Protocol of the Session on January 28, 2010

Toleranz, Akzeptanz und auch Respekt sollen keine Einbahnstraße sein. Unterstützende Maßnahmen gibt es bereits. Wir müssen sie nur nutzen, beispielsweise bauliche Lösungen bei Bolz- und Spielplätzen. Längst gibt es dort schalldämpfende Maßnahmen. Hier ist besonders bei Nutzungsänderungen der vorhandene rechtliche Rahmen voll auszuschöpfen. Selbstverständlich müssen Kinder auch durch Vorbildwirkung zu Rücksichtnahme auf Mitmenschen hingeführt werden.

Deshalb werden wir als Koalition weiter auch das generationsübergreifende Wohnen und den weiteren Ausbau der Kinder- und Jugendeinrichtungen in unserer Stadt unterstützen. Mit dem Gesetzesänderungsantrag wird Berlin nicht lauter und nicht wesentlich leiser – da haben Sie Recht –, aber der Umgang mit scheinbar störendem Kinderlärm wird sich verändern. Wir bitten um Zustimmung für die Beschlussempfehlungen! Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat die Kollegin Kubala.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kinder kann man nicht leisestellen. Geräusche, die von Kindern ausgehen, gehören zur kindgerechten Entwicklung und sind grundsätzlich sozialadäquat und zumutbar. Ich denke, darin sind wir uns einig; da gibt es keine Widersprüche.

Der Koalitionsantrag zur Gesetzänderung, der heute vorliegt, hat aus unserer Sicht einige handwerkliche Mängel. Die Kollegin von der CDU hat sie schon zum Teil benannt, und wir haben sie auch im Rechtsausschuss immer wieder vorgetragen. Aber wir sehen diesen Antrag der Koalition durchaus auch als ein Signal für Toleranz gegenüber Kinderlärm, und deswegen bekommt er unsere Zustimmung.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Aber ich muss auch darauf hinweisen: Der neue Abschnitt im Landes-Immissionsschutzgesetz darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir das Problem, das der Anlass war – nämlich dass Kinderläden in Wohngebieten geräumt werden müssen –, nicht werden lösen können. Denn in der rechtlichen Abwägung dieses Sachverhalts kann eine landesrechtliche Regelung gar nicht greifen. Sie wissen so gut wie ich, dass hier nur die Änderung des Bundesgesetzes möglich ist, um Kindertagesstätten oder Kinderläden in Wohngebieten zu halten. Da müssen das Wohnungseigentumsgesetz und die Baunutzungsverordnung geändert werden. In diesem Fall kann Landesrecht leider nicht hilfreich sein. Deswegen erwarten wir von der Koalition auch – weil eben das Landesgesetz nicht weit genug greift –, dass sie am Thema bleibt. Wenn Ihnen die Themen Kinderschutz und Kinderlärm wichtig sind, dann sollten Sie diese Sachverhalte in Angriff nehmen und auf Bundesebene aktiv werden. Da haben Sie aktuell die Möglichkeit, die Bundesratsinitiative aus Rheinland-Pfalz zu unterstützen, das Bundes-Immissionsschutzgesetz zu ändern und dort auch den Kinderlärm zu privilegieren und damit im Prinzip auch Einfluss auf baugesetzliche Regelungen und andere Bundesgesetze zu nehmen. Nutzen Sie diese Chance, wenn im Februar der Bundesrat zu diesem Thema berät!

[Beifall bei den Grünen]

Das ergibt dann den gesetzlichen Hebel, um Kinderläden auch in Wohngebieten halten zu können.

Sie haben richtig gesagt, Kinder brauchten Bewegung. Sie brauchen viel Bewegung, nicht nur in der Ganztagsbetreuung, sondern natürlich auch in der Freizeit. Dort gibt es auf Landesebene sehr viel Handlungsbedarf. Sie können zum Beispiel gesetzlich regeln, dass auf Spielplätzen mehr Lärm zulässig ist. Auch Lärm auf Bolzplätzen ist regelungsbedürftig. Spielplätze verschwinden immer mehr aus Wohngebieten. Da können Sie sehen, dass es

auch weiterhin in Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugesellschaften möglich bleiben muss, Spielplätze in Wohngebieten anzulegen.

