Protocol of the Session on April 28, 2005

Herr Kaczmarek! Sie müssen wirklich aufhören!

Ich handle jetzt und verlasse das Rednerpult. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Das war der Herr Kollege Kaczmarek, dem ich hier ausdrücklich nicht danke, weil die Größe von Themen unmöglich die Größe der Redezeit individuell gummiartig auseinanderziehen kann. Das wollen wir nicht zum Beispiel werden lassen. – Das Wort hat die Frau Kollegin Matuschek. – Bitte schön! Gehen Sie mit gutem Beispiel voran!

Ich bekomme hoffentlich auch so viel Zeit wie Herr Kaczmarek!

[Hoffmann (CDU): Sie bekommen die abgezogen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kaczmarek! Es ist ja schön, dass die CDU sich kümmert, aber das Kümmern kann ja wohl nicht darin bestehen, dass wir hier allmonatlich eine Flughafendebatte haben. Das – finde ich – ist nicht richtig gekümmert. Sie fangen mit dem großen Bekenntnis an, dass Schönefeld endlich kommen müsse, dass Sie dazu stehen,

[Zuruf des Abg. Kaczmarek (CDU)]

dass Sie alles dafür tun wollen, und am Ende Ihrer langen Rede erzählen Sie wieder genau das, was Sie vorher in Frage gestellt haben. Da werfen Sie Sand ins Getriebe und sagen: 2011 ist völlig unrealistisch! Tempelhof muss unbedingt offen bleiben! – Das, lieber Herr Kaczmarek, sind genau die Signale, die Sie nicht aussenden sollten,

[Beifall des Abg. Brauer (PDS)]

denn wenn man zu diesem Flughafenprojekt steht, dann sollte man derartige Debatten – und, liebe Grüne, auch Presseäußerungen – meiden, die dann in die Richtung gehen, es gäbe ein Zittern und Wanken oder in die Richtung eines: Ach, du Schreck, schon wieder ist etwas in die Hose gegangen! – Nein! Rot-Rot steht zu diesem Projekt, und jede Debatte, die Zweifel daran erkennen lässt, dass dieses Projekt möglicherweise nicht mit der erforderlichen Intensität betrieben wird, ist schädigend für das Projekt selbst. Deswegen ist es an der Zeit, solch sinnlose Debatten zu lassen.

Was ist denn eigentlich passiert? –

[Niedergesäß (CDU): Das ist eine gute Frage!]

Das Finanzierungskonzept ist im Dezember vorgelegt worden. Es ist in den Bestandteilen, so wie es im Dezember vorgelegt wurde, auch bestätigt worden. Es ist eine Kleinigkeit passiert, dass man nämlich nicht so wie geplant zu bauen beginnen kann. Aber das Gericht hat ausdrücklich die bauvorbereitenden Maßnahmen genehmigt,

und die werden auch stattfinden, weil dieses Projekt mit der notwendigen Konsequenz vorangetrieben werden muss. Was passiert aber in der Öffentlichkeit? – Da fängt sofort jeder an zu jaulen und zu jammern: Oh! Das Projekt stirbt! – Und dann höre ich schon wieder: Sperenberg! – Da kann ich immer nur sagen, wer Sperenberg in die Diskussion bringt, der handelt mit Zitronen und will eben genau Schönefeld nicht. Da tun sich merkwürdige Allianzen der Gegner des Flughafens in Schönefeld auf. Das finde ich wirklich sehr eigenartig.

Bleiben wir bei dem Schließungsbeschluss zu Tempelhof. Natürlich gehört zur Legitimation von Schönefeld die Schließung sowohl von Tempelhof als auch von Tegel. Wer daran zweifelt, der zweifelt an der Legitimation von BBI.

[Zurufe von der CDU]

Das Projekt BBI hat zwei Gründe als Legitimation: Einerseits die Neustrukturierung des Flughafenwesens und die Konzentration auf einen Flughafen und andererseits die daraus resultierenden wirtschaftlichen Effekte. Wer das nicht zusammenbringt, der zweifelt an dem Projekt BBI. Bei den Freunden Tempelhofs überwiegt aber nicht diese Verquickung der beiden Argumente, sondern es überwiegen partikulare Interessen und Lobbyistenansätze und natürlich auch noch Westberliner Romantik und Luftbrückennostalgie. Das sollte nicht dazu herhalten, das Projekt BBI in Frage zu stellen. Auch die IHK muss sich einmal entscheiden, auf welche Seite sie sich stellen möchte. Will sie das Projekt BBI als das Wirtschaftsprojekt der Region vorantreiben, oder will sie sich mit den Partikularinteressen von Tempelhof zusammentun?

