Protocol of the Session on June 16, 2005

[Zuruf der Frau Abg. Senftleben (FDP)]

Ich kann es wirklich nicht mehr hören. In Hessen werden die Gymnasien – da regieren Sie mit – mit 98 % Ausstattung gefahren. Das ist die Realität. So!

[Frau Senftleben (FDP): Da regieren wir nicht!]

Jetzt kommt der nächste Punkt: Wir hatten – – Ja, Sie sehen, Kollege Sarrazin, ich bin durchaus auch in manchen Fragen auf gewissem Realitätskurs.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der PDS]

Ja! Ist so! – Herr Kollege Schruoffeneger. Ich bin Ihnen für die Frage dankbar. Der Fakt war, dass wir im vergangenen Schuljahr 109 % Ausstattung hatten, weil wir – Sie wissen das – Überhänge haben, weil die Schülerzahl geringer ist und die Lehrer erfreulicherweise länger im Dienst bleiben. Ich gebe Ihnen gleich zu, trotzdem hatten wir Unterrichtsausfall. Nebenbei bemerkt: Berlin ist das einzige Bundesland, das so systematisch Unterrichtsausfall, Vertretung, fachgerechte Vertretung überhaupt erhebt. Die anderen Bundesländer machen einmal, wenn es dem Kultusminister gefällt, eine Stichprobe und sagen: Kinder, das war es! – Übrigens im Vergleich zum angeblichen Musterland Baden-Württemberg liegt unsere Ausfallquote exakt auf dem gleichen Punkt. Ich halte das nicht für toll. Ich finde nur, man muss sich ein bisschen an dem orientieren, was real möglich ist. Sie wissen als Praktiker: Es wird niemals zu erreichen sein, dass jeder Unterricht zu jeder Zeit in einer Schule gegeben wird, selbst wenn Sie mit 120 % ausstatten.

Ich strebe aber sehr an, dass wir den Ausfall weiter reduzieren. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Fast 50 % des Unterrichtsausfalls kommen von ganz wenigen Schulen. Es gibt Schulen mit gleicher Ausstattung, die viel weniger Unterrichtsausfall haben. Woran liegt das? – Das liegt offensichtlich daran, dass in den einzelnen Schulen unterschiedlich organisiert wird. Dem muss man nachgehen.

Jetzt komme ich zu den Dauerkranken, Langzeiterkrankten: Da Sie Experte sind, wissen Sie, dass bei dieser Zahl 720 – glaube ich – statistisch etwas unter Dauererkrankung erfasst wird, worüber wir uns alle erfreuen können, über eine Dauererkrankung nicht, aber über eine Schwangerschaft. Das heißt, Sie müssen erst einmal von den 720 – – Ich jedenfalls freue mich darüber, dass es Schwangerschaftsvertretungen, Mutterschutz bei Berliner Lehrerinnen gibt. Sie müssen 120 schon wegzählen. Dann sind Sie etwa bei 600. Dann gibt es bei diesen 600 – – Dauerkrank heißt, dass eine Lehrkraft länger als drei Monate nicht zur Verfügung steht. Da gibt es das so genannte

Hamburger Modell, das heißt, bei schweren Erkrankungen wird immer wieder versucht, die Lehrkräfte temporär im Unterricht einzusetzen. Das finde ich richtig.

[Beifall bei der SPD]

Sie wissen, jede Stelle wird mit 45 000 € etatisiert. Das ist Geld, was wir hier in die Hand nehmen, wie ich finde, zu Recht, weil Bildung eben Priorität hat.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Bei allen Vergleichen mit anderen Bundesländern müssen Sie berücksichtigen, dass wir bundesweit die höchsten Ausfallquoten durch Erkrankungen haben. Herr Böger! Langer Rede kurzer Sinn: Sie beabsichtigen – wenn ich Sie richtig verstanden habe, das ist die Frage: Habe ich Sie richtig verstanden? –, die bisherige Schüler-Lehrer-Relation um 4 % zu verschlechtern, und haben die Hoffnung, dass es trotzdem weniger Unterrichtsausfall geben wird als heute. Wie machen Sie das?

Herr Senator Böger!

Nein, ich beabsichtige nicht, Herr Abgeordneter Schruoffeneger, die Schüler-Lehrer-Relation zu verschlechtern. Das sind noch andere Komponenten. Vielmehr beabsichtigt der Senat – auch das ist finanziert und durchgesetzt –, in den Anfangsklassen 1 und im kommenden Jahr in den Anfangsklassen 2, in den Klassen, in denen wir mehr als 40 % Kinder nichtdeutscher Herkunft haben, die Einrichtungs- und Zuweisungsfrequenz für Lehrer von 24 auf 20 zu senken. Was wir dort beabsichtigen, ist eine Verbesserung und keine Verschlechterung. Insofern stimmt dies nicht.

