Protocol of the Session on January 18, 2007

Gleichzeitig müssen wir Wege erkunden, wie eine flächendeckende Gemeinschaftsschule eingeführt werden kann. 10 bis 15 Schulen, an denen experimentiert wird, reichen nicht aus. Die Zweigliedrigkeit, meine Damen und Herren von der PDS, wäre ein durchaus denkbarer Weg zur Gemeinschaftsschule. Darüber sollten Sie nachdenken.

Meine Damen und Herren! Auch wenn es draußen stürmisch wird, bitte ich hier drinnen um Ruhe. – Danke!

Genauso wichtig ist es, die Eltern zu überzeugen und zu gewinnen und die Lehrerinnen und Lehrer mitzunehmen. Eine Gemeinschaftsschule wird es nicht gegen den Widerstand der Schulen und Eltern geben. Daran werden weder Parlamentsbeschlüsse noch Pilotprojekte etwas ändern.

Was macht Rot-Rot? – Symbolpolitik! Da lohnt ein Blick in den Koalitionsvertrag. Der Teil Bildung umfasst ganze vier Seiten bzw. – wie ein Fraktionskollege sagte – 180 Zeilen. Eine ganze Seite behandelt das Thema Gemeinschaftsschule. Was steht im Koalitionsvertrag zur Unterrichtsversorgung, zur Lage und Zukunft der Hauptschulen oder zu der uns alle beschäftigenden Gewalt an Schulen?

Wenn Sie lange genug gesucht haben, finden Sie folgende Zeilen:

Außerdem soll die Kooperation von Haupt- und Realschulen weiterhin ausgebaut werden.

Mehr nicht, meine Damen und Herren! Das ist bereits jetzt möglich und im Schulgesetz verankert, mit magerer Beteiligung. Das ist das einzige Mal, bei dem die Hauptschule im Koalitionsvertrag überhaupt erwähnt wird. Wer das nicht glaubt, der starte einfach die Suchmaschine in seinem Computer. Gewalt an Schulen – kein Thema. Sicherung der Unterrichtsversorgung – kein Thema. Neueinstellung – kein Thema. Ich könnte diese Liste weiterführen.

Das Thema Gemeinschaftsschule wird dagegen breit erläutert,

[Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

und der Senat macht dafür sogar 22 Millionen € locker. Sicherlich muss ein derartiges Projekt, wenn es gelingen soll, auch finanziell unterfüttert und auskömmlich versorgt werden. Dagegen ist im ersten Moment nichts zu sagen. Dennoch frage ich: Was bringt es in der Fläche? Was heißt es für die Hauptschulen? Was für die Situation der 900 Schulen in Berlin? Wie wollen wir die immensen Probleme der Berliner Schulen lösen, wenn alles andere für das PDS-Projekt zurückgestellt wird? Wie wollen wir die bildungspolitische Misere dieser Stadt angehen? – Prof. Zöllner, glauben Sie mir, der Begriff Misere ist an dieser Stelle sehr wohl geeignet, um die Situation der Berliner Schulen zu beschreiben.

[Beifall bei den Grünen]

Machen Sie nicht den Fehler Ihres Vorgängers! Mit der Vogel-Strauß-Methode kommen wir an dieser Stelle nicht weiter!

Für 22 Millionen € kann sehr viel bewegt werden. Zum Beispiel könnten 400 Lehrerinnen und Lehrer neu eingestellt werden, damit der Unterrichtsausfall, der in Berlin 10,5 % beträgt, endlich reduziert wird. Oder: Jede der 55 Berliner Hauptschulen und 68 Realschulen könnte mindestens zwei Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter einstellen. Dennoch würde einiges an Geld übrigbleiben. Oder: Zahlreiche Oberschulen – da haben wir einen großen Mangel – könnten zu Ganztagsschulen umgebaut werden. Und so weiter und so fort. Das müssen wir nur wollen, und dafür müssen die richtigen Prioritäten gesetzt werden.

