Protocol of the Session on June 25, 2009

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Selektion!]

Der zweite Punkt zu dieser Problematik ist die Tatsache, dass, wenn eine Übernachfrage zu einer speziellen Schule vorliegt – das bezieht sich auf die integrierte Sekundarschule und das Gymnasium, es gilt also für beide gleichermaßen –, in Zukunft nach den Vorstellungen des Senats und der Koalition 70 Prozent der Fälle letzten Endes nach der Entscheidung der Schule über den Schulleiter vergeben werden, 30 Prozent durch ein Losverfahren.

Ich gehe davon aus, dass sich Ihre Frage, ob man in Zukunft mehr Personal an Gymnasien brauchen wird, darauf bezieht, dass aufgrund eines solchen Verfahrens möglicherweise eine größere Anzahl von betreuungsintensiven Schülerinnen und Schülern das Gymnasium besuchen wird. Ich nehme weiterhin an, dass Sie als Kriterium unterstellen, dass solche Schülerinnen und Schüler, die sich nach einer Probezeit letzten Endes herausstellend nicht mehr auf dem Gymnasium befinden, das Gymnasium verlassen müssen. Das gibt mir zwangsläufig die Gelegenheit, noch einmal plausibel zu machen, dass in

Zukunft diese Wahrscheinlichkeit eher geringer ist als in der jetzigen Situation.

In der jetzigen Situation wissen wir, dass eine Größenordnung von 7 Prozent der Schülerinnen und Schüler nach dem Probehalbjahr das Gymnasium verlässt. Das heißt sieben von hundert wären letzten Endes nach Ihrem Verständnis betreuungsintensiv. In Zukunft wird es so sein, dass ca. 70 Prozent von dem Schulleiter ausgesucht werden. Ich gehe davon aus, dass er auch nicht ohne Fehl und Tadel ist. Das heißt darunter werden in Kombination mit der Förderempfehlung, aber zusätzlich der Möglichkeit, die heute nicht besteht, dass der Schulleiter sich durch Profilbildung jemanden aussucht, auch ein oder zwei Schüler sein, die das Probehalbjahr nicht mehr bestehen. Es bleiben also 30 übrig.

Ich gehe davon aus, dass die Zusammensetzung der Schülerinnen- und Schülerzahl in Bezug auf ihre prognostische Möglichkeit, auf dem Gymnasium zu bleiben, so sein wird wie jetzt. Es sind also 7 Prozent von 30, das sind also zwei oder drei Schülerinnen und Schüler. Das heißt, in Zukunft ist davon auszugehen, dass noch weniger Schüler nach einer Probezeit das Gymnasium verlassen. Selbst für den Fall, dass nur Realschulempfohlene im heutigen Sinn – in Anführungsstrichen – unter der Gruppe wären, die ausgelost wird, wären das ungefähr ein Viertel. Das heißt, die Zahl wäre nicht größer, als sie heute ist. Das bedeutet, es besteht keine Notwendigkeit, im Gymnasium zusätzliche Personalressourcen aufgrund der Schulstruktur zu verankern. Wobei es ohne Zweifel richtig ist, dass mehr Lehrerinnen und Lehrer in keinem Schulbereich zu keiner Zeit schädlich wären.

Das besonders Charmante – wenn ich mich wieder auf Bremen beziehen darf – ist die Tatsache, dass die CDU in Bremen, wo ein solches Losverfahren bei übernachgefragten Schulen stattfindet, dem Schulgesetz zugestimmt hat. Offensichtlich ist die Bremer CDU der Meinung, das einzige korrekte Verfahren, Chancengleichheit zu etablieren, ist Auswahl durch Los.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Steuer – bitte!

Ich wäre fast geneigt zu fragen, warum Sie sich derart für das interessieren, was in Bremen passiert.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Was für eine komische Frage!]

Aber meine eigentliche Frage lautet: Ist es nicht tatsächlich eine Absenkung, wenn Sie den Zumessungsfaktor in der Einführungsphase von 1,67 auf 1,15 faktisch absenken und damit weniger Lehrer in der Einführungsphase zur Verfügung stehen werden? Widerspricht das in

Senator Dr. Jürgen Zöllner

Verbindung mit fehlenden Sozialarbeitern – wie Sie gerade ausführten –, größeren Klassen an den Gymnasien und weniger Mitteln aus dem Konjunkturpakt zur Sanierung nicht der Gleichwertigkeit von Gymnasien und Sekundarschulen, die die Koalition in ihrem heute zu behandelnden Antrag erwähnt hat?

