Protocol of the Session on October 27, 2005

Bitte fahren Sie fort!

Müssen wegen der Krähen aus Russland unsere Parks und Spielplätze gesperrt werden, wenn sich Scharen von Rabenvögeln in ihnen aufhalten und ihre Schlafbäume verkoten? – Ich glaube, keine verantwortungsvollen Eltern würden ihre Kinder in einer Buddelkiste spielen lassen, die unter einem solchen Schlafbaum steht und mit Vogelkot stark verschmutzt ist, Vogelgrippe hin oder her. Mit gesundem Menschenverstand kann jeder leicht gesundheitlichen Gefährdungen aus dem Weg gehen.

Fakt Nr. 4: Eine Pandemie, also eine weltweite Grippewelle, kann es erst geben, wenn sich zum Beispiel das Vogelgrippevirus so verändert hat, dass es von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Dafür gibt es bislang nirgends auf der Welt einen Anhaltspunkt. Aber die Weltgesundheitsorganisation forscht ständig nach Anzeichen für eine solche Entwicklung. Solange dies nicht eintritt, reichen die bisherigen Schutzmaßnahmen vollkommen aus.

Sollte es aber zu einem Ausbruch eines aggressiven Grippevirus kommen – niemand weiß, ob dies in 3 Monaten, 3 Jahren oder erst in 30 Jahren der Fall sein wird –, dann hat der Senat mit seinem Alarmplan eine gute Grundlage geschaffen, um der Gefahr Herr zu werden. Es muss gewährleistet werden, dass die notwendigen Kräfte von Polizei, Feuerwehr und dem medizinischen Personal als erstes vor den Folgen der Krankheit geschützt werden,

schützt werden, des weiteren sollten Kinder, alte Menschen sowie Menschen mit Immunschwächen unter ärztlicher Kontrolle – Herr Brinsa, Sie haben darauf hingewiesen – mit antiviralen Medikamenten behandelt werden. Nur unter ärztlicher Kontrolle ist dies sinnvoll. Wenn man sich selbst medikamentiert, kann es sogar den gegenteiligen Effekt erzeugen, und man wird anfälliger. Wenn der Erreger identifiziert ist – und erst dann –, gilt es so schnell wie möglich einen Impfstoff zu entwickeln. Das geht aber erst, wenn es solch einen Erreger gibt, was bislang noch nicht der Fall ist. Mit der vorsorglichen Sicherung von Kapazitäten bei Impfstoffproduzenten hat der Senat auch hierfür vorgesorgt.

Somit gelange ich zu dem Schluss: Zum jetzigen Zeitpunkt besteht kein Grund zur Aufregung für die Berliner Bevölkerung. Die Vogelgrippe stellt keine Gefahr für Menschen dar. Wer anderes behauptet, betreibt Panikmache. Für den Fall einer Grippeepidemie ist Berlin gut vorbereitet. Deshalb ist der Antrag der FDP-Fraktion momentan entbehrlich, weil er entweder Schritte fordert, die der Senat bereits unternommen hat, oder solche, die erst im Fall einer wirklich eintretenden Grippewelle sinnvoll sind, in der jetzigen Situation die Bevölkerung jedoch nur noch mehr verunsicherten. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen. – Danke!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Vielen Dank, Herr Kollege Pape! – Es folgt Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat die Frau Kollegin Janzten. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass es keine gute Idee gewesen ist, dieses Thema zum Gegenstand der Aktuellen Stunde zu machen, auch wenn es viele Menschen in der Stadt bewegt.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Die potentiell für den Menschen gefährliche Vogelgrippe weitet sich im Moment nach Europa aus. Die Presseberichterstattung ist verwirrend und widersprüchlich. Viele Menschen sind in der Tat verunsichert und haben Angst. Das Thema der Stunde „Aufklärung statt Panikmache“ ist deshalb zwar aktuell, auch die Vorbereitung auf das eventuelle Auftreten von Vogelgrippe in Berlin ist nötig. Dass Sie, meine Damen und Herren von SPD und PDS, aber die Aktuelle Stunde dafür benötigen, um die Bevölkerung sachlich aufzuklären, ist ein Armutszeugnis für den rot-roten Senat.

[Beifall bei den Grünen und der CDU – Beifall des Abg. Lehmann (FDP) – Klemm (Linkspartei.PDS): Sie gehen zynisch mit den Sorgen und Nöten der Bevölkerung um!]