Dann haben wir die neue Allianz der Gegner bei den Grünen. Das finde ich sehr eigenartig. Da erzählt uns Frau Eichstädt-Bohlig: Kein Geld für angeblich falsche Planung! – Da habe ich mir einmal erlaubt,

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

bei ihrem Kollegen Cramer nachzuschauen, der sagte uns nämlich:

Auch nach dem Scheitern der Privatisierung muss die Planfeststellung unverzüglich zu Ende geführt werden.

[Ratzmann (Grüne): Richtig!]

Und er sagte uns auch noch:

Wir fordern Rot-Rot auf, beim Single-Airport nicht zu wackeln!

Jetzt kommen die Grünen an und sagen: Wackelt doch mal! Macht doch mal die Start- und Landebahn kürzer; nehmt doch mal den Bahnhof raus; nehmt die Finanzierung weg! – Was anderes als Wackeln ist denn das?

[Zuruf des Abg. Schruoffeneger (Grüne)]

Das ist ein Zweifeln an dem Projekt, und das müssen Sie sich schon gefallen lassen.

Kaczmarek

Was ist zu tun? – Zu tun ist, erstens Nerven zu behalten, zweitens die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in der Begründung und in der Darstellung der Argumentation sehr gut vorzubereiten – das halte ich für machbar. Natürlich muss auch einmal die Zahlungsdisziplin der Airlines, die in Tegel landen und nicht bezahlen, angemahnt werden. Es kann nicht sein, dass die Airlines, die inzwischen Kostgänger des Landes Berlin sind, sich gern echauffieren, wenn ein möglicher Zeitplan für BBI in Frage gestellt wird. Nein, die Zahlungsdisziplin der Airlines muss durchgesetzt werden. Das Finanzierungs- und Bauplanungskonzept wird nachjustiert, da hat der Aufsichtsrat einiges dazu gesagt. Financial close, lieber Herr von Lüdeke, das ist 2006 an der Reihe, nach der Bestätigung des Planfeststellungsbeschlusses, nach der Verhandlung mit den Banken. Dann können Sie sagen, Sie wollen das hier vorgelegt haben. Financial close ist nicht heute, financial close ist 2006 vorgesehen, das wird es auch geben.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin Matuschek! – Jetzt folgt Bündnis 90/Die Grünen und das Wort hat der Kollege Schruoffeneger. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gaebler, Frau Matuschek! Das war ja nun eine Rückkehr zu den guten alten Zeiten der großen Koalition in Berlin, dieses Mal mit der PDS im Schlepptau.

[Was? von der PDS]

Wenn Sie zu Herrn Lüdeke sagen: Sie sind ja nur immer der Bedenkenträger! Sie reden nur immer über die Probleme! – oder Frau Matuschek sagt: Fragen darf man nicht stellen, man muss durch! Man darf nicht wackeln, man muss durch! –,

[Frau Matuschek (PDS): Das habe ich nicht gesagt!]

dann sage ich, erinnern wir uns an das Jahr 1994, da waren das die Worte von Herrn Landowsky genau hier an diesem Podium. „Sie sind ja immer nur die Bedenkenträger!“ – das hat er zu Frau Dr. Schreyer gesagt im Zusammenhang mit der Bankgesellschaft. Ergebnis? – Es gab leider zu wenig Bedenkenträger in diesem Plenum. 21 Milliarden!

[Zuruf des Abg. Gaebler (SPD) – Pewestorff (PDS): So teuer wird der Flughafen nicht!]

