Protocol of the Session on June 21, 2007

[Christian Gaebler (SPD): Herr Esser muss immer das letzte Wort haben!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin eines wirklich leid: Ich erkläre Ihnen gerade, welchen mit meinem Namen gezeichneten Antrag ich in das Parlament zum Thema Risikoabschirmung eingebracht habe unter Bedingungen, die Herr Ratzmann erläutert hat, die die EU-Kommission gegen Sie durchsetzen musste. Da gab es gewisse Differenzen zum Antrag der Koalition – Herr Wolf hat damals auf der anderen Seite den Antrag ausgehandelt. Da stellen Sie sich 20 Sekunden später hin und wiederholen genau das Gleiche, Herr Wechselberg, weil Sie denken, je öfter man lügt, desto besser bleibt das haften!

[Beifall bei den Grünen]

Das war der entscheidende Grund für meine erneute Wortmeldung. – Was Ihre Haushaltspolitik angeht: Ich bin sehr zufrieden und arbeite immer konstruktiv daran mit – das wissen Sie auch –, dass wir 2009 einen ausgeglichenen Haushalt haben. Aber Ihre Nummer mit 2008 ist lediglich eine Schlagzeile. Dafür nehmen Sie eine zu geringe Vorsorge für die Risikoabschirmung in Kauf. Dazu werden Sie uns sicher noch viele Berechnungen und rote Nummern liefern. Zu eng und vorsichtig zu schneidern, allein für diese blöde Schlagzeile mit einem Jahr früher, das hat mit Haushaltssanierung nichts zu tun. Wenn es etwas mit Haushaltspolitik zu tun hat, dann hat es mit der neuen Lust am Geldausgeben zu tun, die es bei der Linkspartei gibt. Offensichtlich will man verschleiern, dass wir uns mit 20,6 Milliarden € Ausgaben inzwischen eine halbe Milliarde € höher als ursprünglich 2007 geplant bewegen und dass man das durch die stille Einlage im Haushalt weder 2007 noch 2008 erkennen kann. Geldausgeben, was niemand sieht, scheint bei Ihnen ein weiteres Motiv zu sein, keine Zukunftsvorsorge zu treffen.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Esser! – Herr Kollege Wechselberg, möchten Sie replizieren? – Das ist nicht der Fall. So hat nun der Kollege Meyer von der FDP das Wort. – Bitte schön, Herr Meyer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zu Herrn Wechselberg: Ich wünsche mir, dass Sie mit der Emotionalität, mit der Sie gerade auf Herrn Esser reagiert haben, einmal die Fehler und Versäumnisse Ihres Koalitionspartners in Bezug auf die Bankgesellschaft öffentlich kritisieren würden.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Das haben Sie nicht getan, Sie machen sich damit in Ihrer gesamten Argumentation unglaubwürdig. Aber auch zu Herrn Esser: Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze.

[Oh! von der Linksfraktion]

Aber die Form, wie Sie in Bezug auf die Risikoabschirmung Ihr Handeln dargelegt haben, ist auch nur ein Teil der Wahrheit.

[Aha! von der Linksfraktion]

Wenn wir uns das Jahr 2001 und den rot-grünen Übergangssenat noch einmal vergegenwärtigen, so gab es zu Anfang die Kapitalerhöhung, 1,7 Milliarden €. Es gab einige andere, nicht mehr zu klärende Fragen, Stichwort: Gewinnabführungsverträge von den Immobiliendienstleistungstöchtern, was unserer Auffassung damals dazu geführt hat, dass eine Teilinsolvenz der Immobiliendienstleistungstöchter nicht mehr möglich war. Viel relevanter war dann Ende 2001 das Handeln des Bundesaufsichtsamtes für Kreditwesen unter Herrn Sanio, der bereits damals – der rot-grüne Übergangssenat war noch im Amt – eine Garantieerklärung für die ungedeckten Risiken, die aus dem IBG-Geschäft noch vorhanden waren, einforderte. Sie wussten im Wahlkampf, dass die 1,7 Milliarden € nicht reichten, Sie wussten es danach. Als der rot-grüne Übergangssenat noch im Amt war, wurde die sogenannte Grundsatzvereinbarung geschlossen. Damals standen noch 35 Milliarden € als Höchstbetrag zur Debatte, in der Detailvereinbarung waren es dann 21 Milliarden €. Der rot-grüne Übergangssenat, Ihre Senatoren, Ihre Fraktion haben diese Entscheidung mitgetragen. Und das gehört zur Wahrheit auch dazu, dass Sie durch diese Abstimmung Ende 2001 den Weg zur Risikoabschirmung, wie Sie nun geschehen ist, mit determiniert haben – mit der SPD zusammen, aber Sie haben ebenfalls Verantwortung, und es gehört auch dazu, dass Sie zu Ihrer Verantwortung stehen, statt Schreiben an Abgeordnete zur Risikoabschirmung zu schicken.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Gaebler (SPD)]

