Protocol of the Session on September 24, 2009

Die SPD-Fraktion tut es auch. Aber mit Recht haben die Anwohnerinnen und Anwohner gefordert, sobald wie möglich auch selbst etwas von dem Gelände zu haben. Deshalb unterstützt die SPD-Fraktion die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dabei, auch vor der langfristigen Entwicklung das Tempelhofer Feld zu öffnen. Schon im Oktober wird es die ersten Führungen für alle Berlinerinnen und Berliner geben. Die Sportflächen werden von einem Sportverein verwaltet und betrieben. Ab Mai

werden tagsüber die Berlinerinnen und Berliner das Gelände für ihre Zwecke für Sport und Freizeit, Spaziergänge und Familienausflüge genießen können.

Mittel- und langfristig wird auf dem Tempelhofer Feld ein neues grünes Herz, eine Art Central Park für Berlin entstehen. Die Lebensqualität vor allem für die Menschen, die heute schon rund um den Flughafen leben, und für die Familien, die am Columbiadamm und an der Oderstraße neu dazukommen, wird weiter wachsen.

In den Konturen wird das, was auf dem Tempelhofer Feld entsteht, heute zunehmend erkennbar. Die Entwicklung dieses neuen Stadtgebiets ist ein beglückendes Projekt, das unter ständiger Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger umgesetzt werden muss. Natürlich kostet das alles Geld. Aber dem Geld, das wir ausgeben, stehen auch neue Werte gegenüber. Es ist in dem Sinne – und das unterscheidet die Entwicklung des Tempelhofer Feldes heute von dem Zustand, den wir vor zwei Jahren hatten – eben kein Millionengrab, Kollege Graf, sondern ein Millionenacker, der blühen und gedeihen wird.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Ich meine, dieses Geld ist für eine blühende Zukunft und neue Entfaltungsräume für Tausende von Menschen gut und ertragssicher angelegt. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Felgentreu! – Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu dem Streit über den Vertrag kann ich eigentlich nur darauf hinweisen, dass es einmal eine große Koalition unter einem Regierenden Bürgermeister Diepgen gab,

[Ralf Wieland (SPD): Das ist aber lange her!]

und die hat es in den 90er-Jahren versäumt, nach dem Reichsvermögensgesetz den Anspruch auf Tempelhof und weitere Immobilien zu erheben. Überhaupt nur deswegen haben wir diesen Vertragsstreit heute, und deswegen musste Berlin auch bezahlen.

[Beifall bei den Grünen und der Linksfraktion]

Mehr will ich dazu gar nicht sagen. Ich will mich auf das konzentrieren, was viel interessanter ist als das, was in der Antwort auf die Große Anfrage steht, nämlich auf das, was im Haushaltsplan über die städtebaulichen Pläne für das Tempelhofer Feld steht und was da die Aussage ist. Ich muss schon sagen – ich richte mich jetzt hauptsächlich an Frau Junge-Reyer –, dass ich es äußerst problema

tisch finde, ohne jegliche inhaltliche parlamentarische Befassung eine Internationale Bauausstellung zu planen und in einen kleinen Haushaltsvermerk das Einstellen von 140 Millionen Euro bis zum Jahr 2015 als Sachverhalt zu schreiben, ohne ein Konzept, geschweige denn ein öffentlich diskutiertes Konzept. Es ist nicht klar, ob das die richtige Prioritätensetzung für die nächsten Jahre ist. Das gehört erst intensiv politisch diskutiert, bevor man meint, so eine Entscheidung en passant im Haushalt treffen zu können. Wir dringen darauf, dass das noch einmal aufgerufen und diskutiert wird, was das inhaltlich bedeutet.

[Beifall bei den Grünen]

In derselben Fußnote wird auch die Entscheidung der Auftragsvergabe für diese Internationale Bauausstellung an einen völlig ungeeigneten Träger vermerkt, nämlich an die Adlershof Projekt Gesellschaft, die zwar einige Erfahrungen in der Erschließung eines Technologieparks, aber mit einer anspruchsvollen Internationalen Bauausstellung null Erfahrung, null Konzept, null Strategie hat. Auch das halten wir für eine – ich sage es mal freundlich – äußerst problematische, undurchdachte Entscheidung.

