Protocol of the Session on February 24, 2005

[Beifall bei der CDU]

Bleiben wir mal bei Schönefeld. Ich höre immer wieder den Vorwurf, wir seien sozusagen die Feinde von Schönefeld und nicht diejenigen, die das vorantreiben wollen. Ich kann es nur einmal ganz deutlich sagen: Die CDU-Fraktion war von Anfang an für den Standort Schönefeld. Da liefen die Genossen hier in der Mitte alle noch in Sperenberg durch den Wald und suchten da nach dem Flughafenstandort,

[Brauer (PDS): Da ist kein Wald!]

da hat die CDU schon ganz klar gesagt: Wir wollen Schönefeld als Standort. – Lieber Kollege Gaebler! Wenn Sie so etwas sagen, wie Sie es in Ihrer Rede vorhin angesprochen haben: Da haben Diepgen und Landowsky den Standort Schönefeld durchgeboxt –, dann sage ich: Erstens haben Sie offensichtlich Ihre eigene Durchsetzungsfähigkeit damals relativ gering eingeschätzt; das wäre schade. Zweitens: Solche Äußerungen nutzen dem Standort auch nichts, sondern sie leisten denen Vorschub, die sagen: Das ist eine rein politische Entscheidung, da kann man ja gar keine vernünftige Abwägung treffen. – Ich sage Ihnen: Natürlich kann man für Schönefeld eine vernünftige Abwägung treffen. Natürlich ist Schönefeld der geeignete Standort, viel besser als Sperenberg, schon aus naturschutzrechtlichen Gründen. Von da her sollte man mit seiner Argumentation immer ein bisschen vorsichtig sein und nicht im Überschwang der Begeisterung am Ende das mit dem Hinterteil einreißen, was man vorn aufbaut.

Zu Schönefeld: Natürlich, Frau Matuschek, ist das ein Erfolg, dass dort endlich die Stille vorbei ist. Man hätte früher, vor einem Jahr noch, die Flüge des Tages auf einer Kreidetafel unterbringen können. Am Abend hätte einer einmal drübergewischt und den nächsten Tag aufgeschrieben. Das ist jetzt ein bisschen anders, dank Easyjet. Wir freuen uns auch darüber, dass das ein Mekka der Billigflieger geworden ist. Die Grünen können sich darüber nicht so sehr freuen, weil die lieber wollen, dass die Leute mit der Straßenbahn fahren. Aber die Leute fliegen nun mal lieber. Das ist ja auch gut so. – Aber nun wollen wir mal auf dieser Prognose und auf dieser jetzigen Entwicklung nicht gleich das Gebäude für den gesamten Flughafen der nächsten Jahre aufbauen. Was wissen wir, wie lange diese Billigflieger diese Billigangebote überhaupt aufrecht erhalten können? Was wissen wir, wie viele Gesellschaften dort im Markt bleiben und wie viele wieder aus dem Markt gehen werden? – Das alles wissen wir nicht. Wer deswegen einfach behauptet, das ginge mal ganz munter so an dieser Stelle weiter – da muss man schon vorsichtig sein. Und dazu dann auch noch: Wenn Sie sagen, das ist ein großer Erfolg – na ja, natürlich. Und genau deswegen sagen wir ja auch: Wir brauchen alle Kapazitäten des Flughafensystems, weil eben die Auslastung gut ist und weil wir annehmen können, dass 2010 20 Millionen Menschen den Flugverkehr in und um Berlin benutzen. Da sagen Sie nun wiederum: Nein, brauchen

wir nicht. Tempelhof lassen wir vom Netz gehen. – Das ist in Ihrer gesamten Argumentation wenig logisch, wenig schlüssig.

Dann darf man bei der ganzen Geschichte auch eins nicht vergessen: Wodurch ist denn der Erfolg in Schönefeld erkauft? – Erkauft worden ist er mit sehr günstigen Entgeltregelungen. Das mag man nun für richtig halten. Aber einige Fluggesellschaften finden das nicht so lustig, dass ihre Konkurrenten in Schönefeld mit relativ geringen Kosten zu Rande kommen, und klagen dagegen. Und was passiert, wenn die Sache vor Gericht schief geht? – Das wissen wir ziemlich genau, dann geht es um Millionenbeträge, die sehr schnell in der Kasse fehlen. Von da her: Wir sind für Schönefeld. Übrigens waren wir die Fraktion, die in Schönefeld getagt hat, um ein Zeichen für den Standort zu setzen, lieber Herr Gaebler.