Der Jubel der SPD zur Veräußerung der Bankgesellschaft – wenn sie denn so kommt –, ist in der Tat nicht nachvollziehbar. Die Entwicklung der Bankgesellschaft ist sicherlich eines der schwärzesten Kapitel in der Geschichte der Berliner SPD, was politische Verantwortungslosigkeit und Inkompetenz angeht. Man hat den Eindruck, dass mit dem Jubel, der eher unter dem Motto steht: Aus den Augen, aus dem Sinn, versucht wird, ein Kapitel abzuschließen. Herr Wowereit sagt: Kapitel abgeschlossen, basta! Wechselberg sagt das auch, Müller sagt, das Kapitel ist noch nicht ganz abgeschlossen. Die Verantwortung der SPD, zu der Sie sich auch heute nicht bekannt haben, bleibt nach wie vor im Raum. Herr Müller! Wenn Sie die ganze Zeit auf die Verantwortung der CDU und insbesondere von Herrn Landowsky abstellen, so muss man auch festhalten, dass Sie als kleinerer Koalitionspartner über ein Jahrzehnt nicht die Kraft hatten, genau diese Verfilzung, diese Verknüpfung aufzudecken, zu kritisieren und zu beenden.

[Beifall bei der FDP]

Herr Pflüger hat recht, wenn er sagt, dass die Art und Weise, wie die SPD 2001 und in der Folgezeit mit dem einseitigen Focussieren der Schuld an der Bankgesellschaft auf die CDU und mit dem Aufbauschen der Prob

leme der Bankgesellschaft in Bezug auf die Haushaltsnotlage des Landes Berlin Wahlkampf betrieben hat, unredlich war. Damit haben Sie recht, Herr Pflüger. Auf der anderen Seite muss allerdings auch erwähnt werden, dass die SPD damit sehr erfolgreich war. Wir alle müssen zusehen, dass es der SPD – gerade auch nach der Regierungserklärung von Herrn Wowereit – nicht noch einmal gelingt, eine Legende zu stricken, dass wir jetzt einen Abschluss haben. Das geht nicht!

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Die Misswirtschaft – Herr Lindner hat es gesagt – zieht sich nach wie vor durch das Beteiligungsportfolio des Landes Berlin. Bielka ist gefallen, durch Zwischenrufe ist Strieder gefallen, und ich erwähne noch die Spendenessen von Herrn Wowereit selbst im Wahlkampf, wo Vorstandsmitglieder von Landesbeteiligungen Wahlkampfspenden für die SPD getätigt haben. Das ist genau die Form von Misswirtschaft und Verfilzung, die Sie der CDU zu Recht vorgeworfen haben, die bei Ihnen allerdings nach wie vor offensichtlich an der Tagesordnung sind. Erst wenn diese Altlasten und erst wenn Ihre Verantwortung hierzu von Ihnen bekannt wird, kann man das Kapitel Bankgesellschaft endgültig schließen, unabhängig von den Altlasten und den finanziellen Lasten, die wir noch in den nächsten Jahren schultern müssen.

