Protocol of the Session on January 29, 2009

Das Wort zur Erwiderung hat Herr Kollege Doering. – Bitte schön!

Auch wenn Sie mir dreimal eine Gebührenrechnung vorlegen, bleibt es dabei, dass ab dem 1. Januar 2010 die Bundesregierung dafür zuständig ist. Insofern läuft Ihr Antrag fehl.

Ich sage Ihnen noch einmal: In den Ländern, wo Sie mitregieren, werden die Rechnungen höher sein, weil die Arbeitswerte höher sind. Ich frage Sie deshalb, was in diesen Bundesländern passiert ist.

[Dr. Martin Lindner (FDP): In diesen Ländern verdienen die Leute auch mehr, weil wir mitregieren!]

Herr Lindner! Im Bundesrat haben von 16 Bundesländern 15 der Änderung des Schornsteinfegergesetzes zugestimmt. Raten Sie mal, welche Länder mit FDPRegierung dabei gewesen sind?

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Dr. Martin Lindner (FDP): In Bayern und Baden-Württemberg verdient man auch mehr, weil wir mitregieren! Dort haben sie nicht eine solche Hungerleiderregierung wie hier!]

Das Wort hat nun Herr Kollege Otto von den Grünen. – Bitte!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind jetzt gewissermaßen unter uns,

[Heiterkeit]

und insofern kann man vielleicht jenseits von diesem Antrag noch einen Blick auf das jüngst verabschiedete Gesetz werfen. Worum geht es dabei? – Es geht zum einen darum, dass die EU verlangt hat, mehr Wettbewerb in die Schornsteinfegerei zu bringen. Der Bundesgesetzgeber hat versucht, dem zu genügen. Er hat sich damit auseinandergesetzt, dass das Schornsteinfegerwesen in Deutschland quasi öffentlicher Dienst ist. Er hat sich mit

Fragen der Berufsstandsicherung beschäftigt, und er hat versucht, Elemente von Wettbewerb da irgendwie hineinzudrücken. Jetzt gehen die Meinungen auseinander, ob das gelungen ist oder nicht. Es ist auf jeden Fall ein Prozess, der da angeregt ist. 2013 kommt die nächste große Wegmarke, und wir müssen das von hier beobachten und begleiten.

Die Diskussion – und das hat auch unsere Anhörung im Bauausschuss gezeigt – konzentriert sich auf drei Fragen. Die erste Frage: Was sind hoheitliche Aufgaben beim Kehren eines Schornsteins? – Die zweite Frage: Wie viel Wettbewerb ist möglich? – Und die dritte Frage: Wie bekommt man Kostentransparenz in die Angelegenheit? – Mit diesen drei Punkten haben wir uns in der Anhörung beschäftigt, und wir haben dazu Antworten vom Senat und von den Anzuhörenden – einem Vertreter der Innung und einem auf Vorschlag der FDP-Fraktion eingeladenen Sachverständigen – erhalten.

Nun liegt dieser Antrag zur Gebührenordnung auf dem Tisch. Kollege Czaja hat auf unsere Fraktion Bezug genommen und gesagt, wir seien hierbei sicherlich positiv gestimmt. Herr Czaja! Es ist richtig, dass wir eine Transparenz hinsichtlich der Kosten wollen. Das betone ich noch einmal, aber ich habe gewisse Zweifel, ob wir die mit diesem Antrag erreichen. Sie haben hier unter Punkt 1 geschrieben, die Verordnung solle überprüft werden. Unter Punkt 2 fordern Sie, dass die Berechnungsgrundlagen überprüft werden sollen. Wir wissen, wie unser Senat prüft. Der schreibt uns eine Antwort, wo dann zu lesen ist: Wir haben es geprüft. Es kann alles so bleiben, wie es ist. – Insofern kommen wir mit dieser Methode nicht weiter.