Es gibt also noch viel Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten auf Landesebene. Wenn Sie in der Frage Kinderlärm glaubwürdig sein wollen, dann packen Sie das an, unter anderem etwa auch die Hausmusik, die gesetzlich geregelt werden muss.

Lärmfragen sind aber immer und nicht zuletzt auch Fragen der gegenseitigen Rücksichtnahme. In einer Großstadt, wo viele Menschen ganz eng miteinander wohnen, ist das eine Frage von Toleranz und Respekt. Auch da ist die Koalition gefragt, weitere Möglichkeiten auszuschöpfen. Eine Respekt-Toleranz-Kampagne wäre zum Beispiel möglich und notwendig, um für mehr Toleranz nicht nur bei Kinderlärm, sondern auch für den von Jugendlichen und etwas Älteren zu werben.

[Beifall bei den Grünen]

Es gibt noch viel zu tun. Das ist die Botschaft an die Koalition. Heute bekommen Sie für den ersten Schritt unsere Zustimmung. Aber wir erwarten, dass zum Thema Kinderlärm und Kinderschutz noch viel mehr passiert.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Bevor der Kollege Schmidt das Wort erhält, habe ich eine angenehme Pflicht zu erfüllen. Ich begrüße nämlich unter uns sehr, sehr herzlich eine Abordnung des Segelschulschiffs „Gorch Fock“ der deutschen Marine unter ihrem Kapitän zur See Norbert Schatz. – Meine Herren! Frische Seeluft ist uns angenehmer als kalter Ostwind. Seien Sie herzlich willkommen! Wir wünschen Ihnen noch eine angenehme Zeit in Berlin!

[Beifall]

Das Wort hat nunmehr der Kollege Schmidt von der FDPFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir von der FDP-Fraktion sehen Kinderlärm selbstverständlich als etwas ganz Normales an. Auch wir wollen, dass Kinder spielen können und nicht gleich die Polizei kommt. Auch für uns ist Babygeschrei und Kinderlachen nicht vergleichbar mit dem Lärm von Flugzeugen, Autos und Bohrmaschinen. Deshalb sind die Gesetzentwürfe eigentlich gut gemeint. Sie sind trotzdem leider vollkommen überflüssig, sinnlos und komplett fehlkonstruiert.

[Beifall bei der FDP]

Das will ich Ihnen erläutern: Es ist heute schon so, dass die meisten Klagen gegen Kinderlärm scheitern. In der Praxis gibt es kaum Fälle, in denen solche Klagen durchkommen und die Gerichte nicht den Vorrang der Kinder

bestätigt hätten. Kitas dürfen jetzt schon in Wohnhäusern betrieben werden, Kinderspielplätze genießen Lärmfreiheit. Das Problem ist also weitaus kleiner, als die Medien es derzeit erscheinen lassen. Bei den wenigen Klagen, die durchkamen, ging es um ganz andere Fragen, zum Beispiel um den Brandschutz in Kitas oder um die Abwägung mit anderen Interessen im Einzelfall. Diese Abwägungen werden die Gerichte auch weiterhin treffen müssen, auch wenn diese Gesetzentwürfe durchkommen.

Natürlich muss das geräuschvolle Spielen in Blickweite der Wohnung der Eltern erlaubt sein, natürlich muss aber auch nicht gerade vor dem Pflegeheim oder der Intensivstation gebolzt werden, und es muss auch nicht um Mitternacht im Hinterhof Fußball gespielt werden, und um 3.00 Uhr soll das Kind auch nicht Posaune üben. Deshalb müssen diese Abwägungen weiter getroffen werden. Weil nun diese Abwägungen weiterhin getroffen werden müssen, ändern diese Gesetzentwürfe gar nichts. Weil sie nichts ändern, sind sie komplett überflüssig. Wir als FDPFraktion lehnen nun einmal sinnlose und überflüssige Gesetze grundsätzlich ab.

[Beifall bei der FDP]

Frau Demirbüken-Wegner! Gerade Ihnen und Ihrer Fraktion muss ich explizit sagen: Gesetze sind nicht das Mittel, um populistische Statements abzugeben. Dafür sind sie viel zu ernst.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Andreas Gram (CDU)]

Das Gesetz ist auch handwerklich schlecht gemacht. Es zielt am eigentlichen Thema völlig vorbei. Bolzplätze sind bundesrechtlich geregelt,

[Beifall von Markus Pauzenberger (SPD)]

Spielplätze desgleichen, das vorliegende Gesetz ist deshalb völlig irrelevant für die Lösung der hier vorgetragenen Probleme, und auch deshalb lehnen wir es ab.

