Die Forderung nach einem Jugendparlament weckt häufig zwei Reflexe – das sieht man heute wieder –: Die einen sagen: Nicht jugendgerechte Kopie von Erwachsenenstrukturen –, die anderen sagen – wie Sie, Herr Steuer –: Genau das richtige Instrument, um kontinuierlich und ernsthaft an Politik zu arbeiten. – Ich glaube, dass es überhaupt nicht sinnvoll ist, allein über den Begriff „Jugendparlament“ zu diskutieren, denn der hat die Reflexe im Saal sofort hervorgerufen. Aus meiner Sicht geht es darum, wie dieses Parlament mit Leben gefüllt werden könnte, welche Aufgaben und Rechte es hat. Denn Mitmachen ist nicht gleich Mitmachen, Herr Steuer. Es gibt die Mitsprache – die Jugendlichen erhalten die Möglich
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Uns liegen heute zwei Anträge vor, mit denen sich die CDU für die Einsetzung eines Berliner Jugendparlamentes und die Juniorwahlen einsetzt. Das ist bemerkenswert, meine Herren und Damen von der CDU, denn Sie kümmern sich damit um die Partizipation junger Menschen. Es ist immerhin im September 2005 gewesen, als Sie in diesem Haus als einzige Fraktion gegen die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre für die Wahlen zu den BVVen gestimmt haben – das ist bereits erwähnt worden –,
(D und nicht nur das. Sie wollten als einzige Fraktion in diesem Haus verhindern, dass Jugendliche ab 16 Jahren Einwohneranträge in den Bezirken stellen dürfen,
keit, bei uns im Ausschuss zu sagen, was sie von unseren Vorhaben halten. Das ist aus meiner Sicht zu wenig.
Dann gibt es die Mitwirkung. Das ist die Beteiligung an Beratungsprozessen. Das ist schon etwas mehr. Dann sind sie in den gesamten Prozess eingebunden, entscheiden tun aber immer noch wir. Schließlich gibt es die Mitbestimmung. Das sind festgeschriebene Rechte für eine Beteiligung in diesem Prozess.
Festgeschriebene Rechte, ich weiß nicht, ob Sie so weit gehen wollen, Herr Steuer! In Ihrem Antrag schreiben Sie lapidar:
Das Landesjugendparlament bringt Ideen, Fragen und Konzepte in den politischen Meinungsprozess mit ein.
Zu Ihrem zweiten Antrag: die Juniorwahl. Das soll eine Art simulierte Wahl für die unter 18-Jährigen sein. Die gibt es in der Art schon. Vielleicht kennen Sie das überaus erfolgreiche Projekt U18-Wahl nicht, Herr Steuer, weil Sie von der CDU – soweit ich weiß – noch nie dabei gewesen sind
In diesem Projekt U18 können Jugendliche unter 18 Jahren eine Woche vor der eigentlichen Wahl ihre Stimme abgeben. In Berlin war die U18-Wahl ein solcher Erfolg, dass sie bei der letzten Bundestagswahl bundesweit durchgeführt worden ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob wir dazu eine Konkurrenzveranstaltung brauchen. Ich glaube nicht, dass es eine Juniorwahl, eine U18-Wahl und vielleicht noch eine allgemeine Kinderwahl geben sollte. Wenn überhaupt, sollten wir das zusammenführen. Aber trotz allem: Sowohl die Jugendparlamente, wie auch die Junior- oder U18-Wahlen können die Jugendlichen an Politik heranführen. Aber sie bleiben immer eine Simulation der Realität, sie bleiben immer nur Symbolpolitik.
Echte politische Beteiligung findet nun einmal über Wahlen statt. Wählen oder sich wählen lassen gehört dazu, das aktive und das passive Wahlrecht gehören zusammen. Deshalb werden wir uns auch weiter für eine Absenkung des Wahlalters einsetzen. Auf unsere Initiative ist ein erster Schritt getan worden, und bei der nächs
ten BVV-Wahl dürfen bereits 16-Jährige mitwählen. Das reicht uns aber nicht. Wir wollen, dass auch bei den Abgeordnetenhauswahlen, wenn es beispielsweise um Bildungspolitik geht, unter 18-Jährige wählen dürfen.
dass Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auch 16-Jährigen offen stehen und dass es für die Einwohnerfragestunde zur BVV keine Altersbeschränkung gibt.
