Protocol of the Session on January 29, 2009

Neuerdings scheint es auch noch so zu sein, dass immer, wenn es in einem Bezirk Zwistigkeiten zwischen Akteuren und dem jeweiligen Bezirksamt gibt, der Senat oder das Abgeordnetenhaus es lösen sollen. Das ständige Verantwortungs-Hin-und-Her ist nicht vertrauensfördernd und eben nicht investorenfreundlich, wie die Senatorin schon ausgeführt hat. Planungsrecht muss in einer Hand liegen und darf nicht ständig angezweifelt werden!

[Beifall bei der SPD]

Wir haben bei unserer Begehung, aber auch in der Ausschussdiskussion, durchaus den Eindruck gewonnen, dass der Bezirk bemüht ist, den Forderungen des Bürgerentscheids, so weit es möglich ist, nachzukommen. Allerdings sind die Verfahren komplex und der Handlungsspielraum im Einzelfall begrenzt. Auch in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg könnte es an der einen oder anderen Stelle durchaus produktiver ablaufen. Denn – das muss man sagen – Herr Schulz und die Grünen haben Hoffnungen geweckt, die sie in der Praxis gar nicht einlösen können.

[Beifall bei der SPD]

Das führt zu Verdrossenheit von Bürgern, und auch das zu Recht.

Planungsrechtlich – um auf diese Ebene zurückzukommen – bleibt das Manko, dass der Bezirk und Herr Schulz in seinen diversen Funktionen und in den diversen Jahren seiner Tätigkeit keine planungsrechtlichen bezirksspezifischen Übersetzungen des Planwerks entwickelt haben. Aber die Aufgabe besteht darin, das bestehende Baurecht umzusetzen und an möglichst vielen Stellen Einigkeit zwischen den Beteiligten herzustellen.

Unsere Aufgabe im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr ist es, eine Abwägung zwischen dem geschaffenen und dem noch zu schaffenden Baurecht vorzunehmen und eine stadträumliche Einschätzung abzugeben. Es geht um die Bewertung zur Gestaltung der Uferwege und -räume, zur Verkehrssituation zwischen Schilling- und Elsenbrücke und zur Lagequalität einiger Grundstücke. Wir reden vom Übergang zwischen Land- und Stadtspree, die Einreihung in die vorhandene Bebauung gerade auch

im historischen Kontext dieses Bereichs sowie über die Schaffung von Pendants. Dabei sollten wir grundsätzlich offen sein für die Diskussion, auch für einen eventuellen Hochhausbau an der Elsenbrücke – auch wenn das hier nicht auf ungeteilte Zustimmung stößt. Man sollte den jetzt einseitigen Torcharakter offen zur Kenntnis nehmen und diskutieren, Herr Behrendt! Stadtentwicklung lebt von Diskussion, man muss sie eben führen, auch kontrovers.

[Beifall bei der SPD]

Dabei wäre sicherlich eine Anhörung im zuständigen BVV-Ausschuss sehr sinnvoll, indem die unabhängigen Experten zu diesen Themen eingeladen werden, sich über wirtschaftliche, stadtentwicklungspolitische Potenziale auszutauschen und entsprechende Realisierung zu prüfen. Aber selbst das soll laut dem gestrigen BVV-Beschluss vom Senat aus organisiert werden. Werte Damen und Herren! Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein stünde auch hier dem Bezirksamt gut zu Gesicht.

[Beifall bei der SPD]

In den letzten Jahren entstanden Parkstücke und Uferwege, auch mithilfe derjenigen, die jetzt gern als „Schmuddelkinder“ bezeichnet werden und die man nicht haben will, nämlich durch private Eigentümer. Ich bin sehr dankbar für dieses Engagement, auch von dieser Seite. Es geht aber trotzdem auch um eine kritische Überprüfung von Entwicklungskonzepten und einer angepassten Spreeraumentwicklung, die wir sicherlich weiterhin im Ausschuss kontrovers und produktiv diskutieren werden. Eine anspruchsvolle und vielfältige Aufgabe ist es, diese großzügigen öffentlichen Räume und Wege mit einem gelungenen Städtebau und einer urbanen Nutzungsmischung zu verbinden und zu realisieren. Wir bewegen uns in einem Spannungsfeld zwischen Investitionen und quartiersbezogenen Entwicklungen sowie den bezirklichen Ansprüchen, die in anderen Kontexten durchaus regelmäßig angesprochen werden. Ja, das betone ich ausdrücklich, Herr Melzer, wir wollen, dass Mediaspree ein Investitionsprojekt ist, wird und bleibt. Wir wollen, dass neue Inhalte in alte Gebäude kommen und dies sich gegebenenfalls auch in der Architektur bei einem Neubau wiederfindet. Wir wollen dort Wirtschaft, Wohnen und Kultur, Medien, Mode und Entertainment. Das ist die Berliner Mischung mit Zukunft!

