Protocol of the Session on May 14, 2009

Annähernd zwei Jahrzehnte nach dem Ende der DDR und der von ihr gewaltsam besorgten Transformation der Altstadt in das Stadtzentrum der DDR wird es Zeit, den Geburtsorten Berlins wieder Inhalt und Form zu geben.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Dieses sagt kein anderer als der ehemalige Senatsbaudirektor Dr. Hans Stimmann am letzten Sonntag in der „Berliner Morgenpost“. Dem ist nichts hinzuzufügen. Wir freuen uns, dass die Koalition und der Senat endlich verstanden haben, dass im Zentrum Berlins Handlungsbedarf besteht. Wir haben bereits in der Vergangenheit sehr oft darauf hingewiesen – niemand wollte es so recht wahrhaben. Warum erst jetzt ein Verkehrskonzept beauftragen? Warum ist dies nicht schon vor Auslobung des Wettbewerbs Humboldt-Forum geschehen? – Nach langem Ringen im Ausschuss gibt es zwar endlich einen Bebauungsplan, aber dieser bleibt allein schon in der Ausweisung des Geltungsbereichs – man muss sich mal ansehen, wie eng der gefasst ist –, hinter dem im Ausschuss besprochenen Rahmen weit zurück. Und: Er kommt viel zu spät.

[Beifall bei der FDP – Beifall von René Stadtkewitz (CDU)]

Ihnen scheint nicht klar zu sein, welchen Sinn und Zweck ein Bebauungsplan erfüllen soll. Es geht weder um das Nachzeichnen von Investorenträumen noch um die Befriedigung von Einzelklienten – zum Beispiel im Bereich des Klimaschutzes. Ein Bebauungsplan steuert die Bodennutzung sowie die rechtlichen Beziehungen zu Grund und Boden. Er richtet sich an den städtebaulichen Erfordernissen aus und ist am Allgemeinwohl orientiert. Dementsprechend geht es hier um städtebaulich notwendige Festsetzungen sowie um Zielsetzungen, die an öffentlichen Belangen ausgerichtet sind. Dies bedeutet aber, dass die städtebaulich relevanten Komponenten – in diesem Fall der gesamte Schlossplatz mit seiner baulichen Einfassung, insbesondere dem geplanten Thyssen-KruppGebäude, dem Übergang zum Lustgarten oder auch die Gestaltung der gegenüberliegenden Spreeseite – miteinbezogen werden müssen. Dies tun Sie in Ihrem Entwurf nicht. Sie vertun hier wieder eine Chance, über ein sinnvolles Zusammenwachsen der Stadt nachzudenken.

Mit der Errichtung des Humboldt-Forums wird sich das Umfeld weiter wandeln. Es wird dringend Zeit, dass für dieses wichtige Areal neue gestalterische Lösungen gefunden werden,

[Beifall bei der FDP – Beifall von René Stadtkewitz (CDU)]

Lösungen, die zum einen die bestehenden Konflikte zwischen der Marienkirche und dem Fernsehturm lösen, zum anderen – meine Vorredner haben das ja schon betont – einen angemessenen Rahmen für das Rote Rathaus und das Humboldt-Forum setzen. Ziel des Verfahrens muss die Findung eines städtebaulichen Miteinanders der unterschiedlichen stadtgeschichtlichen Epochen sein. Im Rahmen des Verfahrens müssen dabei im Vorfeld wichtige Fragen geklärt werden – wie der Bedarf an Frei- und Erholungsflächen sowie die verkehrlichen Belange, die dort eine Rolle spielen, berücksichtigt werden. Dies alles sollte Grundlage eines städtebaulichen Wettbewerbs oder eines Gutachterverfahrens werden.

Wichtig ist – und das sind die kardinalen Punkte, an denen die FDP Sie beurteilen wird – eine historische

Spurenlese und Kenntlichmachung der historischen Stadtstruktur in landesplanerischer und baulicher Gestaltung. Wichtig ist die Integration des Quartiers in dem noch vorhandenen stadträumlichen Kontext von Alt-Berlin. Wichtig ist auch die Festlegung einer neuen stadträumlichen Fassung der Marienkirche, des Rathauses und des Bahnhofsvorfeldes, die Schaffung hochwertiger Frei- und Erholungsflächen und die Überprüfung der Freiraumgestaltung des Fernsehturms sowie der Einbindung in das nähere Umfeld.

[Beifall bei der FDP – Beifall von René Stadtkewitz (CDU)]

Wichtig ist außerdem die Neugestaltung und funktionale Aufwertung von Rathaus-, Spandauer und Karl-Liebknecht-Straße sowie die Schaffung einer attraktiven Fußgängerverbindung zwischen den einzelnen touristischen Sehenswürdigkeiten.

[Beifall bei der FDP]

Wichtig ist auch die Schaffung kleinteiliger Teillose, die später in gesonderten Verfahren qualifiziert werden können.

[Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

Durch eine vorausschauende Planung kann hier der notwendige Rahmen für eine qualitativ hochwertige künftige Entwicklung gesetzt werden. Dies bietet eine Perspektive sowohl für die Stadt als auch für die Investoren. Qualität kann nicht durch Gestaltungssatzungen sichergestellt werden, sondern muss durch ein entsprechendes Engagement und qualitätssichere Verfahren erreicht werden. Die notwendigen Instrumente, um dies zu erreichen, liegen in Ihrer Hand. Nutzen Sie sie, nutzen Sie die Zeit und machen es künftig besser, als Sie es in der Vergangenheit getan haben! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr von Lüdeke! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, und wir kommen zu den Abstimmungen. Zum neuen CDU-Antrag Drucksache 16/2382 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr – wozu ich keinen Widerspruch höre.

