Protocol of the Session on September 24, 2009

[Beifall bei der FDP]

Inwieweit diese Nutzungen geeignet sind, das Gebäude dauerhaft zu erhalten und zu unterhalten, ist mehr als fragwürdig. Kurz gesagt: Ihnen war es doch nur wichtig, den Tempelhofer Flughafen zu schließen. Eine Vision für seine Nachnutzung haben Sie erwartungsgemäß nicht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Danke schön, Herr Kollege von Lüdeke! – Die Große Anfrage ist damit besprochen.

Die lfd. Nrn. 13 bis 16 stehen auf der Konsensliste. Wir kommen jetzt zur

lfd. Nr. 17:

Beschlussempfehlung

Die Ausländerbehörde ist keine Schule – Anwendungshinweise zu § 35 Aufenthaltsgesetz ändern!

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/2520 Antrag der Grünen Drs 16/2254

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Person von Frau Bayram. – Bitte schön, Frau Bayram, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Wir haben in diesem Antrag gefordert, dass die Anwendungshinweise der Ausländerbehörde dahin gehend geändert werden, dass Schulzeugnisse von Migrantinnen und Migranten, die ihre Aufenthaltserlaubnis in der Form der Niederlassungserlaubnis, das heißt unbefristet,

erhalten, nicht vorzulegen sind. Es gibt in anderen Bundesländern eine solche Regelung nicht, und die bundesgesetzliche Regelung ist eher zugunsten der Migrantinnen und Migranten. Ich habe verschiedentlich mit Mitarbeitern der Ausländerbehörde gesprochen. Die sehen auch, dass es ein Mehraufwand ist, der in Anbetracht der Bezahlung und auch der Personalkapazität, also der Anzahl der Leute, eigentlich nur zur unnötiger Arbeit führt. Das hat den weiteren Effekt bei den Menschen, die davon betroffen sind, aber auch bei der gesamten Gesellschaft, die das, selbst wenn sie selbst nicht betroffen ist, beobachtet, dass gesagt wird: Das ist keine Willkommenskultur. Da wird Menschen, die bereits erwiesenermaßen fünf Jahre in der Bundesrepublik und insbesondere in Berlin leben, zugemutet, ob sie es aufgrund von Zeugnissen – ob da Fehlzeiten sind und wie gut die Zeugnisse sind, das wird alles überprüft – wert sind, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.

Wir laufen mit solchen Regelungen auch Gefahr, dass sich die Menschen, die hier leben wollen und eine Perspektive für sich sehen, aufgrund dessen ausgegrenzt und ausgeschlossen fühlen und überhaupt keine Motivation haben, sich in einem solchen Land, in dem sie so behandelt werden, mehr einzubringen. Was ich damit letztlich sagen will, ist: Diese Regelung ist unsinnig, und sie ist vom Verwaltungsaufwand einerseits, aber andererseits auch von den Daten her, die dort abgefragt werden, gegenläufig gegenüber dem, was hier sonst allgemein gesagt wird, nämlich dass wir nicht so viele Daten speichern wollen und Ähnliches.

[Beifall bei den Grünen]

Ich denke, dass diese Regelung, wie sie uns im Innenausschuss vorgetragen wurde, dass mittlerweile einerseits dieses alte Verfahren mit der Vorlage der Zeugnisse beibehalten wird, aber für den Fall, dass der arme Mitarbeiter immer noch nicht durchblickt, er sich dann von der Schule eine Bescheinigung bringen lassen muss, letztlich zu einer Doppelbelastung und zu unnötiger Doppelarbeit führt und insoweit alle verunsichert, keinem hilft und letztlich für die Betroffenen einfach nur Steine statt Brot ist.