Schauen wir uns Ihre Anträge genauer an. Sie wollen jungen Menschen quasi von oben verordnet eine Institution vor die Nase setzen, deren Zusammensetzung, Aufbau und sogar deren Aufgaben Sie bereits genau beschreiben. Ja, Herr Steuer, Sie haben gesagt, Sie haben junge Leute aus der Arbeitsgruppe des Jugendforums mit einbezogen. Ist das ganz Berlin? Sind das die jungen Leute Berlins? – Soviel zu Ihrem Demokratieverständnis. Ihnen geht es um ein künstliches Gebilde, um eine Alibiveranstaltung
ohne die dafür notwendige breite Basis und ohne Biss, denn wirkliche Entscheidungskompetenzen haben die Jugendlichen nach Ihrem Modell nicht. Was soll das Ganze? Weshalb sollten junge Menschen dabei mitmachen? Es tut
Nur noch einige kurze Bemerkungen zur Juniorwahl: Meine Fraktion – und auch der Senat – unterstützen seit
Jahren die Kinder- und Jugendwahlinitiative U18. Das Netzwerk U18-Jugendwahl existiert als freiwilliger Zusammenschluss öffentlicher und freier Träger bereits seit Mitte der 90er Jahre. Auch in diesem Jahr wird sie in Kooperation mit allen zwölf Bezirken wieder stattfinden. Soviel ich weiß, hat das U18-Bündnis bereits die Initiative ergriffen und die Veranstalterin der Juniorwahlen in das Netzwerk der U18-Initiative eingeladen. Das ist der richtige Weg. An einer Unterstützung dieses Projektes besteht kein Zweifel. Wir werden uns hier einbringen, und ich bin überzeugt davon, dass dies auch der Senat tun wird. – Danke schön!
mir leid, meine Damen und Herren von der CDU, aber das Projekt, so wie Sie es wollen, ist zum Scheitern verurteilt.
Das klappt nicht, weder auf der Landesebene noch in den Bezirken, denen Sie es auch verordnen wollen – Beispiel Bezirk Neukölln. Das machen wir so nicht mit. Dafür ist uns das Thema viel zu ernst.
Wir plädieren dafür, dass Mitwirkung und Beteiligung zuerst und vor allem dort stattfinden, wo Kinder und Jugendliche leben: in den Sozialräumen, in den Bezirken, in den Schulen.
Deshalb ist es richtig, dass die Verwaltung mit § 5 AG KJHG die Drehscheibe Kinder- und Jugendpolitik als zentrales Vernetzungs- und Anleitungsorgan für die Kinder- und Jugendbeteiligung in Berlin eingerichtet hat. Diese wie auch die Landesarbeitsgemeinschaft nach § 78 KJHG erarbeiten die Standards für die Koordinierungsstellen und Beteiligungsbüros der Kinder- und Jugendhilfe-Mitbestimmung in Berlin. Das ist Ihnen nicht unbekannt. Auf dieser Grundlage wurden und werden in allen Bezirken Kinder- und Jugendbüros und andere Ansprechstellen für Kinder und Jugendliche eingerichtet. Sie sollen Ansprechpartner für Kinder und Jugendliche sein, sie über ihre Rechte informieren, sie einladen und motivieren, sich für ihre eigenen Interessen einzusetzen und sich in die Politik einzumischen. Die Kinder- und Jugendbüros spielen bei dem Projekt Bürgerhaushalt in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf eine wichtige Rolle. Denn die Beteiligung junger Menschen an der Entscheidung über die Verwendung von Haushaltsmitteln ist von uns politisch gewollt. Ich könnte noch andere Beispiel für die Mitwirkungs- und Entscheidungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in Kitas und Schulen nennen, aber das sprengt den Zeitrahmen.
Meine Damen und Herren von der CDU! Nur auf dieser Basis, von unten, wenn Kinder und Jugendliche es wollen und ihre Vorstellungen Berücksichtigung finden, ist eine erfolgreiche Installierung von bezirklichen Kinder- und Jugendparlamenten möglich, wie es sie in Berlin bereits gibt. Nur auf dieser Basis kann die Einrichtung eines Landesjugendparlamentes gedacht werden, auf breiter demokratischer Basis und in einer Art und Weise, über die die jungen Leute selbst entscheiden sollen.
Im Übrigen haben junge Menschen bereits jetzt die Möglichkeit, sich politisch auf Landesebene einzubringen. In diesem Jahr wird es das 6. Jugendforum im Berliner Abgeordnetenhaus geben, wo junge Leute gemeinsam mit den Abgeordneten über sie interessierende Fragen und Probleme diskutieren. Diese Form der Mitbestimmung sollte beibehalten werden.