Protocol of the Session on June 17, 2004

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie glauben gar nicht, wie beliebt man ist, wenn man das hier hat.

[Hält ein Schriftstück hoch.]

Darauf steht: Streng vertraulich – Konzept für die Sanierung und künftige Ausrichtung der Vivantes. – Ich darf es Ihnen nicht zeigen, ich darf auch nicht daraus vorlesen, denn es ist streng vertraulich.

[Schruoffeneger (Grüne): Einfach fünf Minuten schweigen, das ist der Inhalt!]

Aber bei diesem wundervollen Ding, das alle haben wollen, ist es mir noch viel leichter gefallen als bei allen anderen vertraulichen Vorlagen, es für mich zu behalten und nicht weiterzugeben. – Man darf es nicht, deshalb tue ich es ohnehin nicht. – In diesem Fall konnte ich den Journalisten sagen: Das wollt ihr ohnehin nicht haben, denn darin steht nichts. – Das ist genau das Problem dieses Sanierungskonzepts.

[Zuruf des Abg. Dr. Flemming (SPD)]

Herr Flemming, Ihre Bemühungen in allen Ehren, dass Sie, nachdem wir eine erste Version erhalten hatten, nachgefasst und gesagt haben: Das kann nicht alles sein. Wir wollen das ganze Sanierungskonzept haben. – Danach hat Herr Schäfer uns einen Brief geschrieben und dieses Paket hier beigelegt und gesagt, das sei das gesamte Sanierungskonzept. Das war der eigentliche Schock, die Feststellung, dass es offensichtlich nichts anderes gibt als diese Auflistung wilder Zahlen und eine Summe von 185 Millionen € Einsparpotential und wo durch nichts belegt wird, wie man das erreichen kann. Auf Nachfrage – auch das kann ich hier nicht so offen sagen, wie man es eigentlich tun müsste – ist der Eindruck entstanden, dass es sich hierbei nicht um ein Konzept handelt, das durch einzelne Maßnahmen auf die jeweiligen Krankenhäuser bezogen konkret unterlegt ist, sondern dass es sich lediglich um ein geschätztes Potential handelt, was man bei der Vivantes einsparen könnte, wenn man einmal richtig anfinge zu sanieren. Was machen Sie jetzt? – Das ist der Hauptkritikpunkt und der Grund dafür, weshalb es gestern die Oppositionsfraktionen mit der Abstimmung im Vermögensausschuss nicht mehr so genau genommen, nämlich nicht mehr daran teilgenommen haben. Sie können doch nicht sagen, Herr Pape: Wir beschließen erst einmal das Konzept, aber wir haben noch jede Menge Fragen und die wollen wir geklärt haben. Deshalb fordern wir den Senat auf, uns diese Fragen zu beantworten. – Damit geben Sie jede Möglichkeit des Parlaments aus der Hand, der Exekutive und dem Unternehmen gegenüber zu sagen: Nein, wenn diese Entschuldung überhaupt stattfinden soll – wir haben dazu eine andere Meinung, wie Sie wissen –, dann nur, wenn zunächst ein tragfähiges Sanierungskonzept auf den Tisch gelegt und danach beschlossen wird, dass eine Entschuldung stattfindet. Das tun Sie aber nicht und deshalb ist das ganze Verfahren nicht besonders vertrauenserweckend.

Der Vivantes fließt im Übrigen durch diese Beschlüsse auch nicht ein einziger Euro frischen Geldes zu. Vielmehr dürfen sie nur das, was ansonsten hätte zurückgezahlt werden müssen, behalten. Das bringt das Unternehmen aber keineswegs weiter. Dem Unternehmen fehlt am

allermeisten Kapital in Cash, das man investieren und mit dem man die Krankenhäuser auf einen Stand bringen kann, damit sie effektiver arbeiten können – und das bei zunehmender medizinischer Behandlungsqualität, die damit zu erzielen wäre. Damit könnte man diese Krankenhäuser wirklich aus dem Tief herausbringen, aber mit dieser Maßnahme mit Sicherheit nicht.

