Protocol of the Session on June 21, 2007

Aber der vernunftbegabte Mensch zieht doch die Konsequenzen daraus. Davon rede ich doch gerade, Frau Bluhm! Sie ziehen nicht die Konsequenzen bei den Wohnungsbaugesellschaften, bei der BSR und all den anderen. Sie lassen es wieder dazu kommen. Das ist das, was ich Ihnen an dieser Stelle vorwerfe.

Lassen Sie mich zum Schluss, bevor sich noch andere Kollegen vertiefen, noch sagen: Was Sie gestern in Ihrer Pressemitteilung, Herr Wowereit, zum Besten gegeben haben, ist schon merkwürdig. Sie sagen, der Haushalt ist jetzt konsolidiert – er ist nicht konsolidiert. Sie haben die Möglichkeit, dank der konjunkturbedingten Mehreinnahmen bei den Steuern zu einem ausgeglichenen Haushalt für das Jahr 2008 zu kommen. Das heißt aber doch nicht, dass eine erfolgreiche Konsolidierung auf Dauer angelegt ist. Hierzu fehlt es Ihnen an Kraft, gerade was die Privatisierung von Wohnungsbaugesellschaften und anderen Unternehmen und was den systematischen Personalabbau im öffentlichen Dienst angeht. Das ist unabhängig davon, wer regiert. Es wird wieder ein konjunktureller Abschwung kommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Dann stehen nicht Sie – hoffentlich nicht mehr Sie! –, sondern steht Ihre Nachfolgeregierung vor den Trümmern dieses Attentismus, dieser Schwäche, an die richtigen Brocken heranzugehen, die richtigen Schlüsse aus der Geschichte der Bankgesellschaft zu ziehen. Das ist das, was ich Ihnen an diesem Tag, der für Berlin insgesamt ein glücklicher ist, weil es zu einem einigermaßen vernünftigen Abschluss gekommen ist, nach wie vor vorhalte. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Vorsitzender Dr. Lindner! – Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr Herr Esser das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wowereit! Herr Müller! Meine Äußerungen zur Seriosität Ihrer

Haushaltspolitik von heute Morgen scheinen Sie sehr geärgert zu haben,

[Zuruf von Klaus Wowereit (SPD)]

sonst hätte ich sicherlich nicht so prominente Auftritte in Ihren Reden gehabt.

Was die Risikoabschirmung angeht, da bin ich mit mir im Reinen. Es gibt einen Antrag, der von einzelnen Personen gezeichnet ist. Die Buchstaben reichen von „E“ wie Esser über „W“ wie Wieland bis „Z“ wie Zimmer. Darin erklären wir unter den Bedingungen – Herr Ratzmann hat es erklärt –, die die EU-Kommission später durchgesetzt hat, unsere Zustimmung zur Risikoabschirmung und fordern das Parlament auf, entsprechend zu beschließen.

Und da sage ich Ihnen mal zum Thema „schlanker Fuß“, Frau Bluhm: Ob Sie die Kraft gehabt hätten, aus der Opposition heraus, da ist das nämlich schwierig, sich dazu zu bekennen, anstatt in Populismus zu baden, das wage ich zu bezweifeln.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Da gehörte damals aus der Opposition heraus, Herr Müller, Mut dazu. Den haben wir bewiesen, den habe ich persönlich bewiesen. Dass Sie mich dafür nicht loben, habe ich erwartet, das kann ich aushalten.

Was mir aber – das war das Thema von heute Morgen, und das ist auch das Thema jetzt hier – die Zornesröte auf die Stirn treibt, das ist die haushaltspolitische Ruchlosigkeit, die Sie gestern mit dem Senatsbeschluss an den Tag gelegt haben.

[Beifall bei den Grünen]

Für die sinnlose Schlagzeile eines einzigen Tages „Ausgeglichener Haushalt schon 2008 anstatt wie geplant 2009“ richten Sie einen gewaltigen politischen Flurschaden an. Denn kaum, Herr Wowereit – weil Sie brum- men –, war Ihr Getöse „Berlin ist über den Berg“ im Bundestag angekommen, schon meldete sich der dortige kulturpolitische Sprecher der CDU, Herr Börnsen, und forderte eine stärkere Beteiligung Berlins an der Hauptstadtkultur. – Ich zitiere:

Nach dem Verkauf der Bank kann Berlins Kulturchef und Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit jetzt aus dem Vollen schöpfen.

