Nein, das hat nicht Die Linke hinbekommen! Das zusammenzubringen, was CDU/CSU und SPD nicht zusammengebracht haben, obwohl sie so gern in dieser Kommission noch einmal Gemeinsamkeit simulieren wollten – das hat nicht Die Linke gemacht, sondern in diesem Fall die Weltwirtschaftskrise. Ich glaube, dass die Weltwirtschaftskrise letztlich gezeigt hat, dass es zu dramatischen Situationen in den Landes- und Bundeshaushalten führt, wenn der Staat handeln muss und er Schulden aufnimmt und seine Einnahmen gleichzeitig sinken. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten nun, dass Deutschland die Verschuldungsgrenze der EU von 3 Prozent nicht einhalten kann. Für 2009 rechnet Deutschland mit einem Haushaltsdefizit von 89 Milliarden Euro. Das sind 3,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Jahr darauf sind es schon 132 Milliarden Euro. Das sind dann schon 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Es möge hier keiner sagen, dass irgendeine Schuldenbremse etwas daran geändert hätte.
Was tut man, wenn die Lage ernst ist und Schuldenbremsen offenkundig nicht funktionieren? – Man beschließt in seiner Verzweiflung mit übergroßen Mehrheiten, dass irgendwann, wenn die Krise vorbei ist, gar keine Schulden mehr gemacht werden können. Zudem wird diese Entscheidung auch noch den Haushaltsgesetzgebern der Länder, also uns, dem Abgeordnetenhaus von Berlin, ungefragt – wenn auch nicht unwidersprochen – per Grundgesetzänderung aufgedrückt.
Sie finden, das passt alles nicht zusammen? Da sind Sie nicht allein. Hans-Peter Schneider nennt die vorgeschlagene Regelung eine Knebelungsvorschrift. Peter Bofinger sagt, dass sich Bund und Länder selbst an die kurze Kette legen und die Sparer ins Ausland treiben. Frank Bsirske bittet uns, eine Schuldenbremse nicht im Grundgesetz zu verankern; kommende Generationen würden es uns danken. Claus Matecki vom DGB-Bundesvorstand sagt, die Schuldenbremse bremse keine Schulden; sie nehme dem Staat eine wesentliche Möglichkeit, für die Zukunft vorzusorgen. Und Ulrich Thöne setzt noch eins oben drauf. Er sagt, im Interesse folgender Generationen solle besser ein Steuersenkungsverbot vereinbart werden, statt der weiteren Verarmung der Haushalte Tür und Tor zu öffnen.
Sollte Ihnen das alles zu links sein, habe ich noch ein paar: In Schleswig-Holstein wurde die Landesregierung aufgefordert, gegen die Grundgesetzänderung zu klagen. Der CDU-Ministerpräsident Carstensen erwägt dies ernsthaft. Bundestagspräsident Norbert Lammert von der CDU meint, dass die angedachten Detailregelungen nicht ins Grundgesetz gehören. Er verhält sich im Abstimmungsverhalten offen, wenn nicht noch Änderungen vorgenommen werden. Unsere Fraktion im Bundestag hat eine Verfassungsklage in Karlruhe erwogen. Ich hätte auch gern unseren Koalitionspartner im Abgeordnetenhaus dazu aufgefordert, aber leider sind die Möglichkeiten des Abgeordnetenhauses von Berlin – das hat der Wissenschaftliche Parlamentsdienst bestätigt – in dieser Frage beschränkt. Der Berliner Senat darf zwar, will aber nicht.
Die Föderalismuskommission ist an ihren Widersprüchen gescheitert. Arme und reiche Länder, Ost und West, SPD und CDU/CSU, Bund und Länder haben keinen tragfähigen Kompromiss ihrer unterschiedlichen Interessen gefunden. Sie präsentieren eine Scheinlösung für übermorgen. Dem hat Klaus Wowereit für das Land Berlin in der Kommission seine Zustimmung verweigert, und dabei sollte Berlin bleiben.
