Wir hätten uns, Frau Junge-Reyer, ein klares Signal gewünscht für ein konsequentes Umsetzen von möglichen Ansiedlungen an der Mediaspree, für Modernität, Anziehungskraft und wirtschaftliche Entwicklung. Diese Chance bewusst nicht zu ergreifen, vielleicht auch nicht zu begreifen, das ist das, was wir Ihnen vorwerfen. Das bleibt auch nach Ihren Aussagen hier ein wichtiges Versäumnis dieses Senats.
Es geht entlang der Spreeufer um Ansiedlung Zehntausender Arbeitsplätze – ich möchte darauf noch einmal hinweisen –, die für die Stadt so wichtig wären. Neben dem, was Sie gesagt oder vielmehr nicht gesagt haben, fragen wir uns auch: Wo bleibt an einem so wichtigen Standort das klare Bekenntnis des Wirtschaftssenators zu
dieser Standortfrage? – Nicht hier in der Großen Anfrage, aber in den letzten Wochen und Monaten haben wir von Herrn Wolf rein gar nichts gehört. Die Wirtschafts- und Ansiedlungsbilanz dieses Senats und von Herrn Wolf persönlich ist nicht so gut, dass er sich hier nicht einbringen müsste. Wir fordern Sie, Herr Wolf, zu einer klaren Stellungnahme auf!
Nein! – Warum wollen wir dazu etwas vom Wirtschaftssenator hören? – Weil die Berliner Wirtschaft schon in den vergangenen Jahren unterdurchschnittliche Wachstumsraten ausgeworfen hat und dadurch geprägt war. Die Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Monate hat natürlich auch Berlin in eine Rezession geführt, wie es überall in der Republik ist. Wer möchte das bestreiten?
Aber die Schere zwischen der Hauptstadt und dem übrigen Bundesgebiet geht immer weiter auseinander und vergrößert sich immer mehr. Ich muss Sie nicht daran erinnern: letzter Platz der Industrieregionen Europas, letzter Platz im Vergleich der wirtschaftlichen Attraktivität der 50 größten deutschen Städte, letzter Platz beim Standortwettbewerb der Bertelsmann-Stiftung. Diese rote Laterne steht Berlin nicht! Wir wollen sie loswerden. Dafür muss man aber aktiv werden.
Besonders bedrückt uns, dass durch dieses fehlende Handeln in der Vergangenheit nicht im ausreichenden Maß Arbeitsplätze entstanden sind. Ich habe vorhin schon gesagt: 240 000 Arbeitslose, 14,2 Prozent ohne Job, da ist es letztlich die verdammte Pflicht dieses Senats, alles dafür zu tun, dass große Projekte umgesetzt, dass Investitionsvorhaben realisiert werden, dass man nicht da steht und sagt: „Komme mit Jobs oder nicht!“, sondern um jeden einzelnen und um die großen Vorhaben kämpft, das wäre die Aufgabe dieses Senats. Dem werden Sie nicht gerecht.
Da ist es schon erstaunlich, dass einerseits zumindest die Investitionsmittel aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung mit offener Hand angenommen werden, gleichzeitig aber werden private Investitionswünsche verzögert und verhindert, letztlich torpediert.
Das ist doch ein Stück weit schizophren. Es macht auch deutlich, es sind die falschen Rahmenbedingungen, die hier in der Wirtschaftspolitik gesetzt werden, einerseits am öffentlichen Geldbeutel der Bundesregierung betteln und auf der anderen Seite private Investoren verjagen, das passt doch nicht zusammen.
Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass es Investoren gibt, die Millionen und Milliarden investieren und Tausende Arbeitsplätze schaffen wollen. Deshalb sagen wir sehr deutlich: Unterschiedliche Positionen auf Bezirks- und Landesebene in den jeweiligen Parteien, in der SDP, in der Linkspartei ist das eine, aber die unterschiedlichen Positionen der Parteien auf dem Rücken der Investoren auszutragen, geht nun wirklich nicht.
Die Freiflächen in zentraler Lage Berlins sind ein wichtiger Standortvorteil. Auch das haben Sie, Frau JungeReyer, gesagt. Das ist eine der wenigen Aussagen, die ich teilen kann. Diese Zukunftsgebiete müssen dann aber auch mit Leben und Ideen entwickelt werden. Die Lustlosigkeit und Passivität und noch nicht einmal die Lust zu haben, auf konkrete Fragen konkret zu antworten, das reiht sich ein in eine Reihe von wenig ambitionierten Entwicklungen, wenn es um großflächige Investitionsvorhaben geht.
