollte sich äußern, ich nehme an, er tut dies nach der Aufsichtsratssitzung.

Mein letzter Satz: Wir werden im Gegensatz zur Opposition bei diesem wichtigen Infrastrukturprojekt die Nerven behalten. Wir stützen die Geschäftsführung und den Aufsichtsratvorsitzenden –

Frau Matuschek! Sie müssen jetzt bitte zum Schluss kommen!

bei den Aktivitäten, diese Situation zu meistern, damit wir bald einen schönen neuen und tollen Flughafen haben werden.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Matuschek! – Für die FDP-Fraktion hat nun der Fraktionsvorsitzende Meyer das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach den Redebeiträgen von Frau Matuschek und Herrn Gaebler frage ich mich ein bisschen, warum die Regierungskoalition heute diese Aktuelle Stunde beantragt hat.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Ich habe, offen gestanden, keine Lust, heute im Parlament über die modernste Technik zu sprechen, darüber, ob die neuen Sicherheitsvorkehrungen vier Mal so schwer oder doppelt so groß sind, sondern wir erwarten von der Aktuellen Stunde eine Reihe von Antworten, die der Senat uns geben muss.

Als Parlament ist die erste und wichtigste Frage: Ist der Regierende Bürgermeister Wowereit seiner Aufgabe als

Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft verantwortungsvoll nachgegangen oder nicht?

[Beifall bei der FDP – Ja! von der Linksfraktion]