Protocol of the Session on July 5, 2007

2. Warum hat der Senat fünf Jahre lang dramatisch ansteigende Gewaltzahlen an Berliner Schulen zur Kenntnis genommen, ohne ein Gesamtkonzept zur Gewaltprävention zu erarbeiten?

Danke schön, Herr Kollege! – Der Bildungssenator Prof. Zöllner hat dazu das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu 1: Kooperationsverträge zwischen der Polizei und den Schulen sollten an schulischen Standorten mit einem erhöhten Gefährdungspotenzial abgeschlossen werden. Sie sind nicht überall nötig, denn die Berliner Schulen arbeiten seit Jahren eng mit der Polizei zusammen. Seit Dezember 2006 ist die Zahl der Kooperationsverträge von 26 auf 66 gestiegen. Weitere 14 Vertragsabschlüsse befinden sich derzeit in Vorbereitung. In Neukölln wurde die Idee eines privaten Wachschutzes entwickelt. Inzwischen haben dort 21 Schulen ihr Interesse an einem Wachschutz bekundet. Dennoch – und ich sage das im Einvernehmen mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport – kann ein privater Wachschutz in einer Ausnahmesituation zwar eine angemessene Antwort sein, aber es gibt überhaupt keinen Zweifel, er löst die Probleme nicht generell.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Benedikt Lux (Grüne)]

Der Anteil der Angriffe von schulfremden Tätern liegt derzeit bei knapp 10 Prozent. Im letzten Schuljahr gab es insgesamt 174 solcher Vorfälle in ganz Berlin. Gewaltproblemen ist in den Schulen mit einer Konsensbildung aller an Schulen beteiligten Gruppen zu begegnen. Damit die Gefährdung durch schulfremde Personen angemessen beantwortet wird, sind die Schulen aufgerufen, in Kooperation mit der Polizei ein Sicherheitskonzept vor Ort zu entwickeln. Ich sehe keine Notwendigkeit eines privaten Wachschutzes vor jeder Schule.

Zu 2: In Berlin wurde bereits zu Beginn der Neunzigerjahre ein Konzept zur Gewaltprävention entwickelt, das in den letzten Jahren entsprechend den veränderten Problemlagen weiter ausgearbeitet wurde. Dies ist bundesweit vorbildlich. Sie wissen das, oder Sie sollten das zumindest wissen. Andere Länder, z. B. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wollen unsere Konzepte der Meldungen und unsere Berliner Notfallpläne übernehmen und damit auch unser Frühwarnsystem. Schulen melden Gewaltvorfälle und erhalten in der Folge Hilfe von Schulpsychologen und vom Jugendamt. Sie kooperieren eng mit der Polizei. Dass das Dunkelfeld der Gewaltvorfälle dank dieses Vorgehens Jahr für Jahr mehr erhellt werden konnte und daher heute mehr Fälle bekannt werden als vor fünf Jahren, ist erfreulich, weil es Teil von Prävention und damit Teil des zentralen problemlösenden Ansatzes ist. Wo – wie in den Grundschulen – durch die Meldungen besondere Belastungen erkennbar wurden, haben wir nachgesteuert. So gibt es z. B. das Programm „Faustlos“ an 80 Grundschulen. Es ist – wie auch „Buddy“, das im letzten Schuljahr an allen Berliner Grundschulen eingeführt wurde – ein Programm des sozialen Lernens, das die gegenseitige Hilfe fördert. Dieses Programm gehört ebenso wie ein Trainingsangebot für Pädagogen in Kooperation mit der Berliner Polizei zu unserem Konzept der Gewaltprävention, das sich bewährt hat.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön! – Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Steuer. – Sie haben das Wort.

Danke sehr! – Herr Senator! Finden Sie mit mir, dass die Tatsache, dass vier Fünftel – wenn Sie 21 sagen – der Neuköllner Schulen einen privaten Wachschutz wollen und gleichzeitig nur 80 von 800 Schulen in Berlin Kooperationsverträge mit der Polizei geschlossen haben, darauf hinweist, dass es ein enormes Bedürfnis nach mehr Sicherheit an den Berliner Schulen gibt, dass Sie Gewaltvorfälle in den letzten Jahren kleingeredet haben und Ihre Programme den Schulen offensichtlich nicht ausreichen, um die Probleme in den Griff zu bekommen?