[Beifall bei der CDU]

[Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Was wir hier wollen, was wir hier brauchen, das ist nicht Panikmache, das ist aber auch keine Schönfärberei. Wir brauchen eine nüchterne Analyse dessen, was jetzt zu tun ist. Sich einfach hinzustellen und zu sagen: Alles war gut, und wir machen jetzt einfach mal so weiter –, ist nicht der richtige Weg. Wir haben es ausdrücklich angeboten, genauso wie bei der Privatisierung – übrigens, wo wir Ihnen hier keinen Vorwurf gemacht haben, da lesen Sie mal die Protokolle nach –, Sie auch in dieser Frage zu unterstützen. Denn unser Interesse ist es, dass wir einen neuen, leistungsfähigen Flughafen in Schönefeld bekommen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön! – Es folgt die SPD. Der Kollege Radebold hat das Wort.

Herr Präsident! Herr Kaczmarek! Dann sage ich Ihnen noch mal: Auch mit dem Besuch in Schönefeld sind Sie ein Jahr nach uns gewesen – wenn man das schon als wichtig wertet.

Frau Matuschek, meine Kollegin im Bundestag, Frau Eichstädt-Bohlig, hat zu Recht gefordert, kein weiteres Geld in den märkischen Sand zu setzen, bevor es eine Gerichtsentscheidung zum Flughafen gibt. Das ist eine Forderung, die ausdrücklich zu unterstützen ist. Ich halte es für abwegig, jetzt neue Grundstücksverkäufe o. Ä. zu tätigen, ohne zu wissen, wie das Verfahren ausgeht. Herr Radebold sagte gerade: Vor Gericht und auf hoher See bist du allein in Gottes Hand.

Aber für uns steht unabhängig vom Ausgang der Klage gegen den Großflughafen fest, dass Tempelhof – so oder so – geschlossen werden muss. Ich sage Ihnen auch, warum: Am 4. Mai 2002 stürzte in der nigerianischen Stadt Kano eine Passagiermaschine mit 76 Insassen unmittelbar nach dem Start in ein Wohngebiet. Dabei starben 148 Menschen. Das war der jüngste Flugzeugabsturz in den letzten zehn Jahren. Insgesamt waren es ohne terroristische Angriffe 15 Flugzeugabstürze in dicht besiedelten, innerstädtischen Gebieten, bei denen 1 500 Menschen ums Leben kamen.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lindner?

[Schruoffeneger (Grüne): Kein Historienseminar hier!]

Aber ich will auf eine Sache noch einmal eingehen, Herr Kaczmarek. Sie haben dem Regierenden Bürgermeister vorgehalten, dass wir immer wieder über Tempelhof reden. Die akute Gefahr für die Sicherung des Standortes in Schönefeld besteht aus unserer Sicht darin, dass man den Konsensbeschluss unterläuft. Und Bestandteil des Konsensbeschlusses ist: Nach Rechtsfestsetzung von Schönefeld wird Tempelhof geschlossen.

[Dr. Lindner (FDP): Ihr wolltet ihn doch vorher schlie- ßen! – Dr. Heide (CDU): Die haben wir noch nicht!]

Und das will der Regierende Bürgermeister nicht gefährden. Sie wissen doch, wie unsicher wir auf hoher See bei den Gerichtsverfahren sind. Wir haben – das hat Frau Matuschek gesagt – diesen LEP FS beschlossen und haben uns damit genauso blamiert wie die Behörde. Diese Verfahren sind doch inzwischen so hoch speziell, dort reden Spezialisten untereinander und haben sich weit von dem entfernt, was der Gesetzgeber mit der Beteiligung Betroffener an solchen Verfahren erreichen wollte. Insofern, Herr Kaczmarek, haben Sie dieses Thema zu früh aufgerufen. Wenn Sie eine sachliche Bewertung wollen, dann wissen Sie, dass wir die erst dann treffen können, wenn uns das Urteil in seiner Begründung vorliegt. Denn jetzt stochern wir relativ weit im Nebel. Wir müssen erst prüfen, ob wir von dem schrecklichen Wort Nichtzulassungsbeschwerde Gebrauch machen und mit welchen konkreten Schritten wir die Planfeststellung sicherer machen und den LEP FS nachbessern können. Erst wenn wir das wissen, können wir darüber reden.

