Protocol of the Session on May 24, 2007

[Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

Es ist also breiter Konsens. Ich freue mich auf die Zukunft der Bioabfallsammlung in Berlin, die dann künftig offensichtlich mit allen fünf Fraktionen beschlossen werden kann. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Wilke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Allein die Tatsache, dass wir uns heute im Landesparlament mit nur einem Teilbereich der Abfallwirtschaft befassen müssen, zeigt einmal mehr, dass der Senat seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Zudem ist es nicht das erste Mal, dass dieses Thema Gegenstand unserer Beratungen ist. Aus unserer Sicht ist es richtig und vernünftig – man kann darüber unterschiedlicher Auffassung sein, ob nun als Priorität in einer Plenarsitzung –, dass die beiden Fraktionen FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit den vorliegenden Anträgen abermals versuchen, den Senat auch beim Thema Biomüll auf den Weg der Erleuchtung zu führen.

[Beifall von Michael Schäfer (Grüne) – Uwe Doering (Linksfraktion): Sie versuchen es, richtig ausgedrückt!]

Auch uns ist daran gelegen, am Ziel einer ökologischen Verwertung dieses Müllanteils festzuhalten. Hierzu macht die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen vernünftigen Vorschlag, aber auch einige unvernünftige Vorschläge, z. B. mit der gleich zu Beginn geforderten Ausweitung der Biomüllsammlung auf das gesamte Berliner Stadtgebiet. Dem entgegnen wir, dass dies bereits heute schon insofern erfolgt, als eine stadtweite Sammlung, insbesondere in den Randgebieten Berlins, als freiwilliges Angebot angenommen werden kann und – wie wir eben vom Kollegen Buchholz gehört haben – angenommen wird. Die zwangsweise flächendeckende Einführung mit gezieltem Nachweis der Eigenkompostierung lehnen wir schon aus Verhältnismäßigkeitsgründen ab.

Was muss geschehen, um das politisch Gewollte, nämlich eine erhöhte Effizienz bei der Einsammlung und eine bessere ökologische Verwertung des Biomülls, zu erreichen? – Wir sind der Meinung, dass über die bisher eingesammelten rund 50 000 t Biomüll hinaus noch erhebliches

Steigerungspotenzial besteht. Auch die derzeitige Nutzung bzw. Verwertung des Mülls lässt deutlich zu wünschen übrig. So werden nur geringe Mengen Methangas aus Biomüll produziert. Was mit der übrigen Menge geschieht, bleibt im Verborgenen. Es scheint so zu sein, dass die Berliner Stadtreinigung dieses Thema eher verhalten bearbeitet. Richtig ist, die eingesammelte Menge stagniert seit Jahren. Das ist aus unserer Sicht eine Folge der Monopolstruktur für Biomüll in unserer Stadt. Deshalb gehört dieses Monopol abgeschafft. Damit unterscheiden wir uns auch von den beiden Positionen der beiden Anträge.

[Unruhe]

Herr Kollege! Ich darf Sie kurz unterbrechen. – Ich bitte die Linksfraktion, die Gespräche vielleicht woanders stattfinden zu lassen. Es stört hier außerordentlich. – Vielen Dank!

Die Linksfraktion hat die Priorität dieses Themas offensichtlich noch nicht erkannt.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Michael Schäfer (Grüne) – Zurufe von der Linksfraktion]

Die FDP fordert in ihrem Antrag ein Einwirken auf die BSR seitens des Senats. Das impliziert, dass die BSR auch in dieser Angelegenheit die Monopolstellung beibehalten solle – eine sehr seltsame Position für die FDP! Die Grünen fordern die öffentliche Ausschreibung von Sammlung und Transport des organischen Mülls stadtweit oder in Teilgebieten. Damit würde das Monopol lediglich von der BSR auf einen Privaten übertragen. Mit solchen Privatisierungen haben wir im Land Berlin genügend bittere Erfahrungen gesammelt. Wir erachten es für sinnvoll, sich bei dieser Thematik der Logik des Marktes zu nähern. Für Hauseigentümer und Mieter wäre das Aufstellen einer Biotonne dann lukrativ, wenn dadurch ihre Gesamtentsorgungsentgelte sänken. Dies wäre auf einem Wettbewerbsmarkt der Fall, auf dem der Entsorgungsanbieter Hand in Hand mit Unternehmen arbeiten kann, die energetische Verwertung betreiben. Da die energetische Verwertung von Biomüll ein Wachstumsmarkt sein wird, spricht alles dafür, dass die Hauseigentümer selbst in die Lage versetzt werden sollten, darüber zu entscheiden, mit welchen Entsorgungsunternehmen sie die Verträge über das Aufstellen einer Biotonne eingehen. Die Biotonne selbst würde nachgefragt werden, da sie die Gesamtkosten der Müllentsorgung – wie dargestellt – sänke. Sicherlich ist die Frage nach einer verstärkten Nutzung des Bioanteils zur Biogasgewinnung gerade vor dem Hintergrund des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sowohl für den Betreiber als auch für den Kunden von großer Bedeutung.

