Protocol of the Session on May 20, 2010

[Christian Gaebler (SPD): Das ist Ihr CO2-Ausstoß!]

Oder wird Berlin seinen Beitrag zur Lösung der Schuldenkrise leisten? Werden Sie Verantwortung übernehmen für die Stabilität des Berliner Haushalts, Herr Wowereit? Oder werden Sie sich wieder in die Büsche schlagen?

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Werden Sie jetzt Koch?]

Ich bin sehr gespannt auf Ihre Ausführungen, die Sie gleich machen werden. Meine Fraktion erwartet von Ihnen, dass Sie in Ihrer heutigen Erklärung Verantwortung für die Finanzen des Landes Berlin übernehmen und nicht nur die Populismuskeule gegen die Bundesregierung, gegen Hedgefondsspekulanten und natürlich schwarzgelbe Bösewichte im Bund und in den Ländern schwingen.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Was würdet ihr denn streichen? Sagt mal!]

Natürlich wollen die süddeutschen Ministerpräsidenten aus den reichen Ländern den Berlinern die Butter vom Brot nehmen.

[Martina Michels (Linksfraktion): Ach!]

Aber wir Berliner werden uns die Butter nicht von denen vom Brot nehmen lassen.

[Martina Michels (Linksfraktion): Wir sind ernährungsbewusst, nehmen Lätta!]

Ich sage Ihnen hier ganz deutlich, es ist allemal besser, selbst die Notbremse zu ziehen, statt später von Koch und Mappus fremdbestimmt zu werden. Berlin muss seinen Beitrag leisten, damit Deutschland wieder Stabilitätsanker in Europa bleibt. Und es wird nicht ohne Hilfe für Berlin gehen.

Herr Wolf! Ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Diese Hilfe besteht aber nicht in der Aushebelung der Schuldenbremse, dann drohen auch in Berlin griechische Verhältnisse. Dafür sind wir hier nicht zu haben.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Werden Sie mal konkret! Sie haben zehn Minuten Zeit!]

Wir sagen, dass der Weg aus der Verschuldung eine gesamtstaatliche Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen sein muss. Wir müssen die Gewerbesteuer zu einer echten kommunalen Wirtschaftssteuer weiterentwickeln. Wir haben in der Stadt hier große und hochwertige Dienstleister, Unternehmensberatungen, große Kanzleien, KPMG, Freshfields, wie sie alle heißen, sie alle zahlen keinen Cent Gewerbesteuer. Mit einer kommunalen Wirtschaftsteuer wäre das anders, deswegen brauchen wir diese.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Bundesrecht!]

Länder und Kommunen brauchen einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer,

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

um die Aufgaben zu finanzieren, die in den letzten Jahren mehr geworden sind.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ach so!]

Ja, Herr Lederer! – Der Schaden, den die Finanz- und Wirtschaftskrise angerichtet hat, kann nicht allein den Bürgerinnen und Bürgern aufgebürdet werden. Deswegen muss die Finanzbranche ihren nennenswerten – wohl

gemerkt nennenswerten! – Anteil an den Kosten der Krise tragen. Die Bankenabgabe ist es nicht, sage ich in Richtung CDU.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Wir müssen den stärksten Schultern der Gesellschaft auch einen Beitrag abverlangen. Wir schlagen deswegen vor, eine Vermögensabgabe auf große private Vermögen zu erheben, was laut Grundgesetz in Ausnahmefällen auch möglich ist.

[Christoph Meyer (FDP): Aha!]

Die größte Wirtschaftskrise wird wohl ein solcher Ausnahmefall sein. Diese Vermögensabgabe soll nicht einfach versickern, sondern in Entschuldungsfonds fließen. Davon könnte Berlin auch profitieren.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Aber wo streicht ihr?]

