Protocol of the Session on October 27, 2005

Sie haben sich lieber zurückgelehnt und im EU-BundLänder-Gerangel gewartet, bis sich erst die EU und dann der Bund gegenseitig eines schlechten Krisenmanagements bezichtigten und dann ein bundesweites Freilaufverbot erlassen wurde. Berlin hätte wie Bayern schon Tage zuvor gerüstet sein können, wenn die zuständigen Damen und Herren die Brisanz der Lage erkannt hätten.

Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren sind Gegenstand des Artikels 74 im Grundgesetz. Dies ist die konkurrierende Gesetzgebung, also durchaus ein Sachverhalt, der auf Landesebene geregelt werden könnte. Sie hätten handeln können, haben es aber nicht getan. Haben Sie sich eigentlich vergegenwärtigt, dass eine Pandemie auf uns zurollen soll? – Die Warnungen der WHO sind doch eindeutig. Auch das Robert-Koch-Institut schätzt die Lage als besorgniserregend ein. Besonnenes Handeln zeigt sich sicher nicht in Panikmache, im Schweigen aber auch nicht.

[Beifall bei der FDP]

Wir leben in Berlin auf engstem Raum zusammen, da muss es Ihnen doch auch klar sein, dass die Menschen aus Unwissenheit Angst haben, morgens in die U-Bahn zu steigen, weil sie sich mit einer Grippe welcher Art auch immer anstecken könnten. Sie sagen natürlich: Kein Grund zur Besorgnis, es ist ja nichts passiert. – Nun gut, zwar gab es bislang noch keinen Fall in Deutschland bzw. in Berlin. Aber das Tempo, mit dem sich die Vogelgrippe nach Europa ausbreitet, ist doch beachtlich. Dass der Senat sich in Schweigen hüllt, während sich verstärkt Unsicherheit breit macht, ist nicht hinnehmbar. Wer nichts tut, kann auch nichts falsch machen – das scheint Ihre Devise zu sein. Und das ist die falsche. Ich bin auch froh, dass zu diesem Zeitpunkt noch nichts passiert ist. Ihr Glück, denn sonst säßen Sie heute hier nicht so entspannt herum und würden eine Aktuelle Stunde veranstalten und jede Kritik an Ihrer Politik als Panikmache bezeichnen.

[Klemm (Linkspartei.PDS): Sollten wir denn keine öf- fentlichen Verkehrsmittel mehr fahren lassen?]

Nein, das Problem liegt ganz woanders, und das erkläre ich Ihnen jetzt auch noch. Dass im EU-Bund-LänderGerangel nicht klar ist, wer in solchen Fällen zuständig ist, macht die ganze Sache so heikel. Wir haben in den vergangenen Tagen mit einigen Wissenschaftlern gesprochen. Deren Einschätzung ist leider einheitlich: Um den Zivilschutz in Deutschland ist es schlecht bestellt. Katastrophenforscher bezeichnen Pandemien wie die Vogelgrippe als Großschadensereignisse, die man nicht lokalisieren kann. Das ist ja auch klar, denn niemand kann genau wissen, wann und wo ein infizierter Vogel gefunden werden könnte. An dieser Stelle müssen wir uns als Politiker fragen, wie man solchen Krisenfällen am besten begegnen sollte. Es bedarf eines effektiven Krisenmanagements zur Optimierung von Gefahrenprognosen und angebrachter Prävention. Gezielte Informationen und effektive Entscheidungsunterstützung in solchen Situationen sind unabdingbar. Wir brauchen bei einer drohenden Pandemie natürlich eine akteurspezifische Lage- und Res

sourcendarstellung, damit man überhaupt weiß, was zu tun ist und was geleistet werden kann. Vorrangig sind in einem solchen Fall Kooperation, Koordination und Kommunikation aller beteiligten Organisationen und Institutionen, damit es zu einer richtigen Aufgabenverteilung kommt.

Es ist bekannt, dass es in Deutschland Notfallpläne gibt. Wie effektiv sie sind, wird immer erst sichtbar, wenn der Ernstfall eingetreten ist. Im Vorwege werden aber deutliche Mängel im System des Zivilschutzes sichtbar. Wir haben uns einmal umgehört, was für Programme es im Zivilschutz so gibt. Es gibt bereits das so genannte deNIS-II-Programm, das in Bund und Ländern angewendet wird. Ziel dieses Informationssystems ist es, ein Netzwerk im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes aufzubauen, um das Krisenmanagement bei außergewöhnlichen Gefahrenlagen zu unterstützen. Nur die Entscheidungsträger bei Bund und Ländern, die bei großflächigen Gefahrenlagen die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung einleiten, haben über ein geschlossenes Netzwerk Zugang zu diesem System. Aber wenn man nicht weiß, ob man überhaupt Entscheidungsträger ist, dann wird es schwierig.