[Mutlu (Grüne): Was ist mit den Förderklassen, die Sie abgeschafft haben?]

Herr Mutlu! Sie wollten mir bereits ein Zeugnis überreichen, hatten bisher nur noch keine Gelegenheit.

Sen Böger

Diese Informationspflicht geht sogar so weit, dass jedem betroffenen Grundstückseigentümer vorab zu einer beabsichtigten Maßnahme, die die BVV, das Bezirksamt oder das Abgeordnetenhaus vorschlagen, mitgeteilt werden muss, ob und in welchem Umfang ein Ausbau oder eine Erneuerung vorgesehen ist und ob und in welchem Umfang dies für ihn eine Belastung bedeuten würde.

Es gibt im Rahmen dieser Planung die Verpflichtung, dazu beizutragen, dass Alternativen vorher vorgestellt werden. Diese Verpflichtung richtet sich an die Behörde, die einen solchen Vorschlag macht. Sie können davon ausgehen, dass es bei den Betroffenen in den Bezirken eine breite Information und eine breite Möglichkeit der Einflussnahme gibt.

So sind zum Beispiel von vornherein die Breiten für Wege, die Breiten für Straßen festgelegt, auch hinsichtlich der Beitragsfähigkeit und der Beitragsnotwendigkeit.

Ich gebe Ihnen jetzt ein Zeugnis: Zwischenrufe nicht gut! Da müssen Sie sich schon melden. Kommen Sie ruhig her, damit Sie das Zeugnis los sind.

[Mutlu (Grüne) übergibt Senator Böger ein großformatiges Schriftstück.]

Das ist ja wahnsinnig spannend. Vielen Dank, Herr Mutlu, das ist unglaublich einfallsreich. – Herr Mutlu gibt die Einheitsnote „ungenügend“. Vielen Dank, Sie sind ein differenzierender Kollege. – Hoffentlich sind Sie nun etwas ruhiger, nachdem Sie immerzu dazwischen gerufen haben, weil Sie etwas abgeben wollten.

Nun zur Frage zurück: Herr Kollege Schruoffeneger! Ich erlebe Sie als ernst zu nehmenden Partner im Hauptausschuss. Ich appelliere deshalb an Sie: Sie können nicht bei allen Punkten immerfort nach dem Vergleich mit anderen Bundesländern fragen und mir dann vorhalten, dass, wenn ich in einem Bereich deutlich darüber liege – was ich gut finde und Ausdruck von Priorität ist –, dies ein Fehler sei beziehungsweise nicht hoch genug sei. Ihre richtige Fragestellung hätte sein müssen: Warum liegt der Krankenstand in Berlin generell so hoch? Wollen wir dort nicht gemeinsam etwas tun, damit er niedriger wird?

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Senator! – Jetzt geht es weiter mit dem Kollegen von Lüdeke von der Fraktion der FDP. – Bitte schön, Herr von Lüdeke!

Ich habe eine Frage an die Senatorin Junge-Reyer: Welchen Bearbeitungsstand hat das vom Senat angekündigte Straßenausbaubeitragsgesetz, und wann ist mit der Gesetzesvorlage zu rechnen?

Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf ist fertig. Es gibt letzte Beratungen, und ich gehe davon aus, dass wir in wenigen Wochen einen Beschluss fassen können.

Eine Nachfrage des Kollegen von Lüdeke. – Bitte!

Frau Junge-Reyer! Welche Änderungen gibt es gegenüber dem Referentenentwurf vom Februar, und sind inzwischen Mitbestimmungsrechte für die Grundstückseigentümer vorgesehen? Können Sie ausschließen, dass weiterhin Grundstückseigentümer für die Erneuerung abgenutzter Verkehrsanlagen aufkommen müssen?

Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr von Lüdeke! Ich danke Ihnen ausdrücklich für diese Frage, gibt

sie mir doch Gelegenheit, noch einmal darzustellen, dass von Anbeginn – und zwar bereits in dem ersten Entwurf, auf den ich maßgeblich Einfluss genommen habe – die breite Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, ja ein Informationsrecht und für die Behörden eine Informationspflicht, vorgesehen ist.

[Dr. Lindner (FDP): Aber keine Mitbestimmung!]

[Dr. Lindner (FDP): „Mitbestimmung“ war die Frage!]

Sie sehen also, Herr von Lüdeke, dass dies ein außerordentlich modernes Gesetz ist, das den Gedanken der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und ihrer möglichen Einflussnahme auf die Maßnahmen von Verwaltungen und Politik bereits im Paragraphen 2 des Gesetzes zum Gegenstand einer Befassung macht.