Ich komme zu meinem letzten Satz. – Wichtiger wäre eine Stabilisierung der Einnahmebasis von Bund und Ländern. Eine gerechtere Besteuerung – das wäre die richtige Schuldenbremse. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Liebich! – Für die CDUFraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Goetze das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der gefundene Kompromiss in der Föderalismuskommission II ist ein guter Weg. Es ist wirklich ein guter Weg, verantwortungsvoll mit dem umzugehen, was wir als drohendes Damoklesschwert über den Haushalten der Länder und des Bundes vor uns sehen. – Und weil Dank gesagt worden ist, möchte ich das am Anfang auch tun. Wir waren nicht nur durch den Regierenden Bürgermeister vertreten, sondern auch durch zwei Parlamentskollegen. Mein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle – und insbesondere, weil sie uns immer wieder mit Hintergründen und Informationen auf dem Laufenden gehalten ha
Die Zitate meines Vorredners von denjenigen, die sich gegen ein Verschuldungsverbot aussprechen, stammen von zwei Personengruppen in diesem Land. Die einen sind diejenigen, die mehr oder weniger ausschließlich von den Mitteln der öffentlichen Hand leben bzw. Interessenvertreter für entsprechende Personen sind, und die zweiten sind diejenigen, die sich in den letzten 40 Jahren angewöhnt haben, mit der Verschuldung das zu gestalten, was sie politisch im Jetzt für richtig halten, ohne dabei an die Zukunft zu denken. Und wenn immer mit zahlreichen Floskeln beschworen wird, man müsse auch an die künftigen Generationen denken, dann ist das, glaube ich, ein ganz wichtiger Gesichtspunkt, denn es wird irgendwann einmal die Frage gestellt werden: Was habt ihr denn da, bitte schön, getan? Warum habt ihr uns sämtliche Spielräume genommen zu einem Zeitpunkt, wo es euch im Jahr 2009 – wenn auch unter Schmerzen – vielleicht noch möglich gewesen wäre, die Reißleine zu ziehen? Im Jahr 2020 wird es uns vielleicht nicht mehr möglich sein.
Diese Frage will ich beantworten als jemand, der Kinder in dem entsprechenden Alter und mit dem entsprechenden Verständnis hat. Ich möchte hier eine konkrete Antwort geben: Diese Reißleine wurde mit dem jetzt gefundenen Kompromiss gezogen. Heute fällt es uns sehr schwer, aber in der Zukunft wäre es nahezu unmöglich.
Das Verschuldungsverbot führt auch dazu, dass man seine eigene Politik einmal überprüfen muss, dass man sich auch stärker bei der Entbürokratisierung engagiert, bei der Frage, wo Leistungen des Staates vielleicht optimiert, vielleicht auch ganz wegfallen können, wo man sich die Frage beantworten muss, ob Steuererhöhungen wirklich das richtige Mittel sind. Wir sagen nein, weil sie den Leistungswillen ab einem bestimmten Niveau erdrosseln und wir eine große Flucht von gut ausgebildeten und leistungsfähigen Steuerzahlern ins Ausland haben, und weil wir auch nicht unbegrenzt Zinsen an Banken zahlen wollen. Auch das ist ein Grund, hier eine Schuldenbremse zu vereinbaren. Bund und Länder haben 1,5 Billionen Euro Schulden. 70 Milliarden Euro pro Jahr werden an Zinsen gezahlt. Da zu sagen, wir machen einfach so weiter, ist schlicht verantwortungslos.