[Beifall bei der SPD]

Aber wir wollen dies auch in Zusammenarbeit mit den lokalen Protagonisten vor Ort gemeinsam mit der Wirtschaft erreichen. Aber was nicht sein kann und darf, ist, dass Grundstückswertminderungen und Schadenersatzansprüche gegenüber dem Land Berlin entstehen. Unsere stadtentwicklungspolitischen Instrumente im Abgeordnetenhaus lauten dabei: B-Plan, städtebaulicher Vertrag, Baugenehmigung, verbindliche Bauleitplanung. Letztendlich bleibt festzuhalten: Es gibt kein politisches Baurecht – für keine Partei oder für spezielle Bereiche.

Abschließend möchte ich dennoch einen Appell an die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg richten: Exekutiv

handeln und entsprechende Verantwortung in einem Bezirksamt heißen auch, zur Verantwortung zu stehen und vor allem Entscheidungen zu treffen. Sie haben Hoffnungen geweckt, die Sie in der Wirklichkeit gar nicht halten können. Ich erwarte aber von einem Bezirk, erst recht von Friedrichshain-Kreuzberg, rechtssicheres Handeln, die Einhaltung von Verträgen und schließlich produktive und auf Konsens ausgerichtete Abstimmungsprozesse.

[Beifall bei der SPD]

In Erwartung dieses konsensualen und für Sie, Herr Esser, ergebnisorientierten Diskussionsprozesses danke ich für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Haußdörfer! – Frau Eichstädt-Bohlig hat das Wort. – Bitte sehr!

Danke schön, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Senatorin! Sehr geehrter Herr Melzer! Als Erstes muss ich sagen: Ihre Große Anfrage ist leider nicht sehr groß und zweitens ziemlich von gestern.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Denn es ist tatsächlich wahr: Das haben wir alles im letzten Jahr schon diskutiert. Vor allem haben Sie gar nicht gemerkt, dass wir schon im vorigen Jahr nicht die großen Investorenschlangen vor den Toren der Mediaspree stehen hatten und dass wir in diesem Jahr in die Krise hineingehen, in eine Konjunkturdepression, in der wir noch viel weniger Investoren Schlange stehen haben. Wir sind uns einig, dass wir Herrn Wirtschaftssenator Wolf auffordern, überhaupt erst einmal die eine Million leer stehender Büroflächen schrittweise mit Arbeitsplätzen zu füllen. Aber er soll deswegen nicht Städtebau und Stadtplanung betreiben, sondern bei seiner Wirtschaftspolitik bleiben. Ich würde Ihnen empfehlen, nicht Wirtschaftspolitik und Städtebau und Stadtentwicklung immer in einen Topf zu schmeißen, denn das sind und bleiben zwei Paar Schuhe.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Ich muss aber jetzt etwas Zweites in Richtung SPD sagen.

[Nein! von der SPD]

Ich bin etwas irritiert.

[Michael Müller (SPD): Da machen Sie wieder alles kaputt!]

Frau Kollegin Haußdörfer hat eben einen sehr konstruktiven Beitrag gemacht, der durchaus Offenheit in Richtung Planungsentwicklung signalisiert hat. Frau Junge-Reyer als Senatorin hat demgegenüber zwar sehr vage und sehr wolkig, aber im Endeffekt gesagt: Es muss alles so bleiben, wie es war und ist. Da darf sich nichts verändern. – Jedenfalls, wenn man genau hinhörte!