Ein letzter Satz: Deshalb fordere ich Sie auf, sich des Themas Zivilschutz intensiv anzunehmen und gegebenenfalls eine geeignete Bundesratsinitiative zur Kompetenzverteilung zu starten. In einem Punkt sind wir uns einig: Das Thema ist zu ernst, um damit politische Geländegewinne zu machen. Deshalb sprechen wir heute darüber, damit etwas passiert, bevor es zu spät ist. Wie wird sich der Berliner Senat bloß erst verhalten, wenn im kommenden Jahr Millionen Gäste während der Fußball-WM in Berlin sein werden?

[Zuruf von der SPD: Absagen!]

Bis dahin muss sichergestellt sein, dass Berlin für jeden Notfall gerüstet ist, sei es die Vogelgrippe oder wer weiß was für eine Epidemie. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Lehmann! – Es folgt die Wortmeldung des Senats. Das Wort hat die Senatorin Knake-Werner. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lehmann! Ihr Beitrag war eindeutig einer in Sachen politischer Landgewinnung. Leider ist er völlig fehlgeschlagen. Ich hätte Ihnen gar nicht zugetraut, dass Sie in der Lage sind, dieses Thema zur Plattform einer so undifferenzierten Senatskritik zu machen. Aber man lernt auch diesbezüglich immer noch dazu.

Das Thema Vogelgrippe beherrscht seit Wochen die Schlagzeilen und beschäftigt natürlich auch die Menschen in unserm Land. Ich will das gar nicht kritisieren, aber bei jedem toten Vogel wird meine Pressestelle bemüht und um Erklärung gebeten, was nun hier wieder passiert ist – ob das eine große Schaufensterscheibe war oder die

Schiffsschrauben auf der Spree. Das Problem, das wir haben – das passiert nicht zum ersten Mal – ist die Fülle an Informationen von allen Ebenen. Stellungnahmen ernannter und selbst ernannter Expertinnen und Experten machen das Problem für viele schlicht undurchschaubarer, und keineswegs haben die Informationen den Effekt, dass es zu mehr Aufklärung gekommen ist. Einzelne Medien – auch das ist heute schon deutlich geworden – betreiben statt Aufklärung Panikmache.

Zum Thema Panikmache – Herr Brinsa, weil Sie meinen Staatssekretär gleich in diese Panikmache einbezogen haben –: Man darf nicht nur die Überschriften lesen. Wenn Sie das ganze Interview gelesen hätten, dann hätten Sie gemerkt, dass der Herr Staatssekretär zur Krisensituation befragt worden ist und darauf geantwortet hat. Er hat im Grunde nichts anderes getan, als die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts wiederzugeben. Das hat in diesem Fall sicherlich zur Aufklärung beigetragen.

Die Aktuelle Stunde gibt uns heute die Möglichkeit, die öffentliche Debatte über die Vogelgrippe zu versachlichen. Nach einigen Auftritten der Opposition ist das nicht mehr ganz so einfach, aber ich will es dennoch versuchen. Ich sehe meine Aufgabe darin, die gefühlte Bedrohung der Berliner Bevölkerung ernst zu nehmen – genau das tun wir – und auf der anderen Seite die tatsächliche Bedrohung auf ihren eigentlichen Kern zurückzuführen. Darum kann es heute nur gehen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Wenn Sie mir vorwerfen, Herr Lehmann, immer geschwiegen, nichts gesagt und tatenlos zugesehen zu haben, dann weise ich darauf hin, dass wir eigens eine Senatspressekonferenz zu diesem Thema gemacht haben, auf der wir die Presse sehr sachlich informiert haben. Ich habe – das darf ich Ihnen als FDP-Vertreter sagen – nicht so viel Einfluss darauf, was die Presse schreibt. Das mag bei Ihnen anders sein. Für uns ist es immer noch durchaus ein Problem.

[Schruoffeneger (Grüne): Ich hoffe, das bleibt ein Problem!]

