Protocol of the Session on April 1, 2004

Um das zu tun, braucht man Feindbilder. Und diese schafft man notwendigerweise. Das ist Ihr Verständnis.

[Henkel (CDU): Ich habe wenigstens eins, Sie haben gar keins!]

In unserer Haltung haben uns auch die Auffassungen von Herrn Ritzmann und Herrn Wieland bestätigt, und die Grünen und die FDP sind doch wahrlich keine regierungsfreundlichen Fraktionen. Wir wollen einen Weg zur Dienstleistungsverwaltung gehen. Wir wollen Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger respektieren. Wir wollen einen Schritt zur Bürgergesellschaft gehen, auch mit diesen Ordnungsämtern, ohne die Fragen von Ordnung und Sauberkeit und der damit verbundenen Strukturen an irgendeiner Stelle zu unterschätzen.

[Beifall bei der PDS]

Das ist die Grundfrage, die die Aktualität dieser Aktuellen Stunde ganz deutlich unterstreicht.

Herr Henkel hat gesagt, die CDU vertritt das Interesse der Bürger; fragen Sie die Bürger, was sie wirklich wol

len. – Tun Sie das! Herr Henkel, Sie haben keinen Wahlkreis. Ich bin seit vielen Jahren Wahlkreisabgeordneter und bin so einer, der zwei Tage in der Woche im Wahlkreis ist, mit Leuten, mit Vereinen redet, an vielen Veranstaltungen teilnimmt.

[Zurufe von der CDU]

Nein! Ich sage das nur, weil ich weiß, was die Leute wirklich wollen. Das ist ein ganz gemischtes Publikum – gerade in dieser Frage.

Sie haben völlig Recht, wenn Sie sagen: Die wollen Ordnung und Sicherheit. – Aber wenn Sie die Frage stellen – und das ist es, worauf Sie abzielen –, ob die Verwaltung als Polizei auftreten muss, so wollen Sie mehr Polizei – wie Herr Wieland richtig sagt –, aber sie wollen keinen Polizeiersatz. Sie wollen nicht, dass diese Fragen von Ordnung und Sauberkeit mit den anderen Dingen vermischt werden. Wenn man die Menschen zitiert und behauptet, man mache eine Politik in ihrem Interesse und verwirkliche das, was sie wollen, muss man – auch intellektuell – so fair sein, dass man das auseinander hält.

Ein Letztes zum Zeitrahmen, da noch einmal deutlich gesagt worden ist, es gebe eine Verzögerung und es werde nichts gemacht: Herr Ritzmann! Sie haben einige Grundfragen der Kompetenzen aufgeworfen. Ich kann von meiner Partei sagen, dass wir von der Vertreterin des Rates der Bürgermeister im Innenausschuss, der Bezirksbürgermeisterin aus Lichtenberg, regelmäßig informiert wurden, und wir haben uns regelmäßig verständigt. Das gilt auch für die anderen Bürgermeister. Da waren wir dabei.

[Ritzmann (FDP): Ich war auch dabei!]

Das will ich ja nur sagen. – Genau solche Fragen, wie Sie sie genannt haben, wurden unmittelbar aufgeworfen, als die Verhandlungen unter Leitung von Herrn Freise begannen. Es kam zu den nächsten Fragen. Es wurde die Frage diskutiert: Was kann der Bezirk an Aufgaben nicht erfüllen? – Alles das hat sich zu einer Fülle von Details entwickelt. Ich glaube, dass wir als Koalition das Datum im Verwaltungsreformausschuss vorgeschlagen haben, und das Parlament hat dem dann zugestimmt. Ich sage das durchaus in eigener Sache: Da haben wir den Problemhaushalt unterschätzt. Ganz sachlich!

Es ist richtig, wenn in dieser Situation diese Arbeitsgruppe sagt: Ehe wir etwas Halbfertiges machen, was schon viel zu oft gemacht worden ist und dann ständig verbessert werden musste, gehen wir diesen Weg systematisch und schrittweise zu Ende! – Das nennt man folgenkritische Vorausschau. So heißt der Fachbegriff. Den kennt ganz bestimmt Frau Grunert, und Sie, Herr Wieland, haben ihn jetzt gelernt. – Danke schön!

[Beifall bei der PDS und der SPD – Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

Das Wort hat Herr Wambach. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon beachtlich – und Kollege Wieland hat es in seiner unnachahmlichen Art auf den Punkt gebracht –: Die Koalition beantragt eine Aktuelle Stunde zu den Ordnungsämtern, und dann werden zwei Kollegen Verwaltungsreformer in die Bütt geschickt, die uns über den verpassten Starttermin am 1. April hinweg texten sollen. – Seien Sie mir nicht böse, aber das Thema „bürgernahe Dienstleistung“ ist angesichts der verpassten Termine des Senats heute eher zweitrangig! Es geht doch um Folgendes: Die Grillsaison wird eröffnet, und die Ordnungsämter sind nicht in der Stadt. Und das ist schlecht.

