Protocol of the Session on September 10, 2009

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Beifall von Uwe Goetze (CDU)]

Damit keine Missverständnisse aufkommen von wegen Konjunkturprogramm, Wirtschaftskrise, böse Banken, der Krise nicht hinterhersparen, sage ich, dass die Ausgaben von 2011, immerhin 1,1 Milliarden Euro mehr als im Abschluss 2008, nichts mehr mit den Konjunkturprogrammen zu tun haben. Die Programme laufen 2010 aus. Sie haben auch noch nichts mit etwaigen Berliner Anteilen an der Bankenrettung zu tun; denn die Rechnung kommt später, 2014.

Ich bringe es auf den Punkt: Für die Einnahmeverluste, geschätzte 1,7 Milliarden Euro gegenüber 2008, sind in der Tat die Wirtschaftskrise und die Steuersenkungen von Schwarz-Rot im Bund verantwortlich, für die Mehrausgaben aber die Spendierhosen von Rot-Rot hier in Berlin. Dieser Haushalt wirkt wie ein Offenbarungseid. Er bringt die Wahrheit über eine Kette von Versäumnissen an den Tag. Jetzt gibt es die Quittung für unzählige Einzelentscheidungen von Rot-Rot in den letzten Jahren, die eine Welle nachhaltig wirksamer Ausgabensteigerungen aufgebaut haben und die man auch nicht auf einen Schlag – da gebe ich Ihnen recht, Herr Nußbaum – abbauen kann.

Im vorliegenden Haushalt schlägt sich das in sämtlichen Politikbereichen nieder.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Immerhin!]

Einzige Ausnahme ist die Wohnungsbauförderung. Das ist die Folge einer Entscheidung aus dem Jahr 2002, die wir alle kennen. Jetzt rächt sich das abrupte Ende des Solidarpakts im öffentlichen Dienst in Form eines sprunghaften Anstiegs der Personalkosten bei gleichzeitig ungerechter Behandlung der einzelnen Beschäftigungsgruppen, insbesondere der Beamten und bei denen wieder insbesondere derjenigen, die keine Lehrer sind.

Von einem fairen Kompromiss zwischen allen Beteiligten und einem verlässlichen Stufenplan über mehrere Jahre wollten Sie nichts wissen, als das anstand. Sie haben – Herr Wowereit vorweg – nicht einmal versucht, diese zugegeben schwierige Aufgabe zu meistern. Uns jetzt hier zu sagen: Wollen Sie den fortsetzen? Das ist doch Karneval – zumindest dort, woher ich komme. Da, wo es ansteht, haben Sie nicht gehandelt. Jetzt baden wir das alle miteinander aus.

[Beifall bei den Grünen – Uwe Doering (Linksfraktion): Wer macht denn hier Karneval?]

Im Rückblick wird eines meiner Ansicht nach glasklar: Als sich die SPD vor drei Jahren gegen Rot-Grün entschieden hat und für die Fortsetzung der Koalition mit der Linkspartei, war das nicht nur eine Entscheidung gegen die ökologische Modernisierung der Stadt, es war nicht nur eine Entscheidung gegen Green-Industries und neue Arbeitsplätze für Berlin. Es war auch eine Entscheidung gegen die Haushaltssanierung.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Dann hol mal langsam die Pappnase heraus!]

Weil Sie das wissen und das inzwischen deutlich wird, treten Sie nun die Flucht nach vorn an und beschließen eine Finanzplanung, die uns sagt, ab 2012 wird wieder gespart, dass es quietscht. Das zu verkünden kostet Sie, Herr Doering, im Augenblick nichts. Dazwischen liegen die Wahlen. Überhaupt läuft in zwei Jahren noch viel Wasser die Spree hinunter.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Das stimmt!]