[Beifall bei den Grünen]

Die gesetzliche Regelung sagt lediglich – damit sie sich mal ein Bild davon machen können –: Derjenige muss sich in einer Ausbildung befinden, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt. – Dafür brauche ich keine Zeugnisse, da reicht eine Schulbescheinigung. Das leuchtet jedem normalen Menschen ein. Aber vielleicht müsste ich hier einfach mal den langjährigen Abgeordneten H.-G. Lorenz zitieren, der sagt: Die SPD verliert bei den Wählerinnen und Wählern mit Migrationshintergrund, weil sie es nicht versteht, dass es bei den Menschen nicht ankommt, dass ihnen überall Steine in den Weg gelegt werden, wo ihnen einfach Brücken gebaut werden müssten. –

[Beifall bei den Grünen]

Und ich will Ihnen auch nicht verschweigen, dass ich selbst den Bundesvorsitzenden der SPD daraufhin angesprochen habe, wie er denn damit umgehe, dass es wissenschaftliche Untersuchungen gebe, wonach die Migrantinnen und Migranten weniger SPD wählten. Da hat er gesagt: „Da sind wir doch bei 50 Prozent, da stehen wir doch ganz gut da!“ Ich möchte Sie wirklich fragen, Herr Senator, ob Sie damit auch zufrieden sind oder ob Sie nicht doch noch einmal in sich gehen wollen und solche Punkte, an denen Sie letztlich kleine Grabenkämpfe führen und aus welchen Gründen auch immer solche Dinge hochhalten, ob Sie nicht einmal über Ihren Schatten springen und eine Regelung herbeiführen könnten, die jungen Menschen erspart, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Ausländerbehörde ihre Schulnoten beurteilen. Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion hat nunmehr der Kollege Dr. Felgentreu das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Felgentreu!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Bayram! Mit H. G. Lorenz haben wir in der SPD-Fraktion immer gerne gestritten, vor allem deshalb, weil er für seine Positionen stets innerhalb der SPD-Fraktion gestritten hat. Das hat den Gedankenaustausch sehr befördert.

[Beifall bei der SPD]

Wie dem auch sei – der Antrag der Grünen vom März dieses Jahres ist durch eine Anpassung der Anwendungshinweise seitens des Senats in der Hauptsache bereits erledigt.

In der Vergangenheit hat die Ausländerbehörde aus schlechten Schulnoten darauf geschlossen, dass ein Schulkind noch nicht auf dem Weg zu einem anerkannten Abschluss sei, und diesen Kindern deshalb die unbefristete Niederlassungserlaubnis verweigert. Von dieser Praxis ist der Senat abgerückt. Kinder, die regelmäßig die Schule besuchen und sich Mühe geben, einen Abschluss zu erreichen, erhalten heute die Niederlassungserlaubnis auch dann, wenn gute Noten noch auf sich warten lassen. Wenn allerdings Schulverweigerung die Ursache für schlechte Leistungen ist, erteilt die Behörde auch weiterhin keine Niederlassungserlaubnis.

Diese Vorgehensweise entspricht einer richtigen Abwägung. Wir wollen, dass auch die Ausländerbehörde mit ihren Entscheidungen auf der Grundlage des Aufenthaltsrechts Integration fördert und unterstützt. Denjenigen, die erkennbar alle Anstrengungen unternehmen, um sich eine Existenz in Berlin aufzubauen, muss die Ausländerbehörde als zuverlässiger Partner zur Seite stehen. Dazu gehört in der aktuellen Situation der Wirtschaftskrise auch, dass Menschen, die ihre Arbeit verloren haben und nicht sofort

neue Arbeit finden, nicht befürchten müssen, dass ihre befristete Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert wird.

Auch in einem zweiten Punkt müssen wir weiterkommen: Wir wissen alle, dass so gut wie alle geduldeten Ausländer, bei denen Abschiebungshindernisse bestehen, bei uns bleiben werden. Daraus folgt: Wenn wir schon nicht die Kraft oder die politischen Mehrheiten haben, diesen Leuten eine Aufenthaltserlaubnis zu geben, dann sollten wir ihnen wenigstens das Recht geben, von ihrer Hände Arbeit zu leben.

[Beifall bei der SPD]

Und die Kinder dieser Leute müssen Zugang zu Ausbildung und Studium bekommen. Sonst haben sie keine Chance, sich zu integrieren, so viel Mühe sie sich auch geben.

