Protocol of the Session on September 9, 2004

Bitte sehr, Herr Kleineidam!

Danke sehr, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Hat sich die Praxis der Abschiebungen in Berlin in diesem Jahr im Hinblick auf das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 geändert?

2. Beabsichtigt der Senat, für Berlin eine Übergangsregelung zu treffen, die verhindert, dass Personen, die unter die Härtefallregelung des neuen § 23a Aufenthaltsgesetz fallen könnten, vor dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes abgeschoben werden?

Der Senator für Inneres beantwortet. Herr Senator Körting hat das Wort.

Wir haben jedoch eines geändert, dieses betrifft in der Tat die Frage der Härtefallregelung. Wir haben durch das Zuwanderungsgesetz ab 1. Januar 2005 erweiterte Befugnisse für die Härtefallkommission – wir haben in Berlin bereits eine Härtefallkommission für humanitäre Einzelfälle. Die Erweiterung beinhaltet, dass in Fällen, die in kein Raster passen, die aus Einzelfallgründen humanitär anders zu behandeln sind als andere Fälle, in Abweichung von gesetzlichen Vorschriften durch eine Anordnung der zuständigen Innenbehörde der Aufenthalt gestattet werden darf.

Wir haben das zum Anlass genommen, die Ausländerbehörde zu bitten – mündlich bereits vor einigen Wochen und nun auch schriftlich –, dann, wenn die Leitung der Ausländerbehörde davon ausgeht, dass es sich um einen Fall handeln könnte, der in der Härtefallkommission behandelt werden wird, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen, bis Anfang nächsten Jahres geklärt ist, ob der Fall tatsächlich in der Härtefallkommission behandelt wird.

Eine Nachfrage des Kollegen Kleineidam. – Bitte, Sie haben das Wort!

Herr Körting! Sie haben betont, dass es um Einzelfälle geht. Gleichwohl gibt es viele Menschen in der Stadt, die sich fragen, ob sie von diesen Regelungen betroffen sind. Können Sie in etwa beschreiben, welche Personengruppen in den Genuss dieser Regelungen kommen werden?

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Herr Kollege Kleineidam! Die neue Vorschrift ab 1. Januar 2005 wird lauten,

Sen Dr. Körting

Herr Senator Dr. Körting, zur Beantwortung der langen und komplizierten Frage. – Bitte!

§ 23a ermöglicht eine Einzelfallregelung, das heißt, er ermöglicht es, im Einzelfall festzustellen, dass es sich um einen Fall handelt, der nicht unter die üblichen Kriterien fällt, weshalb eine Ausnahmeregelung gemacht wird. Nur mit dieser Einzellfallregelung bewege ich mich ab dem 1. Januar 2005 im Rahmen des Gesetzes. Was nicht möglich ist, ist, über das Instrument Einzelfallregelung ein landesspezifisches Zuwanderungsgesetz mit Zuwanderungskriterien zu machen. Deshalb beurteile ich den von SchleswigHolstein eingeschlagenen Weg eher skeptisch. Andere Bundesländer, wie beispielsweise Rheinland-Pfalz, sind den gleichen Weg gegangen wie wir. Sie haben eine generelle Anweisung an die Ausländerbehörde erlassen, das zu klären. Andernfalls gingen wir erhebliche Risiken hinsichtlich der Klagbarkeit ein. Wir sind uns alle einig – das steht auch so im Gesetz –, dass eine derartige Anordnung nach einer Empfehlung der Härtefallkommission ergeht und zwar ausschließlich auf dem Weg der Selbstbefassung. Das bedeutet, es gibt kein Antragsrecht des Betroffenen. Vielmehr wird in der Härtefallkommission ein Fall aufgegriffen nach dem Motto: Das Recht ist zwar so, aber in diesem Einzelfall ist es unbillig, deshalb muss man es korrigieren. – Das ist der Sinn der Härtefallregelung.

dass die Anordnung im Einzelfall unter Berücksichtigung des Umstandes erfolgen kann, ob der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist. Das heißt, es handelt sich um eine echte Einzelfallregelung.

Immer dann, wenn es um ganze Gruppen geht, wie zum Beispiel bei den palästinensischen Flüchtlingen aus dem Libanon oder der Gruppe der bosnisch-herzegowinischen Flüchtlinge, sind diese einer Einzelfallbetrachtung per saldo nicht zugänglich, vielmehr muss dann eine Gruppenregelung getroffen werden. Diese kann mit Zustimmung des Bundesministeriums des Inneren getroffen werden. Es gibt eine Verabredung aller Innenminister, dass man solch eine Gruppenregelung nach Möglichkeit einheitlich für die gesamte Bundesrepublik – einheitliches Recht, gleiche Lebensbedingungen in allen Bundesländern – trifft.

