Das ist populationsbedingt und hat nicht immer nur mit dem Eingreifen der Menschen zu tun. Dieses Bild zu vermitteln ist unredlich.
Der FDP-Antrag birgt unter anderem das Problem, dass Nutzungsverbote gegen die Indienstnahme von Naturnutzung gesetzt werden. Ich sage Ihnen: Sie kommen weder nur mit dem einen noch nur mit dem anderen aus. Ein Landschaftsschutzgebiet ist grundsätzlich nicht bebaubar. Manchmal ist es jedoch genau umgekehrt. Mitunter kann die gewerbliche Nutzung einer Fläche die Artenvielfalt sogar schützen und erhalten. Wenn man zum Beispiel einen Flughafen schließt, um auf dieses Beispiel zurückzukommen, um ihn – wie uns gesagt wird – den Berlinerinnen und Berliner zugänglich zu machen, Herr Dr. Thärichen, dann zerstört man damit auch die im Lauf vieler Jahre entstandenen Lebensräume vieler Arten unwiederbringlich.
Eine wichtige Übereinstimmung der drei Oppositionsparteien besteht darin, dass der Senat – das ist wirklich sehr wichtig – an dieser Stelle in die Pflicht genommen werden soll, konzeptionell für Berlin tätig zu werden. Diese Gemeinsamkeit der Oppositionsparteien spricht für sich. Schwarz-Gelb-Grün mag man Artenvielfalt unterstellen, die Alternative ist rot-rote Eintönigkeit. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielerorts ist der Rückgang der Bestände von Tier- und Pflanzenarten seit Jahren mit Besorgnis zu verzeichnen. Nicht zuletzt deshalb haben Staaten beschlossen gemeinsam und jeder für sich etwas für die biologische Vielfalt zu tun und dadurch den Verlust zumindest zu bremsen. In der Bundesrepublik ist im November letzten Jahres – darauf ist schon hingewiesen worden – die nationale Biodiversitätsstrategie verabschiedet worden, auch an die Bundesländer werden Anforderungen gestellt. Das Land und die Stadt Berlin wird von Wissenschaftlern nicht zuletzt aufgrund seiner Struktur und Geschichte unter den Großstädten der Bundesrepublik als die artenreichste Stadt bezeichnet – auch darauf ist bereits hingewiesen worden. Einen Grund, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen – das hat mein Kollege Thärichen bereits erwähnt –, haben wir nicht. Deshalb wird sich noch einiges bewegen müssen.
Tatsächlich können in einigen scheinbar unbeachteten Ecken Arten betrachtet werden, die lange als ausgestorben galten. Als Beispiel sei nur auf das relativ kleine, 108 Hektar große Gelände des Biesenhorster Sandes, westlich der Bahntrasse zwischen Karlshorst und Biesdorf hingewiesen, das durch den Berliner Naturschutzbund in den Jahren 2001 bis 2004 auf Insektenvielfalt untersucht wurde und heute unter Nutzungsänderungsdruck steht – Sie wissen, wovon ich spreche, die TVO ist ein Straßenprojekt. Von den dort gefundenen 388 Arten Großschmetterlingen, die laut Änderungsantrag der FDPFraktion von Interesse sind, waren 111 als gefährdete Arten einzustufen, 12 Arten galten sogar in Berlin als ausgestorben. Auch bei den Käfern konnten drei Arten nach 50 beziehungsweise 100 Jahren erstmals wieder in Berlin nachgewiesen werden. Dennoch war es bisher aufgrund von Eigentümerrechten nicht möglich, das als Landschaftsschutzgebiet eingestufte Areal auch entsprechend festzusetzen.
Das Wissen um die Notwendigkeit und das Engagement vieler Menschen für die Erhaltung der biologischen Vielfalt nutzt indessen nicht nur Berlin. Nicht immer wird der Verlust einer Art wie z. B. des Magenbrüterfrosches als so schmerzlich empfunden, wie es uns in den letzten Wochen in den Medien berichtet worden ist.