[Beifall bei der FDP]

Einen Satz noch zu Herrn Wowereit, der sich beschwerte, niemand würde die Erfolge des Senats bei der Haushaltskonsolidierung anerkennen: Vor etwas mehr als einem halben Jahr verkündeten Sie in Karlsruhe: Wir können nicht anders, wir sind in einer extremen Haushaltsnotlage, wir brauchen eine Entschuldung von 30 Milliarden €.

[Zuruf von Carl Wechselberg (Linksfraktion)]

Sechs Monate später sieht das schon ganz anders aus.

[Carl Wechselberg (Linksfraktion): Nein!]

Man muss festhalten: Entweder haben Sie damals wissentlich die Situation des Landes vor dem höchsten deutschen Gericht schlechtgeredet oder Sie hatten einfach nur Glück. Wir glauben, es war Glück: Die Steuermehreinnahmen haben Ihnen so manches Problem gelöst, welches Sie ansonsten in dieser Wahlperiode hätten abarbeiten müssen.

Was bezüglich der Bankgesellschaft bleibt – die Vorredner haben es bereits gesagt –, ist ein immenser Schaden, den man mit keinem Rechenbeispiel quantifizieren kann – Gegenwert, Substanzverlust der Bankgesellschaft, vertane Entwicklungen und Chancen für Berlin. Was als große Unbekannte bleibt, ist die Frage der Inanspruchnahme aus der Risikoabschirmung.

Auch ich kann nicht nachvollziehen – Herr Wechselberg, diesen Widerspruch konnten Sie nicht aufklären –, warum der Finanzsenator offensichtlich je nach Bedarf Zahlen zwischen 4 Milliarden und 8 Milliarden € in den Raum stellt. Nur wenn das Best-case-Szenario – 4 Milliarden € Risikoabschirmung – greift, werden wir keine weiteren

Mittel in das Sondervermögen oder für die Risikoabschirmung bereitstellen müssen. Herr Esser hat ausgeführt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es bei 4 Milliarden € bleibt eher gering ist. Wir werden erst zum Ende der Risikoabschirmung in 15 Jahren sehen können, was letztlich an Risiken vom Land getragen werden musste. Dementsprechend können wir auch erst später bewerten, ob sich das Sondervermögen, wie es jetzt ausgestattet ist, in einer angemessenen Höhe bewegt. Nichtsdestotrotz ist die Debatte darüber zu führen, ob es eine angemessene Höhe ist. Deshalb, Herr Wechselberg, ist die Art und Weise, wie Sie die Bedenken des Kollegen Esser weggewischt haben, der Sache nicht angemessen.

Grundsätzlich steht die FDP-Fraktion dem Verkauf der Landesbank positiv gegenüber. Abgesehen von dem fahlen Beigeschmack, dass es eine sehr frühe Festlegung auf diesen Kaufinteressenten gegeben hat, und den Spielereien, die die Linksfraktion in Bezug auf den Ausschluss von Privatinstituten – Stichwort Parteitagsbeschluss – in die Debatte gebracht hat, können wir nicht nachrechnen, ob diese Vorfestlegungen im Ergebnis den möglichen Kaufpreis geschmälert haben. Deshalb erübrigt sich eine Debatte darüber. Richtig ist allerdings, dass es für das Land Berlin und für den Bankenstandort Deutschland grundsätzlich interessant gewesen wäre, wenn wir das Dreisäulenmodell, das Herr Wowereit und Herr Müller hier noch einmal hochgehalten haben, in der Hauptstadt der Bundesrepublik durchschlagen und andere Entwicklungen zugelassen hätten.

[Beifall bei der FDP]

Es ist noch eine Reihe von Sachverhalten zu klären. Herr Ratzmann hat darauf hingewiesen. Die diversen Unbedenklichkeitserklärungen stehen aus. Wir würden unsere Zustimmung zur Veräußerung nicht davon abhängig machen, dass diese Erklärungen bis Ende September schwarz auf weiß vorliegen. Ich weiß nicht, ob man die verschiedenen Behörden, die damit betraut sind, auf diesen straffen Zeitplan festlegen kann. Wir fordern aber mindestens, dass wir mehr als ein Lippenbekenntnis des Finanzsenators als Entscheidungsgrundlage erhalten.