Bitte schön, Herr Senator Prof. Zöllner!

Ich habe ausgeführt, dass es weder im Zusammenhang mit der Schulstrukturreform noch aus einem anderen Anlass zu einer Absenkung der Lehrerwochenstunden an den Gymnasien kommt und dass der Prozess der Veränderung der Faktoren mit einer lange vorher – und meiner Kenntnis nach von Ihnen mit – beschlossenen Verkürzung der Schulzeit von 13 auf 12 Jahre zu tun hat. Insofern beantwortet sich Ihre Nachfrage bezüglich einer Schlechterstellung der Gymnasien von selbst.

Zum zweite Bereich, den Sie ansprachen, weise ich noch einmal darauf hin, dass von einer Schlechterstellung der Gymnasien gerade in Bezug auf den Konjunkturpakt nicht die Rede sein kann. Der wichtige Schritt, den der Senat vorgeschlagen hat, nämlich in jedem Bezirk ein Gymnasium mit einem Ganztagsangebot und endsprechender zusätzlicher Personalausstattung einzurichten, geht nicht auf eine Initiative der CDU zurück. Selbstverständlich war es der Senat, der die Initiative ergriffen und gesagt hat: Alle Berliner Gymnasien müssen entsprechende bauliche Veränderungen erfahren, um den faktischen Ganztagsbetrieb, der dort aufgrund der verkürzten Schulzeit stattfindet, verantwortungsvoll zu gestalten. Es muss allen ermöglicht werden, dort ein Mittagessen in geeigneten Räumlichkeiten einzunehmen. Mit diesen zusätzlichen Verbesserungen für die Gymnasien ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass Sie von einer Benachteiligung sprechen.

Danke schön, Herr Senator! – Frau Dr. Tesch von der SPD hat eine Nachfrage. – Bitte!

Danke, Herr Präsident! – Herr Senator! Ich finde es schön, dass Sie die Kriterien noch einmal erläutert haben – auch wenn ich bezweifle, dass die CDU-Fraktion das jemals kapiert. Ist es nicht so, dass die künftigen Ganztagsgymnasien, die Sie im Zusammenhang mit dem K-IIMitteln ansprachen, auch zusätzliche Sozialarbeiterinnen und -arbeiter und damit eine personelle Verbesserung erhalten?

Bitte, Herr Senator Prof. Zöllner!

Es ist so, wie Sie sagen. Ich habe versucht, das in einem Satz darzulegen. Ich erläutere die zusätzliche Personalausstattung, die wir diesen Gymnasien zur Verfügung stellen, gerne noch einmal näher und beziehe mich dabei auf eine Standardgröße eines dreizügigen Gymnasiums: Allein im Bereich der Mittelstufe wird es zusätzlich zwei Lehrerestellen, drei Erzieherstellen und zwei Sozialarbeiterstellen geben. Das ist eine gewaltige und beispielhafte Ausstattung, die meines Wissens in keinem anderen Bundesland vorhanden ist.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt geht es mit einer Frage der Kollegin Seelig von der Linksfraktion zu folgendem Thema weiter:

Demokratieverständnis à la CDU

Bitte schön, Frau Seelig!

Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat das Demokratieverständnis der CDU in Steglitz-Zehlendorf, die die Teilnahme einer Berliner Regierungspartei an einem Podiumsgespräch mit Erstwählern im Vorfeld der Europawahlen für kritikwürdig und aufklärungsbedürftig hält?

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das habt ihr euch selbst zuzuschreiben!]

2. Ist es auch in anderen Bezirken üblich, dass Stadträte sich verpflichten sollen, Die Linke nicht zu Wahlveranstaltungen einzuladen, wohl aber die konkurrierenden Parteien, und wie wird die Teilnahme aller demokratischen Parteien im Vorfeld der Bundestagswahl an bezirklichen Wahlveranstaltungen sichergestellt?

