Protocol of the Session on June 16, 2005

Die Fragestunde ist durch Zeitablauf damit beendet. Die heute nicht beantworteten Fragen werden gemäß § 51 Abs. 5 der Geschäftsordnung schriftlich beantwortet, und zwar abweichend von der Geschäftsordnung mit einer Beantwortungsfrist von bis zu drei Wochen.

Ich rufe nun auf die

lfd. Nr. 2:

Fragestunde – Spontane Fragestunde

Kollege Schimmler von der Fraktion der SPD hat das Wort!

Herr Kollege Wansner! Im Rahmen dessen, was wir unter Krawallschäden oder Ähnliches haben, gibt es Möglichkeiten, im Einzelfall Ersatz durch die Senatsverwaltung für Finanzen bis zu einer bestimmten Höhe des Schadens zu bekommen. Ob hier ein solcher Einzelfall vorliegt und ob dieses unter den Begriff Krawallschäden fällt oder wie auch immer, das muss dann im Einzelfall geprüft werden. Diese Prüfung kann ich hier nicht durchführen. Sie müsste dann übrigens auch von der Senatsverwaltung für Finanzen durchgeführt werden. Insofern: Generell gibt es eine Möglichkeit, wenn es Tumult oder etwas Ähnliches gibt, dass die davon betroffenen Bürger einen Ersatz bekommen, aber auch nur einen Teilersatz. Das ist eine freiwillige Leistung des Landes Berlin, soweit das unter das Tumultschadensgesetz fällt. Wie das im Einzelnen aussieht, muss geprüft werden. Das kann ich Ihnen nicht beantworten.

Eine Nachfrage des Kollegen Wansner – bitte!

Herr Innensenator! Ist Ihnen möglicherweise bekannt, dass gerade dieses Autohaus am Moritzplatz im letzten Jahrzehnt mehrmals von Autonomen heimgesucht wurde? Sind Sie mit mir möglicherweise der Meinung, dass es nicht angehen kann, dass im Bezirk Kreuzberg Geschäftsleute durch Krawalltäter finanziell ruiniert werden?

Ich habe eine Frage an die Verkehrssenatorin. – Frau Senatorin! Sieht der Senat nach den warmherzigen Worten des Bahnchefs Mehdorn am Montag zum Südkreuz auch eine Chance, dass der dann drittgrößte Bahnhof, der Bahnhof Gesundbrunnen, außer der jetzigen Busvorfahrt, den Aufzügen und den Eingängen für die Treppenhäuser vielleicht auch ein kleines Bahnhofsgebäude bekommt – es muss ja nicht so groß sein wie die neuen in Wilhelmshaven oder Bad Oldesloe – und nicht nur einen kleinen Fahrkartencontainer?

Die Verkehrssenatorin Frau Junge-Reyer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schimmler! Wie Sie wissen, sind wir in mehrfachen Gesprächen zu mehreren Bahnhöfen im Land Berlin mit der Bahn begriffen. Die jüngste Aussage und das jüngste Gespräch mit Herrn Mehdorn zu dem Bahnhof Gesundbrunnen endete mit der Inaussichtstellung einer verbesserten Situation auf der Plattform, die Sie wahrscheinlich dort im Auge haben. Das heißt, es ist uns zugesagt worden, sich mit einer Verbesserung der Budensituation auseinander zu setzen, die wir dort vorfinden. Es soll so etwas wie Ladenzeilen geben, die dann nach außen mit Glas ausgestattet und einsehbar sind. Diese Budensituation soll eher zu einer Ladenzeile zusammengefasst werden. Das ist die letzte Information der Bahn dazu.

Eine Nachfrage des Kollegen Schimmler!

Das bedeutet aber, dass es dort keine überdachte Bahnhofssituation in der Form eines bahnhofshallenähnlichen Gebäudes geben wird, wenn ich Sie richtig verstehe?

Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Genau darüber hatten wir mit der Bahn gesprochen. Uns wird solcher Bau eines bahnhofsähnlichen Gebäudes von der Deutschen Bahn zurzeit nicht in Aussicht gestellt.

Es geht weiter mit dem Kollegen Wansner. – Bitte schön, Herr Wansner!

Ich frage den Innensenator. – Gibt es Überlegungen im Senat, den von Randalierern aus der autonomen Szene am Vorabend der Räumung der Yorckstraße verursachten Schaden, die Zerstörung des Autohauses am Moritzplatz, zu ersetzen?