Die Geschäftsführung, das hat Herr Czaja schon zu Recht hier dargestellt, ist eigentlich gar nicht mehr vorhanden. Die Geschäftsführung ist nur noch da, weil sie gebraucht wird, um im Handelsregister irgendjemanden eintragen zu können, der für die GmbH handlungsfähig ist. Es muss jemand unterschreiben können, wenn irgendetwas passiert. De facto finden die Entscheidungen inzwischen bei McKinsey statt und nicht mehr bei der Geschäftsführung. Dennoch ist es zwar richtig, auf diesen Umstand hinzuweisen, ich glaube allerdings nicht wirklich, liebe Kollegen von der CDU, dass man mit dieser eher vergangenheitsbezogenen Betrachtungsweise, der Geschäftsführung die Hammelbeine lang zu ziehen,

[Hoffmann (CDU): Konsequent!]

irgendetwas nach vorn Weisendes erreichen kann. Der Verzicht ist sicher nötig, auch für die Symmetrie innerhalb des Unternehmens, damit man den Mitarbeitern nicht etwas abverlangt, was nicht auch von der Geschäftsführung geleistet wird. Aber ansonsten hat mir Ihr Antrag neulich viel besser gefallen, ein Interessenbekundungsverfahren in Gang zu setzen. Das ist etwas, was tatsächlich nach vorn weist und dazu führt, dass die Krankenhäuser in Berlin eine Zukunft haben und dass die Kosten der Krankenhausbehandlungen sinken können. Damit könnte tatsächlich auch etwas für die Stabilisierung der Krankenkassenbeiträge der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Berlin getan werden. Herr Pape, wie Sie das rechnen, dass die Existenz der Vivantes, so wie sie heute ist – defizitär und mit zu hohen Kosten – , ein Beitrag zur Stabilisierung der Krankenkassenbeiträge in Berlin ist, das wird wahrscheinlich noch für längere Zeit Ihr Geheimnis bleiben. Ich fürchte deshalb, dass uns der Problemfall Vivantes, von dem Sie möchten, dass die Altlasten aufgelöst werden und damit alles in Ordnung ist, noch länger beschäftigen wird.

[Beifall bei der FDP]

Danke schön! – Für die PDS-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Simon. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist wahrscheinlich den meisten gar nicht aufgefallen, dass dieser Antrag der CDU vom 24. Mai 2004 stammt. Das sind genau zwei Tage, bevor der Aufsichtsrat über das Sanierungskonzept entschieden hat. Die Redebeiträge der Opposition haben sich im Wesentlichen mit Dingen beschäftigt, die danach geschehen sind,

[Frau Jantzen (Grüne): Dürfen wir das nicht?]

aber nicht mit dem Inhalt des Antrags. Ich nehme mir deshalb das Recht, neben der Pflicht, nämlich Bezug zu nehmen auf den Antrag, auch noch die Kür vorzutragen. Grundsätzlich halte ich fest, dass ich es richtig, normal und selbstverständlich finde, dass man auf einen vorgelegten Antrag Bezug nimmt, wenn man ihn nicht zunächst im Ausschuss behandeln und das Plenum damit im Vorfeld nicht behelligen will.

Ich komme zunächst der Pflicht nach und sage etwas zu dem Antrag von Herrn Czaja und seinen Kollegen und Kolleginnen. Ich begreife diesen Antrag als ein Plädoyer für leistungsgerechte Bezahlung.

[Czaja (CDU): Wohl wahr!]

Das kann ich akzeptieren. Ich finde es bemerkenswert und betrachte es als Symptom für den Erkenntnisprozess bei der CDU über die in dieser Gesellschaft bestehenden Verteilungsungerechtigkeiten, die dringend abgebaut werden müssen. Insofern kann man einen gewissen Lerneffekt bei der CDU-Fraktion unterstellen. Ich glaube, dass dieser Lerneffekt hilfreich sein könnte für eine kritischere Betrachtung der Verteilung zwischen Arm und Reich in dieser Gesellschaft.