[Beifall bei den Grünen]

Nun gibt es für dieses IBA-Vorhaben bisher drei aus unserer Sicht sehr problematische, eigentlich sogar missglückte Vorhaben. Das erste ist die Nutzung des Flughafengebäudes. Bisher gibt es da ungefähr für 350 Tage im Jahr null Nutzung und dann für vielleicht 10 Tage – wenn es hoch kommt, 15 Tage – ein paar Events, genannt „Bread and Butter“, genannt „Pyronale“, genannt „SCCRunning“. Es ist praktisch eine Totgeburt, dieses Gebäude so ungenutzt in eine Zukunft zu führen und das dann noch mit einer Internationalen Bauausstellung zu deklarieren – das ist absurde Politik, das kann man als Strategie für die nächsten Jahrzehnte so nicht stehenlassen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Die zweite Entscheidung ist, dass Sie unter dem Stichwort „Columbiaquartier“ am falschesten Ort ein Wettbewerbsverfahren gemacht haben, an einer Stelle, die überhaupt nicht mit der sonstigen Stadt, mit den Stadtteilen vernetzt ist. Die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln haben diese Planungen sehr entschlossen abgelehnt. Das ist Spielwiesenschickimicki, daraus kann man auch keine Internationale Bauausstellung machen. Das braucht die Stadt nicht, dafür gibt es keine Investoren, und das brauchen auch die angrenzenden Bezirke nicht. Das ist falscher Städtebau, Frau Senatorin, und den wollen wir auch nicht mit teuren Steuergeldern bezahlen!

[Beifall bei den Grünen]

Das Dritte ist – und das richtet sich an den Regierenden Bürgermeister bzw. an den regierenden Kultursenator –, dass Sie dann noch meinen, dass der richtige Standort für eine neue Landesbibliothek für 270 Millionen Euro ausgerechnet am S- und Autobahnring, also praktisch am äußersten Rand, sei. Das ist eine völlig falsche, undurchdachte Standortentscheidung. So kann man in einer Stadt, die in der Mitte eine Reihe von wunderbaren Standorten

hat, nicht Politik machen. Diese Landesbibliothek hat es verdient, einen zentralen Standort zu bekommen. Insofern sagen wir ganz deutlich: Diese Planung wollen wir als Erstes im Parlament diskutieren, und dann wollen wir auch diskutieren, ob es richtig ist, so viel Geld in eine Bauausstellung zu stecken, die angesichts unserer Haushaltsnöte so nicht leben und nicht sterben kann. Ändern Sie diese Pläne, und dann lassen Sie uns darüber gesellschaftlich diskutieren, was am Ort sinnvoll und nötig ist! So bitte nicht!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin! – Frau Matuschek hat jetzt das Wort für die Linksfraktion. – Bitte schön, Frau Matuschek!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig! All die Fragen, die Sie aufgeworfen haben, sind wichtige Fragen. Ich denke, wir werden sie heute in der Plenardebatte nicht ausführlich und abschließend behandeln, sondern in den vor uns liegenden Haushaltsberatungen im Detail miteinander diskutieren. Sie haben aus Ihrer Sicht richtige Stichworte genannt. Wir haben auch die eine oder andere Nachfrage. Aber das war nicht Inhalt der Großen Anfrage.

[Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Damit komme ich zu den Urhebern der Großen Anfrage. Da kann ich leider nur erkennen, dass die einreichende Fraktion den Schock, der offensichtlich mit der Schließung Tempelhofs eingetreten ist, immer noch nicht überwunden hat. Sie haben damals die ganze Debatte nicht verstanden, Sie verstehen die Debatte jetzt auch nicht. Sie haben auch den Ankauf nicht verstanden. Das wurde in Ihren Fragen deutlich. Im Übrigen haben wir die Finanzregelungen, die für den Ankauf nötig waren, im Parlament beschlossen – nur noch mal zu Ihrer Information. Sie haben dem vielleicht nicht zugestimmt, aber das Parlament hat das im Nachtragshaushalt beschlossen.

