Protocol of the Session on December 14, 2006

Das Ziel des Schuldenabbaus spielt also für den Senat keine Rolle mehr. Deshalb haben wir gestern im Hauptausschuss auch einen Finanzsenator erlebt, der sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt, einen Nachtragshaushalt 2007 vorzulegen. Dass Sie damit ein weiteres Mal gegen die Verfassung verstoßen, wie das gestern veröffentlichte Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes zeigt, ist Ihnen wieder einmal egal. Herr Sarrazin! Sie sinnieren in der Öffentlichkeit viel: über Studiengebühren und über den Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften. Setzen Sie sich damit doch im Senat einmal durch!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Der permanente Verfassungsbruch ist doch kein Ersatz für Durchsetzungsfähigkeit. Das ist es doch, was die Stadt braucht: Sie braucht einen Finanzsenator, der die eigentlichen Probleme der Stadt entschlossen angeht und sich nicht auf Steuererhöhungen reduzieren lässt.

Deswegen sage ich abschließend: Herr Finanzsenator! Bringen Sie Ihr Konsolidierungskonzept mit einem Nachtragshaushalt 2007 in das Parlament ein, dann wird es die CDU sehr wohlwollend prüfen. Im Rahmen eines Gesamtkonzepts kann man über vieles reden. Wenn Sie aber den Weg einer bloßen Grund- und Grunderwerbsteuererhöhung gehen, die hauptsächlich auf Kosten der Mieter geht, stehen wir dafür aus sozial- und wirtschaftspolitischen Gründen nicht zur Verfügung. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Graf! – Das Wort hat jetzt der Kollege Zackenfels von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Graf! Wenn wir die Schulden nicht zurückführen wollten, frage ich Sie, warum wir hier ein entsprechendes Gesetz einbringen, mit dem wir die Einnahmen des Landes Berlin erhöhen.

Die Erhöhung, die Sie uns vorwerfen und der Sie nicht zustimmen wollen, dient genau dem Zweck, von dem Sie behaupten, dass wir ihn gar nicht vollziehen wollten. Insofern ist Ihre Argumentation schwer nachvollziehbar.

Ich beschränke mich auf das Wesentliche. Das vorliegende Gesetz ist zum einen notwendig, zum anderen finanzpolitisch sinnvoll und zum Dritten verkraftbar. Es ist notwendig, weil wir auf das Karlsruher Urteil reagieren mussten. Das Bundesverfassungsgericht hat uns eine Reihe von Dingen nahegelegt. Einer der Punkte, die das Bundesverfassungsgericht uns nahegelegt hat – zu anderer

Zeit können wir die Debatte gern auch über die anderen Dinge führen –, ist, die Einnahmesituation zu überdenken. Das haben wir getan. Wir haben in Karlsruhe die Absage der bundesstaatlichen Sanierungshilfe bekommen, zugleich hat uns die Föderalismusreform durch die Zuständigkeit für den Grunderwerbssteuersatz aber die Möglichkeit gegeben, im Bereich der Steuern auf Landesebene tätig zu werden.

Das bedeutet, wir haben sinnvoll gehandelt. Wir haben zum einen die Erhöhung der Grunderwerbssteuer von 3,5 % auf 4,5 % beschlossen. Des Weiteren haben wir die Erhöhung des Hebesatzes auf – ich bin nicht sicher, ob Sie es genannt hatten – 810 % ins Auge gefasst und legen das mit diesem Gesetz vor.

Auf eine dritte Steuererhöhung, die der Gewerbesteuer – darauf nehme ich ausdrücklich Bezug –, haben wir verzichtet. Gerade von der Oppositionsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wird das regelmäßig angeprangert. Wir glauben jedoch, dass die aktuelle Gewerbesteuerhöhe bzw. der Hebesatz auch für das Land Berlin verkraftbar ist. In der Abwägung der jeweiligen arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Konsequenzen haben wir uns entsprechend entschlossen, die Gewerbesteuer nicht zu erhöhen.