Insofern werden wir auch weiter Pressekonferenzen, Pressegespräche und dergleichen nutzen. Das ist die Möglichkeit, die Bevölkerung so breit wie möglich zu informieren. Wie denn sonst? – Ansonsten sind wir darauf angewiesen, dass sich die Menschen auch selbst informieren, dass sie auf die vorhandenen Informationsquellen eigenständig zurückgreifen. Diese gibt es in Hülle und Fülle. Ich empfehle noch einmal die Internetseite des RobertKoch-Instituts, die Merkblätter und Informationsmaterialien der Bundesregierung und meines Hauses. Wir haben eine Reihe an Informationen und Merkblättern in diesem Zusammenhang herausgegeben.

[Lehmann (FDP): Aber wann war denn die Pressekonferenz? Ist doch noch gar nicht so lange her!]

Aber ich bitte Sie! Warum soll sie denn schon so lange her sein? Jetzt ist es aktuell. Jetzt diskutieren wir darüber.

Sie wissen genau, wie die Informationslage war. – In der Sommerpause im Zusammenhang mit der Diskussion über das Medikament Tamiflu, über das wir vorhin schon gesprochen haben, hat es eine große Diskussion meiner möglichen Pandemie gegeben. Danach war völlige Ruhe. Jetzt gibt es seit dem ersten Auftreten der Vogelgrippe eine neue Welle. Wir reagieren auf diese Welle, und das ist auch richtig so. Bei der Vogelgrippe – man könnte es auch schlicht Geflügelpest nennen – handelt es sich um eine Tierseuche. Es gibt aus dieser Sicht keine aktuelle Gefährdung der allgemeinen Bevölkerung.

Was ist zurzeit der aktuelle Stand? – Diese Vogelgrippe ist näher gerückt, aber weder Deutschland noch unsere Nachbarländer sind bisher von der Vogelgrippe bedroht oder erfasst. Es gibt Ausbrüche des für Federvieh gefährlichen Virus H5N1 in Drittländern, in der Türkei, in Westrussland, seit neuester Zeit in Kroatien. Wir brauchen deshalb auch keine Insellösungen. Was sind Sie eigentlich für ein Katastrophenschützer, wenn Sie davon ausgehen, dass es in Krisenzeiten eine Berliner Insellösung gibt? – Selbstverständlich sind wir darauf angewiesen, dass es europa- und bundesweit einen abgestimmten Plan gibt. Deshalb war es auch richtig, dass das von der Bundesregierung und auf der europäischen Ebene sofort so angelegt ist. Im Krisenstab des Bundes waren wir als Land Berlin selbstverständlich vertreten. Es wurde ein sofortiges Einfuhrverbot jedweder Geflügelprodukte und Federn – und was sonst damit in Zusammenhang steht – verhängt.

Wie groß ist das Risiko des Einschleppens der Vogelgrippe durch Zugvögel? – Im Moment wird es zwischen mäßig und hoch eingeschätzt. Insofern ist es auch richtig, dass eine Reihe von Verordnungen bundesweit in Kraft gesetzt worden ist. Es ist angeordnet worden, dass das Geflügel in die Ställe kommt. Es ist erlaubt, Maßnahmen zu schaffen, die zum Himmel hin abgedeckt sind. Es gibt Ausnahmeregelungen für Zoo und Tierpark – im Übrigen haben wir uns schon sehr früh um Zoo und Tierpark gekümmert –, die auch selbst ein Interesse daran hatten, ihre verendeten Tiere virologisch untersuchen zu lassen, um jede Gefahren auszuschließen. Es wird darüber diskutiert, ob überregionale Geflügelausstellungen untersagt werden sollten. Das ist in den Ländern sehr umstritten. Da gibt es einzelne Entscheidungen der Länder. Insgesamt gibt es nach Einschätzung der Mehrheit keine Notwendigkeit, insgesamt eine Verbotsanordnung zu treffen. Es wird zurzeit darüber diskutiert, ob es eine Impferlaubnis für zoologische Einrichtungen geben soll. Ich glaube, dass es richtig ist, eine bundesweite Entscheidung abzuwarten.

