Waren die Franzosen denn auch schlechte Europäer, als sie den Verfassungsentwurf vor ein paar Jahren abgelehnt haben, und zwar genau aus diesen sozialen Erwägungen heraus, die Sie im Bund vertreten?
[Zurufe von den Grünen: Ja! – Dr. Martin Lindner (FDP): Weil die Rechtsradikalen ihn abgelehnt haben, ist er gescheitert! – Unruhe]
Hier geht es darum, dass man prüft, warum Menschen mit europäischen Verträgen Probleme haben. Die Franzosen und die Niederländer hatten übrigens ihre Bedenken formuliert. Deswegen ist dieser Prozess in andere Bahnen gelenkt worden. Deswegen haben wir keine Verfassung. Dieser Reformvertrag ist keine Verfassung, nur deshalb ist er überhaupt mehrheitsfähig. Sind die Franzosen deshalb schlechte Europäer, weil sie diesen Prozess so beschleunigt haben? Ich kann Ihre Pauschalkritik nicht nachvollziehen.
Herr Zimmermann! Wenn zwei Mitglieder des Europäischen Parlaments, die der Partei Ihres Koalitionspartners angehören, zwei völlig gegensätzliche Positionen zum Lissabon-Vertrag beziehen, das heißt, die eine das Reformwerk als demokratiefeindlich bezeichnet
und die andere den Vertrag als wichtigen Schritt für mehr Demokratie sieht, da frage ich Sie: Was ist das? Ist das Meinungsvielfalt in einer kunterbunten Partei, auch Koalitionspartner von Ihnen genannt? Ist das Verblendung der Wählerinnen und Wähler dieser Stadt oder ist das ein handfester politischer Skandal?
Ich weiß nicht, warum Sie mich das fragen. Das müssen Sie die Linkspartei fragen, die kann das vielleicht beantworten. Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Unsere Mitglieder der sozialistischen Fraktion, Sozialdemokraten im Europäischen Parlament bekennen sich zu dem Vertrag. Auch wir bekennen uns zu dem Vertrag.
Ein Angebot will ich zum Schluss noch machen: Lassen Sie uns über die Inhalte sprechen und welche Auswirkungen sie auf Berlin haben!
Eine Anhörung zu einem Antrag von Ihnen hätte sich wirklich nicht gelohnt, weil sich gezeigt hat, dass Sie sich mit den Inhalten nicht auseinandersetzen, sondern nur beschimpfen wollen. – Danke schön für die Aufmerksamkeit!
Herr Kollege Zimmermann! Über die Inhalte haben wir sehr ausführlich in der Rede gehört. Da haben Sie unsere Stellungnahmen gehört. Heute geht es um die Frage: Wird Rot-Rot gemeinsam diesem EU-Reformvertrag und der bundesgesetzlichen Grundlage am 23. Mai im Bundesrat zustimmen, ja oder nein? Das wollen wir heute hören. Darum geht es und nichts anderes.
Ich gebe nur eine kurze Erwiderung, da man nicht viel mehr sagen muss, als dass der Senat entscheidet und nicht das Parlament.
Das Parlament kann das nicht vorgeben, und deswegen werden wir Ihren Antrag auch nicht billigen. Wir werden als Fraktion deutlich machen, dass wir hinter den Inhalten des Vertrages stehen. Wie sich der Senat im Bundesrat verhält, wird der Senat entscheiden.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht doch nicht darum, ob die Linkspartei dieser Meinung ist oder eine andere Meinung hat. Uns als Opposition interessiert, welche Haltung das Land Berlin im Deutschen Bundestag vertritt. Das ist die entscheidende Frage, und um diese Frage können Sie, Herr Regierender Bürgermeister, nicht herum.
Sie wollen am Wochenende nach Warschau fahren. Das begrüßen wir und wünschen Ihnen viel Glück und Erfolg für die Reise. Die „dpa“ titelt heute:
Das finde ich sehr gut, aber, Herr Wowereit, treten Sie doch bitte endlich erst einmal in Ihrer Koalition für die Europäische Union ein – die hat es bitter nötig!