Rot-Rot will das anscheinend nicht, Rot-Rot hat zum Leidwesen unserer Schülerinnen und Schüler andere Prioritäten. Ich hoffe, dass Sie sich an dieser Stelle endlich eines Besseren belehren lassen und die Probleme der Berliner Schule anpacken.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mutlu! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie sowie an den Hauptausschuss. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Die Fraktion der SPD hat für die heutige Sitzung auf die Benennung einer Priorität verzichtet. Damit entfällt der Tagesordnungspunkt 4 c.

Ich rufe die Priorität der Fraktion der CDU auf unter

lfd. Nr. 4 d:

a) Antrag

Berliner Aktivitäten von Scientology prüfen!

Antrag der FDP Drs 16/0162

b) Antrag

Senat soll unverzüglich Beobachtung von Scientology durch den Verfassungsschutz veranlassen!

Antrag der CDU Drs 16/0168

Das ist der ehemalige Tagesordnungspunkt 26. – Zur Beratung steht den Fraktionen nach der Geschäftsordnung eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU. – Bitte, Herr Abgeordneter Henkel!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie vorhin bereits in der Aktuellen Stunde begründet, hält meine Fraktion eine Beobachtung von Scientology durch den Berliner Verfassungsschutz für zwingend notwendig. Die Innenministerkonferenz der Länder kam schon 1997 zu dem Schluss, dass bei Scientology Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorliegen. Damit, so hieß es, seien auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung der Organisation durch den Verfassungsschutz gegeben.

In der Folge wurde auch in Berlin die Beobachtung der Sekte aufgenommen. Daraufhin kam es bundesweit zu gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Zulässigkeit einer Überwachung durch den Verfassungsschutz. In Berlin entschied das Verwaltungsgericht 2001, dass der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere das Anwerben von V-Leuten, unzulässig sei. Ein weiteres Verfahren wurde im Jahr 2003 ohne eine Entscheidung in der

Sache eingestellt. Während in anderen Bundesländern die Überwachung in vollem Umfang bestätigt wurde, verzichtete nur Berlin seither auf jegliche Überwachung und eben nicht nur, Herr Senator, auf den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel.

Diese Vorgeschichte ist für Sie offenbar Grund genug, jetzt die Hände in den Schoß zu legen und ohnmächtig mitanzusehen, wie Scientology ihre neue Hauptstadtrepräsentanz in Berlin unbeobachtet von den Sicherheitsbehörden in Szene setzt. Da die rechtlichen Voraussetzungen in allen Bundesländern aufgrund länderübergreifender Abstimmungen ganz überwiegend identisch sind, ist es nicht nachzuvollziehen, warum eine Überwachung in Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg oder NordrheinWestfalen möglich sein soll, gleichzeitig aber in Berlin nicht. Vielleicht sollte Herr Körting einfach seine Einschätzung aktualisieren.

[Beifall bei der CDU]

Das Verhalten des Senators legt den Verdacht nahe, dass es sich aufgrund der übereinstimmenden Rechtslage beim Verzicht auf eine Überwachung nicht um eine rechtlich begründete Entscheidung, sondern um eine rein politische handelt. Aber dann, Herr Körting, sagen Sie das doch auch! Sagen Sie nicht, dass Sie nicht können, sagen Sie den Berlinerinnen und Berlinern, dass Sie nicht wollen!

[Beifall bei der CDU]

Der Antrag, den wir heute eingebracht haben, soll für Klarheit sorgen und Unterstützung anbieten. Denn die Bundesländer, in denen Scientology nachrichtendienstlich überwacht wird, kommen zu einer kritischen Einschätzung über die Verfassungstreue der Organisation. Es ist aus meiner Sicht nicht länger hinnehmbar, dass der Beobachtungsdruck gerade in Berlin, der deutschen Hauptstadt, so gering ist. Berlin darf nicht zum Brückenkopf eines „Krieges gegen Europa“ werden, der Presseberichten zufolge in einem Strategiepapier der Sekte angekündigt wird. Die SPD-Fraktion, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, sollte dringend davon Abstand nehmen, die Eröffnung der neuen Zentrale als – ich zitiere – „Umzug an eine prominentere Adresse“ zu verharmlosen.