Ich empfehle, dass wir den 1. Januar 2010 – das ist von heute aus nicht so lange hin – abwarten und sehen – darauf ist schon verschiedentlich hingewiesen worden –, welche Gebührenordnung der Bund vorlegt. Daran arbeiten die hoffentlich. Ich nehme an, dass sie dort etwas zügiger vorankommen, als wir das manchmal bei unserem Senat erleben. Wir sehen uns dann diese Gebührenordnung an und müssen sehen, ob wir damit zufrieden sind, und zwar zum einen hinsichtlich der Transparenz und zum anderen – das ist dann aber schon wieder subjektiv – hinsichtlich der Höhe der Kosten.

Ich möchte noch etwas zur Frage des Wettbewerbs sagen. Ich bin bereits darauf eingegangen. Ab 2013 ist nur noch das Führen eines Kehrbuches als hoheitliche Aufgabe eingestuft. Es gibt dann also für einen Bezirk einen verantwortlichen Schornsteinfegermeister, der ein Buch führt. Sie als Hauseigentümer müssen dann dort ihren Beleg über die Prüfung hinschicken, und der führt dieses Buch. Weitere hoheitliche Aufgaben sind die Bauabnahmen und die Feuerstättenschau in einer Frist von dreieinhalb Jahren. Nur noch das ist hoheitlich, und damit kommt schon ein wenig Wettbewerb hinein: Sie können sich denjenigen, der bei Ihnen durch die Küche geht und den Schornstein kehrt, dann aussuchen. Das ist vielleicht noch zu lange hin, es ist vielleicht eine zu große Über

gangsfrist, aber wir müssen jetzt konstruktiv damit umgehen. Der Bundesgesetzgeber hat entschieden, und der Bundesrat hat dem mit übergroßer Mehrheit der Länder zugestimmt. Das sollten wir jetzt erst einmal so hinnehmen und – sicherlich kritisch – begleiten. – Danke!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Überweisung hatten Sie bereits zugestimmt. Die Fraktion der SPD verzichtet unter dem Tagesordnungspunkt 4 d auf ihre Priorität.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 4 e:

Antrag

Verschobene Gelder aus dem SED-Vermögen für die Opfer der SED-Diktatur verwenden

Antrag der CDU Drs 16/2034

Für die Beratung stehen auch hier wieder jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Braun.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Regierende Bürgermeister – im Moment ist er nicht da –, Herr Wowereit, hat es vorhin gezeigt, heute ist er ein bisschen dünnhäutig – deswegen gibt es zunächst einmal ein Lob von mir an ihn. Gestern sagte er zum Auftakt des Gedenkjahres 20 Jahre Mauerfall: „Künftige Generationen müssen wissen, was Diktatur in der DDR bedeutet hat. Dazu gehört auch das Gedenken an die vielen Opfer des Terrorsystems.“ Das ist richtig, Herr Wowereit, aber auch ein bisschen wenig. Wir wollen nicht nur der Opfer gedenken, sondern wollen vor allem den vielen, glücklicherweise heute noch lebenden Opfern helfen, jenen, die bis heute an den Folgen von Haft und Verfolgung leiden.

Der Senat hat uns gerade mitgeteilt, dass dem Land Berlin aus dem versteckten SED-Vermögen, aus den sogenannten Novum-Geldern, 4,45 Millionen Euro zustehen. Das ist übrigens ein Bruchteil dessen, was die SED/PDS/Linke versteckt hat. Bei dieser Gelegenheit geht mein Appell auch an die Linke: Beteiligen Sie sich am Auffinden der Gelder, die Sie versteckt haben! Nennen Sie beispielsweise Schweizer Nummernkonten und Ähnliches. Da könnte dem Land Berlin ein erheblicher Zufluss zugeführt werden.

[Beifall bei der CDU]

Die Schätzungen kommen übrigens nicht von mir, sondern von der Enquetekommission vom Deutschen Bundestag zu Ihrem Vermögen. Doch von Ihnen erwartet man auch nichts anderes.