Das bedeutet, von drei möglichen Steuererhöhungen haben wir uns für zwei entschieden. In der Summe kommen 225 Millionen € zusammen, strukturell, per annum, nicht als einmaliger Betrag, sondern das wird uns für die kommenden Jahre regelmäßig zur Verfügung stehen zu dem uns angeblich nicht interessierenden Ziel, den Haushalt zu sanieren. Es ist ein Beitrag für die Konsolidierung, es ist ein Beitrag für einen verfassungskonformen Haushalt. Insofern ist die Brücke mit der Verfassungskonformität und der Tatsache des Nachtragshaushalts, die Sie gerade geschlagen hatten, umso unverständlicher. Gerade vor diesem Hintergrund müssten Sie ein Interesse haben, dem heute vorliegenden Gesetz zuzustimmen. Ich weiß nicht, wo diesbezüglich Ihre Angebote sind. Wir haben ein Angebot bezüglich der Steuererhöhung, um einen verfassungskonformen Haushalt anzustreben bzw. ihn zu festigen.

Wir haben – zum Dritten – gesagt, dass das Ganze auch verkraftbar sei. Das war uns wichtig. Nicht der Hebesatz ist das Ausschlaggebende in dieser Angelegenheit – er ist eindeutig der höchste in der Bundesrepublik –, sondern die Belastung pro Kopf. Wenn Sie sich diese einmal vergegenwärtigen, werden Sie feststellen, dass Berlin in der Vergangenheit immer relativ niedrig gelegen hat und jetzt, nach einer Erhöhung, bei 212 € landet. Zum Vergleich gebe ich Ihnen die Belastung pro Kopf in anderen Städten, die Sie gern immer heranziehen: In der Region Hannover reden wir von 242 €, in Frankfurt am Main von 243 €, in Düsseldorf von 226 €, in Bremen von 227 €. Es gibt auch noch Städte, die darunterliegen. Mit 212 € Belastung pro Kopf liegen wir in der Bundesrepublik Deutschland durchaus im Mittelfeld.

Zusammenfassend noch einmal: Diese Steuererhöhung ist notwendig. Die benötigten Instrumente wurden uns durch die Föderalismusreform zur Verfügung gestellt. Sie ist sinnvoll, weil wir nur zwei von drei Steuererhöhungen angehen. Sie liegt im bundesrepublikanischen Durchschnitt und ist verkraftbar. Es gibt keinen Grund, diesem Gesetz heute nicht zuzustimmen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Kollege Zackenfels! – Das Wort hat jetzt der Kollege Jochen Esser von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werter Herr Zackenfels! Ihre Durchschnittszahl von 212 € ist ein wenig irreführend. Die Pille, insbesondere für Bewohner von Neubauten in Berlin, die wir ihnen jetzt noch als Weihnachtsgeschenk überreichen, ist eine ganze Ecke bitterer. Ich komme gleich dazu.

Vorweg sage ich Ihnen – und da unterscheide ich mich deutlich von Herrn Graf –: Die Grundsteuer und die Grunderwerbssteuer zu erhöhen, ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts angesichts der Haushaltsnotlage notwendig.

[Beifall von Lars Oberg (SPD)]

Vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts – jetzt komme ich zu Ihren 212 €, Herr Zackenfels – habe ich das noch anders gesehen. Wir wissen, wir haben in Berlin schon mit den 660 Punkten den höchsten Hebesatz gehabt, gehen jetzt auf 810 Punkte hinauf, kommen immer noch zu einer unterdurchschnittlichen Belastung der Mieter mit Grundsteuer in den Berliner Altbauten, weil der Unsinn existiert, dass diese in Ostberlin nach Einheitswerten von 1936 berechnet werden und im Westen nach Einheitswerten von 1964, als infolge des Mauerbaus alles „im Keller“ war. Die Neubaumieter aber trifft das ganz anders, denn dort gibt es eine verkehrswertnahe Bemessungsgrundlage. Ein glücklicher Dauerzustand ist diese Spreizung der Belastung der Mieter in der Stadt nicht. Ich hätte es für einen guten Zug von Ihnen gehalten, wenn Sie das Gesetz mit einer Absichtserklärung begleitet hätten, noch einmal eine kräftige Initiative Richtung Bundesrat zu unternehmen, der seit Jahren, Jahrzehnten fast, eine Reform der Grundsteuer bespricht, um eine zeitnahe Bewertung der Immobilien zu erreichen. Dann könnten wir die Hebesätze wieder senken, hätten eine gerechtere Situation für die Mieter und gleichzeitig eine gute Situation für den Haushalt. Ich fordere Sie auf, diese Initiative unbedingt zu starten. Es gibt schon den Vorschlag aus Rheinland-Pfalz und Bayern. Man muss ihm nur zum Durchbruch verhelfen.