Drängender und aktueller wäre das Thema gewesen, das wir für die Aktuelle Stunde beantragt haben: „Berliner Senat lässt Jugendliche allein! – Mangel an Ausbildungsplätzen, holprige Schulreform und Jugendliche auf dem Abstellgleis“. Hier haben wir aktuellen Handlungsbedarf,

gerade in den Haushaltsberatungen, und deshalb wäre dies das Thema der Stunde gewesen.

[Beifall bei den Grünen]

Die sachliche Aufklärung über die Risiken der Vogelgrippe und mögliche Vorbeugemaßnahmen, und zwar sowohl diejenigen, die der Senat selbst ergreift, als auch diejenigen, die individuell möglich sind, ist aus unserer Sicht eine originäre Aufgabe des Senats und der nachgeordneten und sonstigen Behörden. Das aber, Frau KnakeWerner, tut der Senat nicht ausreichend, wie ich bei meiner Recherche in Vorbereitung dieses Redebeitrages festgestellt habe. Sie scheinen es offensichtlich lieber der Presse zu überlassen, dass jeden Tag eine Gefahrenmeldung kommt, anstatt selbst die Bevölkerung sachlich zu informieren und zu sagen – worauf Herr Pape richtig hinwiesen hat –, was in der aktuellen Situation nötig ist, wie die Gefahrenlage jetzt aussieht und wie wir uns auf eine mögliche Pandemie vorbereiten, die aber aktuell nicht ansteht. So entstehen merkwürdige Pressemitteilungen wie die, dass Kinder nicht mehr in Parks gehen sollen. Das aber darf nicht passieren.

[Beifall bei den Grünen]

Die Experten der Weltgesundheitsorganisation warnen seit Jahren vor einer weltweiten Epidemie der Vogelgrippe. Auf Bundes- und EU-Ebene sind bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen worden. Es wurde rechtzeitig ein Auftrag an das Robert-Koch-Institut gegeben, einen Influenza-Pandemieplan zu erstellen. Dieser ist im Januar vorgestellt worden. Wenn man sich Pressemitteilungen der Senatsverwaltung ansieht, muss man feststellen, dass in der Zeit eine Information der Bevölkerung nicht stattgefunden hat. Die erste Pressemitteilung des Senats zu dem Themenkomplex trägt die Überschrift „Senat beschloss Beschaffung antiviraler Medikamente zum Schutz der Bevölkerung bei einer Influenza-Pandemie“ und stammt von Ende Juni. Damit haben Sie zwar gezeigt, dass Sie etwas tun, was auch wichtig ist, ein hilfreicher Beitrag zur Aufklärung der Bevölkerung über die Vogelgrippe und die tatsächlichen Risiken jetzt oder später ist dies aber nicht. Auch die folgenden Pressemitteilungen, in denen zum einen die Halter von Ziervögeln und Geflügel und zum anderen die Reisenden und Vogelhalter zu besonderer Aufmerksamkeit aufgefordert worden sind – wir haben gehört, dass ein direkte Übertragungsmöglichkeit bei sehr engem Kontakt besteht –, dienten kaum der Aufklärung. Auf der Homepage der Senatsgesundheitsverwaltung ist zwar das Thema eingestellt, dort finden Sie aber nur Links zum Bundesministerium für Verbraucherschutz und zum Robert-Koch-Institut. Wer außer uns, die sich auf die Aktuelle Stunde vorbereitet haben, Gesundheitsexperten und einigen hoch Interessierten klickt sich wirklich durch die Links und die vielen Texte? – Ich denke, das sind die wenigsten. Auch die Beiträge, die wir hier leisten, werden sich die Menschen in dieser Stadt nicht nachträglich durchlesen, um dann aufgeklärt zu sein.

Besser wäre es, wenn die Berlinerinnen und Berliner auf der Homepage der Senatsverwaltung, aber auch in Informationsschriften direkt darüber aufgeklärt würden,

sachlich und abgestuft, was jetzt und später zu tun ist. Insofern geht der FDP-Antrag aus unserer Sicht in die richtige Richtung. Im Einzelnen muss man über die Inhalte noch einmal genauer reden. Es ist wichtig, dass die Bevölkerung insgesamt adäquat über die Risikosituation informiert wird. Das kann man über Bürgerämter, Volkshochschulen und andere Einrichtungen tun. Besonders wichtig ist es auch, die besonderen Risikogruppen – über Kindertagesstätten, Schulen oder Senioreneinrichtungen – zu informieren. So könnten sie nämlich die durch die Medien zum Teil schon verbreitete Panikmache wieder eindämmen.