[Beifall bei der CDU und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Doering (PDS): Aha, darum geht es!]

Es geht heute um die zeitnahe Umsetzung eines Gesetzes zur Schaffung von Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit in unseren Bezirken. Lieber Herr Senator Körting! Die CDU hat es in zehn Jahren nicht geschafft, dieses umzusetzen, weil die SPD es zehn Jahre lang systematisch blockiert hat.

[Beifall bei der CDU – Ha, ha! von der PDS – Doering (PDS): Der General konnte sich nicht durchsetzen, und Diepgen auch nicht. Ich wusste gar nicht, dass er so führungsschwach war!]

Jetzt vollführen Sie hier einen Eiertanz, und das ist schon sehr bemerkenswert.

Der gesamte Vorgang „bezirkliche Ordnungsämter“ ist ein schlechtes Beispiel für die Umsetzung von Parlamentsbeschlüssen und Gesetzen im Land Berlin. Neben der Diskussion über Handschellen und Schlagstöcke lohnt es sich schon, hier einmal genauer hinzuschauen, wie dieser Senat damit umgeht, wenn in diesem Hause etwas beschlossen wird. Über die Zeitabläufe und die verpassten Termine ist alles gesagt. Aber wir müssen uns schon anschauen, was in der Zwischenzeit passiert ist: Der Senat hatte nach der Beschlussfassung hier im Hause fünf Monate Zeit, um einen Plan für die Umsetzung dieses Gesetzes vorzulegen.

[Doering (PDS): Donnerwetter!]

Stattdessen hat es acht Monate gedauert, dem Parlament einen Zwischenbericht vorzulegen.

[Doering (PDS): Noch schlimmer!]

Die Vorlage für ein Artikelgesetz zur Schaffung der Rechtsgrundlagen für die Ordnungsämter haben wir bis heute noch nicht.

[Doering (PDS): Sie haben es 10 Jahre lang nicht geschafft!]

Ich frage mich an dieser Stelle, ob wir alle gemeinsam bereit sind, das klaglos zu akzeptieren, oder ob Sie in Ihrer phantastischen und schier grenzenlos harmonischen Koalition untereinander inzwischen einen schmerzfreien

Zustand erreicht haben – eine Art Schwebezustand zwischen Kiez und Kosmos.

[Doering (PDS): Über was reden Sie jetzt?]

Wir jedenfalls akzeptieren es nicht, wenn in der Senatsverwaltung so mit Gesetzen und Terminen umgegangen wird, die in diesem Hause verbindlich beschlossen wurden.

Nun blicken wir einmal hinter die Kulissen! Da gibt es zwei Verantwortliche für die Verwaltungsmodernisierung im Land Berlin, das so genannte Tandem. Die haben sich mit dem Thema erst gar nicht befasst, obwohl es um die Abschichtung von 80 Verwaltungsprodukten von der Hauptverwaltung in die Bezirke ging, von denen bisher übrigens nur die Ordnungsangelegenheiten bearbeitet wurden, die zur unmittelbaren Gefahrenabwehr nötig waren – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass diese Produkte im Senat selbstverständlich, liebe Kollegen Verwaltungsreformerinnen und -reformer, in der Kostenrechnung gar nicht erst gebucht wurden. Das führt jetzt dazu, dass keiner weiß, in welcher Höhe Mittel an die Bezirke abzuschichten sind. Obwohl es um Neustrukturierung, um Fragen der Personal- und Mittelabschichtung, die Harmonisierung von Zuständigkeiten und vieles mehr geht, hat sich unser glorreiches Tandem damit einfach nicht befasst. Auch die Staatssekretärsrunde zur Verwaltungsmodernisierung hat sich damit nicht befasst, obwohl die Ordnungsämter künftig Aufgaben wahrnehmen sollen, die zahlreiche Senatsressorts in ihrer Zuständigkeit betreffen – Inneres, Bauen, Verkehr, Gesundheit, Wirtschaft und sogar die Senatskanzlei selbst.

Das Thema „bezirkliche Ordnungsämter“ stand einfach bis heute nicht auf der Tagesordnung in diesem virtuellen Koordinationsgremium, und das ist schon bemerkenswert. Wir werden später in der Praxis sehen, was daraus wird. Stattdessen kommt im Laufe des Projekts Sperrfeuer vom Bremsrad des Tandems, namentlich aus der Senatsverwaltung für Finanzen. Die beteiligt sich immer erst dann, wenn es um das Geld geht, obwohl sie eigentlich nach der Papierlage an der Spitze von Modernisierungsprozessen stehen muss.

