Protocol of the Session on December 10, 2009

Jetzt drängt sich auch noch ein anderes Thema auf die Tagesordnung. Es ist manchem hier unangenehm, und einige hier im Saal möchten darunter einen Schlussstrich ziehen. Es geht um die Aufarbeitung des DDR-Regimes. Wenn wir nach Brandenburg schauen, graust es einen. Man kann sehen, was passiert, wenn es keine gesetzliche Überprüfung von Abgeordneten auf Stasi-Mitarbeit gibt, gegen die sich auch hier im Haus auch manche sträuben. In Sachen Aufklärung ist in den Reihen der Linkspartei jahrzehntelang nichts passiert. Es wird auch im Jahr 2009 noch vertuscht, was das Zeug hält. Auch 20 Jahre nach der friedlichen Revolution kann sich Brandenburg nicht vom Image der kleinen DDR befreien.

Mit dieser kleinen DDR wollte Rot-Rot in Berlin schön stramm, Seit’ an Seit’ marschieren. Was hat man sich auf gemeinsame Projekte gefreut, und das zeigt deutlich, wie wenig die Berliner Linkspartei zur Aufklärung und Aufarbeitung des DDR-Regimes steht. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir brauchen hier keine Schlusstrichdebatten! Aufklärung statt Verklärung ist notwendiger denn je!

[Beifall bei den Grünen Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Angesichts der Klimakonferenz in Kopenhagen ist es an der Zeit, einen Weg für unsere Stadt zur Klimaschutzmetropole zu weisen, einen Weg zur Bildungsmetropole, zu einer Metropole mit Lebensqualität und mit Perspektiven für jeden Einzelnen und jede Einzelne. Nichts davon ist in Ihrem Haushalt erkennbar. Bündnis 90/Die Grünen stehen für eine zukunftsorientierte Politik. Wir stehen für eine Haushaltspolitik, die auf Generationengerechtigkeit und Zukunftsinvestitionen setzt. Davon ist in diesem Haushalt nichts zu sehen. Wir werden Ihren Haushalt ablehnen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pop! – Für die FDPFraktion hat jetzt der Herr Fraktionsvorsitzende Meyer das Wort.

Danke, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Auch von mir im Namen meiner Fraktion zunächst herzlichen Dank für die in den letzten Monaten geleistete Arbeit, vor allem in der Finanzverwaltung, aber auch in den Ausschussberatungen, im Hauptausschuss und in den Fachausschüssen. Ich glaube, dass sich alle Kolleginnen

und Kollegen in den Haushaltsberatungen bemüht haben, ihr Bestes zu geben. Dafür von der FDP-Fraktion meinen herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir hatten ja – und das gehört vielleicht auch bei Haushaltsberatungen dazu – bei einer ganzen Reihe von Vorrednern den Hinweis auf die neue schwarz-gelbe Bundesregierung und die Pläne, die die Bundesregierung jetzt anfängt umzusetzen. Ich bin der Auffassung, dass wir in der Debatte hier in Berlin immer aufpassen müssen, was von der Landespolitik, von den Verantwortlichkeiten vor Ort ablenkt. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag ganz klare Prioritäten formuliert, die jetzt nacheinander umgesetzt werden. Das mag Ihnen politisch nicht gefallen. Das können Sie politisch anders sehen, aber die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland wollte genau diesen Wandel, und deswegen sollten Sie der Bundesregierung die Möglichkeit geben und zumindest die ersten Monate der Umsetzung abwarten. Dann werden wir sehen,

[Zuruf von der SPD]

dann können Sie auch beurteilen, ob das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wirklich dazu führt – wovon wir überzeugt sind –, Wachstum in Deutschland zu generieren.

[Michael Schäfer (Grüne): Keine Experimente! – Beifall bei der FDP]

Zum Hinweis auf die große Koalition in Berlin, der hier vor allen von Herrn Wolf kam: Die FDP gehört bestimmt nicht zu denjenigen, die die große Koalition in Berlin verteidigen würde,

[Frank Henkel (CDU): Ein bisschen!]

aber Sie haben jetzt acht Jahre lang Regierungsverantwortung. Acht Jahre entscheiden Sie über die Haushaltsgesetze und treffen im Senat und im Abgeordnetenhaus Entscheidungen.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das haben wir auch gut gemacht!]

Seit acht Jahren müssen Sie auch für die Fehler, die Sie gemacht haben und für die Fehlentwicklungen dieser Stadt geradestehen, und es bringt wirklich nichts, auf die Zeit der Neunzigerjahre zu verweisen.

[Beifall bei der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das ist der Schuldensockel, den Sie hinterlassen haben!]

Acht Jahre Rot-Rot ist Gelegenheit für eine Bestandsaufnahme. Auch dieser Doppelhaushalt eignet sich dazu, und das einzige Gute an diesem Doppelhaushalt ist, dass es der letzte Haushalt ist, den diese Koalition einbringen und den diese Koalition, dieser Senat verantworten wird. Nach 2011 wird dieser Senat nicht mehr im Amt sein.