Was haben wir jetzt miteinander zu besprechen? – Man sollte sich ab und zu vor Augen führen, was für eine Liegenschaft es ist. Das ist eine Liegenschaft von erheblicher Größe, mit insgesamt 40 Gebäudeteilen, mit einer Nettogrundfläche von 243 000 m2, und davon sind ca. 200 000 m2 Mietflächen. Trotz Schließung des Flugbetriebs ist davon immer noch – oder wieder – knapp die Hälfte vermietet. Die Schließung des Flugbetriebs hat auf die Vermietung also offensichtlich nicht so drastische Auswirkungen gehabt wie von der CDU und der FDP immer befürchtet.

Aber man muss auch sagen, dass die vorhandenen Gebäudeteile gänzlich unterschiedliche Vermietungsvoraussetzungen haben. Das reicht von Vollvermietung für bestimmte Landesnutzungen – wie bei der Polizei – bis zu

„ist gar nicht vermietbar“, weil kein Licht, nicht beheizbar und zum Teil noch im Rohzustand befindlich. Das muss man sich vor Augen halten, wenn man danach guckt – und richtigerweise guckt –, die Vermietungssituation peu à peu zu verbessern.

Da gibt es vier Schwerpunkte, auf die sich die Vermietungsaktivitäten konzentrieren. Darüber sind wir auch regelmäßig informiert worden. Das sind Landesmieter, das sind Medien- und Kreativwirtschaft, das sind Event und Kultur, und das ist eine Mischnutzung, wenn man daran denkt, auch das Alliiertenmuseum und das Technikmuseum dort unterzubringen.

Genauso sind wir über verschiedene Veranstaltungen und tatsächlich abgeschlossene Mietverträge informiert worden. Wir sind auch über verschiedene Beteiligungsprozesse – „Call for Ideas“ und dergleichen – informiert worden. Wir sind auch über die Bewerbung des Landes Berlin für eine IGA informiert worden, nämlich in der Drucksache vom 4. Dezember 2008 – das ist nun schon fast ein Jahr her, das hätte man schon zur Kenntnis nehmen können.

Richtig ist: Da ist noch vieles im Fluss, aber das ist bei solch einer Liegenschaft auch klar. Wir halten aber an dem Ziel fest, dass die große Freifläche frei bleiben soll, für eine weitestgehende breite öffentliche Nutzung mit einer breiten Nutzungsvielfalt. Wir sagen: Volkspark statt Schlosspark. Wir denken, langfristig muss auch der Zaun fallen. In London ist es mit dem Hyde Park auch möglich und in New York mit dem Central Park. Warum soll es in Berlin nicht möglich sein mit dem Park auf dem Tempelhofer Feld? – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Danke schön! – Für die FDP hat jetzt der Kollege KlausPeter von Lüdeke das Wort. – Bitte schön, Herr von Lüdeke!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Schließung des Flughafens Tempelhof sind dem Land erhebliche, wirklich unnötige Kosten entstanden.

[Beifall bei der FDP]

Der Kollege Graf ist schon auf das Zahlenwerk eingegangen. Es bleiben der Grundstücksanteil von 35 Millionen Euro und die Ersatzkapazitäten für Schönefeld und Tegel mit 7,5 Millionen Euro zu berücksichtigen. Alle weiteren Zahlen hat der Kollege Graf schon genannt. Daneben gibt es steigende Betriebsverluste aus der Gebäudebewirtschaftung und die Kosten für die Sicherungsmaßnahmen. Diese sind jedoch gering. – Frau Senatorin Junge-Reyer! Vielleicht hören Sie sich das mit an, denn ich glaube, dass der stadtentwicklungspolitische Teil bei der Großen Anfrage zu kurz gekommen ist.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Diese Kosten, die der Kollege aufgezählt hat, sind jedoch gering im Vergleich zu den Kosten, die dem Land für die prioritäre Entwicklung dieser Fläche erst noch entstehen werden. Allein im Doppelhaushalt 2010/2011 sind hier Kosten in Höhe von rund 200 Millionen Euro eingestellt. Dabei sind diese Gelder allein für einen ungeeigneten Entwicklungsträger – es wurde von Frau Eichstädt-Bohlig schon darauf hingewiesen –, der rund 150 Millionen Euro bekommen soll, und die Planung einer internationalen Gartenbauausstellung für rund 52 Millionen Euro vorgesehen. Welche weiteren Kosten hier in den weiteren Jahren auf das Land Berlin zukommen, ist dabei völlig unklar. Bekannt ist nur, dass Siedlungsfläche in dem von Ihnen geplanten Umfang in Berlin überhaupt nicht benötigt wird.

