Protocol of the Session on May 10, 2007

Fragestunde – Spontane Fragestunde

Die Wortmeldungen erfolgen zuerst nach der Stärke der Fraktionen mit jeweils einem Mitglied. Es beginnt der Kollege Kleineidam von der Fraktion der SPD. – Bitte, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Wer veranlasste mit welcher Begründung die Durchsuchungen, die gestern auch in Berlin bei Personen und Institutionen, die sich kritisch mit dem G-8-Gipfel im Juni auseinandersetzen, vorgenommen wurden? Wie steht der Senat zu dem Vorwurf, durch diese Aktion werde der legitime Protest gegen den G-8-Gipfel kriminalisiert?

Herr Kollege Kleineidam! Sie müssen ein konkretes Senatsmitglied fragen. Ich nehme an – wenn Sie mir nicht widersprechen –, dass Senator Dr. Körting gefragt wurde. – Bitte, Herr Dr. Körting!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kleineidam! Wir hatten gestern aufgrund eines Antrags des Generalbundesanwalts und aufgrund von Beschlüssen des Bundesgerichtshofs im Bundesgebiet Durchsuchungen, die zwei Komplexe betreffen: Einerseits handelt es sich um Untersuchungen im Zusammenhang mit einem seit dem Jahr 2001 laufenden Ermittlungsverfahren gegen eine sogenannte militante Gruppe, die sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass sie Pkws u. Ä. in Brand setzt. Andererseits geht es um Vorbereitungen zur Gründung einer terroristischen Vereinigung. – Das ist mir bekannt.

Die Durchsuchungen wurden vom Bundeskriminalamt durchgeführt. In Berlin wurden siebzehn Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt. Berliner Polizei war im Rahmen der Amtshilfe an der Sicherung bestimmter Orte beteiligt, aber nicht an den Durchsuchungen. Die Durchsuchungsbeschlüsse liegen der Berliner Polizei nicht vor. Ich habe einen Durchsuchungsbeschluss aus einer anderen Quelle erhalten.

Bezüglich des Vorgehens gegen Straftäter können wir hier bestimmt schnell einen Konsens herstellen. Das ergibt sich aus dem Gesetz.

Mich beunruhigen einige Kommentare zu dem Verfahren. Wir haben in Heiligendamm einen Weltwirtschaftsgipfel. Es gibt auch hierzulande viele Menschen, die die Globalisierung mit gewissen Ängsten betrachten und zu Recht fragen, ob die Weltwirtschaft den richtigen Weg einschlägt. Ich habe deshalb viel Verständnis für Menschen, die das politisch infrage stellen. Möglichkeiten, seinen Zweifeln Ausdruck zu verleihen, sind nach unserer Verfassung die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Deshalb sollte man Demonstrationen, in denen kritische Fragen gestellt werden, nicht anzweifeln. Demonstrationen – auch nachhaltige – sind nach unserer Verfassung zulässig. Selbst Kampagnen für Demonstrationen sind nach meinem Verfassungsverständnis Teil unserer Demokratie. Wenn Leute meinen, sie könnten ihre Ansicht nicht anders zum Ausdruck bringen, dürfen sie auf die Straße gehen und demonstrieren.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen]

Insofern bin ich über einige Kommentare, die ich heute gehört und gelesen habe und die Demonstrationen und das Infragestellen kriminalisieren, irritiert. Damit tut man den Menschen, die kritische Fragen stellen, Unrecht. Man darf die vielen, die Fragen stellen, nicht mit ganz wenigen, die diese Fragen kriminell untermauern, in einen Topf werfen. Dagegen wehre ich mich und werde mich immer vor die vielen stellen.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Danke schön, Herr Senator! – Der Kollege Kleineidam hat eine Nachfrage. – Bitte schön!

Herr Senator! Gestern gab es eine Demonstration gegen die Durchsuchungen. Können Sie etwas über den Verlauf dieser Demonstrationen berichten? Lassen sich daraus Rückschlüsse über weitere Proteste gegen den G-8-Gipfel ziehen?

Bitte, Herr Senator!