[Beifall bei der FDP]

Ramona Pop

So mündet dieser Haushalt mit der Nichtwahl von Frau Dunger-Löper als Rechnungshofspräsidentin zeitlich zusammenfallend in die Abwahl dieses Senats. Das wird sich jetzt anderthalb Jahre hinziehen. Das sind sicherlich verschenkte Jahre für Berlin, aber wir sehen an diesem Doppelhaushalt: Es gibt keine Visionen. Sie zeigen keine Perspektiven auf. Als einzige Konstante bleibt die extreme Haushaltsnotlage, die wieder da ist.

Der Haushaltsnotstand ist zurückgekehrt. Am Anfang von Rot-Rot, Endes des Jahres 2001 hatte das Land Berlin eine Verschuldung von 40 Milliarden Euro. Mittlerweile sind es in den Planungen bis Ende 2011 66 Milliarden Euro. 26 Milliarden Euro mehr Schulden! Die Verantwortung dafür trägt nicht die große Koalition. Die Verantwortung dafür tragen SPD und Linke in dieser Stadt.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das ist doch Unsinn!]

Berlin ist nach acht Jahren Rot-Rot in allen Rankings, die in den letzten Monaten veröffentlicht wurden, Schlusslicht. In der aktuellen Analyse der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft steht Berlin im Bestandsranking am Ende, und wenn Herr Müller zu Beginn seiner Rede darauf verwiesen hat, dass die Krise Berlin nicht ganz so stark getroffen hat und das Wachstum in Berlin stärker ist als in den übrigen Bundesländern, dann muss man auch einmal einsehen, dass das daran liegt, dass es hier keine wirtschaftliche Basis gibt. Wenn es keine wirtschaftliche Basis gibt, kann in Zeiten einer Wirtschaftskrise auch der Abschwung nicht so stark ausfallen wie in den starken Regionen in Deutschland.

Der Offenbarungseid für diese Koalition kommt erst dann wieder, wenn sich der Aufschwung in Deutschland verfestigen wird. Dann werden wir sehen – bei der industriellen Basis, bei der Wirtschaftslage in Berlin –, ob Berlin dann immer noch an der Spitze des Wirtschaftswachstums der Bundesrepublik steht oder ob wir nicht schnell hinterherhinken werden. Berlin brauchte in den nächsten 10, 15 Jahren ein konstantes Wirtschaftswachstum über dem Bundesschnitt. Dafür müsste Berlin die Rahmenbedingungen schaffen. Das tut dieser Senat leider nicht.

Das Lob für Arbeitsplatzwachstum, das hier ausgesprochen wurde, ist natürlich auch deswegen zynisch, weil man sich fragen muss, welche Arbeitsplätze in Berlin entstehen. Es steht fest, dass Arbeitsplätze in Berlin trotz des rot-roten Senats entstehen, dass Arbeitskräfte in Unternehmen, die sich in Berlin ansiedeln, mitgebracht und die Plätze und nicht aus der Schar der Berliner Arbeitslosen besetzt werden. Sie bieten den Arbeitslosen in Berlin keine Perspektive.

[Beifall bei der FDP]

Stattdessen werden in dieser Stadt seit Jahren alle Zukunftschancen vertan. Im Bildungsranking 2009 des Instituts der Deutschen Wirtschaft ist Berlin wieder einmal das Schlusslicht bei der Frage, inwieweit jeweilige Bildungs

systeme Voraussetzungen für künftiges Wirtschaftswachstum schaffen. Der Grundsatz in Berlin ist: miserabelste Ergebnisse in Bildungsrankings bei sehr viel investiertem Geld.

Herr Müller! Wenn Sie jetzt darauf hinweisen, dass Sie etwas tun wollen, müssen Sie sich die Frage stellen lassen, seit wann Sie den Bildungssenator stellen und seit wann Sie in dieser Stadt regieren. Sie regieren seit 1989 in dieser Stadt. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass in all diesen Rankings, in all diesen Vergleichen mit den übrigen Bundesländern Berlin Schlusslicht ist, und auch das wäre einmal ein selbstkritisches Wort von Ihnen wert gewesen, nämlich dass Sie darauf hinweisen, dass Sie Fehler gemacht haben und dass Sie diese Fehler klar in Ihren eigenen Reihen benennen.

[Beifall bei der FDP]

Die von Ihnen angestrebte Schulstrukturreform ist keine Lösung. Sie ist dilettantisch umgesetzt, das haben wir schon gehört. Sie ist überhastet, und vor allem: Sie geht an den Problemen vorbei. – Das Problem, das wir alle erkannt haben, ist, dass es in dem Bildungssystem keine Durchlässigkeit mehr gibt.

[Özcan Mutlu (Grüne): Genau!]

Deswegen ist eine Debatte über die Frage, ob wir ein drei- oder ein zweigliedriges Schulsystem haben, vollkommen verfehlt. Man müsste eigentlich über die Frage debattieren, wie man Qualität in unsere Bildungseinrichtungen bekommt, und zwar in alle, inklusive den Gymnasien, und da versagt Ihre Schulstrukturreform leider.