Berlin hat gute Voraussetzungen für die Aufstellung einer Berliner Biodiversitätsstrategie. Einzelteile dazu können bereits aus bisherigen Planungen und Untersuchungen zusammengetragen werden. Neu zu betrachten sind jedoch die Planungen aus den 90er Jahren. Überprüfungen müssen auch bei der Verfügbarkeit von für den Naturhaushalt und die Sicherung von Lebensräumen notwendigen Flächen vorgenommen werden. Hier weist insbesondere die Ausgleichs- und Ersatzflächenkonzeption erhebliche Widersprüche auf. Landschafts- und Artenschutzprogramm sind zu aktualisieren und ebenfalls den veränderten Bedingungen anzupasse
Das ist einerseits durch die Maßnahmen zur Minimierung der Klimaveränderung notwendig und andererseits möglich durch die realistische Betrachtung der Inanspruchnahme von Flächen für andere Nutzungen.
Zusammenfassend ist die Entwicklung der biologischen Vielfalt ein iterativer Prozess mit verschiedenen Einflussfaktoren. Schon bei der Aufzählung weniger dieser Faktoren, die nicht unerheblich vom menschlichen Tun beeinflusst sind, wie Flächengrößen, Biotopverbund, Schad- und Nährstoffeintrag, Altlasten und Nachbarnutzung, Wasserverfügbarkeit, Temperaturentwicklung, Lichtverschmutzung und beim Thema Ausbreitung und Zurückdrängung von Neophyten wird das deutlich. Es ist für die Entwicklung der Biodiversität in Berlin eher unerheblich, meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, ob und wie das Abgeordnetenhaus etwas begrüßt oder bekräftigt, was auf Bundesebene geschieht. Deshalb gilt es nicht nur zu begrüßen, zu bekräftigen und festzustellen, sondern auch Menschen in Berlin für dieses Thema zu sensibilisieren, Fakten zu recherchieren und konkrete Maßnahmen vor deren Durchführung im Land Berlin auch auf ihre Wirkungsweise bei der Veränderung der Biodiversität zu bewerten. [Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Henner Schmidt (FDP)]
Für diese politische und gesellschaftliche Aufgabe steht auch die Koalition. Nicht umsonst ist die Lokale Agenda 21 als Leitmotiv des Handelns im Koalitionsvertrag verankert. Das Ganze stellt sich – und das liegt in der Natur der Sache – als Querschnittsaufgabe der Verwaltung in enger Zusammenarbeit mit Fachkompetenz aus Forschung und Wissenschaft, Verbänden und Vereinen, die auf diesem Gebiet arbeiten, bis hin zu den Kleingärtnern dar. Hier können Erfolge nur ressortübergreifend erreicht werden. Das wird im Änderungsantrag der Fraktion der FDP deutlich. So sollten wir es auch im Parlament behandeln und in den Ausschüssen diskutieren. Lassen Sie uns das Wohl der Menschen am Wohl der biologischen Vielfalt messen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt läuft diese Woche. Das könnte eine große Sache werden. Es könnte sein, dass es so etwas wie Kioto für den Klimaschutz wird. Deshalb ist es für Deutschland eine große Verantwortung, dass es dort den Vorsitz übernommen hat. Deshalb ist es auch wichtig,
Die Sicherung der biologischen Vielfalt ist nichts, was sehr weit entfernt ist. Dabei geht es nicht nur um die Regenwälder und die Galapagos-Inseln, sondern es geht um konkrete Dinge, die wir in Berlin, vor Ort, tun können.
Vor diesem Hintergrund ist der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen einer, der dem Ziel nicht gerecht wird. Ich finde ihn viel zu unkonkret und zu wenig aussagekräftig. Herr Ziller, wenn Sie das, was Sie in der Rede gesagt haben – da waren ja viele solcher Dinge –, in den Antrag gebracht hätten, dann wäre es anders. Zurzeit ist es ein rein deklamatorischer Antrag. Er fängt mit einem sehr pathetischen Teil an: große Herausforderungen, Interesse der gesamten Menschheit. Dann benennen Sie die berühmten 150 Arten – im Übrigen eine Zahl, die wissenschaftlich nicht belegt ist und auch weit entfernt ist vom heutigen wissenschaftlichen Mainstream – und wollen dann, dass wir als Politiker etwas als Faktum beschließen, was die Wissenschaftler selbst noch nicht wissen. Das ist ein wenig schwierig für die Politik. Nachdem Sie das alles so richtig groß dargestellt haben und die Wichtigkeit des sofortigen Handelns betont haben, denkt man: Was kommt denn jetzt? – Dann kommt: Der Senat solle ein Konzept entwickeln. Damit ist die Luft aus dem Antrag heraus. Sie erwecken ein bisschen den Eindruck, als wäre das ein Kalenderantrag, weil das Thema eben heute im Kalender steht. Sie zeigen relativ wenig Interesse an konkreten Maßnahmen und Handlungsmöglichkeiten.
