Protocol of the Session on April 1, 2004

[Beifall bei der FDP]

Die FDP möchte Ordnungskräfte, die den Bürgern und den Gästen freundlich und kompetent als Ansprechpartner begegnen und auf Regelverstöße aufmerksam machen. Wer uneinsichtig ist, gegen den wird ein Bußgeld verhängt. Dazu gehört die Kompetenz zur Identitätsfeststellung, aber auch eine Schwerpunktsetzung insbesondere in Problemkiezen in den Parks im Sommer, wo es gewisse Verwahrlosungstendenzen gibt. Das heißt aber auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in besonderer Weise charakterlich dafür geeignet und in der Lage sein müssen, Konflikte auch verbal zu entschärfen. Denn machen wir uns doch nichts vor: Mindestens 95 Prozent der Einsätze werden wahrscheinlich nicht immer freundlich, aber doch in der Regel friedlich ablaufen, ohne den Einsatz von Gewalt. Deswegen reicht es aus unserer Sicht, diese Beschäftigten mit einem Pfefferspray auszustatten. Wenn es brenzlig wird, muss es den kurzen Draht zu den Profis geben, und das ist die Berliner Polizei. Die FDP möchte eine Mischung aus Ordnungs- und Servicekräften.

[Beifall bei der FDP]

Das Abgeordnetenhaus hat beschlossen, dass der Senat tätig werden soll. Zehn Monate verwaltungsinterner Brüterei sind vergangen. Viel zu spät wurde uns jetzt ein Konzept präsentiert, mit viel VerwaltungsreformNeusprech. Zum Beispiel wird dort von Masterdokumenten oder der Modellierung der Geschäftsprozesse gesprochen, aber die entscheidenden Fragen bleiben weiterhin ungeklärt: Wer soll das Ganze bezahlen? Welche Kompetenzen haben die Beschäftigten? Wer bildet aus, und wie lange werden sie ausgebildet? Und auch sehr entschei

dend: Wer kontrolliert diese Kräfte? – Das sind bezirkliche Angestellte, aber es gibt keine parlamentarische Kontrolle darüber, weil die BVVs keine Parlamente, sondern Teil der Verwaltung sind. Alles das ist bisher nicht geklärt. Der Senat hat sich bemüht, die an ihn gestellten Aufgaben zu erfüllen. Es ist ihm nicht gelungen. Das Ergebnis ist mangelhaft.

Statt dieser klaren Konzepte für ein saubereres und lebenswerteres Berlin haben wir eine neue Debatte. Auch in dieser Debatte müssen sich einige fragen lassen, ob sie noch ganz sauber sind. Im Rat der Bürgermeister träumen einige von bezirklichen Einsatzkommandos – martialisch, einschüchternd ausgestattet, mit Handschellen und Schlagstöcken im Minimum, gerne auch mehr: scharfe Hunde waren diskutiert worden, natürlich aber nur zur Selbstverteidigung. Da ist wohl der Traum von einigen, die in den Bezirken gern zwölf kleine Polizeipräsidenten hätten. Ist es wirklich notwendig, in den Situationen, über die wir jetzt gesprochen haben, Bezirksangestellte, keine Polizisten, so martialisch auszurüsten? Will die CDU oder andere auch im Sozialamt bei den Beschäftigten den Schlagstock und die Handschelle?

[Hoff (PDS): Klar!]

Oder wie sieht es bei den Politessen aus? – Eine bewaffnete Bezirkspolizei, die wenige Wochen ausgebildet ist – wie sie von der CDU gewünscht wird –, stellt ein eigenes Problem dar,

[Beifall bei der PDS]

denn stellen Sie sich einmal vor, es kommt zu einer solchen Situation: Der Beschäftigte holte den Knüppel aus dem Sack. Das reicht vielleicht, um die Großmutter einzuschüchtern, die ihren Fiffi ausführt und unwillig ist, die Hinterlassenschaften zu beseitigen. Aber wenn es darauf ankommt, ist die Frage, ob der Besitzer des Schlagstocks in einem Handgemenge nicht ruckzuck wechseln könnte und wir hinterher daraus eine neue Gefahr für die Beschäftigten selbst und für andere Anwesende haben.

[Beifall bei der FDP und der PDS – Henkel (CDU): Den Mond anzubellen, reicht nicht!]

Das ist ein Problem, das offensichtlich ist.