Herr Wowereit! Sie sollten den Spindoctor auswechseln, der Ihnen zu dieser Art von Schlagzeilenpolitik mit solchen Folgen in der Republik geraten hat.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Ihre Aufgabe, Herr Wowereit, ist es nicht, Feierstunden abzuhalten. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass jeder in der Republik begreift, was die gesamte Berliner Bevölkerung schon lange weiß, dass Berlin noch eine ganze Weile mit der Haushaltsnotlage leben muss und dass der gesamte Erlös aus dem Verkauf der LBB Euro für Euro in den nächsten 20 Jahren in die Taschen der Fondsanleger wandern wird, die Anteile an den Immobi

lienfonds der ehemaligen Bankgesellschaft besitzen. Das und nichts anderes ist der materielle Gehalt der sogenannten Risikoabschirmung. Das ist und bleibt ein politischer Skandal der CDU, aber auch der SPD, bis zum heutigen Tag und darüber hinaus.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Jetzt sind Sie mit dieser haushaltspolitischen Umsetzung dabei, ein neues Kapitel in dieser Skandalchronik zu schreiben. Denn die 4,6 Milliarden €, die Sie für das Sondervermögen reservieren wollen, reichen zur Deckung der Kosten der Risikoabschirmung bei Weitem nicht aus. Die 1,1 Milliarden € aus der stillen Einlage gehören ohne jedes Wenn und Aber auch in das Sondervermögen.

Weil immer wieder Zwischenrufe kommen, will ich Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen: 2002 hat das Abgeordnetenhaus etwas sehr Kluges getan und während der Beratung zur Risikoabschirmung auf Antrag der Grünen einstimmig beschlossen, die Bank möge uns doch bitte mitteilen, wie hoch eine einmalige Kapitalerhöhung ausfallen müsse, wenn wir auf die Risikoabschirmung verzichten. – Die Antwort war: 6 Milliarden €. – Diese 6 Milliarden € sind bis heute die einzige einigermaßen plausible Ankerzahl für die Kosten der Risikoabschirmung in einem Meer aus Kaffeesatzleserei. Das hat auch die EUKommission nach monatelangen Prüfungen so gesehen und in ihrem Beihilfebescheid 6 Milliarden € als wirtschaftlichen Mindestwert der Risikoabschirmung festgelegt.

Seitdem haben wir alle möglichen Zahlen gesehen, von den 3,7 Milliarden €, mit denen Herr Sarrazin damals gestartet war, über die 4 Milliarden €, von denen er jetzt erzählt, über Herrn Hohlbeins 6,5 Milliarden € vor ein paar Wochen, über die 7 Milliarden €, die uns in schriftlichen Unterlagen geschickt werden und die Herr Sarrazin auch schon mal vor einigen Jahren im „Tagesspiegel“ propagiert hat, bis zu den 12,7 Milliarden €, die man, wenn man sich ins Handelsregister begibt, in der Bilanz der BIH 2005 finden kann. Ein anderes Dokument, das uns vorliegt, erläutert, es handle sich dabei

um eine Hochrechnung unter Berücksichtigung der wahrscheinlichen Inanspruchnahme nach einer Worst-case-Ermittlung.

Ich habe hier in dieser Zeit schon alles gehört, von 3,7 bis 12,7 Milliarden €, alles war dabei. Ich sage Ihnen: Sie sind nicht glaubwürdig, wenn Sie jetzt sagen, dass Sie ganz genau wissen, dass 4,6 Milliarden € unter allen Umständen ausreichen.

[Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Habe ich nicht gesagt!]

Wir befinden uns faktisch in der Lage eines Unternehmens, das für drohende Verluste eine Rückstellung zu bilden hat. Bekanntlich sagt das Handelsrecht dazu den einfachen Satz, der lautet: „Es ist vorsichtig zu bewerten.“ – Ist es vorsichtig, angesichts der Spannweite der Angaben zwischen 3,7 und 12,7 Milliarden € und einem wahrscheinlichen Bedarf von 6 bis 7 Milliarden € sich prak

tisch und irreversibel darauf festzulegen, dass die Rückstellung nicht mehr als 4,6 Milliarden € betragen soll? – Meine Antwort dazu ist: Nein, natürlich nicht! Nein und noch einmal nein!