Stichwort Tempelhof: So falsch die Schließung des Flughafens Tempelhof war, so aberwitzig sind jetzt die Nutzungsvorschläge. Von Bergaufschüttung bis ColumbiaStrip, das wollen wir in Tempelhof nicht, das wollen wir an der Mediaspree nicht. In beiden Fällen wollen wir Arbeitsplätze. Dafür gilt es Sorge zu tragen.
Der Bezirk blockiert weiterhin Bauvorhaben und verzögert Baugenehmigungen, egal, ob das rechtlich zulässig ist oder nicht. Frau Junge-Reyer, Sie sagen, nun gut, es sei nicht rechtlich zulässig, deswegen werde es nicht geschehen. – Das ist aber nicht der Fall. Der Bezirk spielt hier auf Zeit und damit drohen Investoren und Investitionen abzuwandern. Deshalb hat beispielsweise Dr. KlausMartin Groth als Vertreter der betroffenen Eigentümer zu Recht eine Senatsinitiative angemahnt. Ich zitiere nicht uns selbst, sondern Dritte. Er sagt:
Ohne diesen Senatsbeschluss sind jahrelange Verzögerungen und Verhinderungen dringend notwendiger Planungen und Investitionen zu erwarten.
Deswegen wundere ich mich schon, wenn Sie auf unsere Frage nach den Folgen des Bürgerentscheids sagen: Letztlich gibt es keine konkreten fassbaren Folgen.
Sie haben relativ wenig, dafür aber sehr unspezifisch geantwortet. Rechtsfolgen gebe es keine direkten, wirtschaftspolitische Folgen vermögen Sie erst gar nicht zu erkennen. Es gibt eine bestehende Planungsunsicherheit. Das führt im Regelfall dazu, dass Investoren unsicher werden, dass sich teilweise Investoren zurückziehen, wie auch schon geschehen.
Der Vertrauensschaden für Berlin ist ganz enorm. Detlef Kornett, der Europa-Chef der Anschutz-Entertainment Group,
sagt dazu etwas sehr Nachdrückliches. Frau Junge-Reyer, Sie haben eben von der O2-Arena und dem städtebaulichen Umfeld der Arena gesprochen. Detlef Kornett sagt:
Sollen dieselben Politiker, die damals zustimmten, jetzt ernsthaft Änderungen prüfen, würde ich das als fundamentalen Vertrauensbruch empfinden.
Nein, danke, ich möchte gerne fortfahren, weil ich glaube, dass das Thema Vertrauensbruch zu einer Landesregierung ein sehr wichtiges und entscheidendes Thema ist, wo man ruhig einmal zuhören kann. Deswegen möchte ich gerne fortfahren.
Detlef Kornett, einer der großen Investoren in dem Bereich spricht von einem großen Vertrauensbruch. Er sagt dann weiter: Wenn das so umgesetzt wird, dann würde er wegen Vertragsbruch rund 50 Millionen Euro an Schadensersatz und Entschädigungszahlungen gegenüber dem Bezirk einfordern.
Dieser Vertrauensbruch potenziert sich noch, wenn andere mögliche Investoren das Gefühl vermittelt bekommen, man könne sich nicht auf Zugesagtes verlassen.
Die Fragestellung, weshalb es vielleicht nicht ganz so viele Investoren gibt, die hier in Berlin Schlange stehen,
die liegt nicht daran, dass die Rahmenbedingungen dieses rot-roten Senats so fantastisch sind, nein, es liegt genau an Ihrem Verhalten und der Tatsache, dass die Rahmenbedingungen nicht gut sind, dass Investoren nicht mit offenen Armen empfangen werden, dass man am einen Tag das eine sagt und am nächsten das andere macht. Da will natürlich mit Berlin keiner was zu tun haben. Das ist aber ein zentrales Problem dieser Regierung.
Auf Zugesagtes muss man sich verlassen können. Aus dem Verlassenkönnen wächst Vertrauen. Aus diesem Vertrauen wachsen Ideen. Aus Ideen können Pläne wachsen, die Wirklichkeit werden und Arbeitsplätze schaffen können. Ich sage bewusst nicht müssen.
