Protocol of the Session on January 12, 2006

Gesetz zur Förderung von Beteiligungsrechten für Seniorinnen und Senioren im Land Berlin (Berliner Seniorenförderungsgesetz – BerlSenFöG)

Antrag der CDU Drs 15/4572

Diesen Antrag hatte ich bereits vorab an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz sowie an den Hauptausschuss überwiesen. Die nachträgliche Zustimmung hierzu stelle ich fest. Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Ich eröffne die I. Lesung. Das Wort für die Fraktion der CDU hat Herr Schmidt. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Vorlage unseres Gesetzentwurfs „Berliner Seniorenförderungsgesetz“ lösen wir nicht nur ein Versprechen ein, welches anlässlich des Seniorenparlaments in unserem Haus von unserem Fraktionsvorsitzenden abgegeben wurde, sondern müssen leider auch zum wiederholten Male feststellen, dass von Seiten des Senats nur blumige Worte, siehe die Seniorenleitlinien, kommen, jedoch keine Taten folgen. Bereits Anfang Dezember vorigen Jahres wurde der Antrag der CDU mit dem Tenor „Seniorenpolitik braucht keine schönen Worte, sondern Verlässlichkeit“ im Fachausschuss durch die Mehrheit der Koalition abgelehnt, obwohl – Sie können es im Protokoll nachlesen –, u. a. die Fraktion der SPD hervorgehoben hat, wie wichtig doch die Teilhabe von Seniorinnen und Senioren am gesellschaftlichen, politischen und sozialen Leben in dieser Stadt ist.

Was brauchen wir nun für die älteren Menschen, was braucht diese Stadt? – Wenn man bedenkt, dass nach den heutigen Erkenntnissen und gleich bleibender Entwicklung im Jahr 2020, also in 14 Jahren, bereits jeder zweite Mitbürger über 50 Jahre alt sein wird und dass der Anteil älterer Menschen in unserer Stadt fast ein Drittel der Bevölkerung ausmacht, so muss zwangsläufig darüber nachgedacht werden, wie diese großen Gruppierungen an den Entscheidungen von öffentlichem Interesse entsprechend beteiligt und darin eingebunden werden können. Nicht der durch den Senat formulierte gute Wille, fast in der Form von Almosen, ist das Maß der Dinge, sondern ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Beteiligung für Seniorinnen und Senioren.

Es kann nicht weiter hingenommen werden, dass zunehmend Leistung bis ins hohe Alter verlangt wird, man aber nicht davor zurückschreckt, pausenlos Ältere zu verdrängen, ihre Rechte einzuschränken oder sie sogar zu diskriminieren.

[Beifall bei der CDU – Gram (CDU): Ein wahres Wort!]

Lassen Sie mich Ihnen zum Schluss nun die Aufforderung nach entsprechender Beratung in den Gremien zukommen, die Zustimmung zu unserem Gesetz nicht nur zu erwägen, sondern auch zu vollziehen. Bedenken Sie bitte, dass auch Sie eines Tages hiervon betroffen und sicherlich froh sein werden, dass wir bereits heute gehandelt haben. Begegnen wir den Älteren in unserer Stadt mit dem entsprechenden Respekt und der Achtung, die sie sich nach dem bisherigen Leben verdient und erworben haben, und schaffen mit dem Berliner Seniorenförderungsgesetz die Grundlage für eine adäquate Mitsprache bei der Gestaltung der vor uns oder ihnen liegenden Jahre. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Gram (CDU): Sehr gut!]

Vielen Dank, Kollege Schmidt! – Für die SPD erhält das Wort Frau BorskyTausch. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion darüber, wie die Mitwirkungsrechte von Seniorinnen und Senioren gefördert werden können und wie sie gesetzlich verankert werden sollten, wird in den Mitwirkungsgremien der Senioren, in den Fraktionen und auch in den Parteien seit langem geführt. Es gibt die Forderung, eine bundesgesetzliche Regelung zu schaffen, die auch einen Rahmen für die institutionalisierte Seniorenarbeit setzen soll. Wir wissen aber, dass eine rechtliche Grundlage für eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht gegeben ist und damit die Initiative für ein Seniorengesetz – wir sprechen in diesem Zusammenhang von einem Seniorenmitwirkungsgesetz – in die Verantwortung der Länder gegeben ist.