Doch nun kommen wir zur Verwendung der Gelder, die jetzt Berlin zufließen. 1996, als das Land Berlin erstmals 42 Millionen DM aus versteckten SED-Geldern erhielt, gingen diese in die Sanierung damals maroder Einrichtungen wie Volksbühne, Berliner Ensemble, Caroussel Kindertheater, heute Theater an der Parkaue, und andere. 1996 war dies richtig. Zu den Hinterlassenschaften der DDR-Diktatur gehörte auch der Verfall wichtiger kultureller Bausubstanz.

Auch 20 Jahre nach dem Mauerfall gibt es noch viele, die bis heute unter der DDR-Diktatur leiden. Ich kenne viele, die beispielsweise bis heute das Land- und Amtsgericht in der Littenstraße nicht betreten können, nicht einfache Miet- und Verkehrsstreitigkeiten führen können, weil sie nicht in ein Haus gehen können, in dem sie von den damaligen Handlangern der DDR-Justiz gedemütigt wurden. Ich kenne viele, die bis heute nicht richtig schlafen, die darunter leiden, dass ihnen Kinder weggenommen und sie von ihren Familien getrennt wurden und andere schlimme Schicksale. Gönnen Sie diesen Gepeinigten das Geld ihrer Peiniger! Ihnen, den vielen Hilfsorganisationen, die sich um die Menschen kümmern und jenen, die über die DDR-Diktatur aufklären, steht di. eses Geld moralisch zu [Beifall bei der CDU]

Seit 2005 fordert die CDU den Senat auf, seinerseits zu sagen, wie er gedenkt, mit dem Geld umzugehen. Bisher gab es keine Antwort. Bei jedem Kleinkriminellen favorisiert der Senat den Täter-Opfer-Ausgleich. Dann sage ich auch: Bitte, erst recht in diesem Fall! Dies wäre der richtige Beitrag zum 20. Jahrestags des Gedenkens an den Fall der Mauer. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Braun! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Hilse.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Braun! Ich verstehe nicht, wie Sie in Anbetracht dessen, dass wir jetzt nach 15 Jahren Verhandlungen und Rechtsstreitigkeiten nun in den Besitz des Geldes kommen, welches aus dem Vermögen der ehemaligen SED stammt und welches wir mit Sicherheit – darin besteht vermutlich parteiübergreifende Einigkeit – einem guten Zweck zuführen, darüber streiten können. Natürlich haben Sie Recht, den Opfern des Regimes der DDR und den noch heute lebenden und betroffenen Menschen unsere besondere Zuwendung zukommen zu lassen. Aber das ist doch der Fall. Ich verstehe nicht, warum Sie bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit versuchen, aus diesen Schicksalen politisch Kalkül zu ziehen.

Dieser Antrag, den Sie vorlegen, hat eine Geschichte. Diese Geschichte beginnt im Februar 2005. Ich will noch einmal – damit Sie das ein wenig nachvollziehen können

kurz rekapitulieren. Im Februar 2005 haben Sie, die CDU-Fraktion, den Antrag eingebracht, mit dem versucht wird, den Senat festzulegen, wofür das Geld verwendet wird. Diesem Antrag ist auch gefolgt worden. Ich lese noch einmal die Beschlusslage vor:

Der Senat wird aufgefordert, unmittelbar nach deren haushaltsmäßiger Wertstellung darüber zu berichten – also über die Verwendung –, in welche Maßnahmen und Projekte der festgelegte Anteil für die Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur sowie der festgelegte Anteil für Sozialprodukte fließen soll.