Ich nenne Ihnen drei Einwände, warum ich meiner Fraktion empfehle, Ihrem Gesetz nicht zuzustimmen: Der erste Einwand – wir haben das vorhin erwähnt – bleibt für mich: Selbst wenn der Wissenschaftliche Parlamentsdienst gesagt hat, das sei juristisch erlaubt, ist § 4 dieses Gesetzes ein „hochwindiges“ Verfahren. Sie versuchen, sich um den Nachtragshaushalt herumzudrücken, hatten das Problem an dieser Stelle auch schon, als Sie die Steuererhöhung realisieren wollten, und haben sich dann Mittel und Wege überlegt, wie Sie um die Änderung des Haushaltsgesetzes herumkommen, ohne das Haushaltsgesetz „anfassen“ zu müssen. Anderenfalls hätten Sie sich in dem Nachtragsverfahren befunden. Dann haben Sie sich einfallen lassen – ich will die Meinung des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes erst einmal nicht bestreiten, finde es juristisch aber nach wie vor fragwürdig und politisch auf jeden Fall verwerflich –, in dieses Gesetz einen § 4 hineinzuschreiben, mit dem Sie ein ganz anderes Gesetz ändern. Auf dem Wege einer korrekten Gesetzgebung wäre Ihnen dieses nicht möglich gewesen.

Solange Sie nicht bereit sind, diese Dinge im Paket zu verhandeln, müssen wir Ihnen nicht mit einem Ja zu Ihren Steuererhöhungen entgegenkommen. Für mich gibt es einen Zusammenhang. Bei diesem Einwand wären wir schon weiter, wenn Sie gestern in der Hauptausschusssitzung unserem Antrag auf einen Nachtragshaushalt zugestimmt hätten.

An der Stelle stimme ich – das ist mein zweiter Einwand – Herrn Graf bis zu einem gewissen Grad zu. Man soll das zwar nicht zum Lau-Baden verwenden: Wir bekommen den Haushalt auch ohne Einnahmeverbesserungen und fiskalische Maßnahmen hin! – Das glaube ich nicht. Die Sanierung des Berliner Haushalts ist aber tatsächlich ein Gesamtkunstwerk in Einnahmen und Ausgaben. Auch von der Seite her fände ich es sehr viel besser, wenn die Steuererhöhungen in eine Haushaltsdiskussion und eine mittelfristige Finanzplanung, die wirklich etwas taugt, eingebettet wären. Die Kritik, dass das nicht der Fall ist, dass Sie überhaupt nichts tun außer der Erhöhung der Steuer, ist berechtigt.

Noch ein Drittes, ich habe es auch bereits in der Presse angedeutet: Für mich ist ein entscheidender „Kriegsgrund“, dass Sie die Mieter in starkem Maß belasten – mit 139 Millionen € –, aber mit 100 Millionen € parallel die Wirtschaft zu belasten und deshalb auch den Hebesatz für die Gewerbesteuer zu erhöhen, das halten Sie für unzumutbar. Das ist aus meiner Sicht sozial nicht gerecht, –

Herr Kollege Esser! Sie müssen zum Schluss kommen!

nicht gegenüber Mietern, nicht gegenüber Hausbesitzern, nicht gegenüber der Immobilienwirtschaft. Sie haben keinen guten Grund für dieses Geschenk an die sonstige Wirtschaft. Herr Lindner, Sie haben es richtig gesagt,