Sie machen konkrete Aussagen zur Finanzierung. Herr Schmidt, Sie haben schon gerufen, wir mögen uns den komplizierten Fragen der Finanzierung all dessen, was wir gemeinsam fordern, nicht verweigern.

Ich frage mich, warum Sie die Kraft nicht aufbringen konnten, dem zuzustimmen.

Im Seniorenparlament – Herr Schmidt hat darauf hingewiesen – im Juni 2005 haben sich alle Fraktionen des Hauses dafür ausgesprochen, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das zum Ziel hat, die aktive Rolle der Seniorinnen und Senioren im Land Berlin stärker zu fördern. Wir sind uns einig darüber, dass es in einer immer älter werdenden Gesellschaft unverzichtbar ist, das Wissen und die Erfahrung älterer Menschen zu nutzen, wenn es darum geht, die Gesellschaft weiterhin solidarisch fortzuentwickeln, und wir ein aktives Altern, frei von Diskriminierung, möglich machen wollen. Die demographische Entwicklung der Stadt – darauf haben Sie, Herr Schmidt, ausführlich hingewiesen – und die Bereitschaft vieler Berlinerinnen und Berliner, sich noch stärker ehrenamtlich zu engagieren, fordern uns nachdrücklich auf, dieses Engagement stärker zu fördern und vor allem verbindlichere Strukturen für diese Beteiligung zu organisieren.

[Beifall bei der SPD, der CDU und der Linkspartei.PDS]

Auch wenn wir uns in der Bewertung dessen, was die alternde Gesellschaft erfordert, nämlich Beteiligung und Mitwirkung auf eine verlässlichere und verbindlichere Basis zu stellen, einig sind, so sind wir, was die konkrete Ausgestaltung eines Gesetzes betrifft, unterschiedlicher Auffassung über das, was ein Gesetz soll und leisten kann. Tendenzen zur Altersdiskriminierung beklagen viele ältere Menschen – zu Recht, wie ich meine. Es reicht aber nach unserer Auffassung nicht, der Altersdiskriminierung mit viel Text und der Schaffung der neuen Stelle eines Landesbeauftragten, die Sie eben erwähnt haben, Herr Schmidt, entgegenzutreten.

[Zuruf des Abg. Schmidt (CDU)]

Wir setzen darauf, dass wir im Bund in einer großen Koalition das Antidiskriminierungsgesetz erfolgreich auf den Weg bringen, das seit nunmehr drei Jahren im Bundesrat schlummert.

[Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

Damit hätten wir dann auch ein wirksames Mittel gegen Altersdiskriminierung.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Die Arbeit der institutionalisierten Gremien der Seniorenarbeit, bezirkliche Seniorenbeiräte, Landesseniorenbeiräte und die Landesseniorenvertretung sollen im CDUGesetz insbesondere durch die Erhöhung der Anzahl der Mitglieder in den jeweiligen Gremien und die Erweiterung des Mitwirkungsrechts, insbesondere dem Parlament gegenüber, stattfinden. Ob das die Arbeitsfähigkeit der genannten Beiräte – bezogen auf die größere Anzahl ihrer Mitglieder – steigert und ob ein weitgehendes Anhörungs- und Mitwirkungsrecht gegenüber dem Abgeordnetenhaus und dem Senat, wie Sie es festschreiben wollen, rechtlich möglich ist, werden wir in den Ausschussberatungen sehen. Es wird sich zeigen. Wir jedenfalls sehen das kritisch.

[Wansner (CDU): Bravo!]

Gestatten Sie mir da – und das ist kein polemischer Zwischenruf – meine Verwunderung. In den Beratungen zum Haushalt hat die Koalition den Kraftakt aufgebracht und 15 000 € in den Haushalt eingestellt, die genau für diesen Zweck, den Sie hier in Aussicht stellen, verwendet werden sollen.

[Zuruf des Abg. Goetze (CDU)]

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Wansner (CDU): Wir wollten mehr!]