Für Berlin ist nach wie vor das größte Risiko die Einfuhr, insbesondere die illegale Einfuhr. Das Einfuhrverbot wird nach der neuen Risikoeinschätzung über den Zug der Zugvögel weiter aufrechterhalten. Wir müssen jetzt gerade in Berlin sehen, wie es am allerbesten gelingt, die illegale Einfuhr unter Kontrolle zu bekommen. Am Flughafen wird schon seit geraumer Zeit scharf kontrolliert. Wir haben inzwischen mobile Kontrollteams eingerichtet, die

auch den Bus- und Zugverkehr in den Blick nehmen. Einbezogen sind dabei der Zoll und die Veterinär- und Lebensmittelämter unserer Bezirke. Wir haben für den Reiseverkehr Merkblätter über die Gefahren der Vogelgrippe und die Verbote in verschiedenen Sprachen herausgegeben. Wir haben mit dem Türkischen Bund verhandelt, um die Migrantinnen und Migranten über die türkische Community zu informieren. Das ist auch der richtige Weg, dass wir sozusagen ein Schneeballsystem an Informationen in Gang setzen, weil es häufig viel wirkungsvoller ist, wenn aus den eigenen Zusammenhängen informiert wird. Das finde ich sehr gut so.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Vielleicht noch ein Wort zu Berlin: Wir haben ganze 7 000 Geflügel in Berlin. Das ist eine relativ übersichtliche Zahl. Wir haben nur drei Betriebe – da sind Zoo und Tierpark eingeschlossen –, die eine Größenordnung von Geflügel oder Federvieh haben, die besonderer Beachtung bedürfen. – Insofern kann man das in Berlin schon sehr genau kontrollieren. Die Lage ist hier sehr übersichtlich.

Zum Thema Tauben – eine beliebte Frage, die auch Herr Lehmann aufgegriffen hat: Unsere Expertinnen und Experten sind sich bundesweit einig, dass die Tauben nicht als Überträger gelten beziehungsweise sogar als resistent in Bezug auf das Vogelgrippevirus angesehen werden. Deshalb wird eingeschätzt, dass von Tauben keine Gefahren ausgeht.

Nun zu der Frage, ob Grünanlagen oder Parks gesperrt werden müssen: Liebe Frau Jantzen! Hier muss ich darauf hinweisen, dass die Ihrer Partei angehörende Stadträtin im Bezirk Mitte, Frau Dubrau, mit einem entsprechenden Brief solche Meldungen – sogar mit Falschmeldungen über München und andere Regionen der Bundesrepublik versehen – in die Presse lanciert hat. Das war eine völlige Fehlmaßnahme. Richtig ist es, sich damit sachlich auseinander zu setzen. So hat es aber in der Tat keinen Zweck. Hier gilt, was für den Aufenthalt im Freien, in Parks – insbesondere mit Kindern – immer gilt, dass man die üblichen hygienischen Regeln einhalten sollte.

Hinsichtlich der Information, es gäbe bereits die ersten Notschlachtungen in Berlin, kann ich nur feststellen, dass es sich hierbei wirklich um Panikmache handelt. Die Domäne Dahlem hat in der Tat begonnen, ihr Federvieh zu schlachten. Dies wurde aus wirtschaftlichen Erwägungen so entschieden: Statt wie vorgesehen in vier Wochen haben sie die Tiere bereits jetzt geschlachtet. Auch hier ist mehr Augenmaß ratsam: nicht desinformieren, sondern aufklären. Ich denke, Berlin ist gut gerüstet, die Vogelgrippe von den Nutz- und Ziervögeln fernzuhalten.

Was passiert aber, wenn es tatsächlich zu einem ersten Fall der Vogelgrippe in Berlin kommt? – Herr Brinsa, Sie haben dies gefragt und wollen eine Antwort darauf haben. Wenn ich Ihnen dies aber berichte, werfen Sie mir sicher wieder Panikmache vor, denn ich würde über Mundschutz reden und darüber, dass große Versammlungen wie Theater abgesagt werden müssten. Man müsste die Beschrän

kung des Personenverkehrs aus befallenen Gebieten vorsehen. Man müsste Reinigung und Desinfektion – genau dies ist eingeplant – vorsehen. Wir müssen uns auch darüber Gedanken machen, wie es gelingt, die befallenen Geflügelbestände im Bedarfsfall sofort zu töten. Dafür sind 6 Veterinäre festgelegt worden. Für sie ist auch eine besondere Schutzkleidung beschafft worden, so dass wir davon ausgehen, dass wir sehr schnell und wirkungsvoll handeln können.

