Ich kann Ihnen auch sagen: Ich bin nur gottfroh, dass Sie im Bund schon erklärt haben, dass Sie keine Regierungsverantwortung übernehmen wollen, denn das, was Sie hier geboten haben, ist nichts anderes als verfasste Verantwortungslosigkeit. Und die können wir uns in dieser Situation nicht leisten.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen, Herr Liebich: Sie lehnen hier eine Veränderung einer Regelung ab, die den Bund und die Länder – und sie hat sowohl im Bund als auch in den Ländern gleichermaßen gegolten – in die Verschuldungskrise geführt hat. Wir hatten eine Regelung, die sagt, dass die Länder für die Mittel, die sie investiv einsetzen, auch Schulden aufnehmen dürfen. Wir haben heute Morgen im Übrigen schön von Herrn Sarrazin im Rahmen seiner Abschiedsrede präsentiert bekommen, wie die Finanzverwaltung damit umgegangen ist. Sie erinnern sich alle daran, wie er hier stand und gesagt hat: Der Haushalt ist verfassungswidrig. – Er hat uns erzählt, in seiner Verwaltung hätte er das auch gesagt. Da hätten ihm seine Beamten gesagt, das schreiben wir doch schon sieben Jahre so rein, diese Formulierung, die schreiben wir jetzt wieder rein, das wird schon immer alles gut gehen. – So geht die Berliner Verwaltung und gehen die Verwaltungen mit Verfassungsgrundsätzen um. Es war höchste Zeit, sich daran zu machen, diese Regelung zu verändern und endlich daran zu gehen, etwas anderes in die Verfassung zu implementieren.
Ich sage Ihnen auch, Herr Liebich, es ist richtig, nicht darauf zu vertrauen, dass politische Parteien das schon alles richten werden. Das ist Willkür. Gerade wenn wir Ihre Partei im Moment angucken und die bevorstehenden Haushaltsberatungen und die Fortführung des Berliner Konsolidierungspfades, dann sage ich Ihnen: Wir haben kein Vertrauen in Sie als Regierungspartei, dass Sie die Gewähr dafür bieten, dass die Verschuldung des Landes tatsächlich runtergefahren wird und wir für zukünftige Generationen eine vernünftige Haushaltspolitik machen.
[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP – Andreas Otto (Grüne): Jawohl!]
Deswegen ist es richtig, eine Schuldenbegrenzung in die Verfassung zu schreiben. Hören Sie doch auf, immer so zu tun, als wären wir damit handlungsunfähig! Das, was in der Föderalismuskommission im Moment herausgekommen ist, ist ein Kompromiss. So naiv können doch selbst Sie nicht sein, dass Sie glauben, da setzen sich 16 Ländervertreter, die Vertreter des Bundestags und die der Spitzenorganisationen und Landtagsvertreter zusammen,
und dann kommt das heraus, was das Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen hat. Es war doch klar, dass wir einen Kompromiss eingehen müssen. Sie zeigen einmal wieder, dass Sie nicht in der Lage sind, Kompromisse eingehen zu können zum Wohle der gesamten Bundesrepublik und des Landes Berlin.
Ich sage Ihnen weiter: Es ist richtig, dass wir uns der Schuldenbremse nähern. Wir waren auch nicht glücklich mit allem, was da hineingekommen ist. Aber jetzt endlich anzufangen und zu sagen: Wir brauchen eine Regelung in der Verfassung, die genau diese konjunkturelle Atmung in Angriff nimmt und zulässt –, das zu entwickeln ist richtig. Das einzige, was Sie noch haben, um sich zu verweigern, ist zu sagen: Wir oktroyieren den Ländern etwas auf. – Ich halte das auch für verfassungswidrig, das habe ich gesagt. Aber ich halte es genauso für richtig, dass das Land Berlin so schnell wie möglich diese Schuldenbremse in seine eigene Verfassung implementiert. Dann umgehen Sie das Problem, dann können wir endlich anfangen, auf dieser Grundlage eine vernünftige Verschuldungs- und Konsolidierungspolitik zu machen. Das ist der Weg, den wir einschlagen müssen, und nicht das Lamento, das Sie hier aus Imageproblemen und wahlkampftaktischen Gründen immer wieder anführen.