Herr Senator Prof. Zöllner, bitte!

Erstens: Ich bin mir nicht bewusst, dass ich dieses Problem kleingeredet habe, denn ich sehe es schon als Problem an, wenn in Berlin ein einziger Fall von Gewalt vorkommt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Zweitens: Die Tatsache, dass nur 80 von 800 Schulen – ich beziehe mich jetzt auf Ihre Aussage – den normalen Weg – den jeder, auch die Neuköllner Schulen, im Grundsatz als den zielführenden ansieht – der Kooperation mit der Polizei gesucht haben, bedeutet, dass dies ein Problem ist, das letzten Endes zeigt, dass es kein generelles Problem von einer Größenordnung ist, dass die Situation in Berlin im Vergleich zu anderen Städten in der Bundesrepublik Deutschland beängstigend ist.

Drittens: Die spezielle Neuköllner Situation muss vor Ort auch im Rahmen der Diskussion, die dort läuft, bewertet werden. Ich gehe davon aus, dass auch die Konzepte oder die Anregungen aus diesem Bereich zeitweiligen Charakter haben.

Danke schön, Herr Senator! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Saleh von der Fraktion der SPD, und er hat das Wort.

Ich frage den Senat: Sehen Sie nicht die Gefahr, dass sich bei einzelnen Ausnahmen in der Einführung von Wachschutz an Berliner Schulen ein Spalt öffnet, der die Forderung nach weiterem Wachschutz ermöglicht, statt weiter

hin auf erfolgreiche Prävention und Kooperation zu setzen?

Herr Senator Prof. Zöllner, bitte!

Ich sehe die Gefahr. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass eine Grundlinie die Verantwortung zur Beurteilung einer konkreten realistischen Situation den dafür Zuständigen, das heißt den Bezirken und letzten Endes den Schulleiterinnen und Schulleitern, überlassen werden muss, sodass diese prinzipielle Befürchtung von Ihnen, die ich teile, für mich kein Anlass ist, im konkreten Einzelfall ein solches Unterfangen als nicht gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

Danke schön, Herr Senator!

Wir kommen nun zur Mündlichen Anfrage Nr. 3 der Kollegin Matuschek von der Linksfraktion zum Thema

Abstimmungsverhalten des Landes Berlin bei bevorstehenden Entscheidungen zur Privatisierung der DB AG

Bitte schön, Frau Matuschek!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie setzt das Land Berlin in den Bund-LänderGremien die in der Koalitionsvereinbarung verankerte Position zur Privatisierung der DB AG, nämlich die Ablehnung derselben, um?

2. Erwägt das Land Berlin ggf. eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, sollten sich die Bestrebungen der Bundesregierung fortsetzen, dass die Verfügung und das Bilanzierungsrecht über die Schieneninfrastruktur der DB AG auch bei einer (Teil-)Privatisierung übertragen werden?

Zur Beantwortung – Frau Senatorin Junge-Reyer, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Matuschek! Das durch den Gesetzentwurf des Bundesministers für Verkehr vorgesehene Verfahren zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn als ein integrierter

Konzern auf der Basis des Eigentumssicherungsmodells wird vom Senat kritisch bewertet, insbesondere wegen der Folgen für den Bund und mittelbar auch für die Länder.

Wir sehen vor allem nach der Anhörung, die im Deutschen Bundestag stattgefunden hat, hinsichtlich der Verfassungskonformität noch erhebliche Probleme. Ich glaube, es ist deshalb wichtig, dass das Land Berlin sich in den von Ihnen angesprochenen Bund-Länder-Gremien ausdrücklich mit der Verfassungsmäßigkeit der vorgesehenen Regelung auseinandersetzt. Wir dürfen den Bund nicht aus der verfassungsmäßig garantierten Infrastrukturverantwortung entlassen. Deshalb wird diese Frage, die sowohl das rechtliche Eigentum als auch die faktische Verfügungsgewalt betrifft, eine ganz wesentliche Rolle beim Verhalten des Landes Berlin in den entsprechenden Gremien spielen.