Herr Wowereit träumt vermutlich davon, Berlin bis dahin hinter sich gelassen zu haben, wenn es dann ernst wird. Ein Großteil von Ihnen, Herr Doering, freut sich augenscheinlich darauf, ab 2012 wieder auf der Oppositionsbank zu sitzen und dann endlich in Berlin auch den Oskar zu machen. Aber aufräumen und sich die Finger schmutzig machen, das sollen dann andere. So sieht das aus.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Für das Erste darf mit Herrn Nußbaum nun ein neuer Finanzsenator den Scherbenhaufen erst einmal verwalten. In der Analyse sind Sie mutig vorangeschritten, Herr Nußbaum. Ihre Ankündigung jedoch, das Blatt zu wenden, zu dem Sie uns hier auch einige Hinweise gegeben haben, sind bis jetzt noch ohne Substanz. Dazu müssten Sie bei der rot-roten Koalition mehr erreichen als Zähneknirschen und wegwerfende Handbewegungen, wenn die Rede auf Ihre Finanzplanung kommt. Glaubwürdig würde der damit markierte Kurswechsel erst, wenn Sie ihn unumkehrbar machen. Dazu müssen in nächster Zeit mindestens zwei Dinge passieren. Erstens: Ein Senat, der für 2013 mit der Finanzplanung den Stopp steigender Personal- und Sachkosten beschließt und obendrauf noch eine strukturelle Sparvorgabe von 250 Millionen Euro packt, muss auch beschließen, mit welchen Maßnahmen er diese Zielsetzung umzusetzen gedenkt. Anderenfalls ist das nichts als blauer Dunst.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ein Senat, der wieder auf Konsolidierungskurs gehen will, kann sich im vorliegenden Haushalt nicht einfach eine Pauschale von 200 Millionen Euro für weitere Wahlgeschenke und alle Eventualitäten genehmigen.

[Beifall bei den Grünen]

Er kann auch nicht Verpflichtungsermächtigungen für die Zukunft gegenüber 2008 um sage und schreibe 5 Milliarden Euro steigern.

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Das ist noch nicht einmal ausfinanziert!]

Was soll denn dann Ihr Satz, Herr Nußbaum: Wir müssen diese Investitionen noch einmal überprüfen und auch die anderen Ausgaben? Alle haben sich Verpflichtungsermächtigungen in einem Ausmaß für die nächsten Jahre gesichert, wie ich das hier bisher noch nicht erlebt habe. Da ist der Verdacht berechtigt, dass Sie eigentlich weiter machen wollen wie bisher.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Zweitens: Mindestens so wichtig, wenn nicht noch wichtiger ist, dass wir einen Beschluss des Senats, besser noch des Parlaments bekommen, in dem sich Berlin gegenüber dem Bund und den anderen Ländern unzweideutig auf den Boden der Realitäten und der geltenden Finanzverfassung im Grundgesetz stellt. Was hier an der Schuldenbremse vom Senator kritisiert worden ist und auch das Eine oder Andere von Herrn Zackenfels kann ich

verstehen. Aber aus der bei Ihnen nur chaotisch zu nennenden Lage müssen wir heraus. Ich habe bisher nur Leute mit Zwischenrufen gehört, die sich dahin gehend geäußert haben, sie würden lieber auf das Geld verzichten als vor der Schuldenbremse zu Kreuze zu kriechen, und die sich gerieren, als seien sie Konföderierte im amerikanischen Bürgerkrieg und die deutsche Hauptstadt eine grundgesetzfreie Zone.

[Beifall bei den Grünen]

Der Regierende Bürgermeister, der jetzt nicht anwesend ist, hat dem noch nicht einmal widersprochen, sondern noch beigepflichtet, indem er die neue Finanzverfassung als abstruse Idee bezeichnet hat.