Wir wissen, Seniorenbeiräte und Seniorenvertretungen wirken überall – auf bezirklicher wie auf Landesebene – aktiv. Wir wollen diese aktive Beteiligung nicht missen. Die Koalition wird deshalb – wie wir es auch dem Seniorenparlament zugesagt haben – ein Gesetz einbringen,

[Frau Jantzen (Grüne): Aber bald!]

das die Mitwirkungsmöglichkeiten auf eine breitere Basis stellt, Strukturen der Beteiligungsgremien vereinfacht und transparenter gestaltet, sich dabei am rechtlich Möglichen orientiert, sächliche wie finanzielle Unterstützung der Arbeit sicherstellt und damit letztlich die Mitwirkungsrechte von Seniorinnen und Senioren stärkt.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Beifall des Abg. Brinsa (CDU)]

Danke schön, Frau Kollegin Borsky-Tausch! – Für die Fraktion der Grünen hat nun Frau Kollegin Villbrandt das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch in Berlin wird sich der Altersaufbau der Bevölkerung stark verändern. Die bereits eingetretenen und noch zu erwartenden Veränderungen machen es erforderlich, die Mitwirkungs- bzw. Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung und insbesondere für Seniorinnen und Senioren zu überprüfen und evtl. auch zu verbessern. Mitwirkungs- und Beteiligungsmöglichkeiten gibt es bereits in einigen Bereichen. Viele Individuen, aber auch Gruppen und Organisationen machen davon Gebrauch. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die vorhandenen Möglichkeiten ausreichen, um älteren Menschen heute und künftig die Teilnahme und Mitbestimmung in verschiedenen Lebensbereichen zu sichern und sie vor Diskriminierung zu schützen. Zweitens müssen wir uns auch fragen, ob die Angebote, sich einzumischen und mitzubestimmen, alle Menschen erreichen, und wenn nein, warum nicht. Aus unserer Sicht ist das klar. Die vorhandenen Möglichkeiten zur Mitsprache und Partizipation sind unzureichend. Sie müssen erweitert und mit einem Gesetz abgesichert werden.

[Beifall der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Viele Fragen sind noch offen. Über diese müssen wir – auch nach Vorlage des Senatsentwurfs – im Fachausschuss diskutieren. Wir melden jetzt schon an, dass wir eine Anhörung der Seniorenorganisationen und verbände beantragen werden. Frau Senatorin, legen Sie Ihren Entwurf endlich vor, damit wir diesen gemeinsam

mit dem Entwurf der CDU diskutieren und die Seniorenverbände und -organisationen dazu anhören können! – Schönen Dank!

Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Wenn wir heute über das Thema „Seniorenmitwirkung in unserer Stadt“ diskutieren, ist das auch und vor allem ein Verdienst sehr aktiver Seniorenvertretungen in unserer Stadt. Ich möchte das an dieser Stelle ausdrücklich würdigen.

Andersherum müssen wir feststellen, von den bestehenden Möglichkeiten der Partizipation macht der größte Teil der Berliner Seniorinnen und Senioren keinen Gebrauch. Das sind vor allem arme Seniorinnen und Senioren, Spätaussiedler, Schwule, Lesben, Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund. Kennen diese Menschen überhaupt die vorhandenen Möglichkeiten, oder haben sie andere Gründe dafür, sich nicht zu beteiligen? – Das ist die Frage. Diese Frage müssen wir im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf diskutieren, damit tatsächliche Verbesserungen entstehen, die allen nützen.

[Beifall bei den Grünen]

Im Seniorenparlament war das Landesseniorenmitwirkungsgesetz schon vor zwei Jahren ein Thema. Angekündigt wurde, die Regierung wird an einem Entwurf unter Beteiligung der Seniorenverbände und -organisationen arbeiten. Danach trat eine ausgedehnte Funkstille ein. Die Verwaltung hat, so kündigte die Senatorin zwei Jahre später an, einen Entwurf geschrieben, den sie erst einmal den Koalitionsfraktionen vorlegen wollte. Diskussion und Abstimmung mit interessierten Seniorenorganisationen und verbänden, mit allen Fraktion in diesem Haus sind bei diesem Mitwirkungsgesetz vom Senat nicht gewollt. Es ist absurd, bei dem Gesetz, wo es um die Partizipationsrechte der älteren Menschen geht, dürfen sie nicht mitmachen! Deshalb kann der Opposition nicht vorgeworfen werden, dass sie mit einem eigenen Entwurf kommt.