Erinnern wir uns an die Debatten um die Entwicklungsgebiete in Berlin, auch da gab es zu wenig Bedenkträger in diesem Haus, auch hier wurden Milliarden in den Sand gesetzt. Deshalb sage ich Ihnen, ich spiele relativ gern die Rolle des Bedenkenträgers gegen Ihre Strategie des Augen-zu-und-Durch, koste es, was es wolle.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Die Flughafenpolitik, so wie sie im Augenblick geführt wird, droht, zum Supergau für Rot-Rot zu werden,

[Zuruf der Frau Abg. Matuschek (PDS)]

aber auch zum Supergau für die große Koalition in Brandenburg. Aber vielleicht ist es auch kein Wunder, dass auch hier eine große Koalition mitspielt. Das zugegebenermaßen, Frau Matuschek, wichtigste Infrastrukturprojekt dieses Jahrzehnts wird mit Vollgas an die Wand gefahren. Planungsrechtlich ist es schon jetzt ein Desaster, die Urteile zeigen das. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass es nicht auch noch ein finanzielles Desaster wird. Das heißt, nach diesen Urteilen gibt es kein Augen-zu-undDurch, sondern ein seriöses Nachdenken darüber, wie die Fehler geheilt werden können, um das Projekt vielleicht doch noch zu retten. Und es wackelt! Das Projekt wackelt, ob Sie da nun mitwackeln oder nicht, das ist mir völlig egal.

[Klemm (PDS): Sie wackeln! Sie regieren im Bund mit!]

Das Projekt wackelt. Wenn Sie nicht nachdenken, dann wird es herunterfallen, weil Sie die Chance, es zu retten, nicht genutzt haben.

Die planungsrechtlichen Notwendigkeiten sind beschrieben. Solange ungeklärt ist, wie man dieses Projekt rettet, solange dürfen nicht weitere dreistellige Millionenbeträge versenkt werden. Das Finanzierungskonzept, das uns vorgelegt wurde, ist das Papier nicht wert, auf dem es steht. Es enthält nicht die Finanzierungskosten; es enthält nicht die zusätzlichen Kosten durch die Verzögerung der Maßnahme, und es enthält nicht die zusätzlichen Kosten durch die nicht stattgefundene Schließung von Tempelhof. Herr Gaebler! Wenn Sie sagen: Baufeld Ost – was hat das damit zu tun? – Mir ist das völlig gleichgültig, ob Sie sagen, das Baufeld Ost muss in dieses Finanzierungskonzept hinein oder nicht,

[Gaebler (SPD): Ach!]

aber irgendwo müssen sie doch einmal stehen, diese Zahlen. Wenn das im Wirtschaftsplan der Flughafengesellschaft gar nicht mehr auftaucht, dann haben wir ein Problem. Ob das nun ein Teil der Baumaßnahme ist, die Entschuldung oder nicht, Geld muss auf jeden Fall dafür gezahlt werden.

Was heißt das alles für die weiteren Planungsmaßnahmen und Vorarbeiten in diesem Jahr? – Die Finanzierungsfähigkeit von BBI ist nach diesem Urteil stark in Frage gestellt. Gibt es denn das Projekt noch, ist ein solches Projekt überhaupt noch banken- und kreditfähig? – Nach der Sperre erst recht, es gibt keine geschlossene Gesamtfinanzierung mehr. Jetzt wird eines passieren: BBI sagt: Wir wollen trotzdem die bauvorbereitenden Maßnahmen in diesem Jahr durchführen und dafür Kredite aufnehmen. – Jede normale Bank wird sagen, dass das nur geht, wenn das Land diese Kredite verbürgt. Das kennen wir ja schon. Damit sind wir wieder in der alten Geschichte des Baufelds Ost. Wir wissen noch nicht, wie es weitergeht, aber wir wissen, dass wir erst einmal investieren und das Geld hineinstecken müssen, und geben die dreistelligen Millionenbeträge aus. Das, sage ich Ihnen, können wir uns nicht leisten. Vielleicht brauchen wir drei Monate, vielleicht vier oder fünf, aber diese Zeit müssen wir uns gemeinsam nehmen, um

Frau Matuschek

wir uns gemeinsam nehmen, um nachzudenken und das Projekt zu retten. Dann kann man entscheiden, wie es weitergeht. Ihre Strategie des besinnungslosen ImmerAusgebens und des Nicht-Wahrnehmens der Probleme hat uns in dieser Stadt schon oft in die Katastrophe geführt.