Die Fraktionen haben gefragt, was wir tun. Ich will hier gern noch einmal sagen, was der Senat tut. Ich werde bis heute Nacht nicht die Weltwirtschaftskrise lösen. Ich bin mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – dem Polizeipräsidenten, 16 000 Vollzugsbeamten – verantwortlich für die Sicherheit auch in schwierigen Situationen, weil Konzepte sich auch in schwierigen Situationen bewähren müssen. Das Konzept, das die Berliner Polizei entwickelt hat, war nach unser aller Überzeugung in der Umsetzung erfolgreicher als frühere Konzepte. Ich habe noch im Ohr, wie Kollege Henkel vor einigen Monaten gesagt hat, das Konzept der ausgestreckten Hand gehe eigentlich auf Forderungen der CDU zurück.
Das Konzept der ausgestreckten Hand der Berliner Polizei ist vernünftig, rational und erfolgversprechend. Was bedeutet es? – Es bedeutet nicht, dass wir Leute, die gewalttätig sind, gewalttätig durch die Straßen laufen lassen. Es bedeutet, dass wir all denjenigen, die friedlich – von mir aus auch lautstark – ihre Proteste zum Ausdruck bringen, diese ausgestreckte Hand reichen, indem wir sagen: Okay! Protestieren, Meinungsbildung, auch laute Meinungsbildung, das darf jeder. – Allerdings bedeutet das Konzept auch, dass in dem Moment, in dem die Meinungsbildung in Gewalttätigkeiten umschlägt, die Ber
liner Polizei mit aller Konsequenz dabei ist. Das haben Sie auch in den letzten beiden Jahren an der Zahl der Festnahmen, und zwar auch der beweissichernden Festnahmen, erkennen können.
Auch da hat sich die Konzeption der Polizei gegenüber früher verändert. Man reagiert auf bestimmte Situationen nicht damit, dass man die Leute auseinandertreibt und dann durch die Straßen treibt – mit allen Konsequenzen, nämlich auch der Konsequenz, dass ich die Täter nicht kriege –, sondern wenn Gewalttätigkeiten aus einer Menschenmenge heraus begangen werden, geht die Polizei mit Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten in diese Menschenmenge hinein – vorher wird videografiert –, holt die Leute aus dieser Menschenmenge heraus und nimmt sie fest. Das hat die hohe Zahl von Festnahmen in den letzten Jahren ermöglicht, und es hat auch die hohe Zahl von Verurteilungen durch die Berliner Gerichte ermöglicht. Die Berliner Gerichte sind mitnichten feinfühlig, was die Verurteilung betrifft, wenn jemand mit dem Werfen von Steinen auf andere Menschen schweren Landfriedensbruch begeht. Das wird heute im Regelfall mit Freiheitsstrafe und nicht mehr mit irgendwelcher Gutmütigkeit und Schulterklopfen oder so etwas behandelt. Die Berliner Gerichte greifen in solchen Fällen durch.
Das sagen wir allen Leuten. Wir haben im Vorfeld dieses 1. Mai über 8 800 Schülerinnen und Schüler in Gewaltveranstaltungen der Berliner Polizei in den Schulen erreicht. Wir haben mit allen gesellschaftlichen Gruppen gesprochen und darauf aufmerksam gemacht: Nehmt Einfluss auf Kinder und Jugendliche! – Wir haben mit dem Bezirksamt Kreuzberg-Friedrichshain eine Konzeption entwickelt, wo gerade auch Jugendliche und Heranwachsende auf der Straße sozusagen für Sicherheit und Ordnung während des Myfests sorgen sollen. Wir haben für die Walpurgisnacht, für den Boxhagener Platz, für den Mauerpark und für das Myfest in Kreuzberg eine weitgehende Reduzierung von Flaschen erreicht – mit dem Bezirk. Das Konzept in Kreuzberg – darauf ist zutreffend hingewiesen worden – ist ohnehin nicht nur ein Riesenerfolg der Politik – den hefte ich mir gar nicht so an –, sondern auch ein Erfolg der Bürger von KreuzbergFriedrichshain, die selber gesagt haben: Wir lassen uns unsere Straßen nicht von ein paar Chaoten kaputtschlagen. – Das ist der Erfolg, den wir gehabt haben. Daran hat Frau Reinauer ihren Anteil, und daran hat Herr Schulz seinen Anteil.