Zum Abschluss noch eine Bemerkung zur Notwendigkeit von Tempelhof: Herr Lindner, wir haben in Friedenszeiten der DDR in Schönefeld 10 Millionen Passagiere befördert. D. h., wir hatten bis zum Jahr 2000 die Kapazität von 20 Millionen. Ich hoffe, dass wir sie brauchen und sie im Jahr 2010 mit dem fertiggestellten BBI noch erweitern können.

Aber wir wollen die kleinen Maschinen nicht bevorzugt nach Tempelhof lassen. Die kleinen Maschinen beinhalten ein größeres Risiko. Nicht korrekt gewartete Maschinen und überforderte Kapitäne bergen nach langen Flügen ein Gefahrenpotential. Auch aus diesem Grund hat Tempelhof Begrenzungen. Hinzu kommt die Begrenzung durch die Zulassung wirtschaftlicher, großer Maschinen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Herr Kollege, zeitlich sind Sie über die Rollbahn hinausgerollt. – Jetzt hat die Kollegin Hämmerling für die Fraktion der Grünen für luxuriöse sieben Minuten das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verspreche Ihnen, weder von LEP eV noch von BBI oder DDT zu sprechen. Ich versuche, mich verständlich auszudrücken.

Ja, gerne!

Auch nach sechs Jahren rotgrüner Bundesregierung: Wollen Sie Deutschland hinsichtlich der Sicherheitsstandards wirklich mit Nigeria vergleichen?

Einer der Abstürze fand in New York statt, und zwar zwei Monate nach dem Attentat am 11. September. Damals ist eine Maschine in Queens in ein Wohngebiet gestürzt. Kann man New York Ihrer Meinung nach mit Berlin vergleichen, oder halten Sie Berlin für so viel sicherer?

[Dr. Lindner (FDP): Risiko gehört zum Leben!]

Ja, das ist so. Aber wir möchten die Risiken, so weit es geht, minimieren. Deswegen sagen wir, dass Tempelhof geschlossen werden muss.

[Beifall bei den Grünen und der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Einflugschneise von Tempelhof ist extrem dicht besiedelt. Fast eine halbe Million Menschen lebt in der Einflugzone und ist extrem gefährdet. Diese Region ist deutlich stärker gefährdet als alle anderen. Wobei man bedenken muss, dass Tegel auch eine sehr stark gefährdete Region ist. Aber wir gehen davon aus, dass auch Tegel langfristig geschlossen wird.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Lindner (FDP): Alles Stuss!]

Herr Lindner und Herr Kaczmarek, ich habe verstanden, dass Ihnen die Interessen von wenigen Geschäftsreisenden, einigen Lobbyisten und Pendlern nach Bonn wichtiger sind als die Interessen der Bevölkerung, die dort

Meine Damen und Herren von der SPD, Frau JungeReyer, Sie müssen sich Gedanken machen, wie Sie Tempelhof schließen wollen. Selbst wenn der Planfeststellungsbeschluss am Ende durch das Gericht bestätigt wird, brauchen Sie noch eine Weile. Dann ist noch nicht automatisch Schluss. Deswegen fordere ich Sie auf: Leiten Sie jetzt die Schließung von Tempelhof ein, damit der Flughafen auch geschlossen werden kann, falls der Planfest

stellungsbeschluss vor dem Bundesverwaltungsgericht kippen sollte.