Nun noch einige Bemerkungen zum Gesetzentwurf: Festlegung des Alters für den Eintritt die Seniorengemeinschaft auf 60 Jahre finde ich zwar persönlich sympathisch, das ist jedoch nicht unumstritten und sollte nicht ohne eine breite Diskussion vollzogen werden. Die Berufung eines Landesseniorenbeauftragten ist eine Forderung, die sehr genau diskutiert werden muss. Die Befürchtung ist berechtigt, dass die Seniorenpolitik dann einer Stelle überlassen wird. Zudem überschnitten sich Tätigkeitsbereiche dieses Beauftragten sehr stark mit den Wirkungsbereichen der Beauftragten für Behinderte und Patienten. Zu überprüfen wäre außerdem, inwieweit der Landesseniorenbeirat die Aufgaben übernehmen könnte, die Sie dem Beauftragten zugedacht haben, z. B. darauf zu achten, dass in Berlin eine nachhaltige, ressortübergreifende Seniorenpolitik gemacht und diese Politik mit Anregungen und Vorschlägen unterstützt wird. Ihr Vorschlag für die Zusammensetzung des Landesbeirats für Seniorinnen und Senioren geht auf den ersten Blick in die richtige Richtung. Für meine Fraktion möchte ich hier aber klar anmelden, dass sich bei den stimmberechtigten Mitgliedern die Vielfalt der Bevölkerung widerspiegeln muss, z. B. mit Vertretern von Organisationen der Einwanderer, Schwulen und Lesben.

[Beifall bei den Grünen]

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Kollegin Villbrandt! – Für die Linkspartei.PDS hat nun Frau Kollegin Simon das Wort. – Bitte schön!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Auch unsere Senatorin hat diese aktive Arbeit nicht nur in der Vergangenheit und aktuell mit sehr vielen Begegnungen und gemeinsamen Sitzungen mit dem Seniorenbeirat unterstrichen, sie hat auch im Rahmen des letzten Seniorenparlaments deutlich gemacht, dass es genau die Seniorinnen und Senioren und ihre Aktivitäten waren, die sie davon überzeugt haben, dass ein Seniorenmitwirkungsgesetz in dieser Stadt ein richtiger Weg und eine richtige Antwort ist.

[Zuruf der Frau Abg. Jantzen (Grüne)]

So ist auch in den Leitlinien, die im letzten Jahr veröffentlicht wurden, dieses Ziel, ein Seniorenmitwirkungsgesetz zu schaffen, enthalten.

Ich möchte kurz darauf verweisen, dass wir uns in der ursprünglichen Diskussion, die auch in unseren Seniorenkreisen in Berlin so geführt wurde, auf ein Bundesseniorengesetz gezielt haben. Aus meiner Sicht hat das Sinn, weil viele relevante Gesetzgebungen – denken Sie an die Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung – selbstverständlich nur auf Bundesebene entschieden werden und deshalb Kompetenz auf Bundesebene für Senioren und Seniorinnen sinnvoll gewesen wäre. Wir werden dieser Forderung nach wie vor Nachdruck verleihen und uns für ein Bundesseniorengesetz einsetzen, obwohl Renate Schmidt, die ehemalige Familienministerin, es weiterhin mehrfach öffentlich u. a. mit Verweis auf rechtliche Bedenken abgelehnt hat.

Heute haben wir einen Vorschlag der CDU vorliegen. Sie alle wissen: Auf Grund der Tatsache, dass sich alle Fraktionen im Seniorenparlament eindeutig für ein solches Gesetz ausgesprochen haben, arbeiten auch unsere Fraktionen in Regierungsverantwortung an einem solchen Vorschlag, und zwar sehr eng angelehnt an einen Vorschlag, den der Landesseniorenbeirat eingebracht hat – um auch hier deutlich zu machen, dass wir diese Arbeiten selbstverständlich respektieren.

Ich habe die große Hoffnung, dass wir noch in dieser Legislaturperiode ein Seniorenmitwirkungsgesetz verabschieden können, das vielleicht eine Pionierrolle für andere Bundesländer wahrnehmen kann, denn wir wären das

Danke schön, Frau Kollegin Simon! – Die Redeliste schließt mit der FDP. Der Kollege Lehmann hat das Wort. – Bitte schön!