Vielen Dank, Frau Eichstädt-Bohlig! – Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, begrüße ich ganz herzlich eine Delegation der Gorch Fock und eine Delegation des Potsdamer Yacht Clubs. – Seien Sie in unserem momentan leider fast leeren Haus herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat ziemlich lästig, dass wir uns nun schon zum wiederholten Mal mit dem wenig originellen Vorschlag der CDU zu befassen haben, dass die Lösung aller Probleme, die im Bereich Mediaspree existieren, darin liegen solle, dass der Senat die Planung an sich zieht. Mehr ist aus Ihrer Richtung nicht zu hören, und insofern kann man an diesem Punkt die Auseinadersetzung eigentlich abbrechen. Wir meinen jedenfalls, dass die geforderte pauschale Zuständigkeitsentscheidung und -verlagerung keines der aufgeworfenen Probleme löst. Wir müssen alles unternehmen – dazu will ich eine weiteres Mal gern beitragen –, um den überschaubaren, taktischen Stel
lungskrieg, der sich zwischen den verschiedenen Akteuren herausgebildet hat, aufzulösen. Es besteht kein Zweifel, dass es sich um einen Entwicklungsraum von gesamtstädtischer Dimension handelt. Das Zusammenwachsen der Stadt am ehemaligen Grenzstreifen und die Hinwendung der Stadt zum Wasser, die Bewältigung des postindustriellen und städtebaulichen Strukturwandels – alles das sind gesamtstädtische Themen. Aber wir wissen auch, dass es seit Jahren eine Verzahnung von sektoraler Leitplanung des Senats und bezirklichen Initiativen gibt.
Das Problem ist erst dann aufgebrochen, als der Volksentscheid eine Situation hervorbrachte, in der der Bezirk, der genau jenes Planungsrecht herbeigeführt hat, gegen das sich das Bürgerentscheidungsverfahren gerichtet hat, nun erwartet, dass die Umsteuerung vor allem auf den Grundstücken des Landes, auf denen, die von landeseigenen Betrieben gehalten werden, stattfindet bzw. für die das Planungsrecht bereits beim Senat liegt und der Senat umgekehrt einer Veränderung der Planung positiv gegenübersteht, wenn seitens der Investoren keine Schadensersatzforderungen und den Landesbetrieben keine Nachteile entstehen. Das hat alles die Anmutung einer verfahrenen Situation, und wir haben heute hinter den Reden der verschiedenen Akteure verschiedene taktische Nuancen dieser Konstellation gehört.
Ich hatte bereits am 12. November deutlich gemacht, dass meine Fraktion dafür eintritt, dass diese Akteure jetzt aufeinander zugehen, um aus der Blockade herauszukommen. Bezirk und Senat müssen nach dem Bürgerentscheid und angesichts der in ihren Auswirkungen unbestimmbaren, aber gewiss nicht folgenlosen Finanzkrise gemeinsam die Überarbeitung des Leitbildes für den Spreeraum leisten.
Liebe Kollegin Haußdörfer! Es waren unsere Fraktionen, die in der BVV den Vorschlag eingebracht haben, den die BVV Friedrichshain-Kreuzberg gestern beschlossen hat, dass der Senat gebeten wird, ein ExpertenhearingVerfahren zu veranstalten, damit sich die Akteure projektbezogen zusammenfinden. Deswegen will ich für meine Fraktion sagen, dass wir diese Initiative für richtig halten und dass es jetzt darauf ankommt, die Gespräche, die es auf fachlicher Ebene gibt, zwischen den Akteuren fortzuführen – auch unter Einbeziehung der Mitglieder des bezirklichen Sonderausschusses und der Stadtentwicklungsexperten unseres Hauses, die sich tatsächlich für das Gebiet interessieren und kundig sind.