Ich sage Ihnen abschließend, dass das Ergebnis, das die Föderalismuskommission produziert hat, auch darauf zurückzuführen ist, wie die Vertreter des Landes Berlin in dieser Kommission gehandelt haben. Ich habe nichts von Herrn Wowereit dazu gehört, als wir als Landtagsvertreter eingebracht und gesagt haben: Hört auf, den Ländern vorzuschreiben, wie sie ihre Schuldenbremsen machen wollen. – Kein Wort! Da standen wir völlig allein! Keiner derjenigen, die jetzt die Backen aufblasen, hat irgendetwas dazu gesagt. Und sich dann hinzustellen und sich zu beschweren und zu sagen, ich kann dem nicht zustimmen – das finde ich, mit Verlaub, heuchlerisch. So kann man mit so einer Diskussion nicht umgehen. Das ist dem Image einer Bundeshauptstadt und deren Vertretern nicht angemessen.
Ich sage, das Land Berlin hat sich in dieser Kommission mit seinen stimmberechtigten Vertretern wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Es hat die anderen Länder vor den Kopf gestoßen. Wir hätten eine Chance gehabt, gerade in unserer Situation, voranzugehen und etwas Konstruktives zu machen. Die Chance ist verpasst worden. Deswegen sage ich: Lassen Sie uns noch das machen, was möglich ist: selbst etwas in die Verfassung hineinschreiben, konstruktiv zeigen, wie man damit umgeht – gerade in der jetzigen Situation, Herr Liebich! Wir müssen doch jetzt sagen, wie wir die Hunderte von Milliarden wieder abbauen wollen, weil wir den Generationen zukünftig nicht für so einen Schrott wie die Abwrackprämie auch noch die Lasten in 100 Jahren aufdrücken wollen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ratzmann! – Wir haben eine Kurzintervention des Herrn Abgeordneten Liebich. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!
Weil das mit dem Wahlkampf vorhin schon gesagt wurde – Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! –: Die Position, die ich hier vertrete – diejenigen, die sich mit diesem etwas sperrigen Thema befasst haben, wissen das –, vertrete ich schon die ganze Zeit. Da war gar kein Wahlkampf. Aber ich vertrete sie auch im Wahlkampf, das stimmt. Deswegen können Sie mir jetzt gern vorwerfen, dass das eine Wahlkampfposition ist.
Herr Ratzmann! Eines muss ich Ihnen zugute halten, da war ich mir nicht immer sicher, wie die Position der Grünen eigentlich ist und ob sie sich ändert oder nicht: Sie sind sich treu geblieben. Die falsche Fährte, auf die Sie Herr Oettinger gelenkt hat, auf der sind Sie weitermarschiert. Es gibt bei den Grünen dazu durchaus unterschiedliche Auffassungen. Zu Verantwortungslosigkeit und konsistentem Handeln will ich eines anmerken: Die grün regierten Länder Hamburg und Bremen haben dem Kompromiss zugestimmt. Die grüne Bundestagsfraktion hat gegen diesen Kompromiss gestimmt. Das sei hier wenigstens einmal aufgerufen. Ob die Grünen in der Bundestagsfraktion dies nun getan haben, weil er ihnen zu weit geht oder weil er ihnen nicht weit genug geht, ist weitgehend im Dunkeln geblieben. Die Positionen von den Grünen, die ich dazu gelesen habe, gehen in beide Richtungen.
Was mir große Sorge macht, Herr Ratzmann, ist, wenn ein Politiker hier vorne steht und den Politikern im Allgemeinen, nicht nur uns – gut, jetzt regiert hier Rot-Rot –, verantwortungsbewusstes Handeln abspricht. Das tun Sie hier. Sie sagen, wir Politiker sind unfähig, verantwortungsbewusst im Sinne künftiger Generationen zu handeln. Deswegen müssen wir eine Regel aufstellen. – Das finde ich einfach absurd. Dann werden Sie doch Rechnungshofpräsident!