Danke schön! – Wer antwortet für den Senat? – Bitte, Herr Dr. Körting!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Seelig! Der Senat beurteilt das Demokratieverständnis der Parteien überhaupt nicht. Das heißt, wir als Senat beurteilen das Demokratieverständnis einzelner Parteien, die im Abgeordnetenhaus vertreten sind, nicht.

Sascha Steuer

Zu dem Sachverhalt, den Sie angesprochen haben, ist es allerdings so, dass auf einer Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf geäußert worden sein soll, eine Partei – in diesem Fall die Linke – solle an einer Erstwählerveranstaltung des Bezirksamts nicht teilnehmen. Das solle man künftig sicherstellen. – Derartiges habe ich von anderen Bezirken nicht gehört.

Ich weise auf die Rechtslage hin: Eine Verpflichtung eines Bezirksamtes, Parteien, die in der Bezirksverordnetenversammlung vertreten sind, nicht zu einer derartigen Veranstaltung einzuladen, würde gegen den aus Artikel 20 Abs. 2 abzuleitenden Grundsatz der Wahlfreiheit verstoßen. Der Prozess erfordert, dass die Wähler ihr Urteil in einem freien und offenen Meinungsbildungsprozess gewinnen. Damit unvereinbar ist eine vom Staat, in diesem Fall vom Bezirk, auf eine auf Wahlbeeinflussung gerichtete, parteiergreifende Einwirkung. Wenn etwas Derartiges stattfände, würden wir im Rahmen der Bezirksaufsicht einschreiten. Eine völlig andere Sache ist es, wenn sich vier Parteien zusammensetzen und verabreden, eine Erstwählerveranstaltung zu machen, bei der sie andere nicht dabei haben wollen. Es steht den Parteien frei, mit wem sie sich zusammensetzen und etwas diskutieren wollen. Wenn das Bezirksamt zu einer solchen Veranstaltung einlädt, ist es an andere Kriterien gebunden.

Danke schön, Herr Senator! – Frau Kollegin Seelig hat keine Nachfrage, aber der Kollege Braun von der CDU. – Bitte!

Herr Senator Körting! Nach der etwas jämmerlichen Frage von Frau Seelig frage ich:

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Jämmerlich ist das Verhalten des Bezirks!]

Ist Ihnen bekannt, ob die PDS, SED, Linke in der Bezirksverordnetenversammlung von Steglitz-Zehlendorf vertreten ist?

Bitte, Herr Senator Dr. Körting!

Ich habe darüber jetzt keine Übersicht, Herr Kollege Braun.

Danke schön, Herr Senator! – Dann hat jetzt die Kollegin Dr. Hiller eine Nachfrage. – Bitte!

Herr Senator! Meinen Sie, der CDU ist es in SteglitzZehlendorf entgangen, dass es Bezirke gibt, in denen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Linken mit Stimmen von und nach Absprache mit der CDU gewählt wurden?

[Frank Henkel (CDU): Ich dachte, Wahlen sind geheim!]

Wie verträgt sich das mit dem Demokratieverständnis der CDU in Steglitz-Zehlendorf?

[Oliver Schruoffeneger (Grüne): Herr Präsident! Das Parlament erlebt gerade wieder einen Höhepunkt!]

Bitte, Herr Senator Dr. Körting!

Ich korrigiere mich bezüglich der Zusammensetzung der Bezirksverordnetenversammlung von Steglitz-Zehlendorf.

Wenn Sie als Staat Wahlveranstaltungen machen, wobei die Bezirke ein Teil der gemeinsamen Verwaltung des Landes Berlin sind, dann brauchen Sie zwar nicht alle 32 Personen einladen, die von verschiedenen Parteien auf der Liste stehen, aber Sie können nicht zwischen den im Abgeordnetenhaus von Berlin vertretenen Parteien differenzieren.

Nun zu der zuletzt gestellten Frage: Mir ist bekannt, dass es in den Bezirken unterschiedliche Konstellationen bei der Wahl von Bezirksbürgermeistern gegeben hat. Das ist in einer Demokratie so. Das hat auch etwas mit dem Demokratieverständnis aller Beteiligten zu tun.

[Beifall bei der Linksfraktion]