Die Entwicklungsgebiete, die wir schon seit Anfang der 90er-Jahre haben, insbesondere die Wasserstadt Oberhavel, haben Berlin viel Geld gekostet – wir haben erst jüngst darüber geredet –, und die Flächen sind bis heute nicht bebaut. Wie inzwischen aus der Entwicklung von Flächen in anderen europäischen Städten deutlich und in einer Studie des DIfU belegt wird, lassen sich direkte Mehreinnahmen durch Flächenentwicklung nicht generieren, nicht mal, wenn man zusätzliche Steuereinnahmen durch Neuansiedlung gegenrechnet. Dementsprechend machen städtebauliche Entwicklungen nur Sinn, wenn hier auch ein Mehrwert für die Stadt geschaffen wird.

[Beifall bei der FDP]

Den sehen wir bei Ihren Vorstellungen zurzeit überhaupt nicht. Durch die Debatte der letzten Monate ist beim Senat wohl der Eindruck entstanden, dass das Tempelhofer Feld die Fläche in der Stadt ist, die vor allen anderen mit einem enormen Mitteleinsatz entwickelt werden muss. Nicht geklärt ist dabei die vordringliche Frage, ob diese Fläche wirklich die Schlüsselrolle in der städtebaulichen Entwicklung Berlins einnehmen soll. Es zeigt sich: Zunächst fehlt Ihnen jede Vision.

[Beifall bei der FDP]

Sie müssen zuerst die Frage beantworten, welche Flächen zur Sicherstellung einer sozialen, ökologischen und vor allem, Herr Felgentreu, auch einer ökonomischen Entwicklung in Berlin vordringlich entwickelt und gestärkt werden müssen und was in diesem Zusammenhang mit den anderen wichtigen Flächen in der Stadt werden soll, z. B. Flughafen Tegel, City-West, östlicher Spreeraum, Heidestraße. Wie sollen sich die Stadtränder entwickeln? – Nichts darüber! Nur wenn in diesem Vergleich tatsächlich Tempelhof die zentrale Schlüsselrolle in der Berliner Stadtentwicklung einnimmt, ist der jetzt vorgesehene Mitteileinsatz überhaupt zu rechtfertigen. Auch das ist derzeit nicht erkennbar.

Übrigens scheint die geplante Entwicklung auch nicht mit den Betroffenen vor Ort abgestimmt. So hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Beteiligung an dem Wett

bewerb für das Columbiadammquartier abgelehnt, und auch Neukölln wendet sich gegen die hier vorgesehene Planung.

[Zuruf: Allerdings!]

Allerdings, höre ich da gerade – sehr gut! – Noch ein Wort zur Entwicklung eines weiteren Messestandorts: Sie schaffen hier einen Messe- und Eventstandort, der nicht nur in Konkurrenz zur Messe Berlin, sondern auch zur umgebenden Wohnbebauung tritt. Andere Städte verlagern nämlich wohlweislich ihre Publikumsmagneten an den Stadtrand, um die Zielkonflikte zu vermeiden. Der Senat schließt lieber Straßen und Autobahnen für einzelne Veranstaltungen zulasten der aufgebrachten Bürger. Da sich jede Nutzung des Gebäudes dem Mietvertrag mit der „Bread and Butter“ unterordnen muss, kommt eigentlich nur Messe- und Eventnutzung infrage. Damit tritt die landeseigene BIM in Konkurrenz zur landeseigenen Messegesellschaft.

[Beifall bei der FDP]