Herr Senator Dr. Körting!

[Zuruf von links: Wahlkampf!]

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Herr Kollege Wansner! Ich stimme gern mit Ihnen überein, dass es nicht angehen kann, dass wir Geschäftsleute oder kleine oder mittlere Geschäftsleute irgendwie durch Krawalltäter finanziell kaputt machen lassen. Gerade deshalb hat das Land Berlin eine Regelung getroffen, wonach in bestimmtem Umfang und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – dazu gehören auch Versicherungsfragen – den Menschen geholfen werden kann. Ich glaube, wir haben damit das getan, was man einem hausväterlichen Senat anlasten kann, für solche Fälle Vorsorge zu treffen. Ob das im Einzelfall vorliegt, kann ich Ihnen nicht beantworten; das habe ich schon gesagt.

Es geht weiter mit einer Frage von Frau Baba von der Fraktion der PDS. – Bitte schön!

Meine Frage geht an die Senatorin Knake-Werner. – Inwieweit hat der Senat Kenntnis von dem von „Hürriyet“ verbreiteten Demonstrationsaufruf für den 19. Juni in Berlin gegen den dort in Anführungszeichen gesetzten „angeblichen Armeniergenozid“ sowie dagegen, dass in einer Veröffentlichung des Integrationsbeauftragten über diesen berichtet wird? Welche Botschaft hat der Senat dazu an die türkischen Berlinerinnen und Berliner?

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Baba! Ich weiß nicht, dass Herr Piening die Pressekonferenz abgesagt hat. Ich finde es immer besser, sich mit Meinungsverschiedenheiten offensiv auseinander zu setzen, denn nur so kann es gelingen, den vorurteilsfreien Dialog zwischen Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten, aber auch zwischen den Minderheiten zu fördern.

Ich habe eine Frage an Herrn Böger. – Sie haben vor einiger Zeit die Lehrerausstattung der Schulen ins Netz gestellt und Wert darauf gelegt, dass dort die Ausstattung ohne die Langzeiterkrankten dokumentiert wird. Gestern haben wir erfahren, dass Sie eine Personalausstattung von 105 % des Unterrichtsbedarfs inklusive Langzeiterkrankte anstreben. Deswegen frage ich Sie, wie Sie bei real 790 Langzeiterkrankten und einer 105-prozentigen Unterrichtsversorgung – also real 102 %, die für den Unterricht zur Verfügung stehen – die Ausfälle durch kurzfristige Erkrankungen, Teilnahme an Klassenfahrten etc. abdecken wollen oder ob Sie glauben, dass es dadurch zu verstärktem Unterrichtsausfall kommen wird.

Frau Senatorin Dr. KnakeWerner – bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Baba! Ich kenne den Aufruf, der in der türkischsprachigen Zeitung „Hürriyet“ zu der Demonstration am Samstag veröffentlicht worden ist. Der Protest der in Deutschland lebenden Türken – ich gehe davon aus, dass insbesondere die nationalistischen Teile besonders aktiv sind – richtet sich gegen eine geschichtliche Aufarbeitung der Verbrechen gegen die Armenier zur Zeit des Osmanischen Reichs im Ersten Weltkrieg, die als Völkermord bezeichnet werden. Der Ausgangspunkt oder der Anlass für die Demonstration ist vielfältig. Er ist einerseits begründet durch die Gedenkveranstaltung, die hier im Abgeordnetenhaus dazu stattgefunden hat – auch dazu gab es eine Reihe von Protesten in der „Hürriyet“ –, aber auch wegen der heutigen Debatte im Bundestag z. B. auf der Grundlage eines von allen Fraktionen gemeinsam eingereichten Antrags und schließlich auch hinsichtlich der Broschüre „Armenier in Berlin“, die vom Integrationsbeauftragten herausgegeben wird. In dieser Broschüre werden allerdings auch die Verbrechen gegen die Armenier und die unrühmliche Rolle der preußischen Militärs zu dieser Zeit thematisiert und als Armeniergenozid bezeichnet. Auch dagegen richtet sich der Protest.