Aber umgekehrt ist es dann auch Aufgabe der Ausländerbehörde, darauf zu achten, dass Menschen, die auf Dauer in Berlin leben wollen, sich Mühe geben, auf eigenen Füßen zu stehen. Das ist bei Jugendlichen, die nicht zur Schule gehen, nicht der Fall.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Deshalb ist es konsequent, solchen Jugendlichen keine unbefristete Niederlassungserlaubnis zu geben.

Wichtig ist dabei, dass ein Nein der Ausländerbehörde diese Jugendlichen nicht aus heiterem Himmel trifft. Eltern und Kindern muss klar sein, dass die Verweigerung eigener Anstrengungen aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben kann. Nur dann haben sie eine Chance, rechtzeitig über eine Veränderung ihres Verhaltens nachzudenken. Deshalb sollten die Behörden, die problematische Familien betreuen, einen engen Informationsaustausch untereinander pflegen und gemeinsam über geeignete Maßnahmen beraten.

Wenn es sich dabei um Berliner Familien ohne deutsche Staatsbürgerschaft handelt, sollten in diese Vernetzung neben Schule, Jugendamt, Jobcenter, Quartiersmanagement im Einzelfall auch einmal Polizei und Staatsanwaltschaft, auch die Ausländerbehörde einbezogen werden.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Bayram?

Bitte, Frau Bayram!

Ich möchte Sie fragen, Herr Felgentreu, ob Sie wissen, wie oft und wie umfangreich die Schulzeugnisse von der Ausländerbehörde angefordert und geprüft werden.

Bitte schön, Herr Kollege Felgentreu!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Worauf es mir ankommt, ist, dass die Ausländerbehörde darauf achtet, dass die Kinder, die nicht zur Schule gehen, frühzeitig einen Hinweis bekommen, dass ein regelmäßiger Schulbesuch die Voraussetzung für das Erreichen eines Abschlusses ist und dass nur der Weg, der zu einem Abschluss führt, die Voraussetzung für eine Niederlassungserlaubnis sein kann. Das ist die Aufgabe der Ausländerbehörde. Darauf muss sie achten, und das ist auch die richtige Politik, die dieser Senat durchgesetzt hat.

[Beifall bei der SPD]

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mutlu?

Wenn es der Wahrheitsfindung dient, gestatte ich auch noch eine Zwischenfrage des Kollegen Mutlu.

Bitte schön, Herr Kollege Mutlu!

Herr Kollege! Sie haben die vorige Frage nicht beantwortet. Aber ich will eine andere Frage stellen: Ist Ihnen bewusst, dass das, was Sie gerade sagen, im Widerspruch zu der geänderten Verordnung steht? Das Ziel war ja nach der Diskussion im Innenausschuss, das, was vorher als falsch respektive anders, als es der Bundesgesetzgeber wollte, in die Verordnung hineingeraten ist, herauszunehmen.

Die Frage ist verstanden, Herr Kollege Mutlu. Sie braucht nicht begründet zu werden. – Bitte schön, Herr Kollege, fahren Sie fort!

Die Frage ist sehr wohl verstanden. Danke sehr, Herr Präsident! – Ich bestreite aber, was Sie sagen, Herr Kollege Mutlu. Ziel der veränderten Verordnung war, die Tatsache zu würdigen, dass es Kinder gibt, die regelmäßig

zur Schule gehen und sich anstrengen, einen Abschluss zu erreichen, und dabei nicht Kinder, denen es schwerfällt, akademische Leistungen zu erbringen, die unmittelbar auf einen erfolgreichen Abschluss hinführen, noch zu demotivieren, indem man ihnen sagt: Du warst nicht gut genug.

[Özcan Mutlu (Grüne): Mit 16 sind sie nicht mehr schulpflichtig!]

Das ist aber im Falle von Schulverweigerung etwas vollkommen anderes, und da musste die Ausländerbehörde eine feine Trennung vornehmen. Das tut sie, und das ist auch der richtige Ansatz. Vielen Dank, meine Damen und Herren, die Diskussion wird uns weiter begleiten!