Auch Herr Zackenfels! – Das haben die im Laufe der letzten Jahre entwickelt, und das ist das, was uns hilft. Das ist das, was uns auch morgen helfen wird.
Wir haben aber auch das getan, was wir sonst erforderlicherweise tun müssen. Es ist im Vorfeld wieder der Ruf erhoben worden, wir sollen alle Demonstrationen oder jedenfalls einen Teil der Demonstrationen verbieten. Die
Rechtsprechung ist relativ eindeutig. Die Demonstrationen, die wir bei den letzten Malen am 1. Mai hatten, sind durchweg friedlich bis zum Endpunkt geführt worden.
Dort, wo wir Bauchschmerzen bei Demonstrationen haben, arbeiten wir mit Auflagen. Heute hat das Oberverwaltungsgericht Berlin eine Auflage, die gegenüber der Mayday-Demonstration verhängt worden war, nicht durch die Friedrichstraße, sondern parallel zu laufen, bestätigt. Das heißt, die Versammlungsbehörde der Berliner Polizei setzt das an versammlungsrechtlichen Instrumentarien ein, was im Rahmen des Versammlungsrechts möglich ist. Aber der hilflose Ruf nach Verbieten löst die Probleme nicht. Verbieten kann ich eine Versammlung oder eine Demonstration nur dann, wenn mit Wahrscheinlichkeit feststeht, dass mit Willen auch der Versammlungsführung Straftaten aus der Versammlung begangen werden. Wenn solche Straftaten geschehen, muss gegebenenfalls die Polizeiführung vor Ort dafür sorgen, dass die Versammlung unterbunden wird und dass sie beendet wird.
Ansonsten zeigt die Erfahrung, die wir hier in Berlin gehabt haben, von Lummer bis Werthebach, dass ein falsches Vorgehen gegenüber Demonstrationen, etwa das Verbot im Jahr 2001, eher zu einer Eskalation beiträgt. Wir haben uns darauf verständigt, nicht zu eskalieren, sondern vernünftig zu handeln.
Lassen Sie mich noch ein letztes Wort sagen, damit wir nicht zu Missverständnissen kommen. Ich halte es für unterirdisch, was von einigen Autonomen gegen die CDU in Kreuzberg gesagt wird. Ich halte das für jenseits von Gut und Böse. Ich halte es genauso für unterirdisch, was irgendein Mensch im Interview bei „88,8“ zu Supermärkten oder Ähnlichem gesagt hat. Ob das strafrechtlich relevant ist, wird man zu prüfen haben. Das kann ich jetzt nicht beurteilen. Das ist immer das Schwierige. Hier bei dem CDU-Stand in Kreuzberg haben die Leute gesagt, sie seien so besorgt um die CDU. Natürlich sind sie nicht besorgt um die CDU, sondern haben zu Aktionen und zu Gewalttaten gegen die CDU aufgerufen, dadurch, dass sie gesagt haben, sie seien besorgt. Das ist mir alles völlig klar. Ob das aber für die strafrechtlich relevante Verfolgung dieser Leute ausreicht, wird zu prüfen sein.