Gleichzeitig schreiben Sie aber in den Haushalt die erste Rate der damit verbundenen Schuldenhilfe, die wir nur bekommen, wenn wir im Jahr 2010 mit dem Bund eine Sanierungsvereinbarung mit Blick auf 2020 schließen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Wenn das veranschlagungsreif sein soll, ist es nicht zu viel verlangt, dass es hier in diesem Parlament und vorher im Senat einen Beschluss gibt, dass man diese Verwaltungs- und Sanierungsvereinbarung mit dem Bund in Richtung Schuldenbremse auch eingehen wird.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Abschließend möchte ich noch einen Gedankengang vortragen. 1991, nach der Wiedervereinigung, hatte Berlin 10,7 Milliarden Euro Schulden. Nach heutigen Zinssätzen trug das Zinslasten von einer halben Milliarden Euro nach sich. 20 Jahre später stehen wir bei 66 Milliarden Euro und zahlen mindesten 2,5 Milliarden Euro pro Jahr und tragen sie zu den Banken. Nun stellen Sie sich einmal vor, wir könnten hier im Plenarsaal in dieser Haushaltsberatung diese zwei Milliarden Euro verteilen. Dabei könnte man ins Träumen kommen. Dass das nicht geht, liegt daran, dass hier jahrzehntelang weder nachhaltig noch generationsgerecht gewirtschaftet worden ist. Ich frage Sie, ob Sie das so weiter betreiben wollen, vor allem Sie. Wir von den Grünen wollen das nicht.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank Herr Abgeordneter Esser! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Matuschek das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über diesen Haushalt sind beschönigende Worte nicht angebracht. Wir pflegen diese beschönigenden Worte auch nicht. Dieser Haushalt ist ernst, in einer Notlage, und Notlagenhaushalt wäre wahrscheinlich tatsächlich das richtige Wort. Aber, Herr Esser, Sie hatten gerade Bezug auf die Ausgaben

entwicklung der letzten Jahre genommen, und ich möchte in Erinnerung rufen, dass es diese rot-rote Koalition geschafft hat, im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern im Zeitraum von 2002 bis 2008 nicht nur die Ausgaben stabil zu halten, sondern sie um 0,4 Prozent, immerhin, zu senken. Alle anderen Bundesländer haben draufgelegt. Das ist eine grundsätzlich andere Situation, die man durchdenken muss, wenn man über Haushalte in der Finanz- und Wirtschaftskrise und über Schuldenbremse und Sparanstrengungen spricht.

Wir haben in diesem Doppelhaushalt konjunkturbedingte Mindereinnahmen von etwa 4,6 Milliarden Euro, weit überwiegend aus Steuerverlusten. Wir haben konjunkturbedingte Mehrausgaben in Höhe von ca. 720 Millionen Euro ohne Bundesmittel und davon zur Fortführung des Konjunkturpaketes ca. 350 Millionen Euro. Das ist eine traurige Situation. Ja, es ist richtig, die Schuldenfalle steht wieder weit auf. Aber wir gehen diesen Weg der massiven Neuverschuldung nicht allein, sondern im Konzert mit den anderen Bundesländern und mit dem Bund. Ich darf daran erinnern: 90 Milliarden Euro Neuverschuldung beim Bund ist auch eine Rekordneuverschuldung.

Ich sagte bei der letzten Diskussion dazu, Berlin sei keine Insel der Glückseligen, aber uns deswegen Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen – das weise ich voll und strikt zurück.

[Beifall bei der Linksfraktion Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Auch in einer schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Situation muss Politik Verlässlichkeit beweisen können. Wir beweisen mit diesem Doppelhaushalt auch Verlässlichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Berlins und ganz besonders auch gegenüber den Beschäftigten – auch den Beamten – im öffentlichen Dienst. Man kann darüber streiten, dass wir an die tariflichen Verträge zum Auslaufen des Solidarpakts gebunden seien. Aber ich möchte Sie auch in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass es auch politische Stimmen gibt, die sagen: Schwamm drüber! Ist doch egal, was ihr da mal vereinbart habt! Den Solidarpakt kann man ja auch fortführen! – Nein, wir führen den Solidarpakt nicht fort, sondern wir gehen diese vertragliche Verpflichtung ein und setzen um, dass der Solidarpakt zum 1. Januar nächsten Jahres ausläuft und dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes das bekommen, was ihnen zusteht, nämlich das Gehalt für die entsprechende Arbeitszeitausdehnung.