Den Weg aus der Schuldenkrise wird Berlin nicht allein gehen können. Wir brauchen die gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern. Darin sollten wir uns einig sein. Aber in Berlin stellt sich die Frage, ob dieser Senat überhaupt in der Lage ist, die Verantwortung zu übernehmen. Berlin ist seit den 20er-Jahren wegen seiner klassizistischen Bauten als Spree-Athen bekannt und beliebt. Herr Wowereit! Wenn Sie so weitermachen, wird Ihretwegen bei Spree-Athen jeder nur noch an den Schuldensumpf der Hauptstadt denken.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Ach, Sie sind ja witzig!]

So weit werden wir Grüne es nicht kommen lassen!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Pop! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Meyer von der FDP das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Formulierung des Themas der Aktuellen Stunde – das haben wir in der Debatte eben gemerkt – geht doch ein bisschen an der Sache vorbei. Auf der einen Seite haben wir – und das hat Herr Wolf gerade noch einmal eindrucksvoll bewiesen – den Versuch einer Panikmache.

[Senator Dr. Ehrhart Körting: Einer Panikmache?]

Sie haben auch darauf hingewiesen, dass bei der ersten Banken- und Finanzkrise angeblich 480 Milliarden Euro von Deutschland zur Bankenrettung ausgegeben wurden. Das ist natürlich nicht der Fall, sondern wir reden hier über Bürgschaften, das heißt über Eventualrisiken. Und auch in dieser Krise reden wir über Bürgschaftsvergaben an die KfW.

[Zuruf von Dilek Kolat (SPD)]

Wir hoffen, glaube ich, alle, dass diese Bürgschaften in der Form letztlich nicht gezogen werden müssen.

[Beifall bei der FDP – Gregor Hoffmann (CDU): Wir hoffen und bangen!]

Der zweite Aspekt, weswegen das Thema der Aktuellen Stunde falsch formuliert ist, ist die Verbindung der europäischen Finanzkrise mit der Finanzierung der Länder und Kommunen. Sie versuchen – und das hat Herr Müller eben auch wieder getan – letztlich, Ihren mangelnden Konsolidierungswillen und die desolate Haushaltslage in Berlin mit der europäischen Finanzkrise zu begründen. Das werden wir nicht durchgehen lassen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Florian Graf (CDU)]

Sie haben das schon mit der ersten Finanzkrise versucht, als im Jahr 2008/2009 klar war, dass die Konsolidierungslinien von Rot-Rot in Berlin aus dem Ruder laufen und dass Sie nicht bereit sind, die Ausgaben unter Kontrolle zu bekommen, so wie es in den mittelfristigen Finanzplanungen ursprünglich vereinbart war. Auch damals haben Sie gesagt, wir haben keine Verantwortung, es ist alles der Bund oder die Welt. Das geht nicht, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der FDP]

Ich finde es auch schade, dass außer Herrn Henkel von meinen Vorrednern niemand trotz aller Kritik an der Europäischen Union und der Eurozone betont hat, dass die Eurozone ein Erfolgsgeschichte für die Bundesrepublik Deutschland ist und dass es zur europäischen Integration eben keine Alternative gibt.

[Beifall bei der FDP – Udo Wolf (Linksfraktion): Dann darf man aber auch nicht Spekulationen zulassen!]

Die internationale Finanz- und Bankenkrise hätte auch in Deutschland ohne den Euroraum wesentlich schwerer gewirkt. Und zwei Drittel unserer Exporte gehen in den Euroraum. Die Bundesrepublik Deutschland war in den letzten Jahren Hauptnutznießer von stabilen Verhältnissen im Währungsbereich in Europa. Deswegen müssen wir uns erst recht fragen, wenn wir jetzt vor dem Scherbenhaufen von europäischer Währungspolitik stehen, bevor wir die Frage stellen, wer die Zeche zahlt, wer diese Entwicklung zu verantworten hat. Das sind zunächst die Staaten, die in den letzten Jahrzehnten über ihre Verhältnisse gelebt haben.