Wir haben mit unserem Antrag eine Möglichkeit vorgelegt. Frau Matuschek, ich empfehle immer, bis zum Ende zu lesen. Ich weiß gar nicht, warum Frau Matuschek – oder war es Herr Gaebler? – behauptet hat, wir hätten die sofortige Schließung gefordert. Wir haben vielmehr gesagt: Wenden Sie die richtigen planungsrechtlichen Instrumente an, damit so schnell wie möglich geschlossen werden kann. Wir fordern Sie auf, das zu tun. Schenken Sie den Leuten reinen Wein ein! Wir wollen die Schließung von Tempelhof, und wenn Sie das auch wollen, können Sie unserem Antrag zustimmen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute wieder das Märchen von der Kapazitätslücke gehört. Angesicht der Kürze der Zeit kann ich dazu nur sagen: Es gibt keine Kapazitätslücke, weder heute noch morgen und auch nicht im Jahr 2008. Die Kapazitäten, die dann in Schönefeld und Tegel da sind, reichen völlig aus, um den Bedarf des Berliner und Brandenburger Flugverkehrs zu bündeln. Da ist überhaupt keine Gefahr.

einem größeren Risiko ausgesetzt ist. Bei uns ist das anders. Das unterscheidet uns.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Lindner (FDP): Ihr seid die Partei des Schließens und des Stillstands!]

Der Grund für den Beschluss, den Flughafen in Schönefeld auszubauen, war damals die Grenzöffnung. Die Insellage war nicht mehr vorhanden, und es bestand die Möglichkeit, die innerstädtischen Risiken zu minimieren.

Sie können mir erzählen, was Sie wollen. Wahrscheinlich können Sie das nicht verstehen, weil für Sie der Zug ein abartiges Verkehrsmittel ist: Mit der Regionalbahn sind Sie in guten 20 Minuten vom Bahnhof Friedrichstraße in Schönefeld. Diese Traumzeit erreichen Sie mit dem Auto kaum, wenn Sie vom Reichstag nach Tempelhof fahren und vielleicht noch im Stau stecken bleiben.

[Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

Sie vielleicht schon, aber dann zahlen Sie richtig viel Bußgeld.

Noch eine Bemerkung zum Billigfliegerboom, der hier mehrfach angesprochen wurde: Herr Kaczmarek, der Billigfliegerboom ist doch nur eine Momentaufnahme. Die Ursachen für diesen Boom liegen auf der Hand: Es gibt ein völlig unausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis zwischen den Flug- und den Bahnkosten. Die innerdeutschen Flüge müssten auf den ICE verlagert werden. Sie brauchen mit der Bahn 3,5 Stunden bis nach Frankfurt am Main. Bis Sie am Flughafen sind, eingecheckt haben, gestartet und gelandet sind und letztlich wieder ausgecheckt haben, haben sie diese Zeit auch erreicht. Aber die meisten Leute fliegen, weil es deutlich billiger ist, weil die Konkurrenz bei der Bahn fehlt, weil es keine Kerosinbesteuerung, aber die Besteuerung der Energie für die Züge gibt und weil es auch für grenzüberschreitenden Flugverkehr keine Mehrwertsteuer gibt. Aber das alles wird sich in den nächsten zehn Jahren ändern. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Wir begrüßen diesen Schritt außerordentlich.

[Beifall bei den Grünen]

Die Kapazität von Schönefeld reicht jetzt schon aus, um die in Tempelhof vorhandenen Flüge zu übernehmen. Und das wird auch künftig so sein. Die Kapazität von Schönefeld reicht sogar aus, um die jetzigen Nachtflüge in den Tagesbereich auf Schönefeld zu verlagern. Die Nachflüge, die in Tegel stattfinden, sind genauso unverträglich wie das, was Sie für Tempelhof planen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Kollegin Hämmerling! – Jetzt folgt die PDS. Das Wort hat die Kollegin Matuschek. – Bitte schön!

Zweites Märchen, das ich heute gehört habe: Herr Kaczmarek! Das ist genau das, was ich Ihnen nicht so durchgehen lasse. Mit einem der ersten Anträge, die Sie in dieser Legislaturperiode eingebracht haben – damit kamen Sie sich ganz pfiffig vor –, wollten Sie den Konsensbeschluss bestätigen lassen. Sie kamen sich deswegen pfiffig vor, weil Sie uns, die PDS, damit an die Kandare nehmen wollten.