Diese Broschüre erscheint in einer Reihe, die die Aufgabe hat, den Dialog zwischen Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten in Berlin zu befördern, aber auch zwischen den Minderheiten. Ich denke, das ist auch ein ganz besonders wichtiges Anliegen. Wir wissen alle, dass es nicht besonders leicht ist, sich mit der eigenen Geschichte auseinander zu setzen. Da haben gerade wir Deutschen ganz eindringliche Erfahrungen. Aber ich glaube, es gehört einfach dazu zum Verständigungs- und Integrationsprozess. Da kann man auch die dunklen Seiten der eigenen Geschichte nicht einfach ausblenden.

[Beifall bei der PDS]

Es geht dabei überhaupt nicht um Schuldzuweisungen, sondern es geht um die gemeinsamen Grundlagen für die Zukunft. Ich teile sehr gerne die Auffassung unseres Parlamentspräsidenten Walter Momper, der in der Gedenkveranstaltung am 23. April gesagt hat:

Gerade wer die Freundschaft mit in Deutschland lebenden Menschen aus der Türkei als ein wichtiges politisches und gesellschaftliches Element in unserem Land ansieht und fördern will, muss die Ergebnisse seriöser historischer Forschung zur Kenntnis nehmen.

Das ist eine richtige Position, die ich teile. Ich sage aber genauso: Wer diese Ergebnisse der historischen Forschung sozusagen als Keule gegen den EU-Beitritt der Türkei nutzt, der hat die geschichtliche Auseinandersetzung falsch verstanden. Das halte ich für inakzeptabel.

[Beifall bei der PDS – Beifall des Abg. Zimmermann (SPD)]

Danke schön, Frau Senatorin! – Eine Nachfrage von Frau Baba? – Bitte schön!

Mit welcher Begründung hat Herr Piening die Pressekonferenz für die öffentliche Präsentation dieser Broschüre über Armenier in Berlin abgesagt, und wie bewerten Sie das?

Frau Senatorin!

Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt erhält Herr Kollege Schruoffeneger das Wort zu einer Frage. – Bitte schön!

Herr Senator Böger!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Schruoffeneger! Zunächst halte ich folgendes fest: Der Senat von Berlin und die Koalition haben als Ausdruck von Prioritäten für Bildung festgelegt, dass die personelle Ausstattung der Berliner Schulen, gemessen auf Grund des vom Finanzsenator und mir abgestimmten Bedarfs, 5 % über der Regelausstattung liegt, also 105 %. Es gibt kein einziges Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland, das diese Ausstattungsquote zur Verfügung stellt.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Das möchte ich einmal festhalten. Ich bin es langsam leid, mir Dinge, die kein anderes Land bietet, vorhalten zu lassen, nämlich 105 % Ausstattung als zu wenig zu kritisieren.

[Beifall der Frau Abg. Dr. Hiller (PDS)]

Sen Böger

Was wir anstreben müssen – ich will das auch wieder alles ins Internet stellen –, sage ich ganz offen. Wir müssen bei dieser Ausstattung, die dann durchschnittlich bei 102,3 % liegt, schauen, ob in einzelnen Schulen eine sozusagen Häufung von Dauererkrankungen ist, und müssen dann umlenken. Ich schließe auch nicht aus, dass – wenn wir solche konkreten Vorgänge haben und ich bestimmte Fächer im Berliner Unterricht nicht bedienen kann – ich dann unterjährig im Schuljahr einstellen muss. Das tun wir übrigens schon mit unseren 320 Einstellungen. Nach den Bedarfsberechnungen, die mir jetzt vorliegen – das heißt, anerkannter Bedarf, prognostizierte Schülerzahl –, hätte ich objektiv keinen Überhang, sondern einen Einstellungsbedarf von knapp 100. Tatsächlich haben der Finanzsenator und der Senat mir 320 Einstellungen genehmigt. Auch das ist doch ein Zeichen dafür, dass Bildung selbst in diesen knappen Zeiten Priorität hat.

(D

Eine Nachfrage des Kollegen Schruoffeneger – bitte!

Kommen Sie bitte zurück auf den Boden der Tatsachen! Ich kann das wirklich nicht mehr hören.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wenn Sie mir ein Land nennen können, Frau Kollegin Senftleben – die FDP regiert ja jetzt mit, inklusive Nordrhein-Westfalen –, das über 105 % anbietet, dann will ich mich gern neu mit Ihnen unterhalten.

[Zuruf der Frau Abg. Senftleben (FDP)]