[Beifall bei der FDP]

Sie versuchen mit dieser Schulstrukturreform, die Sie jetzt durchführen wollen – wie auch mit vielen anderen Punkten –, vom Wahltag abzulenken. Deswegen ziehen Sie sie jetzt vor. Es ist nicht so, wie Sie eben anderen Stadträten vorgeworfen haben, dass hier gebremst wird, sondern Sie versuchen, die Schulstruktur jetzt durchzuführen, damit sie Ihnen im Wahljahr nicht auf die Füße fällt – letztlich auf dem Rücken der Kinder, und das ist unredlich!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Welche Chancen hätten Sie gehabt, Herr Müller, Herr Wowereit, wenn Sie die Konjunkturpaket-II-Mittel nicht für diese Schulstrukturreform verausgabt hätten, sondern für eine durchgreifende energetische Sanierung des öffentlichen Gebäudebestandes! Das wäre eine Chance gewesen. Dazu war ursprünglich das Geld auch da. Stattdessen haben Sie wieder eine Chance vertan.

Damit komme ich zu dem Thema Umwelttechnologie, Umweltcluster in Berlin. Die FDP hat nichts gegen eine ressourcenschonende Wirtschaft in Berlin. Wir sind sogar der Meinung, dass Unternehmen per se ressourcenschonend wirtschaften, weil das in ihrem ureigensten Interesse liegt. Wir brauchen aber in Berlin jeden Arbeitsplatz, und der Hinweis gerade von Ihnen, Herr Henkel, dass man die gesamte Berliner Wirtschaft ökologisch, energetisch um

bauen muss, geht fehl. Sie können nicht die Wirtschaft von oben herab umbauen.

Sie können nicht dadurch einen Umweltcluster schaffen, dass Sie 2 Millionen Euro in einen Haushaltstitel schreiben. Wir brauchen zunächst eine Bestandsaufnahme, und da schwanken die Zahlen zwischen 14 000 und 45 000 Arbeitsplätzen, die angeblich im Bereich der grünen Industrien in den letzten Jahren entstanden sind. Keiner weiß genau, wo eventuell Schnittmengen zu den anderen Clustern, die recht erfolgreich arbeiten, entstanden sind. Das sind alles Punkte, die uns dazu bewegen zu sagen: Wir brauchen keine neue Clusterdiskussion, sondern wir müssen die Cluster, die wir haben, zielführend weiter ausbauen, und da müssen wir Geld in die Hand nehmen. Das wird sicher auch dazu führen – die Schnittmengen sind ja da –, dass an der einen oder anderen Stelle sehr vernünftige, sehr zukunftsgerichtete Umwelttechnologien in der Stadt angesiedelt werden.

[Beifall bei der FDP]

Der Hinweis, dass man das am – dann ehemaligen – Flughafen Tegel machen kann, geht natürlich auch fehl. Wir werden dort mit der Flugbereitschaft des Bundes noch bis zum Jahr 2012 Flugbetrieb haben, sodass wir frühestens im Jahr 2012/2013 über eine Entwicklung des Areals reden. Wenn wir dort Zukunftstechnologie in Berlin ansiedeln wollen, dann haben wir den Anschluss in der Tat endgültig verpasst.

Es sind aber auch andere Bereiche, wo Rot-Rot gezeigt hat, dass sie nicht zukunftsfähig agieren können. Das Beispiel A 100 ist klassisch. Auf der einen Seite regen Sie, Herr Müller, sich auf, dass vom Bund kein Geld für Berlin bereitgestellt wird, auf der anderen Seite spielen Sie hier fahrlässig mit einer Investition von 400 Millionen Euro. Das ist unverständlich. Das Geld ist da. Es ist in der Mittelfristplanung eingestellt. Und warum soll Berlin dieses Geld nicht verwenden? Ich würde mir wünschen, dass der Regierende Bürgermeister jetzt gleich in seiner Erklärung ein deutliches Wort dazu sagt, ob er für den Weiterbau der A 100 ist und auch seine Richtlinienkompetenz als Regierender Bürgermeister ernst nimmt.

[Beifall bei der FDP]

Wirtschaftspolitik findet in diesem Land nicht statt, und wenn, dann nur über andere fachfremde Senatoren wie Frau Lompscher mit der Umweltzone oder dem geplanten Klimaschutzgesetz. Dazu auch nur einen Satz von mir: Wir haben nichts gegen Ressourcenschonung. Wir haben nichts gegen Klimaschutz. Aber wir müssen redlich mit diesem Thema umgehen, und wir müssen vor allem die Frage beantworten, wer die Folgen aus diesem Klimaschutzgesetz und den Vorschriften, die dort – und auch in den neuen Vorschlägen – formuliert sind, bezahlen soll.

Frau Pop hat eben von 10 Milliarden Euro Investitionssumme gesprochen. Es mag sein, dass dies genau die Investitionssumme ist, die im Land Berlin verbaut werden muss. Die Frage ist: Wer zahlt diese 10 Milliarden Euro? Solange ein Klimaschutzgesetz – ganz egal welcher Ent

wurf – keine Antwort auf diese Frage gibt, werden wir diesen Entwurf ablehnen.

[Beifall bei der FDP]