Ist die Vogelgrippe für Menschen gefährlich? – Auch das ist hier bereits mehrfach thematisiert worden. Alle gehen davon aus, dass dieses Vogelgrippevirus nur in extremen Ausnahmefällen für Menschen gefährlich ist. Insofern ist die immer wieder – auch in den Nachrichtensendungen – bemühte Formulierung, dies sei ein Virus, das für die Menschen gefährlich sei, unangemessen. Zu einer Gefahr kann es nur dann kommen, wenn dieses Virus mutiert und wenn es dann auf Menschen trifft, die selbst Influenzaviren in sich tragen. Nur in diesem Fall besteht die Gefahr der Ansteckung und der Übertragung von Mensch zu Mensch, die es bisher weltweit noch nicht gibt.

Wenn sich diese Tierseuche in Deutschland ausbreiten würde, hieße dies aber nicht, dass das Entstehen einer Pandemie wahrscheinlicher wird. Nach Expertenmeinung besteht die Gefahr einer solchen weltweit bedrohlichen Virusmutation vor allem im asiatischen Raum. Frau Simon hat völlig recht, wenn sie sagt, es sei eine Verantwortung der Weltgemeinschaft, dazu beizutragen, dass in diesen Ländern mehr zur Vorbeugung beizutragen und Sicherheit möglich ist. Dazu gehörte eine solidarische Finanzierung solcher Maßnahmen.

Nun gehen trotzdem – diese Diskussion haben wir unter anderem im Zusammenhang mit mündlichen Anfragen bereits geführt – Experten davon aus, dass es zu einer weltweiten Grippeepidemie, wie es sie bereits in den letzten Jahrzehnten gegeben hat, kommen kann. Deshalb sorgen die Länder vor, und deshalb gibt es einen nationalen Pandemieplan. Dieser nationale Pandemieplan schließt Berlin ein, mit den ganz speziellen regionalen Vorsorgemaßnahmen. Es wird im Falle der Katastrophe immer so sein, dass national gehandelt werden muss und für Berlin der Krisenstab, der Katastrophenstab, der beim Innensenator angesiedelt ist, handeln muss. Dies geschieht unter Einschluss dessen, wofür die Senatsverwaltung für Gesundheit verantwortlich ist. Genauso funktionieren unsere Abläufe, und wir haben bereits eine ganze Reihe guter Erfahrungen sammeln können.

Berlin hat sich bei der Erarbeitung des nationalen Pandemieplans maßgeblich einbringen können. Denn wir haben hier bereits Erfahrungen gemacht. So haben wir umfangreiche Vorbereitungen in Bezug auf bioterroristische Anschläge getroffen. Ich erinnere daran, dass auch die Pockenpandemie bereits ausführliches Thema war. Alles in allem sind sowohl bundesweit, aber auch in Berlin ausreichend Vorbereitungen getroffen.

Der nach wie vor wirksamste Schutz ist die vorbeugende Impfung. Den Impfstoff gibt es bisher noch nicht, da das Virus nicht identifiziert ist. Erst wenn es zu einer ersten Ansteckung kommt, ist dies möglich. Wichtig ist es, dass Produktionskapazitäten vorhanden sind, falls das Virus bekannt wird. Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung hier die Verantwortung übernommen hat. Sie sorgt mit 20 Millionen € dafür, dass ein Prototyp entwickelt wird, der dann hoffentlich auch von dem zuständigen Paul-Ehrlich-Institut genehmigt wird. Damit werden die Unternehmen auch aufgefordert, entsprechende Produktionskapazitäten zu schaffen, damit 160 Millionen Impfdosen – so viele sollen dann hergestellt werden – produziert werden können.

Was hat Berlin getan? – Auch hier gibt es sehr unterschiedliche Einschätzungen. Herr Lehmann, die Gesundheitsministerkonferenz war ein wichtiger Meilenstein in der Entscheidung darüber, wie die Länder vorsorgen wollen. Ich will Sie darüber informieren, dass ein einziger FDP-Minister auf dieser Konferenz war und dieser sich dadurch ausgezeichnet hat, dass er überhaupt nichts für sein Land ordern wollte. Wir haben ihn letztlich in das gemeinsame Boot bekommen, aber er gehört immer noch zu denjenigen, die am wenigsten Medikamente anschaffen.