Meine Fraktion appelliert deswegen an die Stadtentwicklungssenatorin, diese Initiative aufzugreifen. Ich glaube, scharf hinschauen und aufpassen reicht nicht aus. Es geht in der Tat darum, dass man für einzelne Grundstücke und Problemlagen einen konsensualen Prozess in Gang setzt. Dafür ist besonders die gute Abstimmung zwischen dem Wirtschaftssenator und der Stadtentwicklungssenatorin nötig, aber auch die Überprüfung der Projekte der Landesbetriebe bzw. der Möglichkeiten, die durch den engen
Rahmen sowohl auf Senats- als auch Bezirksebene gesetzt wurden – indem gesagt wurde, es soll keine Schadensersatzforderungen geben.
Diese Überarbeitung kann unserer Auffassung nach nicht vom Bezirk allein oder durch den Senat allein geleistet werden. Ich glaube auch, verehrte Kollegin EichstädtBohlig, der Hinweis auf die Hochhausdebatte muss die Grundvoraussetzung mitliefern, dass dieses Hochhaus überhaupt erst durch Planungsprozess des Bezirkes in die Diskussion gebracht wurde. Das heißt, das Umsteuern setzt voraus, dass man sich mit den Eigentümern und den Erwartungen auseinander setzt und diese Erwartungen nicht an den Landesbetrieb einseitig delegiert.
Wir sehen den Senat nicht in der Funktion des Plangebers, sondern des Moderators, und die BVV FriedrichshainKreuzberg hat gestern gleich noch mitbeschlossen, falls der Senat den Vorschlag der Expertenhearings nicht aufgreift, diese Hearings selbst zu machen. Wenn dieser Fall – hoffentlich nicht, da der andere Weg der bessere ist – eintritt, dann sollten wir uns im Ausschuss bezüglich jener Grundstücke, für die der Senat und das Land insgesamt die B-Plan-Kompetenz haben, also zum Beispiel für das Grundstück Cuvrystraße/Schlesische Straße, damit befassen, um zu prüfen, welche Optionen an Umsteuerung hier bestehen.
Ich würde mir wünschen, dass wir hier im Plenum eine solche neuerliche Debatte entbehren können und dass wir das nächste Mal über Modifikationen einer zwischen Bezirk und Senat abgestimmten Leitplanung für den Mediaspreebereich diskutieren können, was im Einzelfall auch Entscheidungen mit sich bringen wird, die möglicherweise auch finanzielle Folgen haben können, aber diese müssen abgewogen werden vor dem Hintergrund eines städtebaulichen Leitbildes. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Flierl! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Weingartner das Wort. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! An und für sich wollte ich mich auch für die Beantwortung der Großen Anfrage bedanken. Was da geliefert wurde, lässt dies nach meiner Auffassung jedoch nicht zu. Wie Sie sicher vermutet haben, sind wir auch mit Ihrer Erklärung zum Durchgriffsrecht und den Verfahrensweisen aufgrund der Bewertung als Vorgänge gesamtstädtischer Bedeutung nach wie vor nicht zufrieden und sehen sie nicht als nachvollziehbar beantwortet an. In
Ihren Antworten drehen und wenden Sie sich, aber es gibt nur Allgemeinplätze, keine wirkliche Antwort dazu. In der Tat ist es nicht verständlich, dass klitzekleine Dinge wie die angesprochene Dachform des Cafés die Voraussetzung der gesamtstädtischen Bedeutung erfüllen sollen. Bei der von Ihnen vorgebrachten Begründung, acht Jahre sei der Bezirk nicht aus dem Knick gekommen, können wir nirgendwo in der Gesetzgebung erkennen, dass das dazu führen soll und sollte, das der Senat das Verfahren an sich zieht. Das verstehe, wer will.