Deswegen ist es auch richtig, sich mit der Situation der Verschuldung und des öffentlichen Haushalts hier in Berlin zu befassen. Denn was für ein bizarres Schauspiel erleben wir hier immer! Wir erleben auf der einen Seite die angebliche Erfolgsmeldung der haushaltspolitischen Sprecher der Koalition und des Finanzsenators: Der Berliner Landeshaushalt ist ausgeglichen, wir haben gar keine Probleme mehr, die Welt ist für die nächsten Jahre in Ordnung. – Das haben wir gerade vor einem Monat gehört. Und dann kommen Sie heute und sagen: Das mit
dem Berliner Landeshaushalt ist alles so schlimm, katastrophal! Wir haben eigentlich gar keine Möglichkeit mehr, uns aus der eigenen Schuldenlast zu befreien, wir brauchen Hilfe von außen. – Was gilt denn nun? Mal so und mal so, das ist doch keine Politik! Sie müssen doch mal klar Farbe bekennen! Ist die Erfolgsmeldung einfach ein Fake? – Da gebe ich Ihnen recht, das ist in der Tat so; denn im besten Konjunkturjahr, 2008, haben Sie den Haushalt ohne Vermögensverkäufe gerade mal plus/minus null hinbekommen; alles andere ist schöngerechnet, weil man Vermögen verscherbelt hat, also ist von strukturellem Ausgleich gar keine Rede. Jetzt zeigt sich, dass die ganze Mär vom ausgeglichenen Haushalt sofort baden geht, sobald ein konjunktureller Einbruch da ist.
Deswegen sagen wir ganz klar: Die Schuldenbremse ist gut. Die Regelungen zur Tilgung und zur Tilgungspflicht sind insbesondere gut. Kein Verschieben dieser notwendigen Aufgabe mehr, und der Öffentlichkeit über den Stabilitätsrat und das Begleitregime, das dezidiert ermitteln soll, wie eine Tilgung auch im Konjunkturzyklus erfolgen kann, endlich reinen Wein einschenken und diese ganze Propagandadiskussion hier sein lassen! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetze! – Für die SPDFraktion hat jetzt der Abgeordnete Zackenfels das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema ist eigentlich abendfüllend, und die fünf Minuten, die wir hier haben, werden der Sache sicher nicht gerecht. Ich finde daher, dass wir uns zu gegebener Zeit vielleicht im Rahmen einer Großen Anfrage oder einer Aktuellen Stunde durchaus noch einmal mit dem Thema befassen sollten. Möglicherweise bietet sich terminlich dazu eine unserer Plenarsitzungen im Umfeld der entscheidenden Sitzung des Bundesrates an.
Wir befinden uns heute nichtsdestotrotz gewissermaßen im Moment einer Phase der „Waffenruhe“. Das Pulver dieser internen Beratungen in der Föderalismuskommission hat sich etwas gelichtet. Wir haben die Ergebnisse vor uns liegen. Ich finde daher, die Entscheidung gestern im Hauptausschuss – dankenswerterweise einstimmig ergangen –, eine Anhörung durchzuführen, gut und richtig und freue mich da entsprechend auf gute Diskussionen.
Trotzdem kann man heute sicherlich schon einiges feststellen, und zwar, dass die große Koalition meines Erachtens hier definitiv eine Chance vertan hat.
Ich bin da weitaus mehr beim Kollegen Liebich als bei Ihnen, Kollege Goetze. Dass es angesichts dieser schiefen Situation überhaupt zu einem Ergebnis gekommen ist, dürfte eher den Protagonisten geschuldet sein, die Karl Schillers Erbe vor Augen hatten und die Suche nach dem
sinnvollen Vermächtnis ihrer politischen Tätigkeit. Nur fürchte ich, dass die Kollegen Struck und Oettinger kaum die Aura eines Karl Schiller erreichen werden, denn dazu ist das Ergebnis, bei allem Respekt, schon sichtbar zu winzig, egal mit welch kraftvollem Getöse auch dieser angebliche Jahrhundertdurchbruch gefeiert wird.
Der Vollständigkeit halber sei selbstverständlich an dieser Stelle Lob für die Fortschritte Genüge getan. Das Ergebnis der Föderalismusreform im Bereich Verwaltung, das immer mit aufgeführt wird, weist sicherlich Fortschritte auf. Aber im Einsetzungsbeschluss der Kommission hieß es eben: Stärkung der aufgabenadäquaten Finanzausstattung, der Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften und verstärkte Zusammenarbeit und Möglichkeit zur Erleichterung des freiwilligen Zusammenschlusses der Länder. Das alles ist, das muss man ganz objektiv feststellen, nicht so richtig geschehen, wäre aber historisch betrachtet sicherlich das Zeitfenster gewesen, diese Dinge endlich einmal anzugehen.