Berlin hat klare Kriterien aufgestellt, in welchem Umfang es sich mit dem Medikament Tamiflu bevorraten will. Wir haben für 2,2 Millionen € diese Medikament geordert, und wir sagen, was wichtig ist. Wenn wir überhaupt davon ausgehen, dass dieses Medikament eine therapeutische Wirkung hat – bezogen auf die Grippe –, dann soll es vor allem bei den Risikogruppen und den Gruppen eingesetzt werden, die dafür Sorge zu tragen haben, dass im Falle einer Epidemie bzw. einer Pandemie die öffentliche Ordnung, die geordnete Verteilung der Medikamente und die Infrastrukturmaßnahmen gesichert sind. Gruppen wie die Polizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz oder das Gesundheitswesen müssen behandelt werden können, damit ihre Einsatzfähigkeit erhalten bleibt. Das ist der wichtige Punkt dabei. Darauf haben sich die Länder beschränkt, und das ist gut und richtig so.

Alle Berliner Krankenhäuser sind vorbereitet. Alle wissen über die Krankenhausbetriebsverordnung, dass Isolierstationen einzurichten sind. Wir haben mit unserem Hochsicherheitstrakt der Seuchenabteilung zusätzlich in Berlin eine wirklich gute Möglichkeit, infizierte Menschen zu isolieren. Auch hier gibt es aus meiner Sicht überhaupt keine Veranlassung, in Panik zu geraten oder gar uns zu unterstellen, wir hätten uns nicht ausreichend vorbereitet. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben bereits im Zusammenhang mit einer möglichen Pockenepidemie klar festgelegt, um welche Kliniken und um welche Betten es geht. Wir haben festgelegt, welche Ärzte wo impfen. Wir haben 136 Impfstellen ausgemacht. All diese Vorbereitungen gibt es, und wir haben selbstverständlich Handlungs- und Verhaltenshinweise für die Berliner Bevölke

rung im Falle einer Pandemie vorbereitet. Da gibt es nicht viel, was noch zu verbessern und zu qualifizieren wäre. Für alle konstruktiven Vorschläge sind wir offen. Wir würden diesen sicherlich auch gern folgen, aber so richtig konstruktiv waren die heutigen Vorschläge nicht.

Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass die allgemeine Vorsorge wichtig bleibt. Es lohnt sich, sich gegen Grippe zu impfen. Wir wissen, dass das zurzeit sehr viel mehr Menschen tun. Eine solche Impfung eröffnet immer die Chance, einen unkomplizierteren Verlauf von Influenza zu haben. Der Impfstoff ist im Moment ausgegangen oder steht erst Ende November wieder zur Verfügung, weil sich sehr viel mehr Menschen gegen Grippe impfen lassen. Ich persönlich finde das hervorragend. Das ist genau der richtige Weg, und ich hoffe sehr, dass sich die ständige Impfkommission

[Dr. Lindner (FDP): Ständige Impfkommission!]

auch dafür einsetzen wird, dass nicht nur Risikopatienten kostenlos geimpft werden, sondern dass das auch für alle anderen gilt. Die einzelnen Krankenkassen tun das im Übrigen schon jetzt. Insofern sollte man diese Möglichkeit unbedingt nutzen.

Lassen Sie mich einen letzten Satz zu dem Medikament Tamiflu sagen! Sie haben kritisiert, dass wir das nicht ausreichend anschaffen. Das RKI sagt, man müsse 20 % anschaffen. Das sind willkürliche Annahmen. Ich gebe zu: Bayern schafft sehr viel mehr Tamiflu an. In Bayern – das sage ich auch ganz klar – produziert La Roche, und ich beziehe mich gern auf den Hinweis von Herrn Brinsa: In der gesamten Auseinandersetzung um die Vogelgrippe und die mögliche Gefährdung von Menschen spielt die Pharmaindustrie keine unerhebliche Rolle. Ich möchte zumindest den kleinen Hinweis geben, dass sich der Aktienkurs von La Roche in den letzten Monaten um 55 % erhöht hat. Da klingelt es in der Kasse. Auch das darf man an der Stelle ruhig einmal sagen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD – Beifall des Abg. Brinsa (CDU)]

Abschließend ist Folgendes festzuhalten: Die gesundheitlichen Gefahren für die Berliner Bevölkerung sind äußerst gering. Sie bestehen nicht nur nach meiner Einschätzung nicht. Man kann alle Geflügelprodukte weiter verzehren – ob das Eier sind, ob das Geflügelfleisch ist. Bei allem, was über 70°C gegart ist, wurde der Virus sowieso vernichtet. Ich bin davon überzeugt, dass Berlin für den Fall der Tierseuche, aber auch für weitere bedrohliche Entwicklungen sehr gut aufgestellt ist.