Abschließend auch der Hinweis von mir: Der Führung und den Mitarbeitern der Bankgesellschaft gebührt unser Dank und unser Lob. Alles Weitere an aufgebauschten Jubelmeldungen geht an der Sache vorbei. Sie dürfen nicht vergessen – das zog sich leider durch die Wortbeiträge aller Koalitionsredner –, dass das Veräußerungsverfahren – auch mit diesem Zeitplan – einzig und allein den Entscheidungen der EU-Kommission geschuldet ist. Was Sie sich als Erfolg auf die Fahne schreiben, ist nicht Ihr eigener Erfolg. Es ist ein Erfolg der EU-Kommission, die Sie gezwungen hat, Entscheidungen zu treffen, die Sie ohne die EU-Kommission nicht getroffen hätten.

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Meyer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Regierungserklärung wurde damit abgegeben und besprochen.

Vorgezogen rufe ich auf

lfd. Nr. 3:

Wahl

einer Richterin des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin

Wahlvorlage Drs 16/0140

Es handelt sich um die Wahl einer Richterin des höchsten Berliner Gerichts für die Dauer von sieben Jahren. Zur Wahl wird von der Linksfraktion Frau Natascha Wesel vorgeschlagen. Die Kandidatin sowie die bereits gewählten Richterinnen und Richter sind anwesend. Die Kandidatin hat sich den Fraktionen persönlich vorgestellt. Weitere Vorschläge zur Wahl liegen mir nicht vor. Ich begrüße die Kandidatin, die Präsidentin des Gerichts und alle amtierenden und künftigen Richterinnen und Richter. – Herzlich willkommen in unserer Mitte!

[Allgemeiner Beifall]

Nach dem Gesetz über den Verfassungsgerichtshof werden die Kandidatinnen und Kandidaten ohne Aussprache in geheimer Wahl mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Die Zweidrittelmehrheit errechnet sich aus den abgegebenen Stimmen. Bei der Ermittlung der Mehrheit bleiben Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen nach § 74 Absatz 3 in Verbindung mit § 69 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung außer Betracht. Nach dem Wahlgang und der Auszählung finden bei erfolgter Wahl die Ernennungen und Vereidigungen der fünf Richterinnen und Richter statt.

Zur Wahl selbst: Es ist ein Wahlzettel vorbereitet worden, auf dem hinter dem Namen „Natascha Wesel“ drei Felder mit „Ja“, „Nein“ und „Enthaltung“ markiert sind. Es darf für die Kandidatin nur ein Feld angekreuzt werden. Stimmzettel ohne ein Kreuz, mit mehreren Kreuzen oder mit zusätzlichen Bemerkungen sind ungültig. Ansonsten ist Ihnen das Wahlverfahren bekannt. Ich betone, dass Sie nach dem Ausfüllen des Wahlzettels in der Kabine diesen in den Umschlag legen müssen. Zum einfacheren Auszählen bitte ich darum, die Umschläge nicht zuzukleben. Dafür wird Ihnen die Wahlkommission ewig dankbar sein.

Wir kommen nun zur Wahl. Ich bitte die Beisitzerinnen und Beisitzer, an den Wahlkabinen und Wahlurnen Aufstellung zu nehmen. Ferner bitte ich, die Plätze an der Seite wegen des nicht unmöglichen Blicks in die Wahlkabinen frei zu machen. Ich bitte Frau Senftleben, nunmehr die Namen zu verlesen. – Bitte schön!

[Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmzettel]

Darf ich fragen, ob alle Abgeordneten Gelegenheit hatten, Ihre Stimme abzugeben? Die Beisitzer haben auch alle abgegeben, jeder hat an den jeweils anderen gedacht? – Gut. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte auszuzählen.

Wir unterbrechen bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses die Sitzung.

[Auszählung]

Wir fahren in der Sitzung fort. Ich gebe Ihnen das Ergebnis der Wahl einer Verfassungsrichterin bekannt: