Abschließend möchte ich festhalten, dass ich mich auf die weiter gehende Diskussion im Ausschuss, in den Fachforen und der Öffentlichkeit freue und das eben nicht meine One-Woman-Show à la Frau Eichstädt-Bohlig ist, sondern wir wollen anregen, wir wollen provozieren, wir wollen diskutieren. Wir wollen Austausch und Kontroverse über die Gestaltung, die Funktion, die Historizität und Entwicklung dieses geschichtsträchtigen Ortes. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Haußdörfer! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Bung das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die aktuelle Diskussion um die Neugestaltung des Humboldt- sowie des Marx-Engels-Forums zeigt den vielfachen Wunsch, die historische Mitte der Stadt, das eigentliche Zentrum Berlins, städtebaulich wieder neu zu ordnen. Mit dem Humboldt-Forum haben wir uns bereits ausführlich im Stadtentwicklungsausschuss befasst. Dabei ist leider deutlich geworden, dass der Senat gerade für die neu zu gestaltende städtebauliche Verbindung zum Lustgarten noch keine überzeugende Lösung vorlegen konnte. Auch fehlt es nach wie vor an einem schlüssigen Verkehrskonzept, das sowohl den Bedürfnissen des Verkehrs Rechnung trägt, aber gleichzeitig die städtebaulichen Gegebenheiten in angemessener Weise würdigt, nämlich die engen räumlichen Beziehungen zwischen Museumsinsel, Berliner Dom, Lustgarten und Humboldt-Forum. Die jetzigen Vorstellungen des Senats sind völlig unzureichend und heute schon zum Scheitern verurteilt.
Ein 90 Meter breiter Fußgängerüberweg zwischen Lustgarten und Humboldt-Forum und dann auch noch Tempo 30 für den motorisierten Verkehr – das ist kein Verkehrskonzept und kann auch so nicht funktionieren, weil das Verkehrsaufkommen in diesem Bereich viel zu hoch ist.
Zudem hätte ein schlüssiges Verkehrskonzept für das Humboldt-Forum die Rathausbrücke mit einbeziehen müssen. Auch das haben Sie versäumt. Im Gegenteil: Sie halten auch noch an Ihrer umstrittenen Entscheidung zum Neubau der Rathausbrücke fest. Mit der Ablehnung unseres Antrags zum Neubau dieser Brücke haben Sie eine einmalige gestalterische Chance kläglich vertan. Dies ist umso bedauerlicher vor dem Hintergrund der jüngst
vorgestellten Gestaltungsverordnung, die im Wesentlichen auf die Initiative meiner Fraktion zurückzuführen ist.
Sie wäre eine gute Grundlage für den Neubau der Rathausbrücke gewesen. Ähnliche Fehler müssen in Zukunft unbedingt vermieden werden.
Die neuerliche Debatte über das sogenannte Marx-EngelsForum lässt allerdings auch nichts Gutes ahnen. Die Vorstellungen zur Gestaltung dieser Fläche laufen selbst innerhalb des Senats vollkommen auseinander. Wir brauchen jedoch unbedingt eine gründliche und ernsthafte Diskussion, in der aufgezeigt wird, welche realistischen Möglichkeiten bestehen, um diesen Stadtraum tatsächlich aufzuwerten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass zunächst eine Bestandsaufnahme der rechtlichen Rahmenbedingungen durchgeführt wird. Dabei ist insbesondere zu prüfen, welche Grundstücke zu welchen Bedingungen überhaupt bebaut werden dürfen und gegebenenfalls welche Restitutionsansprüche ehemaliger Eigentümer entstehen könnten.
Zur städtebaulichen Gestaltung haben wir in unserem Antrag zur Bebauung des Marx-Engels-Forums einige Vorschläge entwickelt. So schlagen wir vor, dass sich die zukünftige Bebauung so weit wie möglich an den historischen Grundrissen orientieren sollte.
Dabei muss allerdings der Straßenverkehrsraum so sein, dass er den heutigen Erfordernissen auch gerecht wird.
Die Bebauung selbst, insbesondere die Fassadengestaltung, könnte sich an den Vorgaben der bereits erwähnten Gestaltungsverordnung orientieren. Das sind unsere Grundlagen, die meine Fraktion als Leitbild einer weiteren Entwicklung sieht. An dieser Stelle darf es keine Denkverbote geben.