[Zurufe von der SPD]

In der Kreuzberger Situation ist es so, dass Herr Härtig große Initiativen startet, das müsse alles noch viel radikaler sein, als es sich selbst die Bürgerinitiative wünscht und das Bürgerbegehren gefordert hat. Aber die SPD Kreuzberg ist steif und starr und bewegt sich nicht.

[Beifall von Sven Kohlmeier (SPD)]

Insofern habe ich die Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD zwischen Senat, Abgeordnetenhaus und Bezirk: Bitte überlegen Sie endlich einmal, was Sie für eine Position haben, damit wir wissen, mit wem wir uns über was auseinandersetzen können und sollen!

[Beifall bei den Grünen]

Jetzt konkret zur Situation: Ich habe hier schon im vorigen Jahr sehr deutlich gesagt, es ist so, dass diese Planung aus Zeiten des großen Metropolenrausches stammt. Es ist durchaus sinnvoll – mit und ohne Bürgerbegehren, das spielt eigentlich nur eine untergeordnete Rolle –, gewisse Anpassungen in Richtung städtebauliche Verträglichkeit und Aufwertung des Spreeraums vorzunehmen. Das heißt nicht, jetzt einfach eine 50-Meter-Schneise in Nord und Süd längs der Spree zu schlagen. Das hat noch nie jemand gesagt, jedenfalls niemand, der verantwortlich ist, schon gar nicht der Bürgermeister des Bezirks FriedrichshainKreuzberg. Aber gewisse städtebaulich sinnvolle Anpassungen vertragen das Areal und auch Berlin wirtschaftspolitisch allemal. Leer stehender Büroraum, Flächen en masse – wir haben so viel Potenzial für Arbeitsplätze, da müssen wir nicht an einer Stelle die Leberwurst immer dichter stopfen, sondern können guten Städtebau machen, gerade an diesem schönen Ort.

[Beifall bei den Grünen]

Deshalb sagen wir – erstens: Die Verfahren zur Mediaspree sind beim Bezirksbürgermeister Schulz und im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in guten Händen. Das hat bisher noch keiner kritisiert. Wer behauptet, Friedrichshain-Kreuzberg würde sich rechtsunsicher oder sonst irgendwie unkonstruktiv verhalten, der erzählt Märchen. Da hat Frau Junge-Reyer eben ihrerseits gesagt, dass sie sich bisher immer darauf verlassen konnte, dass es ein korrektes und abgestimmtes Verfahren ist.

Das Zweite ist – auch das ist vom Bezirk deutlich gesagt worden –: Es wird nur dort Planungsänderungen und Anpassungen geben, wo dies entschädigungsfrei möglich ist. Das möchte ich hier betonen. Wenn wieder in die Welt gesetzt wird, das wäre anders, dann müssen Sie sich endlich schlau machen. Auch das hat bisher noch niemand behauptet.

Drittens komme ich zu einigen Punkten, wo städtebauliche Anpassungen durchaus möglich sind und wo wir sie auch für sinnvoll und nötig halten. Auch die sind hier überwiegend schon einmal dargestellt worden.

Das Erste ist die Planung an der Schillingbrücke auf Flächen des Liegenschaftsfonds. Da ist sogar ein neutraler

Ausgleich zwischen Flächen mehr an der Spree und mehr zur Brücke hin möglich, der sowohl die Investitionen als auch die Verbesserung der Grünflächenqualität an der Spree möglich macht. Bitte unterstützen Sie, dass das möglich wird! Das geht und das verbessert die Situation vor Ort. Warum eigentlich nicht?

Der zweite Punkt – und da gibt es offenbar einen Dissens zur Frau Senatorin – ist die berühmte Hochhausplanung an der Elsenbrücke am Ende des Osthafens. Frau Senatorin Junge-Reyer! Ich verstehe nicht, dass Sie auf diesem Hochhaus bestehen. Sie planen gegen grünes Votum unter dem von Ihnen gewünschten Hochhaus eine dicke Autobahn mit Zu- und Abfahrten. Ich möchte dort weder arbeiten noch wohnen. Eine Hochhausplanung ist dort absolut inadäquat.