Andererseits sind da Bereiche, die milliardenschwere Investitionen erforderlich machen, nämlich der Bereich Mediaspree, der diese Voraussetzungen nicht erfüllen soll. Man kann es kaum glauben, dass hier die Entscheidung nach Sach- und Fachverstand gefallen sein soll. Inwieweit steht denn das Projekt Mediaspree dem Alexanderplatz, dem Breitscheidplatz, Friedrichswerder, der Gedenkstätte Bernauer Straße, dem Kulturforum oder dem Molkenmarkt, dem Klosterviertel, dem Spittelmarkt usw. in irgendeiner Weise nach? Auf irgendeinem Auge scheint hier jemand völlig blind zu sein oder will es sein!
Nein! Wir sind der Auffassung, dass der Bezirk in diesem Bereich unter dem gegebenen Umständen und Divergenzen überfordert ist und überfordert sein muss. Frau Haußdörfer hat es bestätigt: Der Bezirk bemüht sich, das Projekt durchzuziehen, aber ist nicht in der Lage, das auch adäquat zu tun – da kann die Senatsverwaltung noch so harmonische Zusammenarbeit mit dem Bezirk in den Raum stellen.
Zurück bleibt in jedem Fall die Unsicherheit der Investoren, ob hier in Friedrichshain, in Kreuzberg, am ehemaligen Flughafen Tempelhof oder anderswo in Berlin: Stets hat man den Eindruck, als Investor in Berlin hätte man das zweifelhafte Vergnügen, eine Zitterpartie bei Investitionsvorhaben bestehen zu dürfen, was dann allerdings – wie Frau Eichstädt-Bohlig an dieser Stelle genannt hat – wieder bedauert wird. Die Reaktionen seitens der Investoren angesichts des Bürgerentscheids „Mediaspree versenken“ waren schon heftig und haben nach unserer Ansicht dem Ansehen von Berlin eher geschadet, aber auch dem Ansehen des Senats. Mit dem Letzteren haben wir allerdings kein Problem, es ist das Ergebnis seines Regierungsstils, mit Ersterem allerdings schon, denn die Stadt gehört allen Bürgern Berlins und nicht nur Ihnen.
Die Aufforderung der Investoren an den Bürgermeister und seine Senatorin ist ein deutliches Zeichen der Verunsicherung; diese geht in der Regel mit einem labilen Investitionsverhalten einher. Im Zweifel stoppt oder streckt man seine Vorhaben dann, wenn man nicht weiß, was noch kommt und wie sich die Verwaltung morgen verhalten wird. Das ist hinderlich. So hat der Vertreter der Investoren in einem Brief an den Senat vehement gefordert, für das Areal Mediaspree gesamtstädtische Bedeutung zu erklären. Derselbe Senat ist auf der Expo Real 2007 im
Rahmen seiner Präsentation aufgefordert worden, endlich einzugreifen. Alles bisher ohne Erfolg. Der Regierende Bürgermeister hat am 15. Juli in einem Interview im „Tagesspiegel“ zum besten gegeben: „Wir werden ihm“ – dem Bezirk – „nicht den Gefallen tun, die Sache an uns zu ziehen.“ Herr Regierender Bürgermeister! – Auch Regierende Bürgermeister glänzen augenscheinlich ab und zu durch Abwesenheit! – Also: Sehr geehrter Senat! Be Berlin und nicht „Drück dich, wenn es dir nicht passt.“!
Der Hinweis, der Bürgerentscheid hätte nur empfehlenden Charakter, stellt keinen respektvollen Umgang mit den Initiatoren solcher Bürgerinitiativen und auch keinen in Richtung der Investoren dar. Das geht in dieselbe Richtung wie beim Begehren zum Flughafen Tempelhof, bei dem der Regierende Bürgermeister sinngemäß verlauten ließ: Unabhängig davon, wie das Volksbegehren ausgehen wird, es wird keinen ändernden Einfluss auf unsere Entscheidung haben. – Für sich genommen, ist das bereits eine peinliche Aussage!