Das bedeutet im konkreten Fall, dass für Flüchtlinge aus dem Libanon eine Einzellfallregelung normalerweise nicht in Frage kommt. Diese Personengruppe wird allerdings ab dem 1. Januar 2005 über eine neue Bestimmung des Zuwanderungsgesetzes wohl einen Daueraufenthaltsstatus erhalten können, weil auf Dauer die Abschiebung nicht möglich ist. Das bedeutet für die Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina, soweit sie unter die Gruppenregelung für Traumatisierte fallen – das sind immerhin 1 700 Personen, die wir hier behalten und denen wir einen Daueraufenthaltstatus gegeben haben –, dass sie bleiben. Für die übrigen Flüchtlinge aus diesem Land bedeutet dies aber, dass sie nicht als Gruppe bleiben können, sondern nur dann, wenn besondere gesundheitliche oder auch humanitäre Einzelgründe dafür sprechen.

Keine weitere Nachfrage des Kollegen Kleineidam. Damit ist Frau Villbrandt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an der Reihe und hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte!

Herr Innensenator! Es freut uns, dass Sie sich jetzt in die Richtung bewegen, die wir in unserem Antrag formuliert haben. Wir möchten aber dennoch wissen, in welcher Form, mit welcher Verbindlichkeit Sie die Ausländerbehörde diesbezüglich anweisen werden und ob die Kriterien für die Anerkennung von Härtefällen denjenigen entsprechen werden, die Ihr Ministerkollege und Parteifreund in Schleswig-Holstein bereits seit Anfang Juli anwendet, wie zum Beispiel einen langjährigen Aufenthalt als Voraussetzung für den Erfolg einer sprachlichen und ökonomischen Integration, wie für die Kinder, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen sind und hier ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben, wie im Hinblick auf zu erwartende Belastungen im Herkunftsland in Bezug auf die Gesundheitsversorgung oder der Möglichkeiten zum Bestreiten des eigenen Lebensunterhalts?

[Gaebler (SPD): Das war aber eine lange Frage! – Frau Senftleben (FDP): Manche können das eben, Herr Gaebler!]

Ich glaube nicht, dass es ein geeignetes Mittel ist, mit einem dezidierten Katalog zu arbeiten. Übrigens arbeitet das Land Schleswig-Holstein dann auch noch mit einem dezidierten, einseitigem Katalog, in dem geregelt wird, in welchen Fällen es alles nicht geht, obwohl die Voraussetzungen eigentlich bestehen. Ich glaube, dass das, was Schleswig-Holstein gemacht hat, eher kontraproduktiv ist und nicht dazu dient, wirklich im Einzelfall humanitär zu entscheiden.

Eine Nachfrage des Kollegen Mutlu von der Fraktion Bündnis 90. – Bitte, Herr Mutlu!

Es ist kein Geheimnis, dass sich die Ausländerbehörde in der Vergangenheit nicht immer an die Weisungen des Innensenators in ausländerrechtlichen Fragen gehalten hat. Dies ist in letzter Zeit bei „HauruckAbschiebungen“ deutlich geworden.

[Zuruf von der SPD: Frage!]

Wie wird der Senat gewährleisten, dass sich die Ausländerbehörde an diese Weisungen tatsächlich hält und Abschiebungen bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes nicht tätigt – in den Fällen, die Sie beschrieben haben?

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Ich wollte gerade darauf hinweisen, was Sie mit Ihrem letzten Halbsatz glücklicherweise noch zum Ausdruck gebracht haben: Es gibt keinen Abschiebestopp für Menschen, die hier ankommen und illegal hier sind. Diese werden so schnell

Sen Dr. Körting

Ansonsten ist die Frage Arbeitserlaubnis oder nicht danach zu behandeln, wie die jeweilige Rechtslage ist. Diese ist zurzeit nach dem Ausländergesetz zu beurteilen – und zwar ausschließlich danach und darüber hinaus von der jeweiligen Bundesagentur für Arbeit zu beantworten, die dafür zuständig ist, ob eine Arbeitserlaubnis erteilt wird oder nicht. Wir wissen – das muss man nüchtern sehen, um keine falschen Hoffnungen zu wecken –, dass bei einem nicht unerheblichen Teil der Menschen die

Qualifikation eher in dem Bereich liegt, in dem wir einen hohen Anteil von Arbeitslosen haben, weshalb die Bundesagentur für Arbeit keine Arbeitserlaubnis erteilt, weil sie weiß, dass diese Personen nur zusätzlich auf den Arbeitsmarkt drücken würden, ohne dass man an deren Situation etwas verbesserte. Das wird ab dem 1. Januar von der Ausländerbehörde nach Konsultation der Bundesanstalt entschieden. Ab dann wird es einen gemeinsamen Bescheid geben. Entscheidend ist aber, ob sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt ändert. Erst dann macht es Sinn, Arbeitserlaubnisse für Bereiche zu erteilen, in denen wir massenhaft Arbeitslose haben.

Danke schön! – Jetzt ist der Kollege Wegner von der Fraktion der CDU an der Reihe, und zwar mit einer Frage zu folgendem Thema:

wie möglich wieder in ihre Heimat zurückgebracht. Es kann weder nach dem alten noch nach dem neuen Recht einen solchen Abschiebestopp geben. Dazu gibt es auch keinen Konsens in der Gesellschaft.