Aber man muss sich auch fragen, wer in der Bundesrepublik Deutschland diese Entwicklung zugelassen hat. Dies war zu Anfang des Jahrzehnts die rot-grüne Bundesregierung. Es waren der SPD-Finanzminister Eichel und der grüne Außenminister Fischer. Und es war auch – das sollte man hier in Berlin auch betonen, auch auf die Gefahr hin, dass die Grünen mir vielleicht einen weiteren Brief schreiben –: Es war auch die damalige Verbraucherschutzministerin Künast, die mit am Kabinettstisch gesessen hat und die Verantwortung dafür ebenfalls mitträgt.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Alle Entscheidungen, die uns jetzt auf die Füße gefallen sind, sind von SPD-Finanzministern zu verantworten: die Aufnahme Griechenlands in den Euro trotz Bedenken, das Brechen des Stabilitätspakts durch Deutschland zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung, die Schwächung des Stabilitätspakts 2004/2005, weil es einfacher war für Herrn Eichel und Herrn Fischer, auf europäischer Ebene Defizitverfahren auszusetzen, als die Haushaltskonsolidierung in Deutschland zu betreiben. Zur damaligen Zeit hat übrigens der Deutsche Bankenverband bereits darauf hingewiesen, dass diese Schwächung des Stabilitätspakts genau dahin führt, wo wir jetzt stehen, zu einer Schwächung des Euroraums. Dann kamen zu Zeiten Steinbrücks und Steinmeiers steigende Defizite Griechenlands und anderer Südländer, die stillschweigend akzeptiert wurden. Es wäre gut, wenn die SPD sich nun auch zu dieser Verantwortung bekennt. Wir werden es von Herrn Wowereit gleich hören, und wir werden es hoffentlich am Freitag sehen, ob die SPD die Kraft hat, diesem Rettungspaket in dieser Form zuzustimmen. Die Grünen haben das in der Tat bei der Griechenlandrettung bereits getan. Damit haben sie wahrscheinlich ein Stück weit ihre eigene Verantwortung in den letzten Jahren anerkannt.

Wenn wir jetzt zu den konkreten Maßnahmen kommen, bin ich schon der Auffassung – das kann man hier vielleicht selbstkritisch sagen –, dass das Handeln der Bundesregierung in den letzten Monaten nicht optimal war. Wir hätten bereits Anfang des Jahres auf europäischer Ebene über Lösungsmöglichkeiten debattieren müssen, vielleicht nicht unbedingt, um voreilig Hilfe zuzusagen, aber zumindest, um ein klares Zeichen gegen Spekulationen in den Euroraum zu setzen und zu zeigen, dass Europa sich hier nicht auseinanderdividieren lässt.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

So war es, wenn man sich diese Entwicklung weiter vergegenwärtigt, sicherlich zwangsläufig, dass die Rettungsschirme, wie sie jetzt für Griechenland und für die gesamte Eurozone beschlossen wurden und beschlossen werden mussten, gespannt wurden. Da hätte die schwarz-gelbe Bundesregierung stärkere Akzente auf die Ausgestaltung setzen können und müssen. Das ist versäumt worden.

Umso wichtiger ist es jetzt, dass kurz- und mittelfristig weitere Alternativen erarbeitet werden, wie wir ein effizientes Kontroll- und Sanktionssystem in Europa implementieren. Dazu gehört auch die Frage von Umschuldungen oder Hair-Cut und die Frage von geregelten Insolvenzen. Das muss man jetzt debattieren. Ich hoffe, dass alle Parteien im Deutschen Bundestag das zusammen konstruktiv tun werden. Im Ergebnis muss es darum gehen, wenn wir beim Thema „wer die Zeche zahlt“ sind: Wer die Verantwortung für diese Schuldenmacherei in den Eurostaaten hat, muss auch letztlich die Last tragen, dass die Konsolidierung erfolgreich ist. Und wir müssen – auch das ist wichtig – zu einer Risikoteilhabe kommen, dass diejenigen, die am Markt Risiken eingegangen sind –

das sind nicht zunächst erst einmal Spekulanten, sondern erst einmal diejenigen, die z. B. in europäische – griechische, portugiesische – Staatsanleihen investiert haben, ebenfalls für das erhöhte Risiko, das sie eingegangen sind, mit zur Verantwortung gezogen werden.