Protocol of the Session on January 15, 2004

Jawohl, Herr Pewestorff! – Ein paar Leute sind reich geworden, und die Zeche bezahlt der Steuerzahler.

Alles spricht dafür, dass es bei den nächsten Einzelhandelsgroßprojekten genauso wird – an der „Banane“ und an der Landsberger Allee 358 –, und diese Politik haben wir satt.

[Beifall bei den Grünen]

Ich habe es in der Fragestunde bereits angesprochen: Berlin ist zwar ein Global Player bei der Verkaufsfläche – nämlich auf Platz 3 im Europamaßstab –, aber bei der Kaufkraft liegen wir eben am Ende des bundesdeutschen Maßstabes, nämlich auf Platz 233. Da stellt sich die Frage, für wen diese neuen Einkaufszentren eigentlich gebaut werden sollen. Touristen gehen doch nicht in die Landsberger Allee 358, Herr Strieder. Wem wollen Sie denn das erzählen?

[Brauer (PDS): Touristen kaufen auch keine Möbel!]

Die richtige Antwort lautet: Berlin unterstützt wie immer die Projekte für ein paar Leute, die daran verdienen, und für ein paar Politiker, die sich mit neuen Großtaten schmücken wollen.

Entschuldigen Sie bitte einmal, Frau Kollegin! – Ich bitte darum, dass der Kollege mit dem Handy den Raum verlässt.

[Zurufe]

Wir haben Zeit. – Bitte schön, Frau Hämmerling, fahren Sie fort! Entschuldigen Sie bitte die Störung!

Wenn das nicht von der Zeit abgeht, ist das in Ordnung.

Nein, das wird aufgeschlagen.

Die Genehmigungspraxis für Einkaufszentren hat in den letzten zehn Jahren 50 000 Arbeitsplätze und Existenzen gekostet. Ich sage dazu: Wir haben die Nase voll von neuen Großprojekten, und die Berlinerinnen und Berliner haben die Nase gestrichen voll von neuen Kürzungen, von denen diese Projekte am Ende bezahlt werden müssen.

[Beifall bei den Grünen]

Bündnis 90/Die Grünen haben das Geschäft der DEGEWO mit der „Banane“ im Dezember abgelehnt, weil es zu risikoreich ist. Ich habe auf die Risiken für den Alexanderplatz hingewiesen. Schon 14 Tage nach dem Verkauf der „Banane“ hat sich Wal-Mart zurückgezogen. Das war zu erwarten. Wal-Mart ist Marktführer in den USA, und sie „sind doch nicht blöd“, sie zahlen lieber Vertragsstrafe. Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte und das Land Berlin haben die Folgen dafür zu tragen. Die Ausgaben für die Tiefgarage mit 600 Parkplätzen, mit der die DEGEWO Wal-Mart geködert hat, sind umsonst gewesen. Wal-Mart ist weg. Genauso wie Sie, Herr Strieder heute in der Fragestunde, haben Herr Görler und Herr Schoeps von der IBG 1999 mir gegenüber argumentiert, als ich die Konstruktion von Verträgen in den Entwicklungsgebieten kritisiert habe. Auch diese Herren haben gesagt, Hämmerling verstehe die Vertragskonstruktion nicht. Heute sind die Risiken und Nebenwirkungen aus den Geschäften aus den Entwicklungsgebieten und aus der Bankgesellschaft unbestritten. Es ist kein intellektuelles Problem, dass ich nicht akzeptieren kann und will, dass schon wieder Rechtsgeschäfte zu Lasten des Landes Berlin abgeschlossen worden sind. Bei der „Banane“ liegen die Risiken auch wieder beim Land Berlin. Herr Strieder, Sie können bis heute nicht erklären, warum kein Vertrag abgeschlossen worden ist, bei dem der Investor die Verantwortung für die Erschließung und Entwicklung trägt. Selbst die Verträge mit Groth und Graalfs damals waren sauberer gestrickt. Solche Risikogeschäfte sind unsinnig, wenn der Senat gleichzeitig eine Erklärung abgibt, dass bis 2020 kein Bevölkerungszuwachs vorhanden ist und dass die Nachfrage nach Gewerbeflächen im Zentrum gesunken ist und eher in den Randgebieten steigen wird.