Danke schön, Frau Junge-Reyer! – Meine Damen und Herren! Die erste Runde nach der Stärke der Fraktionen ist damit beendet. Nun können wieder die weiteren Meldungen im freien Zugriff berücksichtigt werden. Ich eröffne diese Runde wie immer mit einem Gongzeichen.

[Gongzeichen]

Frau Senftleben beginnt, und ihr folgt Herr Tromp. – Bitte schön, Frau Senftleben!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator Böger! Nachdem Sie uns soeben das Berliner Schulsystem als bundesweit in vielen Bereichen einmalig dargestellt haben, habe ich diese Frage an Sie : Ist Ihnen bekannt, dass ein Schulsenator von Grundschulen eines Berliner Bezirks ein bildungspolitisches Zeugnis erhalten hat, in dem vier wesentliche Bereiche – Planung und Organisation, Stundenausstattung und Förderung von Integrationskindern, Einbeziehung der Schulpädagogen und Eltern – allesamt als ungenügend bezeichnet wurden?

[Brauer (PDS): Das hat Frau Senftleben geschrieben!]

Aber es ist auch eine Banalität, dass Eltern in der einen oder anderen Sicht die Dinge anders sehen als derjenige, der eine Gesamtverantwortung trägt. Ich fand dieses Urteil der Eltern aus Kreuzberg sehr instruktiv, weil es die durchgehende Note „6“ gibt. Das ist wunderbar. Ich nehme immer dann Hinweise ernst, wenn sie gekonnt und differenziert sind. Dieses Zeugnis halte ich für plakativ und für Kreuzberg völlig unzutreffend. Ich sage noch einmal: Kreuzberg ist in einer Art und Weise ausgestattet, dass kein Anlass für Beschwerden besteht.

Ich nehme dies zur Kenntnis, nehme aber nicht an, dass es sich dabei um ein Gesamturteil handelt. Diese Gesamturteile über Bildungspolitik und bildungspolitische Leistungen werden übrigens an anderer Stelle gegeben. Wir werden sehen, wie sich dies darstellt.

Ich habe eine Frage an den Senator für Finanzen, Herrn Sarrazin: Herr Senator Sarrazin! In Ihrer Funktion als Aufsichtsratvorsitzender der BVG müssten Sie auch über das Beschwerdemanagement der BVG Bescheid wissen. Daher frage ich Sie: Gibt es eine Anweisung im Hause der BVG, dass auf Bürgerkritik am neuen Linienkonzept nicht mehr zu reagieren ist, oder wie erklären Sie sich, dass Bürgerbeschwerden wie z. B. vom Gesundbrunnen, vom Humboldthain in keiner Weise mehr beantwortet werden?

Herr Böger beantwortet die Frage. – Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Gebremste Spontaneität ist immer schlecht, Frau Senftleben! Bei der langen Vorbereitung Ihrer Frage haben Sie vergessen, dass ich bereits den Kollegen Mutlu gebeten hatte, mir sein wahnsinnig spannendes Zeugnis zu überreichen. Was Sie jetzt bieten, ist ein Plagiat.

Es ist mir bekannt, dass Kreuzberger Grundschulen sich dadurch auszeichnen, dass Sie seit Jahrzehnten eine hervorragende Ausstattung haben und sich gegenwärtig darüber aufregen, dass in sehr geringem Umfang Erzieherinnen und Erzieher versetzt werden. Das ist mir bekannt. Es ist mir auch bekannt, dass mir Eltern mitgeteilt haben, dass Eltern in Vorworten von mir und Broschüren meines Hauses „verarscht“ würden. Dies ist nicht mein Sprachgebrauch. Es ist mir auch bekannt, dass Eltern die Geschmacklosigkeit haben, eine Versetzung einer Lehrerin als Todesanzeige zu fassen. Das ist mir alles bekannt. Ich halte das für eine Geschmacksverirrung.

Ich habe in dem Zusammenhang jedoch Gelegenheit genommen, meine Vorworte zu den von mir herausgegeben Broschüren durchzulesen. Ich war außerordentlich entspannt und erfreut, denn alles, was ich dort geschrieben habe, ist Punkt für Punkt umgesetzt worden. Ich kann es nicht akzeptieren, dass manche Eltern meinen, der Bildungsnotstand bräche aus, wenn eine Erzieherin einmal versetzt werden muss. Dies ist, auch im Vergleich mit anderen Bundesländern, wirklich grotesk.

Ich mache Ihnen, Frau Senftleben, ein Angebot: In Rheinland-Pfalz regiert die FDP mit, in NordrheinWestfalen ebenso. Wenn Sie mir in beiden Ländern eine einzige gebundene Ganztagsgrundschule zeigen können, die eine vergleichbare personelle Ausstattung wie in Berlin hat, dann lade ich Sie zu einem Essen ein.