Es ist zwar wiederholt darauf hingewiesen worden, aber ich werde es auch noch einmal tun: Fakt ist, dass sich das gefährliche Vogelgrippevirus H5N1 in Europa ausbreitet und auch Berlin davon betroffen sein kann. Fakt ist aber auch, dass diese Infektionsgefahr zunächst nur für alle Vögel gilt oder, wie in der Presse zu lesen ist, für jegliches Federvieh. Eine Übertragung auf den Menschen ist nur bei direktem Kontakt mit den Vögeln möglich. Eine Infektion von Mensch zu Mensch ist bisher nicht nachgewiesen. Das heißt, eine akute Gefahr für Menschen besteht hier nach wie vor nicht.

Nach den Daten der Weltgesundheitsorganisation wurden bislang in vier südostasiatischen Ländern etwa 120 Infektionen bei Menschen nachgewiesen, 62 dieser Patienten sind gestorben. Das ist ein Grund zur Vorsicht, Ängste sollten aber nicht geschürt werden. Ich weise auch darauf hin – das ist bei Frau Simon schon angeklungen –, 60 oder 600 Tote haben nicht die Dimension einer Seuche. Wir dürfen zwar nicht alle Vorsicht von Bord werfen, Vorsicht ist geboten, wir dürfen aber nicht übersehen, dass andere Krankheiten die Menschen, und zwar weltweit, weitaus mehr bedrohen als die Vogelgrippe. Es gibt weltweit jeden Tag Zehntausende Tote durch Hunger, Durchfall, Tuberkulose, Malaria und Aids. Auch in Berlin steigen hier die Zahlen. Allein in Deutschland sterben 15 000 bis 20 000 Menschen in Folge einer schweren Grippe. Selbst eine Krankheit wie Masern ist wieder auf dem Vormarsch. Wir alle tragen die Verantwortung dafür, auch diese Krankheiten einzudämmen, und zwar nicht nur hier, sondern auch in anderen Kontinenten und Ländern, sei es in Afrika, Asien oder Südamerika.

[Beifall bei den Grünen]

Für die Geflügelhalter birgt die Vogelgrippe in der Tat ein großes wirtschaftliches Risiko. Dass sich die Vogelviren mit Menschenviren eventuell zu einem wirklich für die Menschen gefährlichen Erreger kreuzen können, der dann auch von Mensch zu Mensch übertragen werden könnte, ist Grund genug, alle notwendigen Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Wir stecken allerdings in dem Dilemma – das ist angeklungen –, dass wir nicht wissen, ob und wann das Virus mutiert und wie schnell dann ein Impfstoff entwickelt werden kann. Wir wissen auch nicht sicher, ob die antiviralen Medikamente, die viele jetzt haben wollen und vom Senat geordert sind, tatsächlich geeignet sind, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen.

Deshalb ist es wichtig, dass Vorsorgemaßnahmen für Mensch und Tier getroffen und der sich verändernden Gefahrensituation angepasst werden. Dabei sind dann im Einzelfall die Risiken und Nebenwirkungen abzuwägen und das zu tun, was notwendig und verhältnismäßig ist. In erster Linie müssen die Maßnahmen zur Eindämmung des grassierenden Vogelgrippevirus getroffen, also die weitere Ausbreitung durch Verbote, Kontrolle von Importen und Vögeln aller Art, Kontaktvermeidung, Aufklärung und Prävention verhindert werden. Dabei ist ein bundes- und europaweites, sogar weltweites koordiniertes Vorgehen notwendig. Insellösungen machen keinen Sinn.

Es wurden wichtige Maßnahmen beschlossen und getroffen. Das gemeinsame Vorgehen der Länder wird vom Bundesverbraucherschutzministerium und einem Krisenstab koordiniert. Bereits Ende August ist ein Wildvogelmonitoring beschlossen worden. Damit soll das Risiko einer Verschleppung der Viren durch Zugvögel so gering wie möglich gehalten werden. Es gibt ein Importverbot für Eier, Geflügel und Geflügelfleisch, andere Vögel sowie unbehandelte Federteile aus betroffenen Ländern in Asien. Die Reisenden werden informiert, dass sie den Kontakt zu Geflügel vermeiden, Vogel- und Geflügelmärkte nicht besuchen sollen und einiges andere mehr. Ab Samstag gilt auch hier ein – so ein schönes Fachwort, das ich vergessen habe – –

[Zuruf des Abg. Birk (Grüne)]

Jedenfalls muss auch hier ab Samstag das Federvieh in den Ställen untergebracht sein.