Nicht zuletzt: Die Erhöhung der Bereitschaft der Bevölkerung, Biomüll entsprechend zu trennen und zu sammeln,

könnte durch verbesserte technische Maßnahmen an den Sammelbehältern nachhaltig gesteigert werden. In diesem Zusammenhang verweisen die Grünen in ihrem Antrag zu Recht darauf, dass die Bioabfallbehälter mit speziellen Filterdeckeln auszustatten sind. Es ist wirklich ein Graus, die organischen Abfälle der Biotonne zuzuführen. Man ist gut beraten, den Einatmungsprozess beendet zu haben, bevor man den Deckel einer solchen Tonne öffnet.

[Beifall bei der CDU]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt von der FDP-Fraktion?

Herr Wilke! Zu dem, was Sie eben zum Wettbewerb gesagt haben: Haben Sie schon einmal Gebührenkalkulationen gesehen, bei denen die Biotonne nicht teurer war als die Restmülltonne, wenn man dies zugeordnet hat, und glauben Sie dann, dass es wirklich realistisch ist, dass es einen Wettbewerb um das Abholen der Biotonne gibt?

Ja, das meine ich schon! Bei einem Wettbewerb sprechen wir nicht mehr über Gebühren.

[Zurufe von Henner Schmidt (FDP) und Joachim Esser (Grüne)]

Ein entsprechender Filterdeckel ist also vorzusehen. Fragen wie die, welche Rolle Laubsäcke künftig in diesem Verfahren spielen sollten, sind eher geeignet, im Fachausschuss beraten zu werden. Jedenfalls scheinen sie meiner Fraktion nicht als Priorität in der Debatte geeignet zu sein. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Wilke! – Das Wort für die Linksfraktion hat Frau Platta.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe ein paar Zahlen zusammengetragen und hoffe, Sie damit zu dieser Tagesstunde nicht mehr zu überlasten. Trotzdem scheint es mir notwendig zu sein, einiges dazu zu sagen.

In der Studie „Analyse und Bewertung der Nutzungsmöglichkeiten von Biomasse“ des Wuppertal-Instituts von 2005 wird für Berlin ein technisches Biogaserzeugungspotenzial von 194 Millionen kWh pro Jahr aus kommunalen Reststoffen ausgemacht. Bei einem Durchschnitts

haushalt – und da kann man nicht von besonders sparsamen Menschen ausgehen – werden rund 3 000 kWh pro Jahr verbraucht. Mit der angegebenen Menge lassen sich also rund 64 670 Haushalte versorgen. Das ist eine Menge, die auch in der Diskussion um Größe und Bedarf für ein Ersatzkraftwerk Klingenberg eine Rolle spielen muss. Biogas gehört – wie vorhin schon erwähnt – zu dem Mix der erneuerbaren Energien. Da lohnt sich das ständige Drängen auf die notwendige schnelle Einführung der energetischen Verwertung unseres Berliner Rohstoffschatzes Biotonne.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Michael Schäfer (Grüne): Drängen Sie mal Frau Lompscher!]

Gerne! – Würde man nur die jetzige Sammelmenge der BSR durch Vergärung zu Biogas ansetzen und die Berechnungsgrundlage des Witzenhausen-Instituts heranziehen – 1 t Bioabfall ergibt ungefähr 150 m³ Biogas gleich 900 kWh Energie –, hätten wir 46,8 Millionen kWh erzeugen können.

Das wäre ausreichend für 15 600 Haushalte.

Es gibt in der Stadt nicht nur die BSR, die Biogut einsammelt. Bei Gewerbe – da sind wir auch wieder beim Wettbewerb –, z. B. Gaststätten und Hotels, die wir zahlreich in der Stadt haben, liegen ebenfalls große Mengen, die energetisch verwertet werden können und zum Teil heute auch schon verwertet werden. Ein Beispiel wäre Bärenmenü – täglich 1 000 Liter Bioabfälle werden in Fürstenwalde vergoren.

[Heidi Kosche (Grüne): Das habe ich nicht verstanden!]

Ich erläutere das gern im Ausschuss. Dazu kommen wir sicher noch einmal.

Die Frage ist heute jedoch, was unsere landeseigene BSR macht. Auf den Beschluss, den das Abgeordnetenhaus in der letzten Legislaturperiode gefasst hat, wo es um die Biogaserzeugung ging, ist Herr Schmidt von der FDP schon eingegangen. Die BSR hat sich dieser Aufgabe inzwischen angenommen. Das wissen wir aus direkten Gesprächen, und in der Drucksache 16/0323 können wir es nachlesen. Die BSR arbeitet derzeit an einem Konzept, um sicherzustellen, dass der eingesammelte Bioabfall zukünftig in entsprechenden Anlagen mit Energienutzung verwertet werden kann. Sie tut es nicht allein, sondern hat sich starke Partner mit Erfahrungen auf diesem Gebiet gesucht – die GASAG und das Fraunhofer Institut.