Im Übrigen weise ich die Unterstellung zurück, dass sich die Mitarbeiter meiner Ausländerbehörde an bestimmte Weisungen nicht halten. Die Ausländerbehörde arbeitet im Rahmen des Ausländergesetzes und im Rahmen unserer Weisungen. Bei Einzelfällen, die in der Öffentlichkeit hochgezogen werden, wenn die Ausländerbehörde Abschiebungen durchführt, können Sie sicher sein, dass diese Maßnahmen mit meiner Behörde abgestimmt sind. Sie sind mit der Innenverwaltung abgestimmt, das heißt, alle Beteiligten wissen, was sie tun. Sie tun es sehenden Auges und nicht an der einen Verwaltung vorbei. Da haben Sie offensichtlich falsche Informationen. Deshalb brauche ich auf die Behauptung, dass meine Behörde nicht tut, was sie tun soll, gar nicht einzugehen. Die Behörde tut, was sie soll.

Danke schön, Herr Senator! – Frau Hopfmann, von der Fraktion der PDS hat das Wort. – Bitte schön, Frau Hopfmann!

Da wir wissen, dass die Härtefallregelung auch sagt, dass die betreffenden Antragsteller Erwerbstätigkeit nachweisen oder zumindest zur Erwerbstätigkeit bereit sein sollen, um unabhängig von Sozialhilfe zu werden, frage ich, ob Sie in der Weisung an die Ausländerbehörde vorgesehen haben, dass die Betroffenen ab sofort auch arbeiten dürfen, das heißt, dass die entsprechende Auflage von Seiten der Ausländerbehörde nicht mehr erfolgt, dass ihnen nichtselbstständige Tätigkeit nicht gestattet ist?

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Es ist in der Tat so, dass Härtefälle in der Regel nur angenommen werden können, wenn sichergestellt ist, dass die Betreffenden ihren Lebensunterhalt auf Dauer selbst erbringen. Nur dann hat die Bundesrepublik Deutschland ein zusätzliches Interesse. Es wird aber andere Fälle geben. Beispielsweise von schwerkranken Menschen, die woanders nicht behandelt werden können, bei denen wir sagen: Obwohl der Lebensunterhalt nicht gesichert ist, werden wir aus humanitären Gründen sagen, dass sie hier bleiben können. Das haben wir auch bisher schon in Fällen getan, wenn es eine Sonderregelung gegeben hat.

Wie viel zählt das Wort des Wirtschaftssenators Wolf?

[Brauer (PDS): Alles, Herr Wegner, alles!]

Bitte schön, Herr Kollege!

Ich frage den Senat:

1. Wie gedenkt der Senat, die Erhöhung der Wasserpreise um 25 % bis 2008 zu verhindern und den bereits existierenden Standortnachteil durch die überdurchschnittlich hohen Wasserpreise für die Berliner Wirtschaft zu kompensieren?

2. Wie und bis wann will der Senat die zwischen Senator Wolf und den Kammern sowie dem UVB getroffene Absprache hinsichtlich der Wassertarife doch noch einhalten?

[Liebich (PDS): Wo kommt die Preiserhöhung denn her?]

Bitte, Herr Senator Wolf, zur Beantwortung!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wegner! Mir sind keine Planungen bekannt, nach denen die Wasserpreise bis ins Jahr 2008 um 25 % erhöht werden sollen. Solche Planungen existieren bei den Berliner Wasserbetrieben nicht.

Sie haben allerdings Recht: Wir werden bis ins Jahr 2008 Erhöhungen der Wasserpreise haben. Dies ist unter anderem eine Folge der zu Zeiten Ihrer politischen Verantwortung beschlossenen vertraglichen Regelungen im Rahmen der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe. Diese führen zwangsläufig dazu, dass wir in den nächsten Jahren Preiserhöhungen haben werden. Das haben Sie – entgegen der Warnung der damaligen Opposition von Grünen und PDS – beschlossen. Es hätte im Rahmen Ihrer damaligen politischen Verantwortung die Möglichkeit gegeben, die Entwicklung, die Sie heute beklagen, zu verhindern.

[Beifall bei der PDS]

Bm Wolf

Ich habe das in diesem Zusammenhang, auch wenn es zu einzelnen Härten gekommen wäre, in Abwägung der Gesamtkonstellation für vertretbar gehalten, weil eine große Masse davon profitiert hätte. Ich habe es auch unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten und im Interesse von Unternehmen für sinnvoll gehalten, weil die Gefahr besteht, dass gerade große Unternehmen mit hohem Wasserverbrauch bei einer weiteren Steigerung der Wasserpreise ihre Wasserabnahme bei den Berliner Wasserbetrieben einstellen und, was in Berlin möglich ist, eigene Brunnen bohren. Dies würde bedeuten, dass der spezifi

sche Wasserpreis sich erhöht, weil die Kostenstrukturen auf eine geringere Kundenzahl umgelegt werden. Das liegt in der Logik des Gebührensystems.