[Beifall bei der SPD]

Es gibt zurzeit noch kein förmliches Gesetzgebungsverfahren. Ich denke, es ist richtig, dass wir uns in den von Ihnen und von mir zitierten Gremien, so wie ich dies beschrieben habe, einsetzen, dass wir uns aber vor allem auch im Bundesrat positionieren. Im Augenblick finden hierzu im Kreis der Verkehrsminister Abstimmungen statt, insbesondere auch hinsichtlich der Positionierung gegenüber dem Bund. Ob eine gemeinsame Haltung der Länder erreicht werden kann, will ich nicht prognostizieren. Ich halte es allerdings im gegenwärtigen Zeitpunkt für zu früh, eine Verfassungsklage ins Auge zu fassen.

Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt geht es weiter mit einer Nachfrage von Frau Matuschek. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Senatorin! Könnten Sie etwas Näheres über den Zeitplan berichten, da dieser sich in der letzten Zeit des Öfteren geändert hat. Wann wird es voraussichtlich zu konkreten Entscheidungssituationen kommen?

Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Matuschek! Nach meiner Kenntnis ist eine Bundesratsbefassung für den September dieses Jahres vorgesehen.

Danke schön! – Nun geht es mit Frau Hämmerling weiter. – Bitte schön, Frau Hämmerling!

Frau Senatorin! Ich habe eine Frage, die im Zusammenhang mit dem integrierten Börsengang steht: Wie bewerten Sie die Auffassung, dass die Streiks bei der S-Bahn, die auf den enormen wirtschaftlichen Druck zurückzuführen sind, dem die Beschäftigten ausgesetzt sind, in direktem Zusammenhang damit stehen, dass die Gewinne der S-Bahn durch bilanztechnische Tricks zur DB AG abgezogen werden, um das Unternehmen vor dem integrierten Börsengang zu schmücken?

Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Hämmerling! Ich kann die in Ihrer Fragestellung unterstellte Absicht aus eigener Kenntnis nicht bestätigen. Ich darf Ihnen aber versichern, dass ich den Vorstand der S-Bahn in persönlichem Kontakt, der von mir ausging, darauf hingewiesen habe, dass das Land Berlin Wert darauf legt, dass bei der S-Bahn Verkehrsverhältnisse herrschen, die uns in die Lage versetzen, die von der S-Bahn zu erbringende Leistung auch vollständig zu bezahlen.

Ich erwarte, dass die S-Bahn ihre Leistungsfähigkeit – und diese hat sie unbestritten – auch in den Dienst der Verkehrspolitik und der Berlinerinnen und Berliner stellt, völlig unabhängig von sonstigen Überlegungen in einem Konzern.

Danke schön, Frau Senatorin!

Jetzt geht es weiter mit einer Frage der Kollegin Ströver von den Grünen zu dem Thema

Hat der Senat die Theater am Kurfürstendamm aufgegeben?

Bitte schön, Frau Ströver!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Hat das Land Berlin im Jahr 1990 als Verkäufer des Kudamm-Karrees gegenüber dem damaligen Käufer Vereinbarungen zur langfristigen Sicherung der beiden Theatergebäude getroffen, wenn ja, welche Vereinbarungen waren es?

2. Hat der Senat der großen Koalition im Jahr 1998 für den Fall einer Weiterveräußerung auf eine Rückkaufoption bis zum Jahr 2010 sowie auf Nutzungsbindun

gen zugunsten der Theater verzichtet, wenn ja, warum und zu welchen Bedingungen?

Danke schön, Frau Kollegin Ströver! – Das Wort zur Beantwortung hat Herr Dr. Sarrazin, der Finanzsenator. – Bitte schön, Herr Dr. Sarrazin!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Abgeordnete! Ihre Frage zielt weniger auf die aktuelle Senatspolitik als auf die Zeitgeschichte. Wir haben aber in unseren Akten nachgeschaut, und ich kann Ihnen berichten, obwohl das Nachschauen in Akten in Berlin angesichts der vielen Umzüge und des weitgehenden Fehlens von Aktenzeichen nicht einfach ist.