es handelt sich um eine psychologische Größe, aber kein faktisches Standorthindernis. Wir wollen auch diese 100 Millionen €. Solange Sie beide Themen hier nicht im Zusammenhang behandeln, halten wir es für ungerecht. Das ist eine Diskussion, meine Damen und Herren von der PDS, die ja auch Sie ganz stark untereinander führen. Wir werden deshalb gegen dieses Gesetz stimmen. Sie werden es beschließen. Wir werden Sie zur richtigen Zeit mit einem Antrag zur Gewerbesteuer konfrontieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Danke, Herr Kollege Esser! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Kollege Wechselberg das Wort – bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Sie das vermeintliche Weiter-so kritisiert haben, hatte ich tatsächlich den Eindruck, es beinhalte auch ein Element von Selbstkritik. Denn eines haben wir in der letzten Legislaturperiode zur Genüge erlebt: Sie beschwören in allgemeinen und abstrakten Reden die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung, wenn es aber konkret wird, schlagen Sie sich in die Büsche.

[Joachim Esser (Grüne): Dann heben Sie die Gewerbesteuer an, und wir stimmen zu!]

Genau das machen Sie jetzt wieder,

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

weil Sie nicht die Kraft aufbringen für unangenehme Nachrichten in der politischen Öffentlichkeit dieses Landes die Verantwortung zu übernehmen. Sie nicht, und Sie auch nicht. Sie proklamieren die Notwendigkeit weiterer Sparmaßnahmen und geben den harten Sanierer – auch Sie, Herr Kollege Pflüger. Sie sprechen abstrakt von der Notwendigkeit, dass die Koalition einmal so richtig konsolidieren müsste. Dann legen wir Ihnen eine Maßnahme vor, die zugegebenermaßen Belastungen für die Berlinerinnen und Berliner beinhaltet, die eine Anmutung ist,

[Dr. Frank Steffel (CDU): Eine Anmutung ist sie nicht!]

die den Menschen Geld aus der Tasche nimmt, damit die Schulden niedriger werden, die Neuverschuldung sinken kann, die Primärüberschüsse steigen, Konsolidierungsziele erreicht werden, dann sagen Sie: Machen wir nicht. In Ihren Sonntagsreden blasen Sie die Backen auf, wenn es aber zum Pfeifen geht, langt es nicht. Das ist die Wahrheit über Ihre politische Haltung zur Haushaltskonsolidierung im Land Berlin.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Dann wundern Sie sich, wenn wir Sie in diesen Fragen nicht mehr ernst nehmen? Das tun wir, weil das nicht reicht, weil man Rückgrat braucht, wenn man über Haushaltsfragen redet, weil man Verantwortungsbewusstsein

braucht, wenn man den Bürgern in die Tasche greift, und weil man den Kopf hinhalten muss, wenn man das tut. Dafür aber reicht es bei Ihnen nicht.

[Christoph Meyer (FDP): Halten Sie den Kopf hin? – Dr. Frank Steffel (CDU): Deswegen haben Sie so wenig Haare!]

Herr Kollege Lindner! Das Bild, das Sie vom Finanzsenator haben, finde ich ziemlich unappetitlich, was die Bissfestigkeit angeht. Aber der Mann hat mehr Haltung, wenn es um die Konsolidierung des Berliner Landeshaushalts geht, als die versammelte Opposition zusammen, das muss man einmal feststellen,

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

weil der Mann den Mut und die Kraft hat zu sagen, was in dieser Stadt notwendig ist. Dazu gehört, dass wir an dieser Stelle die Grundsteuer erhöhen. Dafür reicht es bei Ihnen, die Sie hier von der Opposition versammelt sitzen, allemal nicht.

[Beifall bei der SPD]

Dann lamentieren Sie, Herr Kollege Esser, über finanzpolitische Sanierungsstrategien für das Land Berlin. Dazu sage ich:

[Dr. Frank Steffel (CDU): Frohe Weihnachten!]

Hier kommen wir nicht zueinander. Diese Koalition hat den Beschluss gefasst – und hält das für eine angemessene politische Strategie –, nicht den Versuch zu unternehmen, sich durch zusätzliche radikale Sparmaßnahmen, wie Sie sie vorschlagen,

[Dr. Frank Steffel (CDU): Sie hampeln da rum wie ein Wackelzwerg!]

aus der Schuldenfalle heraussparen zu wollen. Denn das hätte vor Karlsruhe nicht funktioniert und tut es auch danach nicht, weil es in der Sache nicht funktioniert.

[Zurufe von den Grünen]