Was bedeutet es hingegen, wenn der Senat die Mediaspree versenkt? – Es bedeutet zum einen Stillstand an diesem – wie es auch die Senatorin richtigerweise sagt –
ganz, ganz wichtigen Standort. Es bedeutet zum Zweiten einen riesengroßen Vertrauensverlust für die Berliner Politik bei denjenigen, die die großen Unternehmen lenken und nach Berlin kommen können oder nicht. Es bedeutet drittens, dass der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zumindest in die Gefahr gerät, bankrott zu werden. 156 Millionen Euro Schadensersatzforderungen stehen jetzt schon im Raum. Das ist ein Drittel des bezirklichen Jahreshaushalts. Wie Sie das verantworten wollen, das müssen Sie mir einmal erklären, genauso wie Sie mir erklären wollen, sollen und müssen, dass viele tausend Arbeitsplätze, die entstehen könnten und die teilweise schon entstanden sind, dann wieder abgezogen werden. Letztlich geht es darum: Gibt es eine Zukunft an diesem Standort, gibt es eine moderne Idee, oder gibt es eine wirtschaftliche Enthöhlung der Stadtmitte?
Der Senat hat ja für den Sommer angekündigt, ein neues Leitbild Spreeraum zu initiieren, diesmal ohne den Bezirk. Wir setzen hier nicht nur wie Sie auf experimentelle Nutzung, sondern neben Kultur und Stadtentwicklungspolitik auch auf wirtschaftliche Vernunft, auf die Ansiedlung um Arbeitsplätze. Das ist Ihre Kernaufgabe, das ist das, worum Sie sich kümmern müssen. Man wird sehen, ob der Senat dem einen oder anderen blumigen Wort auch Taten folgen lässt und potenzielle Investoren mit offenen Armen empfängt oder ob Sie weitermachen wie bisher. Das wäre dann aber zum Schaden der Stadt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Melzer! – Für die SPDFraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Haußdörfer. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hatte ja gehofft, dass die CDU ihre neue stadtentwicklungspolitische Sprecherin zu diesem Thema ihre Jungfernrede halten lässt. Denn sie könnte wissen, wie es weitergeht. Schließlich ist sie gemeinsam mit uns durch Mediaspree gestöckelt, und wir haben uns informiert. Die Große Anfrage ist schließlich planungsrechtlichen Aspekten gewidmet. Und ich kann mir auch nicht helfen, denn alles, was wir hier bereden und erörtern könnten, ist seit Monaten bekannt.
Herr Melzer! Schon im September 2008 haben wir zu den wirtschaftspolitischen Aspekten, die Sie noch einmal extra betont haben, eine Aktuelle Stunde gehabt und diese Aspekte beleuchtet. Da hat Herr Wolf sich zu diesem Standort bekannt, genauso wie er sich auch zu den anderen wirtschaftspolitischen Entwicklungszentren bekennt.
Aber ich wiederhole mich auch gern, das hilft manchmal zum besseren Verständnis: Das Projekt Mediaspree hat
sicherlich gesamtstädtische Aufmerksamkeit und mediale Inszenierung erfahren. Planungsrechtlich gesamtstädtische Bedeutung hat es nicht. Außerdem gibt es gar keinen Grund dafür, dass der Senat die Mediaspree an sich ziehen müsste. Wir als Koalition nehmen die Meinungsbekundung durch das Bürgerbegehren zur Kenntnis, und wir nehmen es vor allem ernst, was auch bedeutet, Verantwortung bei den Akteuren vor Ort zu belassen, aber kritisch mit Rat und Diskussion in den verschiedensten Gremien dabei zu sein. Im Übrigen, Herr Melzer: Ihre CDU-Vertreter im Sonderausschuss der BVV glänzten mit Abwesenheit.
Neuerdings scheint es auch noch so zu sein, dass immer, wenn es in einem Bezirk Zwistigkeiten zwischen Akteuren und dem jeweiligen Bezirksamt gibt, der Senat oder das Abgeordnetenhaus es lösen sollen. Das ständige Verantwortungs-Hin-und-Her ist nicht vertrauensfördernd und eben nicht investorenfreundlich, wie die Senatorin schon ausgeführt hat. Planungsrecht muss in einer Hand liegen und darf nicht ständig angezweifelt werden!