Sie sind Politiker! Wenn man Politiker ist, dann muss man für politische Positionen streiten und auch dazu stehen. Ich halte es für total falsch, dies in eine Regel umzuwandeln. Klar, dass man auch kompromissbereit sein muss, Herr Ratzmann. Das sagen sie jetzt mir. Ich habe in meiner Partei viele Vorwürfe bekommen, aber sicherlich nicht den, dass ich nicht kompromissbereit sei. Selbstverständlich sind wir kompromissbereit. Aber die Kernfrage, die das Abgeordnetenhaus von Berlin, ich glaube auch mit Ihrer Stimme, beschlossen hat, Herr Ratzmann, war die: Voraussetzung für eine festgelegte Schuldenbremse
in der Verfassung ist die Entschuldung der Bundesländer. Das ist nicht irgendein Nebengleis; das ist nicht die Frage Hochschulfinanzausgleich oder wie man mit Länderneugliederungen umgeht, das ist die zentrale Frage unseres Beschlusses gewesen. Dem haben Sie zugestimmt. Das Gegenteil ist beschlossen worden. Und dann sagen wir nein. Ihnen ist es offenbar egal, was Sie hier beschlossen haben. Dann können Sie dazu auch ja sagen und großer Staatsmann spielen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Liebich! – Herr Ratzmann möchte antworten und hat dazu die Gelegenheit. – Bitte sehr!
Ich werde mich bemühen, ich will ja auch nicht Rechnungshof-Präsident werden. Deswegen kann ich vielleicht etwas emotionaler einwenden. – Aber mit Verlaub, Herr Liebich! Man könnte meinen, Sie hätten ein Problem mit verfassungsrechtlichen Regelungen, um einmal anzuknüpfen an eine Debatte von vor zwei Wochen. Aber ich glaube, es macht schon Sinn, staatsrechtliche Grundregeln in eine Verfassung zu schreiben. Wir haben auch jetzt eine Regelung in der Finanzverfassung. Ich habe noch keinen Antrag von Ihnen oder Ihrer Partei gefunden, das alles aus dem Grundgesetz zu streichen, weil man ja nur die Linkspartei wählen müsste, dann würde das alles schon irgendwie in Ordnung kommen.
Ich glaube, dass wir das Vertrauen in die politische Gestaltungskraft ohne verfassungsrechtliche Regelungen nicht haben können. Es gibt einen guten Grund, warum wir ein Grundgesetz haben, in dem das alles geregelt ist. Ich finde es vernünftig dann, wenn sich Regelungen als unzureichend erweisen. Da ist sich nun einmal die ganze Finanzwissenschaft einig gewesen: Das, was drinsteht, funktioniert nicht.
Das funktioniert nicht, deswegen muss man das, was neu entwickelt worden ist, anpacken und implementieren. Und noch mal, Herr Liebich: Ich glaube, es ist richtig, dass wir uns im Hinblick auf zukünftige Generationen und die Notwendigkeit solider Staatsfinanzen Gedanken darüber machen – das hat diese Kommission getan –, etwas zu tun und etwas Neues zu implementieren.
Ihr Lamento zu der Altschuldenhilfe richten Sie an die falsche Adresse. Herr Wowereit und Herr Sarrazin waren die beiden, die die Sache für das Land Berlin vergurkt haben, um einmal so deutlich zu sein,
völlig vergurkt. Der Erste, Herr Sarrazin, den wir heute in Ehren entlassen haben, ist mit solchen Oberarmen da herumgelaufen und hat gesagt: In zwei Jahren habe ich es geschafft, einen ausgeglichenen Haushalt, ihr könnt das alles nur nicht. – Glauben Sie, dass Länder, die aus dem letzten Loch pfeifen und die in den Länderfinanzausgleich zahlen, begeistert davon waren, uns noch mehr zu geben zur Konsolidierung, wenn wir sagen: Wir haben es irgendwie schon geschafft? Glauben Sie, das ist ein adäquates diplomatisches Verhalten? – Der Regierende Bürgermeister hat sich aus der Debatte erst einmal völlig verabschiedet, völlig, um dann hinterher zu merken: Er muss sich hintenrum wieder reinschleichen, um überhaupt etwas zu kriegen. In der Debatte selbst um die Altschuldenhilfe ist er überhaupt nicht vorgekommen. Das nenne ich eine verfehlte Vertretungspolitik für das Land Berlin in einer bundesweit ausgetragenen Debatte.