[Beifall bei der PDS – Dr. Lindner (FDP): So, so! – Hoffmann (CDU): Wäre ja schön, wenn Sie im Haushaltskontrollausschuss auch so konsequent gewesen wären!]

Es bleibt aber die Frage, Herr Czaja, weshalb Ihnen dieser Antrag nicht in Verbindung mit der Bankgesellschaft und Ihrem Kollegen Landowsky eingefallen ist. Das hätte näher gelegen – auch zeitlich.

Sieht man sich den Antrag konkret an, muss man allerdings feststellen, dass er aus sachlichen und vertragsrechtlichen Gründen nicht realisierbar ist. Hier den Eindruck zu erwecken, man könne die entstandenen Defizite der Geschäftsführung so einfach zuordnen,

[Hoffmann (CDU): Das geht leider nicht!]

ist, das müssen Sie selbst einräumen, reichlich kompliziert. Eine solche Rechnung kann gar nicht funktionieren. Deshalb bleibt der etwas fade Nachgeschmack, dass es sich hier eher um einen Antrag mit populistischem Ansatz handelt.

Ich habe jetzt meinen Pflichtteil erledigt und möchte, wie alle anderen Kolleginnen und Kollegen, die sich zu Vivantes geäußert haben, mir eine Anmerkung erlauben, von der ich glaube, dass sie notwendig ist, weil sie in der öffentlich wahrnehmbaren Debatte bisher wenig Berücksichtigung gefunden hat. Es ist uns trotz aller Angriffe gelungen, die Privatisierung von Vivantes abzuwenden. Das ist die entscheidende politische Botschaft und der entscheidende politische Erfolg der Koalition. Damit wurde die Koalitionsvereinbarung bestätigt.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Darin ist festgehalten, dass die Krankenversorgung zu 100 % in der öffentlichen Hand verbleiben muss. Die Senatorin hat diese klare Position in der Vergangenheit mehrfach bekräftigt. Wir sehen uns jetzt bestätigt.

Da gerade dieser Umstand von vielen großen Tageszeitungen nicht gewürdigt wurde, tue ich das an dieser Stelle: Wir von der PDS sind der Auffassung, dass die stationäre Versorgung als Teil der Daseinsfürsorge so wichtig ist, dass hier die Einflussnahme der öffentlichen Hand erhalten bleiben muss, um wesentliche Aufgaben, die bestimmte gesundheits- und sozialpolitische Zielsetzungen verfolgen, auch in Zukunft unmittelbar wahrnehmen zu können, um sozialkompensatorische Aktivitäten dort zu entfalten, wo es künftig mehr denn je notwendig wird, weil in Zukunft auch ein Krankenhausaufenthalt von den finanziellen Mitteln des Einzelnen abhängig sein wird, und um Gewinne reinvestieren und für vergleichbare Aufgabenstellungen nutzen zu können.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Matz?

Ich gestatte das selbstverständlich. Ich würde aber gerne zunächst meinen Satz ergänzen. – Ich bin sehr froh darüber, dass wir den jetzigen Zustand erreicht haben. Ich räume aber ausdrücklich ein, dass auch die Geschäftsführung in der Vergangenheit reichlich Steilvorlagen geliefert hat, um sich der öffentlichen Kritik auszusetzen. Diese Kritik erfolgte bedauerlicherweise oftmals zu Recht. Das rechtfertigt aber nicht diesen Antrag. – Bitte, Herr Matz!

Herr Matz, Sie haben jetzt das Wort!

Frau Kollegin Simon, bitte erläutern Sie uns, was die Daseinsfürsorge ist, von der Sie reden.