Auf Drängen des Verbraucherschutzministers Trittin – wir haben auf Bundesebene doch noch einen gewissen Einfluss – wurde nach dem Tod eines aus Surinam importierten Papageis in Großbritannien ein europaweites Importverbot für Ziervögel erlassen, allerdings vorerst nur bis Ende November. Deswegen ist der Antrag, den wir gestellt haben, dass sich der Senat für ein Importverbot für Wildvögel aller Art einsetzen soll, nach wie vor wichtig und richtig. Wildvögel sind häufig mit krankmachenden Vogelgrippeviren infiziert. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis einer der jährlich 1,76 Millionen in die EU importierten Wildvögel das befürchtete Vogelgrippevirus nach Europa bringt. Die Experten meinen, dass der illegale Schmuggel von Wildvögeln eines der größten Risiken ist, dass die Vogelgrippe hierher importiert wird. Deswegen müssen auch Maßnahmen gegen Schmuggel von Wildvögeln ergriffen werden.

Bleibt als Fazit der Aktuellen Stunde für uns und hoffentlich auch für Sie: Bund und Länder sind aufgefordert, die Verbreitung der Vogelgrippe einzudämmen, die Gefährdungslage jeweils zu verfolgen und daran angepasste notwendige Maßnahmen zu treffen. Der Senat muss in Berlin aktiv und sachlich über mögliche Risiken und individuelle Vorsorgemaßnahmen informieren, statt wie bisher mehr oder weniger auf Panikmeldungen oder Anfragen der Presse zu reagieren. Es muss Schluss sein mit solchen absurden Meldungen, als stünden Park- und Spiel

platzverbote direkt vor der Tür. Leisten Sie alle einen regelmäßigen Beitrag zur Versachlichung der Debatte und zur Aufklärung! Lassen wir die Hühner im Stall und die Kinder weiter auf den Spielplatz!

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Gaebler (SPD)]

Danke schön, Frau Kollegin Jantzen! – Es folgt die FDP. Das Wort hat der Kollege Lehmann. – Bitte schön!

[Gaebler (SPD): Der Panikmacher!]

Na, Herr Gaebler, da gibt es, glaube ich, ganz andere!

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Es ist begrüßenswert, dass Sie selbst das Thema Vogelgrippe auf die Tagesordnung gesetzt haben, denn es wurde höchste Zeit, einmal sachlich darüber zu sprechen. Unseren Antrag dazu kennen Sie. Die Vogelgrippe war erst in Asien – noch viel zu weit weg –, dann im Kaukasus – auch noch nicht dicht genug –. Und irgendwann, als die Einschläge immer heftiger wurden, war immer noch eine recht gelassene Stimmung bei Ihnen. Erst als die Vogelgrippe in Rumänien, in der Türkei und jetzt in England, Schweden und Kroatien aufgetreten ist, werden Sie aktiv und wollen darüber reden. Nun finden wir uns hier in der Aktuellen Stunde zusammen.

Fassen wir einmal zusammen: Schon vor Wochen haben Sie eine entsprechende Presseerklärung herausgegeben. In der Pressemitteilung vom 25. August dieses Jahres werden die Halter von Ziervögeln und Geflügel über die Vogelgrippe aufgeklärt. Das ist sehr löblich. Es wurde auch eine Informationsbroschüre zur Vogelgrippe an die Berliner Veterinär- und Aufsichtsämter übersandt zur Weitergabe an die Berliner Geflügelhalter. Es wurden Merkblätter für Reisende übermittelt in russischer, englischer, deutscher und französischer Sprache. Das alles ist wunderbar. Sie haben allerdings ein paar Menschen vergessen: die ganz normalen Bürgerinnen und Bürger Berlins, die eben nicht mit Geflügel handeln oder exotische Ziervögel halten. Der ganz normale Berliner, die ganz normale Berlinerin wurden vergessen und bleiben schlecht informiert zurück und wissen nicht, was zu tun ist, wenn sich eine Taube in den Hausflur verirrt hat.

[Brauer (Linkspartei.PDS): Tür aufmachen!]

Unter der Rubrik „Aktuell“ war auf der Website der Gesundheitsverwaltung für Gesundheit lange nur „Perspektiven für das Alter: Mit 65 Jahren, da fängt das Leben an?“ zu lesen. Auch das ist ein wichtiges Thema.