Noch mal: Dass wir nichts oder zu wenig bekommen haben, geht an die Adresse. Die haben sich das auf ihre Rechnung zu schreiben. Das werden wir immer wieder so betonen. So kann man das Land Berlin in so einer Diskussion nicht vertreten. Ich glaube, dass wir mit dem, so wie wir im Moment dastehen, diesen Kompromiss akzeptieren müssen und jetzt zeigen: Wir setzen ihn um. Je schneller und konsequenter wir das machen, um so besser stehen wir in der bundesweiten Diskussion da. Alles Weitere wird die nächste Landtagswahl zeigen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ratzmann! – Für die FDP-Fraktion hat Dr. Lindner das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Nach zweijähriger Tätigkeit beendete die Föderalismuskommission am 5. März ihre Arbeit. Der Kernpunkt ist der Satz, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Dies soll über eine Grundgesetzänderung implementiert werden. Es hat, das hat der Kollege Ratzmann schon betont, durchaus Bewegungen von der Länderbank gegeben, diesen Satz zu entschärfen, weil Sie und andere Kollegen, federführend der Kollege Kaienburg aus Schleswig-Holstein, der Auffassung waren, dass dies in die Autonomie der Länder, in ihre Haushaltsbefugnis, zu stark eingreift.
Ich habe als einziger Landesvertreter den entsprechenden Antrag nicht mitgemacht, weil ich der Auffassung bin, dass es nicht die Zeit ist, bei einem so grundsätzlichen Werk kleinkariert über Zuständigkeiten zu streiten. Wir müssen, wenn wir weiterkommen wollen in diesem Lan
Lande, auch mal über unsern Schatten springen. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger. Das nutzt ihnen nichts, das wollen sie nicht: ein kleinkariertes Parteienhickhack und ein kleinkariertes Hickhack über Zuständigkeit.
Es ist ihnen auch letztlich egal, ob auf einem Küstenschutzbeamten ein mecklenburgischer Ochse klebt oder ein Bundesadler oder ein niedersächsisches Ross. Sie wollen, dass die Küsten anständig geschützt werden, und sie wollen, dass die Länderhaushalte und der Bundeshaushalt konsolidiert und vernünftig saniert werden.
Da sind wir ein kleines Stückchen über diese Klausel vorangeschritten. Die FDP hat sich mit vielen Forderungen nicht durchsetzen können, das ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse auch nicht weiter verwunderlich. Deswegen sind wir – das gebe ich durchaus zu – enttäuscht, auch wenn wir als konstruktive Partei im Wesentlichen den Ergebnissen zugestimmt haben.
Eine strikte Schuldenbegrenzung und vor allen Dingen Wettbewerbsföderalismus, so wie wir uns den vorstellen, war nicht mehrheitsfähig. Ich verstehe nicht die kleinmütige Haltung gerade vieler Länder, was die Steuerbefugnisse angeht, dies lieber alles auf den Bund zu delegieren. Das wäre eine Gelegenheit gewesen zu zeigen, dass Länder auch selbstständig sind, dass sie sich auch im Wettbewerb behaupten können. Die materielle Zuständigkeit für die Steuern, das wäre mal was gewesen, aber dazu fehlte vielen der Mut.
Und natürlich zu einer Steuerstrukturreform zu kommen! Dieses Land – und das merkt man doch gerade in der Krise – leidet unter einem seit Jahrzehnten aufgeladenen Ballast kaum überschaubarer steuerlicher Verästelungen, einerseits materieller, andererseits verfahrensmäßiger, und wenn wir den Finanzausgleich anschauen, dann sehen wir, dass hier nichts mehr in einer vernünftigen Weise noch Anreize bietet, zu einer Haushaltskonsolidierung und zu einer soliden Wirtschaftspolitik zu kommen, sondern dass wir hier ein unübersehbares Gestrüpp haben. Dies hätte auseinandergeschlagen werden müssen. Auch hierzu fehlte es insbesondere den beiden größeren Parteien in der Föderalismuskommission an Mut und auch an Durchsetzungskraft, vor allen Dingen in den eigenen Fraktionen.