Das ist der Grund, warum wir als FDP-Fraktion einen Änderungsantrag mit deutlich weniger Pathos, aber deutlich mehr konkreten Ansätzen vorgelegt haben. Ich halte es auch für richtig – Frau Platta hat es vorhin ebenfalls erwähnt –, noch einmal zu unterstreichen, dass es darum geht, konkrete Dinge zu tun.
Das heißt, Sie stellen die biologische Vielfalt vor die Armutsbekämpfung. Wenn man es gemein zuspitzen wollte, müsste man sagen: Um drei Käferarten mehr zu erhalten, sollen die Leute ruhig hungern. Ich finde das eine falsche Prioritätensetzung, Herr Ziller!
Der Anspruch auf menschenwürdige Lebensbedingungen, auf soziale Gerechtigkeit bleibt bestehen, auch wenn die Biodiversität begrüßt wird. Der Mensch steht im Mittelpunkt, das darf nicht abstrakten Ideen geopfert werden.
Unser Ansatz ist ein anderer. Ja, Biodiversität hat einen hohen Wert. Ich sage bewusst: Es ist nicht nur ein ökonomischer Wert, den auch Herr Wilke geschildert hat, sondern ein ideeller. Jede Art, die ausstirbt, ist ein unersetzlicher Verlust. Aber genau deshalb setzen wir nicht auf das Deklamieren, sondern versuchen, in Berlin konkret etwas zu erreichen. Berlin hat eine große Artenvielfalt, da sich durch die vielen Brachen z. B. auf den ehemaligen Rangierbahnhöfen besondere Biotope gebildet haben. Es ist auch keine Frage, dass diese Artenvielfalt, diese Lebensräume konkret bedroht sind.
1. Wir müssen besser verstehen, was wir eigentlich schützen wollen. Wir benötigen eine Bestandsaufnahme, damit wir überhaupt wissen, wie der derzeitige Stand der Artenvielfalt ist.
2. Wir benötigen viele konkrete Maßnahmen, die miteinander verbunden werden können, weil es ein sehr breit angelegter Ansatz sein muss.
Herr Wilke! Ich glaube, Sie hatten das nicht ganz verstanden! Selbstverständlich geht es darum, verschiedene Grade von Nutzung und Schutz zusammenzubringen. Mit dem kreativen Potenzial, das die Naturschützer und die Naturnutzer haben, schaffen wir es, die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.
Das sind die Ziele unseres Antrages. Ich bitte Sie zuzustimmen, damit wir gemeinsam unserer Verantwortung in Berlin gerecht werden und etwas für die Artenvielfalt in unserem konkreten Zuständigkeitsbereich erreichen können. Dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Schmidt! Ich muss Ihnen widersprechen. So, wie Sie den Satz interpretiert haben, entspricht er selbstverständlich nicht der Realität. Ich weise diese Verquickung strikt zurück. Es macht keinen Sinn, Artenvielfalt und Armutsbekämpfung gegeneinander auszuspielen. Der Satz ist so gemeint, dass die Armutsbekämpfung eine wichtige Grundlage für den Erhalt der biologischen Vielfalt ist. Nur wenn die Menschen auch genug zu essen haben, können sie sich um die anderen Probleme kümmern. Deshalb bitte ich Sie, diesen Satz so zu verstehen, dass wir als Erstes die Armutsbekämpfung angehen müssen. Dadurch wird auch die Sicherung der Artenvielfalt unterstützt. Insofern weise ich Ihre Unterstellung zurück.
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Die Überweisung des Antrags Drucksache 16/1461 sowie der Änderungsanträge Drucksache 16/1461-1 und Drucksache 16/1461-2 federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr und mitberatend an den Ausschuss für Umwelt- und Verbraucherschutz ist gewünscht. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.