Am 23. Mai wird im Deutschen Bundesrat darüber abgestimmt, wie sich die Bundesländer zu diesem Verfassungsvertrag, dem größten Vertragswerk der EU seit den Römischen Verträgen, verhalten. Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass das Land Berlin sich der Stimme enthält. – Herr Zimmermann! Da nützt es gar nichts, wenn Sie erklären, wie die Sozialisten im Europäischen Parlament abstimmen.
Die Frage ist, ob Berlin, das so viel mit Europa verbindet, das Europa so viel zu verdanken hat – vor der Teilung und nach der Teilung –, das Geld aus Europa bekommt – jeder Bezirk bekommt Geld aus Europa, 1,2 Milliarden € in den letzten sechs Jahren, 1,2 Milliarden € in den nächsten sechs Jahren –, ob dieses Berlin wirklich beiseite steht und sagt: Diese Arbeit sollen andere machen. – Nein! Dieses Europa ist unsere Sache. Wir Berliner müssen die Vorreiter von Europa und europäischen Reformen sein und nicht hintan stehen.
Deshalb ist unsere Forderung an Sie, Herr Regierender Bürgermeister: Machen Sie von der Verfassung Gebrauch – dort gibt es eine Richtlinienkompetenz des Regierenden Bürgermeisters bei Streitfragen –, und sagen Sie ganz eindeutig und klar, wie alle anderen Ihrer Ministerpräsidentenkollegen, Ja zu diesem Reformwerk der Europäischen Union.
Es ist doch so – und das hat die Kollegin Eichstädt-Bohlig sehr gut herausgearbeitet –: Es gibt niemanden von uns, der nicht an der einen oder anderen Stelle andere Schwerpunkte gesetzt hätte, wenn er der Verfasser gewesen wäre. Aber das, was diesen Vertrag gerade auszeichnet, daran haben wir im Deutschen Bundestag mitgearbeitet. Alle Fraktionen haben miteinander dafür geworben, dass das kein Regierungswerk wird, das abgehoben in Hinterzimmern entsteht.
Wir im Europaausschuss, dem ich damals vorgestanden habe, haben darauf Wert gelegt, dass es ein breites Diskussionsverhältnis mit zivilgesellschaftlichen Organisationen gibt, dass die Parlamente beteiligt werden. Wir hatten einen Verfassungskonvent. Das heißt, hieran haben Tausende von Menschen aus den verschiedensten Ländern in Ost und West und Nord und Süd mitgearbeitet.
Da kann man doch nicht – weil einem das eine oder das andere nicht hundertprozentig gefällt – sagen: Da machen wir nicht mit. Da sind wir anderer Meinung. – Nein! Es ist völlig richtig, was gesagt worden ist: Dieser Vertrag ist ein Fortschritt, der offen ist für weitere Fortschritte, die auch notwendig sind, aber das ist besser als das, was wir bisher hatten. Sich dagegenzustellen heißt, gemeinsame Sache mit Rechtsradikalen zu machen wie Le Pen und anderen Organisationen, die an erster Stelle dieses Reformwerk im Europäischen Parlament ablehnen werden. Dazu sollte sich das Land Berlin zu schade sein, Herr Regierender Bürgermeister!
Entschuldigung, Herr Dr. Pflüger! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gaebler?
Vielen Dank! – Herr Dr. Pflüger! Sie haben die Richtlinienkompetenz angesprochen und dass offensichtlich die Verfassung die einzige Maxime ist. Wenn Herr Wulff in Niedersachsen meint, er wolle etwas durchsetzten, und der Koalitionspartner will etwas anderes, würden Sie dann auch empfehlen, dass er in jedem Fall seine Meinung durchsetzten sollte, koste es, was es wolle, nur auf die Verfassung schaut und nicht auf die Koalitionsvereinbarung?