Die GASAG arbeitet übrigens daran, in Zukunft bis zu 20 Prozent ihres Erdgasanteils durch Biogas ersetzen zu können. Dazu ist derzeit eine Anlage in Rathenow in der Planung, deren Durchsatz bei circa 44 600 Tonnen Biomasse pro Jahr liegen wird, bei einer Investitionssumme von circa 9 Millionen €. Die Fertigstellung dieser Anlage soll im dritten Quartal 2008 liegen. Bei diesen Umsetzungszeiten, von der Planung bis zur Realisierung, sehen Sie, liebe Kollegen von den Grünen, dass Ihre Vorstel

lung, bis Januar 2008 schon etwas Greifbares zu haben, völlig unrealistisch sind. Hier geht es nicht ohne Genehmigungsverfahren und nicht ohne Einwerbung von Fördermitteln. Bundesweit existieren gegenwärtig 75 Anlagen, in denen rund 1,5 Millionen Tonnen Bioabfälle vergoren werden. Hamburg ist auch ein gutes Beispiel, mit einer Anlage mitten im Stadtgebiet.

Manche meinen deshalb auch, in Berlin gehe alles noch zu zögerlich – zu denen zähle ich mich übrigens auch –, aber andere schreien im Chor des Rechnungshofes: Schluss mit der kostenintensiven Sammlung von Bioabfall! Das bringt keinen ökologischen Vorteil gegenüber hochwertigen Abfallverwertungen. – Dabei ist jedem halbwegs gebildeten Prozessbeobachter klar, dass bei einer mechanisch-physikalischen Sortieranlage von Müll mit Anteilen von immer auch feuchten Bioabfällen viel Energie in den Trocknungsprozess gesteckt werden muss, ehe der brauchbare Ersatzbrennstoff herauskommt. Die vorhandene Feuchtigkeit aus dem Biomüll im Vergärungsprozess zu nutzen, wo sie notwendiger Bestandteil ist, ist wesentlich ökologischer.

Frau Platta! Sie müssen jetzt zum Schluss kommen!

[Mario Czaja (CDU): Es ist vorbei, Frau Platta, setzen Sie sich hin!]

Bevor wir den kleinen lebendigen Organismen, den Bakterien, „guten Appetit“ beim Verzehr unserer Bioabfälle und damit bei der Herstellung von Biogas in einer Berliner Anlage sagen können, lassen Sie uns die Anträge im Ausschuss beraten. Sicher ist auch eine Anhörung mit Entsorgern und Anlagebetreibern erforderlich.

Ziel ist eine zeitnahe und ortsnahe Lösung. Der Run auf Bananenschale und Apfelgriebsch wird bei der Sache sicherlich helfen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Platta! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat Frau Kubala.

Meine Damen und Herren! Werter Herr Präsident! Eines kann man festhalten: Beide Ökoprioritäten haben eine Gemeinsamkeit: Sowohl über den Feinstaub als auch über die Biotonne wird bereits lange diskutiert. – Lieber Kollege Buchholz! Eines haben sie auch beide gemeinsam: Es gibt im Ergebnis immer einen hohen Erkenntniswert – durch Modellprojekte, Messungen –, aber der Umsetzungsgrad ist immer sehr gering. Erkenntniswert und Umsetzungsgrad klaffen weit auseinander.

[Beifall bei den Grünen]

Ihre Bemühungen in Ehren, Herr Buchholz, aber so richtig können Sie sich in der Koalition wohl nicht durchsetzen. Vielleicht tun Sie sich einmal mit der Kollegin Platta zusammen. Sie hat zumindest signalisiert, dass es mit der Umweltzone und der Biotonne an der PDS nicht scheitern wird.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Das ist doch schon einmal ein Einstieg.

Zur Biotonne: 175 000 Tonnen pro Jahr werden prognostiziert – übrigens 1997, das ist auch schon eine Weile her. 50 000 Tonnen werden tatsächlich gesammelt. Sie haben soeben den Begriff Klimaschutztonne verwendet. 25 Millionen Kubikmeter Biogas ließen sich in der Tat gewinnen, 50 000 Tonnen CO2 ließen sich durch Biogaseinsatz vermeiden. Warum passiert aber nichts? Nicht eine einzige Biogasanlage haben wir in Berlin. Es ist lange bekannt, dass man damit den CO2-Ausstoß verhindern kann – dann wird die Klimaschutztonne auch wirklich zu einer solchen, ansonsten tritt die Koalition wahrscheinlich den Klimaschutz nur in die Tonne.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]