[Beifall bei den Grünen]

Anders sieht die Sache aus, wenn wir den Verkaufserlös und die gesamte stille Einlage in das Sondervermögen packen. Dann sind wir mit 5,7 Milliarden € wenigstens in der Nähe dessen, was erforderlich ist. Wenn wir dann doch 7 Milliarden brauchen, können wir zumindest sagen: Wir haben heute unser Mögliches versucht! Und wäre es so schlimm, wenn am Ende ein paar Millionen Euro zu viel in Rücklage wären? – Ganz und gar nicht, im Gegenteil! Das wäre gegenüber der nächsten Generation, der dieser Senat ohnehin 60 Milliarden € Schulden übergibt, kein Schaden, sondern nur fair.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Abschließend noch ein Wort zu Ihnen, Herr Sarrazin: Dass Sie das mitmachen, enttäuscht mich. Das ist billige Effekthascherei, und Sie betreiben sie sogar. Das lässt für mich darauf schließen, dass Sie sich geistig schon im Vorruhestand befinden und nur noch überlegen, wie Sie sich einen guten Abgang verschaffen können. Da heißt es dann bei Ihnen plötzlich auch statt nachhaltiger Haushaltssanierung: Alles egal! Ob danach für andere und Jüngere die Sintflut kommt, das kümmert Sie nicht mehr. – Über diesen Skandal reden wir heute, die nächsten Wochen und in der Haushaltsberatung, wenn es um den Haushalt 2008 geht.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke, Herr Kollege Esser! – Für die Linksfraktion hat nunmehr der Kollege Wechselberg das Wort. – Bitte sehr, Herr Wechselberg!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Esser! Das war eine kleine, eine beschämende Rede, die Sie hier gehalten haben,

[Beifall bei der Linksfraktion – Gelächter bei den Grünen]

weil es bei Ihnen nicht einmal im Ansatz dafür reicht, einzugestehen, dass Sie bei allen wichtigen Fragen in Sachen Bankgesellschaft danebengelegen haben.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Und dann stellen Sie sich so hin, wie Sie das hier getan haben, und halten große Volksreden, beschimpfen den Finanzsenator und diese Koalition an diesem Tag, wo wir – das kann man nicht oft genug betonen – eine echte Zäsur in der Stadtgeschichte Berlins vor uns haben, wo wir einen Schlussstrich ziehen nicht in der Aufarbeitung der Bankenkrise, in der Tat nicht, aber in finanzieller Hinsicht ziehen wir einen Schlussstrich unter dieses Kapitel, beenden diese schlimme Phase und geben Berlin damit auch

die Chance, sich aus diesem Sumpf zu befreien und die finanziellen Folgen zu bewältigen.

Da, Kollege Esser, sage ich Ihnen: Sie haben in allen Punkten falsch gelegen! Sie haben falsch gelegen, als Sie abgelehnt haben, der Risikoabschirmung zuzustimmen, als Sie uns mit diesem grotesken Modell kamen, Teile der Bankgesellschaft herauszulösen und den Rest in die Insolvenz zu schicken. Das war ein absurdes Manöver! Sie haben falsch gelegen, als es galt, die Nerven zu behalten.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Als die Eigenkapitalbasis der Bankgesellschaft schwach war, sind Sie hingegangen und wollten ihr Geld entziehen, wo es galt, Stabilität zu vermitteln. Und Sie haben falsch gelegen in dem, was Sie heute gesagt haben.

Sie erklären, dass es nicht richtig sei, dass wir einen Teil, den wir seinerzeit für die stille Einlage aufgenommen haben – übrigens auf Kredit –, heute wieder zurückführen –, Sie stellen sich hin und erklären, wir würden das Geld verschwenden, dabei ist das Gegenteil richtig. Wir führen mit diesem Geld, dieser Rückführung der stillen Einlage die Neuverschuldung des Landes Berlin zurück. Das ist die Wahrheit, Herr Kollege Esser – nichts anderes. Von wegen Verschwendung! Wir sichern damit die Zukunft!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Sie erheben diesen Vorwurf in geradezu frecher Weise, wo nachgewiesen ist, dass Sie immer falsch lagen. Wie kommen Sie eigentlich dazu, zu unterstellen, dass wir nicht in der Lage wären, seriös zu untersetzen, dass die 4,6 Milliarden € plus Zinseffekt bis zum Jahr 2025 ausreichend seien, um die Risikoabschirmung abzudecken? Es ist doch vorhersehbar, dass wir Ihnen das nachweisen werden und dass wir nach allem menschlichen Ermessen sicherstellen werden, dass das ausreichend ist.

Aber der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen und zu erklären, dass wir Verschwendung betreiben würden, dass wir für kommende Generationen nicht das Richtige tun, wenn wir die Neuverschuldung zurückführen, das ist nicht in Ordnung. Dass es ein großer Tag für Berlin ist, dass wir nicht nur die Geschichte der Bankgesellschaft abschließen, sondern auch das erste Mal einen Haushalt in dieser Stadt vorlegen werden, der keine zusätzliche Neuverschuldung enthält, dafür hätte es auch bei Ihnen reichen können, Herr Kollege Esser!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Martina Michels (Linksfraktion): Jawohl!]

Danke schön, Herr Kollege Wechselberg! – Der Kollege Esser wünscht eine Kurzintervention und hat dazu das Wort. – Bitte!