Protocol of the Session on January 29, 2009

In der von Ihnen erwähnten Studie landet Berlin in einem Ranking im Mittelfeld. Dieser Platz befriedigt uns keineswegs, im Gegenteil, er spornt uns an, weiterzumachen. Aber man kann doch noch einmal deutlich sagen, dass vor dem Hintergrund der extrem schwierigen ökonomischen Situation Berlins, insbesondere nach dem Mauerfall, das Ergebnis Mut macht und uns deutlich zeigt: Wir sind integrationspolitisch auf dem richtigen Weg.

Aber die Studie zeigt auch, dass wir es in Berlin mit einer sozialen Polarisierung zu tun haben, die zunimmt, weil wir auf der einen Seite im Vergleich mit den anderen Bundesländern über den höchsten Anteil an Akademikern mit Migrationshintergrund und gut Qualifizierten verfügen. Zu ihnen gehört auch eine wachsende Gruppe von Bildungsaufsteigern. Wir verzeichnen in den letzten Jahren eine wachsende Anzahl von Abiturientinnen und Abiturienten aus dem Bereich der Migrantinnen und Migranten. Hier hat sich in Berlin eine Mittelschicht herausgebildet, die leider in der Öffentlichkeit gar nicht so wahrgenommen wird, was ich besonders schade finde. Denn das könnten die Vorbilder sein, die wir brauchen, um deutlich zu machen: Ja, man kann es schaffen, frau kann es schaffen, in der Stadt anzukommen und den eigenen Weg zu gehen.

Aber auf der anderen Seite haben wir auch einen sehr hohen Teil von Migrantinnen und Migranten, die erwerbslos sind. Das trifft insbesondere – das ist durch die Medien gegangen – die türkischstämmigen Einwanderer. Die Studie legt die Befürchtung nahe, dass wir es hier mit einer sich verfestigenden Armut zu tun haben, mit einer wachsenden Zahl von sogenannten Drop-outs, also Jugendlichen ohne Schulabschluss. Viele dieser Jugendlichen erleben Arbeitslosigkeit schon in der dritten Generation und schätzen ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt gleich null ein. Das teilen sie übrigens mit einem Teil von jungen Menschen ohne Migrationshintergrund.

Einen wichtigen Punkt will ich noch nennen. Die Studie berücksichtigt die soziale Schichtzugehörigkeit der untersuchten Personen nicht. Das finde ich schade, dadurch unterscheidet sie sich leider auch nicht von Vorgängerstudien. Auf diese Weise können die Studien den Eindruck erwecken, als seien Migrantinnen und Migranten dümmer, weniger fleißig, weniger erfolgreich als Herkunftsdeutsche. Das ist ein völlig falscher Eindruck, der erzeugt wird. Es ist eben nachgewiesenermaßen die soziale Lage und nicht die ethnische Herkunft, die die unterschiedlichen Integrationserfolge oder -misserfolge begründet. Wir müssen also da höllisch aufpassen, dass wir nicht in eine schiefe Debatte kommen. Ich bin sehr froh, dass das in der Diskussion, die sich in den Medien abbildet, sehr differenziert betrachtet worden ist.

Gut ist – das noch zu Ihrer Frage 1 –, dass die Studie die integrationshemmenden Wirkungen der rigiden Aufenthaltsgesetzgebung und die Schwierigkeiten bei der Einbürgerung deutlich macht.

Nun zu Ihrer Frage 2, welche Konsequenzen der Senat aus dieser Studie zieht. Der Senat hat bereits Konsequenzen gezogen. Wie Sie wissen, haben wir 2005 das erste Integrationskonzept vorgelegt, 2007 das zweite Integrationskonzept mit ganz klaren, konkreten Vorhaben in allen Ressorts, um entsprechende Fortschritte zu erzielen.

Trotzdem zeigt uns die Studie, dass wir in Berlin vor großen bildungspolitischen Herausforderungen stehen. Es müssen weitere Schritte folgen, um zu verhindern, dass Armut und Arbeitslosigkeit sich weiter verfestigen. Ich denke, die Gemeinschaftsschule, aber auch die Ablösung des dreigliedrigen Schulsystems sind ganz zentrale Bausteine. Diesen Weg werden wir sicher weiter verfolgen. Wir werden uns zudem um eine bessere Kooperation mit den Migrantenorganisationen, also Öffnung der Schule in die jeweiligen Kieze, und mit den Migranteneltern bemühen. Wir müssen die Elternarbeit verstärken, denn diese ist der Schlüssel dazu, Kinder aus diesen Familien zu motivieren und sie besser zu unterstützen. Ich glaube, zum Beispiel Stadtteilmütter oder Elternlotsen sind wichtige Projekte; sie haben es verdient, dass sie verstetigt werden.

Der Anfang muss gelegt werden in Kita und Schule. Unzureichende Sprachkenntnisse, aber auch schlechte oder keine Schulabschlüsse sind entscheidend für die Zukunft, verbauen diese möglicherweise. Da haben wir eine Menge zu tun – das zeigt auch die Studie – bei der Integration in Ausbildung und Arbeit. Die vertiefte Berufsorientierung spielt hier eine genauso große Rolle wie das Netzwerk Hauptschule. Wir werden mit unsern Partnern das System des Übergangs in Arbeit und Ausbildung verbessern. Wir sind gerade dabei, gemeinsam ein neues Konzept zu entwickeln. Wir verbinden berufliche Qualifizierungsmaßnahmen mit Sprachkenntnissen. Das Projekt „Ausbildung in Sicht“ ist dabei zu nennen. 1 113 Jugendliche haben im letzten Jahr an diesem Programm teilgenommen. Aber wir müssen auch die Begleitung von Jugendlichen in Arbeit und Ausbildung verstärken. Projekte wie „Job-Inn“ oder „Loop“ sind wichtig, sie arbeiten vorbildlich. Wir wollen sie in Zukunft verstetigen. – Im Rahmen des Programms „Jobstarter“ werden wir die Ausbildungspotenziale der Unternehmen der ethnischen Ökonomie erforschen, erschließen und einsetzen.

Mit 11 Prozent – das weist jedenfalls die Studie aus – sind Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst beschäftigt. Das ist ein Spitzenplatz im Ranking. Das wollen wir verstärken, weil wir denken, gerade in der Schule, im Bildungsbereich, aber auch bei der Polizei und der Feuerwehr ist der Bedarf diesbezüglich groß. Mit unserer Kampagne „Berlin braucht dich“ ist es uns in den letzten Jahren gelungen, die Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst seit 2006 deutlich zu erhöhen. Wir werden diese Kampagne in diesem Jahr auf die landeseigenen Unternehmen ausweiten. Auch davon erhoffe ich mir einen wichtigen Schritt.

Alles das tun wir schon, alles das braucht Zeit, um wirklich zu greifen. Wir werden im Sommer den ersten Zwischenbericht zum Integrationskonzept vorlegen, dann auch neue Zahlen präsentieren. Ich hoffe, dass wir dann weitere Schritte vorangekommen sind.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Dr. Knake-Werner! – Eine Nachfrage des Kollegen Saleh – bitte!

Frau Senatorin! Wie beurteilen Sie die Annahme, dass die Äußerungen und Thesen der CDU in den letzten Jahren insbesondere zur jüngsten Jugendgewaltdebatte bei der Integrationsdiskussion eher hinderlich statt förderlich für die Integration waren?

[Beifall bei der SPD]

Frau Senatorin Dr. Knake-Werner – bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir unterschiedliche Auffassungen zur Integrationspolitik haben, hat sich in den letzten Jahren immer deutlich gezeigt, gerade auch im Ausschuss. Wenn wir über Integrationsthemen diskutiert haben, hat sich die CDU sehr häufig eher als restriktiv erwiesen denn als jemand, der Integrationspolitik vorantreiben will. Das müssen wir aber gemeinsam leisten, denn wir werden diesen Prozess auch nur gemeinsam bestehen können. Deshalb hoffe ich, dass wir in der Zukunft einen konstruktiven Diskussionsprozess miteinander führen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Beifall von Özcan Mutlu (Grüne)]

Danke schön, Frau Dr. Knake-Werner! – Jetzt hat der Kollege Steuer von der Fraktion der CDU das Wort zu einer Nachfrage.

Frau Senatorin! Kann der Integrationsbeauftragte nach Tageslaune entscheiden, ob er Bock hat, Einladungen der Bundesregierung anzunehmen, oder rückkoppelt er so etwas mit Ihnen?

[Zurufe von der Linksfraktion]

Frau Senatorin Dr. Knake-Werner – bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Steuer! Was Sie fragen, hat – ehrlich gesagt – so gar nichts mit der Studie zu tun.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den Grünen]

Wenn Sie mit einer spontanen Frage nicht zum Zuge gekommen sind, dann finde ich das auch bedauerlich, aber ehrlich gesagt habe ich jetzt keine Neigung, die Verhaltensweisen von Herrn Piening hier im Parlament zu bewerten.