Und nicht genug damit! Natürlich ist es ganz besonders schwierig, im laufenden Verfahren von Tarifverhandlungen etwas zu sagen, aber wir sagen nicht nur Dank an die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, sondern es steht ihnen zu, an einer Einkommensentwicklung teilzuhaben, die die Schere zwischen der Landes- und der Bundesentwicklung nicht größer werden lässt, sondern die Einkommen Schritt für Schritt, hoffentlich in absehbarer Zeit, zu einer Deckung bringt. Wir werden die Haushaltsberatungen dazu nutzen, über das Problem zu reden. Gleichzeitig laufen die Tarifverhandlungen. Als Haushaltsgesetzgeber

werden wir uns daran zu halten haben, welche Zahl am Ende der Tarifverhandlungen steht. Diese Zahl werden wir dann umsetzen.

Wir werden die Haushaltsberatungen gleichzeitig dazu nutzen, über den zentralen Stellenpool zu sprechen. Auch über kritische Momente in diesem zentralen Stellenpool werden wir nicht schweigen, sondern reden. Nur ein einziges Beispiel: Wenn über 20 Prozent der Beschäftigten im Stellenpool Menschen mit Behinderungen sind, dann ist das nicht zu rechtfertigen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wir sind für Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Dienst, aber an dieser Stelle, bitte schön, nicht, sie sollen in den normalen Arbeitsprozess integriert werden.

Wir werden sowohl bei den Tarifverhandlungen als auch bei den folgenden Diskussionen im Parlament über einen Einstellungskorridor sprechen müssen, weil wir ein Ausbluten, auch ein Ausbluten hinsichtlich der Qualifikation, der öffentlichen Verwaltung nicht hinnehmen können und auch nicht wollen.

Wir werden darüber sprechen müssen, wie man die Personalplanung verbessert, nicht nur in den Bezirken, sondern auch auf der Hauptverwaltungsebene, und wir werden uns mit dem Problem der Altersfluktuation in der öffentlichen Verwaltung auseinanderzusetzen haben. In den nächsten Jahren verlassen 14 000 Beschäftigte die öffentliche Verwaltung. Es muss darüber gesprochen werden, wie diese zu ersetzen sind, natürlich auch vor dem Hintergrund, Qualitätsverbesserung durchzusetzen, und das nicht einfach eins zu eins, aber das Problem müssen wir auch in aller Offenheit und bei kritischer Beleuchtung der jetzigen Situation diskutieren.

Als zweiten Schwerpunkt werden wir die öffentlichen Beschäftigungsmaßnahmen absichern, weil damit auch zusammenhängt, dass wir über diese Maßnahmen auch eine Binnennachfrage generieren, weil damit zusammenhängt, dass Menschen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen auch über den öffentlichen Beschäftigungssektor eine Arbeit leisten, die dann entsprechend Einzahlungen in die Versicherungssysteme mit sich bringt. Aber vor allen Dingen genießen sie auch für ihre persönliche Situation einen Wert der Arbeit.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir haben in diesem Haushaltsentwurf eine klare Schwerpunktsetzung vorgenommen. Zwei nannte ich schon. Ein dritter, ganz wesentlicher Schwerpunkt ist und bleibt das ganze Gebiet Bildung, Wissenschaft und Forschung. Der Anteil an den Ausgaben in dem Landesdoppelhaushaltsentwurf beträgt 19 Prozent, das sind 4,1 Milliarden Euro. Natürlich werden sich durch die tariflichen Entwicklungen auch für die Lehrkräfte, für die Erzieherinnen und Erzieher und für die Beschäftigten in den Kitas Verbesserungen ergeben.

Wir werden die Schulstrukturreform umsetzen. – Das ist auch eine Nachricht, die mit Verlässlichkeit zu tun hat. –