[Pewestorff (Linkspartei.PDS): Dem kommen Sie auch immer näher, Herr Lehmann!]

Als es dann vergangene Woche immer kritischer wurde, und die Vogelgrippe schon längst Europa erreicht hatte, verkündeten Sie in einer Pressemitteilung das baldige Erscheinen eines mehrsprachigen Informationsblatts über Schutzmaßnahmen gegen BSE. Ich habe zunächst ge

dacht, ich hätte mich verlesen. Aber dem war leider nicht so. Und das ist Ihre verfehlte Informationspolitik.

[Beifall bei der FDP]

Sie haben tatenlos zugesehen, wie die Menschen panikartig in die Apotheken gerannt sind und sich mit Medikamenten eingedeckt haben. Sie haben tatenlos zugesehen, wie große Tageszeitungen auf ihren Titelseiten fragten, ob wir oder zumindest die Vögel nun alle an der Vogelgrippe sterben müssen. Sie sagen es den Menschen nicht. Ein nach Deutschland eingeschlepptes Virus wäre zunächst nur für das Geflügel eine Bedrohung. Würde die Geflügelpest auch in Deutschland auftreten, müssten Personen – das ist schon gesagt worden – mit engem Kontakt zu kranken Tieren geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen. Dass für die allgemeine Bevölkerung in Deutschland zu diesem Zeitpunkt kein Risiko erkennbar ist, scheint den Menschen niemand gesagt zu haben, denn wir mussten alle beobachten, wie den Apotheken das Tamiflu aus den Händen gerissen wurde.

Tamiflu, ein gutes Stichwort. Herr Brinsa hat es vorhin schon einmal hochgehalten. Für diejenigen, die noch nicht wissen, was es ist: Tamiflu ist ein antivirales Arzneimittel, das bei einer Grippeerkrankung sehr hilfreich sein kann. Es ist sicher kein Allheilmittel, aber es hilft, denn einen Impfstoff für Menschen kann man erst dann entwickeln, wenn die Vogelgrippe, was ich nicht hoffe, auf den Menschen übertragen wurde. Also dieses Tamiflu soll nach Empfehlung des Robert-Koch-Instituts für ca. 20 bis 30 % der Bevölkerung vorgehalten werden, wenn es zu einer ersten Pandemiewelle kommt. Und was macht der Berliner Senat?

[Dr. Lindner (FDP): Nichts!]

Er setzt eine Erkrankungsrate von nur 15 % an und sagt, das würde genügen. Und dann heißt es auf einmal: Tatsächlich sind aber nur für 8 % der Berlinerinnen und Berliner ausreichend Medikamente vorhanden. – Und Sie sagen weiter: Das langt. – Erklären Sie mir das bitte!

[Dr. Lindner (FDP): Hauptsache der Senat!]

Und kommen Sie mir bitte nicht damit, dass die Gesundheitsministerkonferenz ergeben hat, es sei von einer Erkrankungsrate von 15 % auszugehen. Ich finde solche Konferenzen sinnvoll, aber warum drücken Sie die Verantwortung immer weg und lassen andere entscheiden? – Dass bei so einer Informationspolitik Unsicherheiten in der Bevölkerung entstehen, dürfte Ihnen wohl klar sein. Die beste Möglichkeit, Panik zu verbreiten, ist es, ganz laut „Keine Panik!“ zu rufen. Aber das ist genau das, was Sie die ganze Zeit getan haben. Was wir verlangen, ist eine sachliche Aufklärungskampagne, damit es eben nicht zu so bizarren Verunsicherungen kommt, wie es jüngst der Fall war. Nun wollen wir die Vogelgrippe nicht unnötig dramatisieren, [Pape (SPD): Ach!]

aber ich frage mich, warum der Senat nicht ganz sachlich und nüchtern an die Sache herangegangen ist und ein präventives Freilaufverbot für Geflügel erlassen hat. Nein,

Sie haben sich lieber zurückgelehnt und im EU-BundLänder-Gerangel gewartet, bis sich erst die EU und dann der Bund gegenseitig eines schlechten Krisenmanagements bezichtigten und dann ein bundesweites Freilaufverbot erlassen wurde. Berlin hätte wie Bayern schon Tage zuvor gerüstet sein können, wenn die zuständigen Damen und Herren die Brisanz der Lage erkannt hätten.