[Beifall bei der FDP]

Auch der Weg, der mit dem Immissionsschutzgesetz gegangen wird, ist seltsam. Bis jetzt ist nämlich Kinderlärm gar kein störender Lärm. Die Initiatoren der Gesetze definieren jetzt erst einmal Kinderlachen als gesundheitsschädlichen Umwelteinfluss, um dann im zweiten Schritt diesen gegenüber Maschinen zu privilegieren. Sie stellen also explizit Kinderlachen und Kinderspielen auf dieselbe rechtliche Stufe wie knatternde Motoren und Presslufthämmer. Das ist wirklich offensichtlicher Unsinn.

[Beifall bei der FDP]

Wie seltsam das Vorgehen ist, sieht man auch an der Zusammenstellung im zu ändernden Gesetz. Frau Platta hat es bereits erwähnt, da geht es um Glockenläuten, landwirtschaftliche Betriebe, Winterglätte und die Beseitigung von Notlagen – also Feuerwehr und Krankenwagen – und jetzt auch um spielende Kinder. Finden Sie es nicht auch ein bisschen skurril, diesen Zusammenhang herzustellen, meine Damen und Herren von CDU, SPD und Linkspartei? Viel wichtiger als unwirksame und über

flüssige Gesetze zu verabschieden ist es, Verständnis zu erzeugen und ein gemeinsames Zusammenleben der Generationen zu organisieren.

[Lars Oberg (SPD): Schöne Worte!]

Nehmen wir uns ein Beispiel an München. Dort machen sie Kampagnen mit Runden Tischen, Gesprächsrunden und Flyern, die zum gegenseitigen Verständnis beitragen. München hat so erreicht, dass die Klagen über Kinderlärm dramatisch reduziert worden sind. Verständnis füreinander und gegenseitige Rücksichtnahme sind der richtige Weg und nicht immer weitere Gesetze und Verordnungen.

[Beifall bei der FDP – [Christian Gaebler (SPD): Warum bringen Sie dann immer welche ein?]

Wir als FDP wollen dafür sorgen, dass Menschen miteinander vernünftig umgehen, dass nicht jede Beziehung zwischen Menschen verrechtlicht und entpersönlicht wird. Wir wollen Anstand, Vernunft und Rücksichtnahme fördern, statt die Gesetzesmaschinerie auf immer höhere Touren zu treiben. Wir wollen, dass das ganz natürliche Verhalten von Kindern als ganz natürlich angenommen wird

[Daniel Buchholz (SPD): Erklären Sie das einmal den Richtern!]

von der Gesellschaft. Das ist es, worum es wirklich geht. Das ist und bleibt eine gesellschaftliche Aufgabe und ist nicht die des Gesetzgebers. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Schmidt! – Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu Abstimmungen, denn weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.

Zum Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachennummer 16/2029 – Stichworte: Kinderlärm ist Zukunftsmusik I – empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU die Ablehnung des Gesetzesantrags. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist erwartungsgemäß die Fraktion der CDU. Wer ist dagegen? – Das sind alle anderen Fraktionen. Wer enthält sich? – Bei keiner Enthaltung ist der Antrag abgelehnt.

Zum Antrag der Koalitionsfraktionen mit der Drucksachennummer 16/2644 – Stichworte: Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes Berlin – – Herr Regierender Bürgermeister! Ich befinde mich gerade in der Abstimmung. Seine Sie bitte so gut und folgen Sie dem.

[Gelächter bei der SPD]

Zum Antrag der Koalitionsfraktionen mit der Drucksachennummer 16/2644 – Stichworte: Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes Berlin – empfiehlt der Ausschuss die Annahme mit Änderungen. Wer dem Ge

setzesantrag mit Änderungen – Drucksache 16/2924 – zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der Grünen. Wer ist dagegen? – Die FDP-Fraktion. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der CDU-Fraktion ist der Antrag angenommen. Damit ist auch das Gesetz zur Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetz Berlin so beschlossen.

[Beifall von Kirsten Flesch (SPD)]

Zum Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachennummer 16/2030 – Stichworte: Kinderlärm ist Zukunftsmusik II – empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der CDU die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Ist das niemand mehr?