[Beifall bei der CDU]

Selbstverständlich wirft die für eine kleine Berliner Scientology-Gruppe überdimensionierte Repräsentanz die Frage auf, ob wir es möglicherweise mit einer geplanten, strategischen Konzentration der Sekte auf den Standort Berlin zu tun haben. Deshalb muss das Land Berlin endlich tätig werden. Ich bleibe dabei, der Beobachtungsdruck in Berlin muss erhöht werden!

Lassen Sie uns bei Scientology nicht über Paragrafen und Gerichtsurteile streiten! Da gibt es, was die Rechtsprechung angeht, solche und solche Urteile. Sie wissen, dass das Verwaltungsgericht Köln die Beobachtung von Scientology durch das Bundesamt für Verfassungsschutz für rechtmäßig erklärt hat. Gegen dieses Urteil legte die Scientology-Organisation Berufung ein. Aber mit diesem

Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht Köln die Klage der Scientology-Organisation auf Unterlassung der Beobachtung durch Bundesamt für Verfassungsschutz in vollem Umfang zurückgewiesen.

Zu der Begründung führte das Gericht aus, es sei zu der Überzeugung gekommen, dass die Beobachtung der Scientology-Kirche Deutschland e. V. und der Scientology-Kirche Berlin e. V durch das BfV sowohl mit offenen als auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln rechtmäßig sei, weil deutliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass Scientology verfassungsfeindliche Ziele verfolge. Aber, wie gesagt, der Streit um Paragrafen ist weder hilfreich noch zielführend. Sie, Herr Senator, haben alle Mittel in der Hand, um den Beobachtungsdruck in Berlin zu erhöhen und den Sorgen und Ängsten der Menschen vor Scientology etwas entgegenzusetzen. Als Vorsitzender der Innenministerkonferenz und als Berliner Innensenator können Sie Abwehrstrategien auf Bundes- und auf Landesebene vorantreiben, wenn Sie nur wollten.

Meine Fraktion hätten Sie in dieser Frage an Ihrer Seite. Jetzt braucht es nur noch den politischen Willen, diese Möglichkeiten auszuschöpfen. Deshalb appelliere ich noch einmal an alle Mitglieder unseres Hauses, jenseits von gesamtgesellschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Thema auch die rechtlichen Möglichkeiten sicherzustellen, um wieder zu einer effektiven Beobachtung der Aktivitäten von Scientology auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu kommen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Henkel! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Herr Abgeordnete Schreiber das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Gäste! Panikmache, Hysterie und ein verantwortungsloser Umgang mit dem Thema Scientology helfen uns nicht weiter.

[Beifall bei der SPD]

Was in den letzten Tagen, insbesondere von der Fraktion der CDU und vor allem von dem Generalsekretär losgetreten wurde, ist mehr als fragwürdig und hilft uns deswegen nicht weiter. Wer im Zusammenhang mit Scientology über einen sogenannten Brückenkopf nach Europa spricht und weitere militärische Kraftausdrücke benutzt, dem ist an einer aufklärerischen, sachlichen Auseinandersetzung nicht gelegen.

[Beifall bei der SPD]

Sie haben in den letzten Tagen mit dem Thema Scientology politisch gezündelt, Herr Henkel! Statt an der Aufklärung und der politischen Auseinandersetzung teilzunehmen, haben Sie Scientology eine einmalige öffentliche

Plattform geboten. Somit haben Sie dazu beigetragen, dass solch ein Medieninteresse an der Eröffnung eines Gebäudes an der Otto-Suhr-Allee vorhanden war. So viel Ehre sollten Sie dieser Organisation nicht antun!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die anderen Oppositionsparteien bewiesen in der Sache mehr Augenmaß. Auch eine Opposition trägt Verantwortung, gerade im Umgang mit den sensiblen Themen in der Stadt. Der starke Ruf nach dem Verfassungsschutz und der sofortigen Beobachtung löst nicht das Problem der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Sie rufen reflexartig nach einem Überwachungsstaat und wir nach einem aufklärerischen, aber nicht weniger wachsamen Staat. Wir Sozialdemokraten und die Linkspartei haben das Thema auf die Tagesordnung des Verfassungsschutzausschusses gesetzt. Wir wollen aufklären und nicht zusätzliche Ängste bei den Berlinerinnen und Berlinern schüren.