Hinzu kommt ein jüdisches Sprichwort:

Wenn der Mensch erst einen Knüppel hat, wird er immer einen Hund zum Prügeln finden.

Wir haben verschiedene Probleme, die ganz offensichtlich sind. Ich kann mir die Schlagzeilen in den Medien schon vorstellen, von überforderten Kiezpolizisten und eskalierten Konflikten wird da die Rede sein. Mit der FDP wird des keine Billig-Polizei, keine Truppe von Mini-Rambos oder Möchtegern-Sheriffs geben.

[Beifall bei der FDP und der PDS – Henkel (CDU): So ein Quatsch! – Goetze (CDU): Gucken Sie einmal Fernsehen!]

Herr Henkel, Sie sind so engagiert in der Debatte! Die Verfechter dieses bezirklichen Einsatzkommandos bei

dieser Koalition für Zucht und Ordnung sind natürlich die CDU ganz vorn, aber auch rechte Sozis oder PDS-ler.

[Gelächter bei der PDS]

Herr Körting hat zu Beginn der Debatte gesagt, Gummiknüppel machten keinen Sinn. Dann gab es einen Kompromiss, und der sieht folgendermaßen aus: Es gibt zwar Gummiknüppel, aber klein müssen sie sein, also ein echter Koalitionskompromiss.

Wollen wir wirklich, dass bezirkliche Angestellte den Berlinern und ihren Gästen mit Schlagstöcken und Handschellen gegenübertreten?

[RBm Wowereit: Ihr seid auf einmal so liberal!]

Die rechtmäßige Gewaltanwendung auch gegen Bürger, die das Recht verletzten, will gelernt sein. Darum bemüht sich die Polizei seit Jahr und Tag. Aus den Fehlern der Vergangenheit wurde viel gelernt. Unsere Polizei ist hierin wirklich besser geworden. Deswegen ist für uns ganz klar: Das Gewaltmonopol muss bei den Profis, muss bei der Polizei bleiben.

[Beifall bei der FDP und der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für hundehaufenfreie Gehwege und saubere Parks brauchen wir keine Hilfsheriffs, sondern freundliche und kompetente Ordnungskräfte, die Ansprechpartner sind. Wenn es nicht im Dialog geht, wird ein Bußgeld verhängt, das ist klar. Berlin soll schöner werden, aber wir wollen es nicht übertreiben, denn Ordnung ist nur das halbe Leben.

[Beifall bei der FDP]

Danke schön! – Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr Herr Abgeordneter Wieland das Wort – bitte sehr!

[Niedergesäß (CDU): Steige hoch, du roter Adler! – RBm Wowereit: Ist das schon die Abschiedsrede?]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollegin Ströver hat es gemutmaßt, Herr Henkel hat es gesagt: Es erinnert an einen Aprilscherz. – Wenn es ein solcher sein sollte, dann war es wirklich ein mäßiger von Rot-Rot, hier heute zu formulieren, ich darf zitieren: „Ordnungsämter in den Bezirken – jetzt schnell und handlungsfähig einrichten“. – Die Betonung liegt auf „schnell“.

Herr Zotl, wir sollen uns nun darüber freuen, wie Sie so schön formulierten – ich nehme an, Frau Grunert hat den Begriff mitgeschrieben –, dass in vorausschauender Wirkungs-Folgen-Analyse

[Zuruf des Abg. Dr. Zotl (PDS)]

ja, oder Folgen-Wirkungs-Analyse oder was auch immer, der Senat nun das vorgelegt hat, was inzwischen als Berliner Untempo sprichwörtlich gewesen und geworden ist. Heute sollte es losgehen, das haben wir alle hier beschlossen am 26. Juni 2003. Dass es nicht losgeht, dass

wir wieder einen Sommer der Vermüllung und des ungebremsten Grillens erleben werden,

[Doering (PDS): Ach!]

das wird die einen freuen, die anderen werden darunter zu leiden haben. Das wahrlich ist kein Grund zur Freude, sondern es ist scharf zu kritisieren, dass der Senat nicht „zu Potte gekommen“ ist.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Man hat die Zeit auch nicht genutzt zur notwendigen Vorbereitung des Ganzen, zur Aufgabenabgrenzung, zur Personalauswahl – darauf ist schon hingewiesen wor- den –, selbst die Finanzierung ist wie immer ungeklärt. Anstatt das Personal jetzt zu schulen, hat man zunächst diese ominöse Bewaffnungsdebatte vom Zaun gebrochen. Ob nun diese angebliche Kiezpolizei – –