Fast zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung muss es möglich sein, über neue Entwürfe nachzudenken. Dabei ist keinesfalls entschieden, inwieweit bestehende Freiflächen bebaut oder zumindest teilweise erhalten bleiben sollen. Leider zeigt die kontrovers geführte Diskussion gerade innerhalb des Senats, dass der Senat über keinerlei schlüssiges Konzept verfügt. Dies ist für uns nichts Neues, an dieser Stelle aber besonders bedauerlich.
Um diesen destruktiven Entwicklungen zu begegnen und mehr Sachlichkeit in diese wichtige städtebauliche Debatte zu bringen, haben wir den vorliegenden Antrag eingebracht. Initiieren Sie einen breit angelegten und offen internationalen Ideenwettbewerb, und nehmen Sie dazu die in unserem Antrag formulierten Grundsätze als Vorlage für einen solchen! Angesichts des großen Zeitfensters bis zum Beginn einer möglichen Neuentwicklung sollten die eingegangenen Vorschläge nicht nur durch Vertreter der Fachkreise, sondern vor allem in der allgemeinen
Öffentlichkeit im Rahmen von Foren diskutiert werden. Wir haben an dieser Stelle die Chance, ein städtebauliches Ausrufezeichen am Berliner Geburtsort zu setzen. Ich bitte Sie, diese zu nutzen. – Ich danke Ihnen!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Bung! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Dr. Flierl das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die jetzt beginnende Diskussion wird durch den heute zu beschließenden Antrag eine ganz bestimmte Richtung erhalten, so ist er auch gemeint. Und so wird er auch von den dafür verantwortlichen Fraktionären der Regierungskoalition, wir wissen uns auch mit Teilen der Grünen darin einig, verstanden. Es geht um den Erhalt, um die Gestaltung eines grün geprägten öffentlichen Stadtraums zwischen Spree und Alexanderplatz.
Es ist eben nicht so, Frau Bung, die Sie nun leider wie viele in dieser Stadt keine tatsächlichen Kenntnisse oder Differenzierungen mitbringen für diesen Bereich, dass es sich um den Bereich des Marx-Engels-Forums handelt. Es sind drei Bereiche, die wir ins Auge fassen müssen: das Karree des Parks an der Spree mit dem Denkmal, gemeinhin Marx-Engels-Forum genannt, eigentlich ist es ein Hain und kein Forum; dann haben wir den Platz vor dem Rathaus, das, was als Rathaus-Forum oder Rathausplatz zu entwickeln wäre; und wir haben im engeren Sinn den Bereich um den Fernsehturm, der vor allem durch die sensible Situation mit der Marienkirche geprägt wird.
Ich schlage vor, dass wir in der weiteren Debatte stärker differenzieren und klarstellen: Der ganze Bereich ist gar nicht das Marx-Engels-Forum, es geht nicht um Humboldt-Forum und Marx-Engels-Forum, sondern es geht um den Bereich zwischen Spree und Alexanderplatz. Das ist im Grunde ein enormes Entwicklungspotenzial für diese Stadt als Grün- und Freiraum. Dazu möchte ich einige Begründungen finden.
Ich meine, dass wir diesen Bereich als eine Art Central Park in Berlin brauchen, dass wir nicht zuletzt vor dem Hintergrund der seinerzeitigen Verabredung im Rahmen des Planwerks Innenstadt, aber auch vor dem Hintergrund der Bebauungspläne am Alexanderplatz diesen ökologischen und Grünausgleich brauchen.