[Beifall bei den Grünen]

In drei Kilometer Entfernung sieht und riecht man dann nach Osten das jetzige und dann eventuell auch das künftige Kohlekraftwerk Klingenberg. Das ist ebenfalls nicht sonderlich städtebaulich verträglich, dort mehr Arbeitsplätze hinzupacken als unbedingt nötig – oder die Wohnplanung, die sich die BEHALA inzwischen wünscht. Deshalb ist es sinnvoll und verträglich, die Planung an dieser Stelle auf diesem 22-bis-24-Meter-Level zu belassen, der jetzt für die anderen Gebäude vorgesehen ist, und keine höhere Verdichtung vorzunehmen. Als Nächstes ist es auch ohne Investitions- und Ausnutzungsverzicht möglich, die Gebäude ein Stück weit nach hinten zu versetzen und mehr Grünraum an der Spree zu gewinnen. Ich bitte Sie eindringlich, machen Sie mit und boykottieren Sie nicht solche sinnvollen Verbesserungen der Planung!

[Beifall bei den Grünen]

Als Nächstes möchte ich das Projekt „Planung neue Spreespeicher“ aufrufen. Da ist der Bebauungsplan im Dezember ausgelaufen. Insofern gibt es durchaus die Möglichkeit, zu einer Umwandlung der bisherigen Kerngebietsnutzung – sprich eine hochverdichtete Einzelhandelsmaschine – hin zu einer Nutzungsmischung zu kommen, die Wohnen, Gewerbe und Dienstleistungen miteinander verknüpft und die an dieser Stelle auch ihrerseits angemessenes Grün ermöglicht. Da dieses Areal vom Senat an sich gezogen worden ist, fordere ich Sie, Frau Senatorin, auch hier auf: Ändern Sie den Bebauungsplan, damit – wenn der Bauantrag vom Investor wieder neu gestellt wird – dort eine sinnvolle Planung entstehen kann – entschädigungsfrei! Deswegen ist auch hier eine Anpassung möglich. Ich bitte Sie alle, das zu unterstützen. [Beifall bei den Grünen]

Und last but not least möchte ich das große BEHALAAreal rund um den Viktoriaspeicher aufrufen. Auch hier ist es möglich, ohne unverträgliche Maßnahmen mehr Grün an der Spree zu schaffen und eine bessere Durchmischung von Wohnen, Gewerbe und Dienstleistungen zu erreichen. Das steht uns allen gut zu Gesicht und ist städtebaulich und erholungsmäßig, also auch sozial für die Bevölkerung der Umgebung, verträglich, sinnvoll und richtig. Auch hier werbe ich dafür, das mit zu un

terstützen. Auch das ist entschädigungsfrei möglich. Was allerdings nicht möglich ist, ist, dass bei der BEHALA und den öffentlichen Liegenschaften eine maximale Grundstücksverwertung, die es nur abstrakt und gar nicht konkret gibt, an diesen Orten und schon gar in diesen Zeiten der Konjunkturschwäche zu realisieren ist. Deshalb werbe ich beim Finanzsenator, bei der Stadtentwicklungssenatorin und letztlich beim Wirtschaftssenator dafür, nicht zu erwarten, dass sich die öffentlichen Betriebe für diese Immobilien irgendeine Maximalrendite versprechen müssen. Es geht um eine Rendite, die gleichzeitig städtebauliche Verträglichkeit enthält. Ich habe das so verstanden, dass die SPD in ihrer Fraktionsklausur ihrerseits gefordert hat, dass immobilienwirtschaftliche Ziele genau mit solchen städtebaulichen Zielen konstruktiv in Einklang gebracht werden. Insofern fordere ich Sie auf, bei den genannten Beispielen endlich mitzuwirken. Tun Sie das, damit Sie nicht nur schöne Sonntagsreden auf Rügen halten, sondern damit Sie auch praktische Alltagspolitik für Berlin und für Friedrichshain-Kreuzberg machen!

[Zurufe von der SPD]

Dies alles ist möglich. Der Bezirk FriedrichshainKreuzberg – konkret der grüne Bezirksbürgermeister und das grüngeführte Bezirksamt – sind daran interessiert, das zu machen, und machen das mit Sorgfalt, Umsicht und mit guter Abstimmung sowohl mit den Investoren als auch mit den Bürgern. In dem Sinn fordere ich Sie von allen Seiten auf, das zu unterstützen. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]