Dieser eine Satz war der Kernsatz Ihres Antrages. Der Senat soll berichten, in welche Projekte. Sie fassen das ganz weit. Sie fassen es so weit, dass Sie sagen, es können soziale, kulturelle Projekte sein oder solche, die der wirtschaftlichen Infrastruktur gelten. Ich finde, dass dies so richtig ist. Man kann das Geld gut für vielerlei Arten verwenden. Heute haben Sie es noch einmal auf die Zuwendung für Menschen, die von der SED-Diktatur verfolgt wurden, eingegrenzt. Es ist naheliegend. Das kann man so sehen. Wir sollten das in die Erörterung einbringen und hören, was andere Beteiligte sagen und welche Vorstellungen es darüber hinaus gibt. 4,5 Millionen Euro sind zwar nicht wenig, aber auch nicht so viel, dass alle Wünsche reifen könnten, alle Projekte, die zuwendungsfähig und förderungsfähig sind, damit verstärkt werden können.

Darüber hinaus sollten wir Verständnis dafür haben, dass der Senat um diese Fristverlängerung gebeten hat. Wir haben so lange gewartet, dass nun ein halbes Jahr auch hinzunehmen ist. Ferner möchte ich vorschlagen, den Fraktionen, die darüber zu beraten haben, es mit den Beratungen in den Ausschüssen zu verbinden, wenn der Bericht aus dem Senat vorliegt. Dann kennen wir auch die Vorstellungen des Senats. Wir können dann unsere Vorschläge einbringen. Sie, Herr Braun, können Ihren Vorschlag einbringen. Andere Fraktionen haben möglicherweise ähnliche Vorschläge. Wir schauen dann einmal, wie wir das Bestmöglichste aus diesen 4,5 Millionen Euro machen können, die uns zufließen und die wir außerplanmäßig einsetzen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Kollege Otto.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 4,5 Millionen Euro – der Kollege Hilse hat es gerade gesagt – sind nicht gerade wenig, aber auch nicht viel. Ich habe Ihre eigenen Vorschläge vermisst, Herr Hilse. Sie sagten, man könne sich viel vorstellen; die CDU liegt vielleicht richtig, vielleicht aber auch nicht.

Aber Sie haben überhaupt nichts gesagt. Sie haben nicht eine Idee. Das macht uns natürlich hellhörig.

20 Jahre hat es gedauert, dass dieses Geld, dieser kleine Baustein, zumindest auf dem Weg zu einer symbolischen Gerechtigkeit hier in Berlin eingetroffen ist. Herr Braun hat es mit Täter-Opfer-Ausgleich tituliert. Ich finde, es ist ein wenig, etwas von Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist ein Wort, das heute etwas inflationär gebraucht wird. Hier ist es an der richtigen Stelle, hier kann man tatsächlich von einem Symbol von Gerechtigkeit sprechen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir wollen, dass dieses Geld für die Aufarbeitung der Diktatur und für die Arbeit – ähnlich wie die CDU das vorgeschlagen hat – der Verbände und Vereine, die Opferberatung und Bildungsarbeit machen, verwendet wird. Wir werden sehr genau darauf achten, dass das nicht irgendwo im allgemeinen Haushalt untergeht, sondern wir wollen, dass das speziell verbucht wird, dass wir etwa einen Beirat gründen, der sich über die Verwendung Gedanken macht, der mit denen, die da Geld haben wollen, spricht und dann entsprechende Entscheidungen trifft oder vorbereitet. Das ist unsere Idee zum Verfahren, und das werden wir auch so in den Ausschüssen beantragen.

20 Jahre lang ist ermittelt worden, viele Jahre Gerichtsverfahren sind gelaufen. Alles das hätte man sich sparen können, wenn die SED oder PDS dieses Geld nicht hätte verschwinden lassen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Ja, nach Liechtenstein!]

Die unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR hat 2006, also nach 16 Jahren, ihren Abschlussbericht vorgelegt. Da hat sie das noch einmal bescheinigt und reingeschrieben:

Die Partei musste regelmäßig eher gezwungen werden, als dass sie den gesetzlichen Verpflichtungen von sich aus nachgekommen wäre.