Der Kern des Kommissionsergebnisses – es ist schon aufgerufen worden – ist nun die Einführung der Schuldenbremse 0,35 Prozent für den Bund, 0 für uns Bundesländer. Dass man überhaupt nach dem Einbruch der größten Krise seit 1929 und den fiskalischen Konsequenzen weltweit von vor einem Jahr noch für unvorstellbar gehaltener Summen nun mehr von null Verschuldung redet, ist mir – bei allem Respekt – nicht immer ganz einsichtig.
Aus Landessicht scheint es fast so, als solle die Schuldenbremse das Alibi für die Abwrackprämie werden. Aber es gibt durchaus Argumente für die Schuldenbremse. Die Tatsache, dass sich hohe Schulden in ihrer Folge dauerhaft in der Verengung staatlicher Handlungsmöglichkeiten niederschlagen, wie auch die Tatsache, dass wir im Vergleich zu 1969 den Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Union irgendwie in bundesstaatliches und landesstaatliches Handeln mit integrieren müssen, sind durchaus nachvollziehbare Argumente.
Aber es gibt auch Argumente dafür – und viele davon sind schon aufgerufen worden –, dem Ganzen nicht so richtig zustimmen zu können. Dabei kommt mir das Argument – das meinte Kollege Liebich vorhin – des Sachverständigen Bofinger einer abzusehenden Anlageflucht der deutschen Sparer in amerikanische Papiere ziemlich weit hergeholt vor, bei allem Respekt. Sein deutsches Geld für deutsche Pfandbriefe und Kommunalobligationen wird der Vielfalt und Schönheit einer globalen Welt meines Erachtens nicht ganz gerecht.
Nachvollziehbarer erscheint mir das schon von Bofinger, aber auch von Bsirske aufgeführte Argument einer Steuersenkungsbremse. Aus unseren Seminaren wissen wir, dass der Renditenhebel von Schulden betriebswirtschaftlich attraktiv sein kann, warum also auch nicht für ganze Staaten.
Das überzeugendste kritische Argument ist in meinen Augen ein anderes. Es wird hier wirklich am offenen Grundgesetz operiert. Der Brief der Vertreter der Landtage weist dabei darauf hin, dass die Unabhängigkeit des Haushaltsrechts Ausprägung und Konkretisierung des Bundesstaatsprinzips darstellt und also der Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz unter die – ich finde das immer ein wunderschönes Wort, heute Morgen ist es auch aufgeführt worden – „Ewigkeitsgarantie“ des Artikels 79 Absatz 3 fällt. Ich mag diese Rhetorik der „Versteinerung“ oder „Atmung“ der Haushalte eigentlich nicht, aber es ist schon richtig, ob sie versteinern oder atmen wollen, sollten die Bundesländer immer noch selbst entscheiden dürfen.
Die Föderalismuskommission, aber auch wir hier in diesem Haus – und damit komme ich zum Schluss – arbeiten in der Tat am Herzen einer künftigen bundesstaatlichen Ordnung und sollten uns schon positionieren.
Danke, Frau Präsidentin! – Ein letzter Satz: Wir arbeiten also hier am Herzen der künftigen bundesstaatlichen Ordnung. Wir haben ein Recht, ja eine Pflicht, uns intensiv mit der Materie auseinanderzusetzen. Ich hoffe also auf spannende Diskussionen im Rahmen der kommenden Wochen, im Hauptausschuss, bei der Anhörung oder vielleicht noch einmal einer Runde hier im Plenum. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zackenfels! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Herr Abgeordnete Ratzmann das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle eingangs meiner Rede heute einmal die SPD loben.
Wenn man im Moment durch die Stadt fährt, dann sieht man Plakate, darauf klebt der Berliner Landesverband: „Heiße Luft würde Linke wählen“. – Ein schönes Plakat, kann ich dazu nur sagen, Herr Müller,
was Sie Ihrem Koalitionspartner da hinhängen. Wenn ich mir, mit Verlaub, anhöre, was Sie hier verbreitet haben,
dann kann ich sagen: Richtig so! Das ist die richtige Antwort auf das, was Die Linke hier verbreitet.