Die Tatsache, dass Sie eine solche Frage stellen, Herr Matz, macht deutlich, dass Sie die Komplexität dieses Themas völlig unterschätzen. Sie glauben doch nicht, dass ich Ihnen jetzt einen dafür erforderlichen mehrstündigen Vortrag halten könnte. Ich verstehe aber, dass Sie einen Zugang zu Fragen der öffentlichen Daseinsfürsorge deshalb so schwer finden, weil Sie gerade auf Ihrem FDP-Parteitag in Dresden mit der Abschaffung der GKV deutlich gemacht haben, wie stark Ihr sozialpolitisches Engagement auf dieser Ebene in Wirklichkeit ist. In der GKV sind Daseinsfürsorge und die Sicherung durch solidarische Finanzierung relevante und erhaltenswerte Bestandteile.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Jantzen das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Sanierung läuft auf Hochtouren“ lautete eine Pressemitteilung von Vivantes im Septem

ber 2002. „Vivantes schafft es – Aufsichtsrat und Fachinstitute bestätigen Unternehmenskonzept“ hieß es im Dezember 2002. Wie Sie alle wissen, waren ein paar Monate später die Zeitungen voll mit Meldungen, dass Vivantes die vorgesehenen Maßnahmen und Umstrukturierungen nicht umsetzen kann und die Sanierungsziele nicht erreicht werden. Die Geschäftsführung stand vor der Tür des Abgeordnetenhauses und brauchte eine Finanzspritze.

Liebe Ingeborg Simon! Vor dem Hintergrund des derzeitigen Informationsstands über das Sanierungskonzept und der Tatsache, dass bestimmte Maßnahmen nicht unterlegt sind und nicht klar ist, wie sie umgesetzt werden, kann ich nur hoffen, dass deine Vorhersage, man habe die Privatisierung abgewendet, eintrifft. Ehrlich gesagt, bin ich da nicht optimistisch.

Dass die Geschäftsführung nicht allein die Verantwortung für die wirtschaftlichen Probleme von Vivantes zu tragen hat, wissen wir alle. Sie sind „Geburtsfehlern“ bei der Gründung zuzuschreiben. Es waren die CDU und die SPD, die diesen Konzern in dieser Form gegründet haben. Stichworte sind: Altschuldenübernahme, hohe Personalkosten, fehlende Investitionen und zentralistische Unternehmensstruktur. Diese „Geburtsfehler“ hätte das Unternehmen nicht mit auf den Weg bekommen, wenn die Grünen damals als Hebamme dabei gewesen wären. Durch die Fehler der Geschäftsführer sind die Probleme aber unbestritten verschärft worden. Die hoch gesteckten Ziele konnten nicht erreicht werden. Und Rot-Rot hat in der Vergangenheit versäumt, die „Geburtsfehler“ zu bereinigen. Wenn es nach uns gegangen wäre, wäre das frühzeitig erledigt gewesen. Mit dem Aussitzen von Problemen kann man sie nicht lösen.

[Beifall bei den Grünen]

Noch ein Hinweis: Ich halte es nach wie vor für einen katastrophalen Fehler, dass die Geschäftsführung nach politischem Proporz und nicht eindeutig nach Managementqualifikationen besetzt wurde. Das hat in der Vergangenheit zu einem Gegeneinander in der Geschäftsführung geführt. Damit kann man ein Unternehmen nicht optimal führen.

Die CDU hat beantragt klarzustellen, welche Defizite und Probleme die Geschäftsführung tatsächlich zu verantworten hat, und sie für fehlerhaftes Management auch finanziell zur Verantwortung zu ziehen. Diese Forderung ist richtig.

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Hoffmann (CDU)]

Das ist umso dringlicher, weil die Beauftragung einer externen Beratung und strengen Kontrolle durch McKinsey deutlich macht, dass der Senat keinerlei Vertrauen mehr in die Geschäftsführung hat. 3 Millionen € werden allein bis September für die Arbeit von McKinsey ausgegeben. Da fragt sich doch jede Steuerzahlerin und jeder Steuerzahler, wofür man noch vier hoch dotierte Geschäftsführer und weitere Führungskräfte in der oberen und mittleren Ebene braucht.

Frau Simon

Dieses Vorgehen ist ein Affront gegenüber den Beschäftigten des Krankenhauses, die bereit sind, auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu verzichten und damit einen Beitrag zur Sanierung dieses Hauses zu leisten.

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Hoffmann (CDU)]

Das ist auch ein Affront gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, auf deren Kosten die 230 Millionen € Kredit in Eigenkapital umgewandelt werden.