Ich lasse nun über die anderen Anträge einzeln abstimmen, zunächst über den Antrag der CDU Drucksache 16/1498 – laut Beschlussempfehlung gegen CDU abgelehnt. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die FDP-Fraktion. Enthaltungen sehe ich nicht. Dann ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag der FDP Drucksache 16/1984 – gegen die Oppositionsfraktionen abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich

um das Handzeichen. – Das sind die FDP-Fraktion, die Fraktion der CDU, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, zumindest große Teile davon. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen.

[Uwe Goetze (CDU): Große Teile davon!]

Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag der FDP Drucksache 16/2217 – gegen Grüne und FDP abgelehnt. Auch hier kommen wir zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der FDP und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der CDU. Enthaltungen sehe ich nicht. Letzteres war die Mehrheit. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag der Grünen Drucksache 16/2283 – gegen Grüne abgelehnt. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag von SPD und Linksfraktion Drucksache 16/2110 – gegen CDU bei Enthaltung FDP mit Änderungen angenommen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das ist die Fraktion der CDU. Enthaltungen? – Die Fraktion der FDP. Damit ist der Antrag angenommen.

Wir kommen zum Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/1499 – gegen CDU bei Enthaltung Grüne abgelehnt. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CDU. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der FDP. Enthaltungen? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 d:

Massive Verunsicherung in Berlin beenden – Schulstrukturvorschlag sofort vorlegen!

Antrag der CDU Drs 16/2379

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion, die CDU. Herr Steuer hat das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir stehen heute 55 Tage vor Beginn der Sommerferien, und noch immer gibt es kein Konzept des Senats und keine

beschlussfähige Vorlage an das Abgeordnetenhaus zur zukünftigen Schulstruktur in der Hauptstadt. Seit Monaten diskutiert der Senat intern, mehrmals pfeift die Linksfraktion den Bildungssenator zurück, ist hin- und hergerissen zwischen Zweigliedrigkeit und Einheitsschule, und so scheint der rot-roten Koalition der rote Faden in der Strukturdebatte abhanden gekommen zu sein.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

So stehen wir auch heute wieder hier. Der Senat hat erneut nichts vorgelegt,

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Wie bitte?]

und Sie lassen es weiterhin zu, dass Eltern nicht wissen, auf welche Schule sie ihr Kind zum nächsten Schuljahr schicken sollen, weil sie vielleicht geschlossen wird. Sie lassen es zu, dass die ganze Stadt verunsichert wird. So dilettantisch und chaotisch kann man die größte Schulreform in der Geschichte der Stadt nicht vorbereiten!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sie tragen die Verantwortung dafür, wenn am Ende Eltern, Lehrer und Schüler Ihnen den Rücken kehren und damit Ihre Strukturreform scheitern lassen.

Nun habe ich gehört, Sie regen sich furchtbar darüber auf, dass wir heute diese Antrag stellen und Sie zwingen wollen, zum 15. Juni endlich ein Konzept vorzulegen, weil Sie doch am Dienstag im Senat einen Finanzplan für die Strukturreform beschlossen haben. Wie geht das eigentlich? Wie kann der Senat einen Finanzplan beschließen, wenn er gar nicht weiß, wofür? Sie wissen nicht, wie viele Schüler später auf welche Schule gehen sollen, wie viele Schüler aufs Gymnasium gehen sollen, wie viele Schüler auf die Sekundarschule gehen sollen, wie viele am Produktiven Lernen teilnehmen wollen, wie die demografische Entwicklung ist. Dies alles hätte in ein tragfähiges Konzept gehört. Erst dann kann man einen Finanzplan vorlegen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Weil Sie sich nicht einigen können, weil die eine Hand nicht weiß, was die andere tut, beschließen Sie einen Finanzplan ohne Konzept.

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Da ist doch ein Konzept dahinter!]

Das ist keine seriöse Politik. Das ist dilettantischer Pfusch, wo Sorgfalt geboten gewesen wäre.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Was sagt Ihr Finanzplan aus? – Sie wollten sich dafür feiern lassen, vor allem, weil Sie zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Aber gleichzeitig kürzen Sie die Mittel an den Grundschulen, vergrößern die Klassen, streichen die Mittel für die Brennpunktschulen zusammen und halten weiter an Ihrem Billigmodell der Ganztagsgrundschule fest, ignorieren die massiven Klagen über den Erziehermangel in den Horten. Eine Strukturreform nur im Oberschulbereich kann nicht funktionieren und wird die Probleme nicht an der Wurzel angehen. Wir brauchen

Investitionen in Kita und in Grundschulen statt eine Umverteilung der Mittel von unten nach oben. Das kann doch vorn und hinten nicht funktionieren.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Zurück zu Ihrer mangelhaften Vorbereitung der Reform! Ich zeige Ihnen mal, wie andere das machen: Das ist der Bericht der Hamburgischen Bürgerschaft, der Enquetebericht zur Strukturreform in Hamburg, 109 Seiten stark. Rot-Rot hat es bisher nur geschafft, neun Seiten Lyrik vorzulegen. So macht es Hamburg – Berlins Vorlage habe ich Ihnen nicht mitgebracht, neun dünne Seiten, in denen nichts steht. Das ist der Unterschied zwischen seriöser Bildungspolitik einer durch die CDU getragenen Bürgerschaft in Hamburg und Ihrer Bildungspolitik, an linken Träumereien ausgerichtet, die letztlich an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern in Berlin vorbeigeht.