Wir machen einen ganz entscheidenden Fehler, wenn wir diese Exponenten, die sich dort äußern, mit der großen Masse Menschen gleichsetzen, die am 1. Mai demonstrieren wollen, weil sie auf nach ihrer Meinung große Ungerechtigkeiten dieser Welt hinweisen wollen. Wir machen einen großen Fehler, wenn wir jeden, der dicke Backen macht, wie es Herr Wolf eben sagte, gleichsetzen mit der Gesamtzahl der Leute, die dort am 1. Mai demonstrieren wollen. Die, die am 1. Mai demonstrieren wollen, haben unseren verfassungsrechtlichen Schutz für Demonstrationsrecht. Diejenigen, die zu Gewalt aufrufen oder Gewalt ausüben, haben unseren Rechtsstaat und eine konsequente Polizei zu erwarten. – Ich danke Ihnen!
Vielen Dank, Herr Senator Körting! – Jetzt haben alle Fraktionen noch Restredezeit. Gemeldet hat sich bisher die CDU-Fraktion. Herr Wansner hat nun die Möglichkeit. – Herr Wansner, bitte, Sie haben noch zwei Minuten!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Innensenator Körting! Wer Ihren Redebeitrag eben hier erlebt hat, kann eigentlich nur eines sagen: „Der hat in fast allem recht.“ Ihr Problem ist es jedoch, hier so zu reden und draußen anders zu handeln. Die Polizei hätte sich in den letzten Jahren im Gegenteil mehr Unterstützung von Ihnen gewünscht. Die Menschen in FriedrichshainKreuzberg hätten sich mehr Unterstützung von Ihnen gewünscht, wenn ihre Fahrzeuge gebrannt haben. Die Menschen, die in diesem Bezirk eine große Leistung bringen und arbeiten, hätten sich von Ihnen gewünscht, dort mehr unterstützt zu werden. Polizeibeamte, die tagtäglich in dieser Stadt zusammengeschlagen werden – Sie kennen die Zahlen besser als wir –, hätten sich von Ihnen die Unterstützung gewünscht, möglicherweise auch die des Regierenden Bürgermeisters. Im Gegenteil, Sie lassen die Persönlichkeiten, die Menschen, die für uns hier in der Stadt arbeiten, sehr oft im Regen stehen und geben sie teilweise noch der Lächerlichkeit preis.
Herr Jotzo! Ihre Argumentation, dass es Brandstiftung ist, wenn die CDU Friedrichshain-Kreuzberg am Oranienplatz steht, ist für eine Partei wie die Ihre eine Bankrotterklärung, weil es immer möglich sein muss, dass eine Partei dort steht, wo sie politisch arbeitet. Wenn wir das aufgeben, dass eine Partei dort, wo sie arbeitet, stehen darf, weil ihr das einige Chaoten verbieten, Herr Jotzo, geben wir die Demokratie in dieser Stadt auf. Ich gebe noch bekannt, dass ich heute diese Veranstaltung für den 1. Mai abgesagt habe, weil die Bedrohungslage viel zu groß geworden ist und ich heute hier auch bedroht wurde. Das wissen Sie genauso gut wie ich.
Herr Wansner! Anstiftung ist vielleicht ein starkes Wort. Wie fänden Sie es aber, wenn beispielsweise ich am Rand einer revolutionären Arbeiterveranstaltung am Straßenrand zur Wirtschaftspolitik sprechen würde? Würden Sie das nicht auch möglicherweise als Zündeln betrachten?
Herr Lindner! Ich schätze Sie sehr oft für Ihre Redebeiträge, aber ich gebe zu, dass Sie daneben liegen. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich in Friedrichshain-Kreuzberg geboren. Im Gegensatz zu Ihnen komme ich aus der Arbeitnehmerschaft. Ich habe Maurer gelernt. Ich weiß, was der 1. Mai bedeutet. Ich weiß, dass es zurzeit ein Kampf der Menschen ist zu überleben, beruflich und finanziell zu überleben und zu sehen, wie sie mit ihren Familien in dieser Stadt zurecht kommen. Das ist das Problem, das uns möglicherweise beide ein wenig unterscheidet. Deshalb wäre es wichtig gewesen, dass morgen die CDU am Oranienplatz gestanden hätte.