[Zuruf des Abg. Dr. Zotl (PDS)]

Lieber Herr Zotl! Da sind Sie etwas einäugig! Dieser Wettstreit wurde unter den Dorfschulzen allgemein ausgetragen – nicht nur unter denen der CDU –, wer denn nun in der Stadt der schärfste Bulle ist. Der erst Sieger wurde der Bürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, bekanntlich kein CDU-, sondern SPD-Mitglied, Herr Band. Der hatte sozusagen die erste Schlagzeile auf seiner Seite. Dann ging es munter so weiter. Die Bezirksbürgermeister – und leider auch die CDU – haben einiges deutlich missverstanden: Es geht hier um keine Kiezpolizei. Es geht auch um keine Polizei im Kiez, keine Ersatzpolizei und keine Polizei light, wie so gern von Ihnen formuliert wird. Hier soll überhaupt keine Polizei geboren werden, sonder hier sollen Mitarbeiter im Außendienst der Bezirksämter zum Einsatz kommen. Wann endlich werden Sie das verstehen? – Das galt für die Freiwillige Polizeireserve, das gilt für die Bundeswehr im Inneren, die Sie so gern einsetzen wollen

[Abg. Henkel (CDU) nickt]

und das gilt auch hier, Herr Henkel. Sie wollen es nicht begreifen. Nur wo Polizei drin ist, darf auch Polizei drauf stehen, sonst verwischen Sie alle Grenzen. Dazu sagen auch wir: Nicht mit uns!

[Beifall bei den Grünen, der PDS und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Der Missstand wird dadurch noch größer, dass sich die eigentliche Polizei peu à peu aus den Kiezen verabschiedet und diesen ganzen Missverständnissen dadurch noch Vorschub leistet. Klammheimlich haben wir erfahren, dass die so genannten Piestert-Runden, nämlich die Verpflichtung, zwei Stunden pro Schicht zu Fuß zu gehen, kassiert worden sind. Das wird einfach nicht mehr gemacht. Die Polizeiführung konnte das bei den eigenen Leuten nicht durchsetzen. Man ist scharf auf den neuen BMW, man hat die berühmte Freude am Fahren, zu Fuß zu gehen ist zu mühsam, das Wetter ist auch manchmal schlecht – nicht so wie heute –, also war es immer unbeliebt, also sagt man einfach: „Das ist nun obsolet geworden.“ und „Die neue Polizeistruktur erfordert das nicht mehr.“. – Das ist ein Vorwand, das entspricht nicht der

Realität. Praktisch selbstverständlich wurden auch die neuen Polizeifahrräder – die Porsche unter den Fahr- rädern –, die man einst für viel Geld samt Montur und Helm angeschafft hat, äußerst sparsam eingesetzt. Frau Seelig behauptet, Sie habe sie in der Hasenheide schon gesehen. Darüber freue ich mich, Frau Seelig. Ich weiß nicht, was Sie in der Hasenheide tun, es geht mich auch nichts an.

[Heiterkeit bei der PDS]

Ja, es geht mich wirklich nichts an. Ich fahre da manchmal durch, und, beim besten Willen, mir sind sie noch nicht begegnet.

[Zurufe von der SPD]

Aber wenn sie dort im Einsatz sein sollten, nehme ich es erfreut zur Kenntnis.

Wenn uns jedoch Polizeipräsident Glietsch die vielen Stunden angeblicher Fußstreifen der Berliner Polizei auflistet, dann fällt mir dazu nur noch Didi Hallervorden ein: Ja, wo laufen sie denn?

[Zurufe: Das war Loriot!]

Und nicht nur ich tue das, sondern viele fragen sich das in der Stadt. Bei jeder Umfrage über die innere Sicherheit in den letzten 20 Jahren ist es zentrales Thema gewesen, dass die Menschen die sichtbare Polizeipräsenz vermissen, dass sie mehr Grün auf der Straße wollen, dass sie die Abwesenheit der Polizei als Mangel empfinden. Die Kobs sollten die Lücke einst schließen bei der Polizeireform 1974, als die Reviere wegfielen. Auch sie werden mit dem Berliner Modell eingespart. Es bleibt der vorbeifahrende Funkwagen, es bleibt die Telefonnummer 110. Dies ist alles, aber dies ist zu wenig an Kontaktmöglichkeiten für die Polizei.