Schließlich brauchen wir – das ist für Berlin konstitutiv – einen öffentlichen Raum vor dem Rathaus. Wo denn will das Volk in Freude und Zorn seine Überzeugung demonstrieren? Meinen Sie denn, dieser oder irgendein anderer Senat soll noch 100 Jahre regieren? – Nein! Es wird demokratische Auseinandersetzungen geben, es wird
verschiedene kommerzielle Festivitäten geben müssen in dieser Stadt, und alle anderen dafür geeigneten Räume werden entweder schrittweise durch die Regierungstätigkeit, Parlament und Regierungsviertel, oder am Alexanderplatz zugebaut. Wir brauchen doch den Ort der Begegnung von städtischer Bevölkerung und Rathaus. Es ist nun einmal Teil der Stadtgeschichte, dass das Rathaus nie am Marktplatz in Berlin stand. Und alle Abenteurer, die jetzt von historischer Altstadt träumen und gar nicht wissen, wie die ausgesehen hat, dürften sich doch der Situation sehr schnell bewusst werden durch den Blick in einen historischen Stadtplan. Wenn der Regierende Bürgermeister, wie zu hören war, schon einmal Hertha den Balkon gezeigt hat, dass, wenn es dann endlich einmal so weit ist, dass Hertha oder gar Union da mal mit uns feiern will,
dann möglicherweise ein wiedererstandener historischer Altmarkt vom Regierenden Bürgermeister oder einer Regierenden Bürgermeisterin gar nicht zu sehen ist, weil der Altmarkt ganz woanders lag, weit entfernt vom Roten Rathaus. Wer diese elementaren historischen Zusammenhänge gar nicht kennt, wird natürlich sagen, das sei Brache und wir brauchten jetzt irgendeine Altstadt. Aber diese Altstadt hat Berlin schon im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert stark vernachlässigt und de facto auch gar nicht gebraucht, denn der ständige Wandel hat gerade diese Altstadt ins Abseits gebracht. Und dann ist sie in der Nachkriegsentwicklung allerdings rigoros abgeräumt worden, was wir heute nicht mehr so machen würden, was historisch zu kritisieren ist.
Aber es schafft auch ein Zentrumsband zwischen Ost und West, wo Ost und West endlich einmal miteinander verbunden werden. Denn nach der Entscheidung für das Humboldt-Forum, wie immer man diese Architektur findet, ist klar: Dieser zentrale öffentliche Raum braucht eine Verklammerung nach Osten und nach Westen. Nach Westen können Sie alle Ihre historischen Redouten und Gärtnerbilder heranziehen. Aber schauen Sie sich doch bitte einmal einen Blick von Osten auf das Schloss an! Sie werden sehen, es gab gar keine Situation. Es ist eine Hinterhofsituation. Deswegen müssen wir mit der Situation, die wir heute vorfinden, umgehen. Wir meinen, dass es durchaus Entwicklungspotenzial gibt. Das ist für meine Begriffe eine Verschmälerung und Verkehrsberuhigung, Reduzierung in der Spandauer Straße. Es ist möglicherweise eine behutsame bauliche Fassung der Rathausstraße, Liebknechtstraße. Aber bitte mit einem Park an der Spree, mit einem Rathausforum und mit einem sensiblen Umgang mit dem Bereich zwischen Marienkirche und Fernsehturm!
Und alle die Historisten, die sich jetzt freuen, Altstadt ist immer gut, Geburtsstunde, wollen wir jetzt einen Kreißsaal aufbauen, Frau Bung, oder was?, alle diese Herz-, Medizinmetaphern von Berlin – hier schlägt das Herz von Berlin –, das sind alles doch Absurditäten, wenn man eine moderne Stadt entwickeln will. Die Frage ist schlicht, wie diese Mitte von Berlin zukunftsgerichtet gestaltet wird. An die Historie sollte man erinnern, aber zukunftsgerich
tet. Und eine Art Central Park in Berlin ist genau das, was wir für die Zukunft dieser Stadt gebrauchen können. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Flierl! – Für die Grünen hat Frau Eichstädt-Bohlig das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zur Rathausbrücke möchte ich nichts sagen, das Thema ist längst erledigt, die Aufträge sind vergeben, das ist Schnee von gestern – daher ist der Punkt abgehakt.
Wir stimmen allen Anträgen, die sich mit den Bebauungsplanverfahren und der direkten Umgebung des Humboldt-Forums befassen, zu. Sie haben leichte unterschiedliche Nuancen, gehen aber tendenziell alle in die richtige Richtung.