Wir machen aber eines: Weil wir aus der Verantwortung heraus sehen, dass das möglicherweise provozieren könnte – obwohl ich das nicht verstehe –, werden wir morgen dort nicht stehen, weil ich es den Mitgliedern meiner Partei, der Jungen Union, der Frauenunion, nicht zumuten möchte, morgen dort zu stehen und möglicherweise so nach Hause zu gehen, wie ich es nicht verantworten kann.
Wir werden aber eines tun: Wir werden uns in diesem Bezirk, wie wir es in den letzten Jahren getan haben, politisch engagieren. Da, Herr Innensenator, erwarte ich von Ihnen die Unterstützung.
Ja! – Ich erwarte Ihre Unterstützung nicht zu einer Rede zum 1. Mai, sondern wenn der 1. Mai vorbei ist. Ich gebe Ihnen mein Wort: Es wird morgen Abend den glücklichsten Menschen geben, wenn es keine Krawalle gegeben hat, weil ich an die Familien der Polizeibeamten denke.
Ich gebe denen recht, dass sie die Unterstützung der Politik einfordern. Sie sind verpflichtet, gerade Linksradikale in dieser Stadt endlich mehr zu bekämpfen, als Sie es in den letzten Jahren getan haben. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wansner! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.
Modernisierung der Bund-Länder Finanzbeziehungen im Rahmen der Föderalismusreform II – vorläufiger Abschlussbericht –
Für die Beratung steht den Fraktion jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Linksfraktion. Für die Linksfraktion hat Herr Abgeordneter Liebich das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich recht herzlich beim Regierenden Bürgermeister für seine ehrliche, ja geradezu schonungslose Einschätzung des Beratungsstands in der Föderalismuskommission II, wie er uns heute vorliegt, bedanken. Die Worte sind diplomatisch gewählt, aber der Inhalt ist ganz klar. Die Ergebnisse der Föderalismuskommission sind schlecht für das Land Berlin. Dem konnte man einfach nicht zustimmen.
Wir haben im Plenum, im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und auch im Hauptausschuss die Arbeit der Föderalismuskommission intensiv begleitet. Wir werden dazu auch noch eine Anhörung im Hauptausschuss haben. Schon jetzt kann man sich die Ergebnisse anschauen und sie an unseren eigenen Anforderungen messen. Wir haben die Anforderungen des Abgeordnetenhauses mit rot-rot-grüner Mehrheit formuliert. Der Kernsatz unseres Beschlusses lautet: „Voraussetzung für eine verfassungsrechtliche Verschuldungsgrenze ist die nachhaltige Entschuldung der Länder.“ Der gefundene Kompromiss erfüllt diese Erwartung ganz und gar nicht. Die Länder werden nicht entschuldet, aber eine Verschuldungsgrenze wird eingeführt. Dazu sagen wir Nein.
Die in Aussicht gestellten Konsolidierungshilfen für Berlin sind nicht auskömmlich und können zudem nur erlangt werden, wenn Berlin zusätzliche Kürzungen vornimmt. Wie gerade die aktuelle Entwicklung zeigt, nutzt im Ernstfall keine Regel, sondern es muss gehandelt werden.
Und das hat Berlin in der Vergangenheit gezeigt: Da, wo der politische Wille vorhanden ist, den Haushalt zu konsolidieren, braucht man auch keine Vorschriften. Ganz ohne Schuldenbremse hat das Land Berlin in den Jahren 2001 bis 2009 die Nettoneuverschuldung abgebaut. Die
Stimmen für eine Schuldenbremse sind im Land Berlin auch leise geworden. Die schwarz-grün-gelbe Harmonie vom Beginn dieser Legislaturperiode ist ohnehin Vergangenheit.
Niemand in dieser Kommission wollte Berlin jemals etwas schenken. „Reich hilft Arm“ stand dort nicht auf der Tagesordnung. Und fast wäre diese Kommission wegen ihrer inneren Widersprüche gänzlich ergebnislos beendet worden.