Da genau liegt der Hund begraben: Wir diskutieren doch hier in Wahrheit nicht über die Aufgaben und Zuständigkeiten unter dem Aspekt, was politisch gewollt war und ist, nämlich Ordnung und Sicherheit in den Bezirken vor Ort zu schaffen, sondern wir diskutieren seit vielen Wochen über die Ordnungsämter und die Umsetzung unseres Gesetzes unter dem Aspekt, was dem Finanzsenator passt oder nicht passt. Wir diskutieren also z. B. darüber, welche Aufgaben Mitarbeiter aus dem Stellenpool ohne großartige Ausbildung übernehmen können. Danach soll sich dann das Anforderungsprofil der Ordnungsämter orientieren, und damit wird der Wille des Gesetzgebers am Ende aus der reinen Innensicht der Verwaltung in das Gegenteil verkehrt. Das ist die Wahrheit.

[Beifall bei der CDU]

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wir haben im Parlament beschlossen, was wir künftig wollen, nämlich Ordnung und Sicherheit in Parks und Anlagen, auf Straßen und Plätzen in unseren Bezirken. Danach hat sich der Senat zu richten. Er hat den Willen des Gesetzgebers umzusetzen und die nötigen Rechtsgrundlagen auf den Weg zu bringen. Aus diesen Rechtsgrundlagen ergibt sich dann das Anforderungsprofil für die Mitarbeiter, und daraus ergibt sich die qualifizierte Ausbildung für diejenigen, die künftig vor Ort im Einsatz sind. Alles andere ist lebensfremd, und das haben selbst die SPD-Bürgermeister aus drei Bezirken dieser Stadt erkannt, die sich lebhaft vorstellen können, wie ehemalige Verwaltungsmitarbeiter wehrlos auf der Straße stehen.

So geht es nicht. Wir müssen Schluss machen mit dem Eiertanz. Bringen Sie die Ordnungsämter jetzt unverzüglich auf den Weg, und gewöhnen Sie sich ab, künftig den Willen des Gesetzgebers so zu behandeln, wie Sie es in diesem Fall getan haben. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Das Wort hat Frau Abgeordnete Fischer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrter Kollege Wambach! Wenn nicht Verwaltungsreformerinnen oder Verwaltungsreformer, wer sonst sollte dann hier in erster Linie sprechen, denn bis jetzt wurde dieses Thema nur im Verwaltungsreformausschuss und in keinem anderen behandelt?

[Beifall der Frau Abg. Dr. Tesch (SPD)]

Und auch Sie sprechen an dieser Stelle als Verwaltungsreformer zu diesem Thema.

[Wieland (Grüne): Nur Henkel fiel aus der Rolle!]

Herr Kollege Wieland, da muss ich Ihnen Recht geben: Herr Henkel fiel aus der Rolle.

[Henkel (CDU): Nicht nur nachreden, sondern eigene Gedanken bringen!]

Ich würde mal ein wenig zuhören! Ich habe Ihnen auch zugehört, auch wenn es mir schwergefallen ist. – Verehrter Kollege Henkel! Sie scheinen auch vergessen zu haben, wie die Historie war. Es gab sicher Anregungen zu den Ordnungsämtern und das Begehren der Bezirke, aber dann kam von Ihrem geschätzten Herrn Dr. Werthebach, seinerzeit Innensenator, nichts – einfach gar nichts. Und wo nichts ist, Herr Henkel, kann man auch nichts blockieren. So einfach ist das!

[Beifall bei der PDS]

Jetzt richte ich mich einmal an Herrn Wieland und die übrige Opposition, die kritisiert hat, dass es so lange gedauert hat. Es hat lange gedauert. Vielleicht waren wir zu blauäugig, um anzunehmen, dass es uns gelingen könnte, in einem dreiviertel Jahr in schwierigen Verhandlungen mit den Bezirken, mit den Abschichtungen und allem, was dazu gehört, zum 1. April die Ordnungsämter in den

Bezirken zu installieren. Da hätten wir vielleicht schlauer sein müssen und wissen, dass es so schnell nicht zu schaffen sein wird. Aber ich wiederhole noch einmal: Es ist der rot-rote Senat – und hier, Herr Wansner, folge ich Ihrem Wunsch und lobe ausdrücklich den Innensenator –, dem es gelungen ist, mit den Bezirken in den so sehr schwierigen Verhandlungen einen Kompromiss zu erzielen. Somit wird es möglich sein, in diesem Jahr die Ordnungsämter in den Bezirken einzurichten oder sie auf ihren Weg zu bringen.

Schade finde ich es nur, dass sich die Diskussion letztendlich auf die sogenannten Kiezstreifen verengt hat. Das ist etwas, was wir nicht gewollt haben und lenkt von dem Positiven, das die Arbeit der Ordnungsämter bewirken soll, ab. Der Bevölkerung wird – und das ist hauptsächlich von der CDU so gewollt und von manchen Medien aufgenommen – neue Polizei suggeriert.

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne) – Henkel (CDU): Ich habe mich nicht in der „B.Z.“ ablichten lassen!]