An der gestrigen Demonstration in Berlin haben sich nach Schätzung der Polizei ca. 3 000 Menschen beteiligt. Diese Demonstration bestärkt mich – trotz einiger martialischer Worte, die dabei fielen, und vier Festnahmen – in der Einschätzung, die ich gerade dargestellt habe. Die Menschen haben friedlich demonstriert. Das ist ihr gutes Recht. Es zeigt mir, dass die große Masse, die beim G-8-Gipfel eine andere Auffassung zum Ausdruck bringen will, friedlich demonstrieren will.

Danke schön, Herr Senator! – Ich muss darauf aufmerksam machen, dass Handys im Plenarsaal nicht benutzt werden dürfen. Das gilt auch für nonverbale Botschaften. Wir haben heute ständig Störungen durch Knacken und Brummen. Das belastet uns alle. Bitte nehmen Sie darauf Rücksicht!

Jetzt geht es mit einer spontanen Frage des Kollegen Braun weiter. – Bitte, Sie haben das Wort!

Ich habe eine Frage an den Regierenden Bürgermeister: Wie würdigt der Berliner Senat am 12. Juni 2007 den 20. Jahrestag der Rede des damaligen amerikanischen Präsidenten und Berliner Ehrenbürgers, Ronald Reagan, vor dem Brandenburger Tor, in der er dem damaligen sowjetischen Präsidenten und ebenfalls Berliner Ehrenbürger zurief:

Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!

Bitte, Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Braun! Eine besondere Veranstaltung aus diesem Anlass ist mir nicht bekannt, aber ich gehe davon aus, dass Institutionen und Organisationen, die sich mit dem Thema der deutschamerikanischen Beziehungen beschäftigen, in geeigneter Form eine Würdigung durchführen.

Kollege Braun hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte!

Herr Regierender Bürgermeister! Gibt es irgendeinen politischen Grund, warum Sie diese historisch wichtige Rede des damaligen amerikanischen Präsidenten Reagan nicht würdigen?

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Ist es möglicherweise deshalb, weil er sich als einer der wenigen in dieser Zeit nicht damit abfinden wollte, dass die Welt in zwei Teile – wovon der eine der Kommunismus war – geteilt war?

Herr Regierender Bürgermeister – bitte schön!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Diesen Grund gibt es nicht.

Das Wort hat nun der Abgeordnete Doering von der Linksfraktion zu einer Frage. – Bitte schön!

Ich möchte den Herrn Wirtschaftssenator fragen: Herr Wolf! Sie waren Anfang dieser Woche auf Dienstreise in Boston in den USA und haben dort die Biotech-Messe besucht. Können Sie uns darüber berichten, wie diese Messe verlaufen ist und welche Ergebnisse Sie auf Ihrer Dienstreise erzielt haben?

[Zurufe von den Grünen]

Herr Senator Wolf – bitte schön!

Die „Bio 2007“ in Boston ist – jedenfalls, solange ich anwesend war – erfolgreich verlaufen.

[Heiterkeit – Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich kann jetzt darauf nicht abschließend antworten, weil die Messe wohl erst heute beendet wird. – Diese Messe wird immer größer. Berlin und Brandenburg waren gemeinsam vertreten, und zwar mit einem Auftritt gemeinsam mit allen Biotech-Regionen in der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesrepublik erfährt als BiotechRegion mehr und mehr Aufmerksamkeit. Das ist eine Veränderung gegenüber der Situation noch vor einigen Jahren. Berlin hat mit 170 der ca. 500 BiotechUnternehmen eine hervorragende Position innerhalb der Bundesrepublik.

Ich habe diesen Besuch gleichzeitig genutzt, um zwei Unternehmen zu besuchen, die ihren Sitz in Boston und in Massachusetts haben und die auch hier in Berlin erfolgreich aktiv sind. Das ist zum einen die Firma Gillette, die ihr Headquarter in Boston hat und jetzt von Procter & Gamble übernommen wird. Insofern war es hilfreich, mit der Konzernspitze über die Umstrukturierung im Konzern und die Auswirkungen auf den Standort zu sprechen. Die gute Botschaft ist, dass es keine Auswirkungen auf den Standort geben wird. Der Produktionsstandort Berlin ist für die nächste Zeit gesichert – im Übrigen mit einer hohen Zufriedenheit in Boston.