[Zurufe von der CDU]

Sie können aber gerne meine Meinung dazu hören. Die habe ich im Ausschuss sehr deutlich gesagt. Ich fand die Einladung von Frau Böhmer an die Schulleiter genau das falsche Signal, weil sie genau das bewirkt hat, was wir in der Diskussion über die Schulsituation in Mitte überhaupt nicht brauchen, nämlich eine Zuweisung der Probleme an die Kinder aus Migrantenfamilien. Das fand ich völlig falsch. Das hat zu einer totalen Schieflage der Debatte geführt und zur Lösung nicht beigetragen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Sascha Steuer (CDU)]

Danke schön!

Wir kommen zur Mündlichen Anfrage Nr. 7 des Kollegen Michael Braun von der Fraktion der CDU zum Thema

Lockangebote an den Suhrkamp-Verlag?

Bitte schön, Herr Braun!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Treffen Presseberichte zu, wonach der Senat von Berlin den Suhrkamp-Verlag von Frankfurt/Main nach Berlin locken will mit dem Angebot, dem Verlag eine attraktive Immobilie in zentraler Lage zur Verfügung zu stellen?

2. Falls ja, um welche Immobilie handelt es sich, und zu welchen Bedingungen soll diese Immobilie dem Verlag zur Verfügung gestellt werden?

Danke schön, Herr Braun! – Der Herr Regierende Bürgermeister antwortet. – Bitte schön, Herr Wowereit!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Braun! Es ist richtig, dass sich Berlin darum bemüht, den Suhrkamp-Verlag in die Hauptstadt zu holen. Das ist auch nicht neu, sondern diese Bemühungen gibt es, seitdem der Verlag 2006 eine Dependance in Berlin eröffnet hat. Berlin wirbt dabei natürlich mit seinem Image als Medien- und Kulturmetropole, die in den vergangenen Jahren auch für Verlage und Autoren attraktiv geworden ist. Zu Einzelheiten der Gespräche mit dem Suhrkamp-Verlag werden wir uns erst dann äußern, wenn die Meinungsbildung der Gesellschafter abgeschlossen ist und Suhrkamp eine Entscheidung getroffen hat. Diese steht bisher noch aus.

Zu Ihren Fragen, die dort mit eingebettet waren, wie weit der Senat bei der Verlagerung behilflich sein kann: Das richtet sich immer nach den üblichen Möglichkeiten von Förderungen, die allen zustehen, und das werden wir in diesem Fall auch so tun.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Braun? – Bitte schön!

Nun haben sowohl Mitglieder des Frankfurter Magistrats als auch der Vorsitzende des Bundeskulturausschusses, Herr Otto, kritisiert, dass eine solche Immobilie zur Verfügung gestellt wurde. Ich gehe dann davon aus, dass dieser dem Berliner Senat gemachte Vorhalt unrichtig ist.

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Ich verstehe so langsam nicht mehr die Intention Ihrer Frage. Wollen Sie von uns, dass wir uns nicht darum bemühen, dass Unternehmen nach Berlin kommen, oder was bezwecken Sie eigentlich mit Ihrer Frage?

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Özcan Mutlu (Grüne)]

Ich habe es nicht ganz verstanden. – Dass die Bereiche, die etwas abgeben, darüber nicht sehr glücklich sind, gehört dazu. Aber es kann doch wohl nicht sein, dass Sie uns vorwerfen, dass wir uns darum bemühen, in einem für Berlin wichtigen Zweig, nämlich Verlagswesen, einen Verlag nach Berlin zu holen.

[Zuruf von Michael Braun (CDU)]

Ja, das wollen wir, Herr Braun, auch wenn es in Frankfurt oder anderswo schmerzt!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es schmerzt genauso, wenn Unternehmen aus Berlin abwandern. Wir werden nichts Unzulässiges, sondern nur

etwas im Rahmen möglicher Förderungen tun. Dann werden Sie – wenn es zu einer Entscheidung kommt – diese bewerten können, aber Sie sollten nicht den Eindruck erwecken, als sei der Suhrkamp-Verlag in Berlin nicht willkommen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Özcan Mutlu (Grüne)]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Wir kommen nun zur Mündlichen Anfrage Nr. 8 von Frau Matuschek von der Linksfraktion zum Thema