Aber auch in Richtung der Investoren ist ein solcher Hinweis nicht hilfreich. Signalisiert er doch das Tricksen, Hinhalten, Taktieren, wie es Herr Dr. Lindner schon in einer vorigen Rede angesprochen hat, und schürt die Vermutung, dass man auch für die Investoren solche Mogelpackungen bereithalten könnte. Das alles ist Gift, Gift für das Vertrauen, Gift für Investitionen und am Ende auch Gift für Berlin.
Besonders im Hinblick auf die bevorstehende Wirtschaftskrise muss alles, was möglich ist, getan werden, um Arbeitsplätze zu schaffen, zu generieren und zu halten. So sind im Zuge des Lauder-Versuchs am Flughafen Tempelhof seinerzeit 1 000 Arbeitsplätze nicht entstanden, dafür werkelt man heute aber dort ohne ein wirklich gutes Ergebnis unendlich herum. Hier sind es unglaublich viel mehr Arbeitsplätze, um die es geht. Gleiches darf hier nicht wieder vorkommen! Lassen Sie es doch nicht zu, dass nach Planfeststellung immer neue Forderungen generiert werden und solche zukunftsträchtigen Projekte gestoppt und ausgebremst werden können!
Was die Nutzungsmöglichkeit von Bauflächen betrifft: Ob nun mehr oder weniger Bauflächen bei der Umsetzung des Bürgerentscheids herauskommen, scheint uns nicht der wesentliche Punkt zu sein. Vielmehr ist von Wichtigkeit, was die Flächen in toto an Werthaltigkeit darstellen und wie weit sich diese Werthaltigkeit in Kaufverträgen und in den Kaufpreisergebnissen niederschlägt. Das ist für Berlin wichtig. Denn es fehlt an allen Ecken und Enden, sehr geehrte Frau Eichstädt-Bohlig! Dies in Verbindung mit dem Flächenverbrauch, der sich naturgemäß bei einer Hochhausbebauung weit weniger intensiv darstellt als bei einer Flachbebauung. In diesem Zusammenhang hat sich anscheinend auf wundersame, freiwillige Art und Weise die Forderung der Grünen und von „Mediaspree versenken!“ nach der Nichterrichtung einer Hochhausbebauung
erfüllt. Der potenzielle Hochhausbauherr bzw. Antragsteller für das geplante Hochhaus hat seine Bauvoranfrage auf Hochhausbebauung zurückgezogen und möchte jetzt lieber in die Breite bauen mit entsprechenden Konsequenzen für die Flächenversiegelung.
Am Ende kann man es drehen und wenden wie man will, die Minderausnutzung von Grund und Boden wird einen Mindererlös bei den Verkaufsflächen zur Folge haben und trifft in jedem Fall wieder die Finanzen Berlins, denn die Finanzmittel bei den Veräußerern müssen kompensiert werden, Mindererlöse müssen erstattet werden. Und das ohne wirklichen Nutzen für Berlin, für das Stadtbild, für die Wirtschaft und für das Investorenvertrauen!
Wir fordern endlich ein Umlenken in der Wirtschaftspolitik, dem Umgang mit fremdem Investitionskapital, eine Verbesserung –
Entschuldigung, Herr Weingartner! – Meine Damen und Herren! Wir haben nicht mehr lange. Vielleicht können Sie den Rest der Sitzung konzentriert verfolgen und ein bisschen leiser sein. – Danke!
Schönen Dank! – von vertrauensbildenden Verhaltensweisen, die den Weg von der Hauptstadt der Hartz-IVEmpfänger zur Metropole des Mittelstandes ebnen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Weingartner! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.
Die Große Anfrage Drucksache 16/1969 steht mit dem Antrag auf schriftliche Beantwortung auf unserer Konsensliste. Die lfd. Nr. 10 steht als vertagt auf der Konsensliste.
Die Beratung ist für heute vertagt, da die vorgesehene Rednerin der antragstellenden Fraktion Bündnis 90/Die Grünen leider erkrankt ist. Von hier aus möchten wir alle gute Genesungswünsche ausrichten. Alles Gute für Frau Hämmerling!