Zum Zweiten habe ich mit der Konzernspitze von Parexel gesprochen, die in Berlin – das ist möglicherweise vielen nicht bekannt – mittlerweile über 1 000 Beschäftigte haben, hier klinische Studien durchführen und weiter auf Expansion setzen.

Darüber hinaus gab es eine Reihe anderer Gespräche mit Unternehmen, die Interesse am Standort Berlin haben. Hier sind weitere Verabredungen getroffen worden, um dieses Interesse zu konkretisieren. Des Weiteren hatte ich Gespräche mit dem MIT – dem Massachusetts Institute for Technology. Hierbei ging es um eine Verstärkung der Kooperation mit der Technischen Universität und der Charité, und auch hier besteht großes Interesse und ein Potenzial, sodass sich viele Anknüpfungspunkte aus diesem Besuch ergeben, die nun weiter aufgearbeitet und verfolgt werden müssen. Es ist vorgesehen, eine Reihe von Gesprächen demnächst hier in Berlin zu führen, und zwar anlässlich von Gegenbesuchen von Akteuren aus Unternehmen und Institutionen.

Kollege Doering hat das Wort zu einer Nachfrage.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Nein, keine Nachfrage! – Das war ja erfolgreich!]

Bevor wir gleich in der Spontanen Fragestunde fortfahren, habe ich die große Freude, auf unseren Besuchertribünen – dort in den blauen T-Shirts – eine Klasse der PoelchauOberschule – also eines Sportgymnasiums – zu begrüßen.

[Allgemeiner Beifall]

Das ist die Klasse, die vor kurzem die Fußballweltmeisterschaft – Jahrgang 1990/91 – in Chile gewonnen hat. – Herzlich willkommen, unsere Fußball-Weltmeister! Bitte stehen Sie auf, damit wir Sie alle gut sehen können! Herzlich willkommen! Wunderbar!

[Allgemeiner, lang anhaltender Beifall]

Das sind unsere Weltmeister von heute und die FußballWeltmeister von morgen.

Jetzt fahren wir in der Spontanen Fragestunde fort, und der Abgeordnete Schäfer von den Grünen hat das Wort. – Bitte schön!

Danke, Herr Präsident! Meine Frage richtet sich an den Regierenden Bürgermeister: Herr Regierender Bürgermeister! Auch angesichts dessen, dass Sie wohl überlegen, am Large Cities Climate Summit teilzunehmen, frage ich Sie, wie Sie den möglichen Neubau eines klimaschädlichen Kohlekraftwerks hier in Berlin bewerten.

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Das ist eine schöne Frage zu diesem Anlass. Ich meine, dass wir uns die Zeit nehmen müssen, sowohl mit dem Betreiber – mit Vattenfall – wie auch insgesamt klimapolitisch die Diskussion darüber zu führen, wie die Energieversorgung in der Bundesrepublik gestaltet werden soll. Ich unterstelle, dass wir gemeinsam der Auffassung sind, dass ein Ausbau der Atomenergie keine Alternative darstellt. Ich gehe auch davon aus, dass wir im Prinzip der Auffassung sind, dass wir uns insgesamt unabhängiger von den Energiequellen machen müssen, die endlich sind. Zurzeit bewegt sich die Debatte in diesem Spannungsbogen.

Einfach zu sagen, dass das geplante Kraftwerk nicht gebaut wird, ohne zu sagen, was die Alternative sein soll, ist mir zu oberflächlich. Insofern müssen wir das insgesamt mitberücksichtigen. Es geht dann auch nicht um eine isolierte Betrachtung für den Standort Berlin, sondern wir müssen beachten, was im Umland, in der gesamten Bundesrepublik und in Europa passiert. Diese Auseinandersetzung müssen wir führen. Ich habe dazu noch kein abschließendes Urteil, meine aber, dass wir uns die Zeit nehmen sollten, das etwas umfassender miteinander zu diskutieren, statt nur zu fragen: Bist du für das neue, mit Steinkohle betriebene Kraftwerk oder dagegen? – Wir müssen auch die andere Frage mit beantworten: Welche Alternativen gibt es, wenn man nein sagt?