Ich würde mir aber wünschen – und höre das auch beim Kollegen Flierl heraus –, dass noch deutlicher und kraftvoller in die Richtung gegangen wird, die wir vertreten. Darum nehme ich als erstes den Punkt auf, dem ich zustimme – ich bin auch auf die Idee Central Park gekommen: Ich werbe sehr dafür, dass wir es gemeinsam durchsetzen, dass der Bereich zwischen Marx-Engels-Forum bis zum Fernsehturm ein Grün- und Freiflächenkonzept erhält. Das darf nicht auf die lange Bank geschoben werden, das muss bald entwickelt werden, denn wenn dort erst einmal die Baustelle für die U55 ist, gewöhnen sich alle daran, dass das kein brauchbares Areal ist. Hier ist es aber ganz wesentlich, ein grünes Konzept für Berlin zu entwickeln, durchaus gerne mit einem demokratischen Platz vor dem Roten Rathaus, auch das steht uns gut zu Gesicht. Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass man die historische Altstadt und ihren Grundriss als eine Art Pfadsystem für eine künftige Gestaltung nimmt – da ist viel denkbar. Vor allem aber wünschen wir uns, dass der Neptunbrunnen an seinem Ort bleibt. Wir hoffen, dass zu diesem Punkt nicht ständig widersprüchliche Aussagen in die Welt gesetzt werden, sondern dass das, was im rotroten Antrag steht, sich endlich durchsetzt.
Als zweiten Punkt möchte ich etwas nennen, was in unserem Antrag enthalten ist, zu dem sich alle anderen aber nicht verhalten haben: Wir wollen, dass der Sockel der Schlossfreiheit ohne weitere Gestaltung und Bebauung erneuert wird. Wir sind absolut gegen dieses Einheits- und Freiheitsdenkmal, wie es nach wie vor vom Bund vorgesehen wird. Wir finden es sehr bedauerlich, dass sich Berlin viel zu wenig in diese Debatte eingemischt hat. Die Ergebnisse der jetzigen ersten Wettbewerbsstufe zeigen, dass das äußerst problematisch ist, und das liegt nicht – oder nicht nur – an den einzelnen Entwürfen. Es gibt durchaus interessante Entwürfe, aber der Standort ist
falsch. Das Gedenken an Einheit und Freiheit gehört entweder auf den Alex als Berliner Zentrum für den Mauerfall 1989, oder es gehört ans Brandenburger Tor, auf den Pariser Platz, wo bislang nur verkleidete NVA-Soldaten das Thema ins Zentrum rücken – das darf so nicht sein.
Der dritte Punkt, der von zentraler Bedeutung ist, ist das Verkehrskonzept rund um das künftige Humboldt-Forum. Hier wünschen wir uns, Frau Senatorin, dass Sie mutiger zulangen, und zwar in unsere Richtung und nicht in jene, die von der Kollegin Bung gefordert wurde. Ich bin fest davon überzeugt, dass für den Bereich der KarlLiebknecht-Straße deutlicher und zusammenhängender als Sie das in Ihrem Konzept bisher dargestellt haben, ein Shared-Space möglich und nötig ist, um den Lustgarten und das künftige Humboldt-Forum zusammenzubinden, um den Fußgängern Bewegungsfreiheit in beide Richtungen zu geben und um zugleich einen langsamen und achtsam fahrenden, fließenden Verkehr zu ermöglichen. Das wird mit so einem Konzept möglich oder nach dem Schweizer Vorbild der Begegnungszone. Wir möchten sehr dafür werben, dass Sie hier mutiger werden als Sie es bisher waren.
Zum letzten Punkt: Das Bushalte- und Fahrkonzept, das Sie bisher vorgelegt haben, geht so nicht, da müssen Sie deutlich nacharbeiten. Das Busaus- und Einsteigen muss an den verschiedenen Stellen möglich sein, aber es muss in der Umgebung auch ein Busparkplatz gefunden werden, das kann nicht so ein Flughafen-Vorfahrkonzept sein, wie Sie das für die Bodestraße vorgesehen haben. Hier ist dringend Nacharbeit erforderlich.
In diesem Sinne hoffe ich, dass wir mit möglichst breiter Gemeinsamkeit bei diesem Thema vorankommen und gute Konzepte finden. – Danke schön!
Vielen Dank, Frau Eichstädt-Bohlig! – Für die FDPFraktion hat jetzt Herr Abgeordneter von Lüdeke das Wort. – Bitte sehr!
Annähernd zwei Jahrzehnte nach dem Ende der DDR und der von ihr gewaltsam besorgten Transformation der Altstadt in das Stadtzentrum der DDR wird es Zeit, den Geburtsorten Berlins wieder Inhalt und Form zu geben.