Wir wollen verhindern, dass weitere Arbeitsplätze im Einzelhandel vernichtet werden, wir wollen die Struktur der städtischen Zentren oder zumindest das, was davon noch vorhanden ist, schützen, und wir wollen, dass sich der Alexanderplatz entwickeln kann. Deshalb fordere ich Sie auf: Stimmen Sie unseren Anträgen zu!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Hämmerling! – Das Wort für die Fraktion der CDU hat nunmehr der Kollege Tromp. – Bitte schön!

Präsident Momper

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist unbestritten, dass sich der Berliner Einzelhandel in einem enormen Strukturwandel befindet. Einem rasanten Umsatzrückgang und einem Kaufkraftverlust und Arbeitsplatzabbau seit über 10 Jahren steht immer mehr Verkaufsfläche gegenüber.

[Frau Hämmerling (Grüne): Leerstände!]

Bereits jetzt sagen die Experten, dass es in Berlin ca. 20 % mehr Verkaufsfläche als dafür notwendige Kaufkraft gibt. Vor diesem Hintergrund diskutieren wir die Realisierung weiterer Großprojekte, die den Verdrängungswettbewerb im Berliner Einzelhandel weiter anheizen werden. Welchen Sinn macht es, auf der so genannten grünen Wiese neue Großprojekte hochzuziehen, wenn unweit davon bereits an der Landsberger Allee Investitionsruinen stehen? – Keinen! Welchen Sinn macht es, Großprojekte hochzuziehen, die bestehende Bezirkszentren wie in Pankow, Lichtenberg oder Hohenschönhausen und dortige Investitionen gefährden? – Keinen!

[Beifall bei der CDU]

Und welchen Sinn macht es, Großprojekte hochzuziehen, wenn dies die Entwicklung und Vermarktung von Immobilien gefährdet, die der Risikoabschirmung des Landes Berlin unterliegen? – Keinen! Wir schaden uns sogar noch selbst. Herr Senator Strieder! Vor diesem Hintergrund macht Ihre Politik in Bezug auf die Großflächen wahrhaft keinen Sinn.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Es verwundert deshalb auch nicht, wenn IHK und Einzelhandelsverband wie auch der Unternehmerverband Berlin-Brandenburg die in Rede stehenden Großprojekte ablehnen und als „nicht stadtverträglich“ bezeichnen. Im Übrigen lehnt auch der Investor der „Banane“ die Investition in der Landsberger Allee ab, weil er sehr genau weiß, dass 160 000 qm Verkaufsfläche sich bis zum Alexanderplatz auswirken würden.

Aus Sicht der CDU müssen bei der Genehmigung solcher großflächigen Projekte zukünftig viel stärker als bisher die Auswirkungen auf unsere Bezirkszentren berücksichtigt werden. Grundsätzlich sollte man solche Großprojekte nur noch an integrierten Standorten genehmigen, um die Stadtzentren zu stärken.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Aus dieser Sicht wurden auch der Flächennutzungsplan und der Stadtentwicklungsplan „Zentren und Einzelhandel“ entwickelt. Dieser beschreibt genau dies und nicht weitere Großprojekte auf der grünen Wiese. Es ist deshalb für die CDU nicht nachvollziehbar, wenn Planungsrecht auf einmal geändert wird, nur damit auf der grünen Wiese an der Landesgrenze ein neues Großprojekt hochgezogen werden soll. Deshalb werden wir das Projekt Landsberger Allee ablehnen.

Herr Strieder, Sie bringen immer das Kaufkraftargument vor, dass wir in Berlin viel zu wenig Kaufkraft im Vergleich zu Hamburg oder München binden. Fakt ist,

dass in Berlin bereits 300 Millionen € mehr an Kaufkraft aus Brandenburg kommen als von Berlin nach Brandenburg abfließen. Der Berliner Saldo ist also positiv. Fakt ist auch, dass das Umland von Hamburg oder München wesentlich mehr Kaufkraft bietet. Vor dem Hintergrund frage ich mich, was aus Brandenburg, wo die Bürger längst nicht so viel Kaufkraft haben, zusätzlich zu den 300 Millionen € noch gebunden werden soll, die wir jetzt schon binden. Ihre Kaufkrafttheorie, Herr Strieder, ist also auch falsch.

[Beifall bei der CDU – Beifall der Frau Abg. Hämmerling (Grüne)]

Auch das Argument, wir müssten an der Stadtgrenze die Kaufkraft abhalten – mit Verlaub, das ist in den 70er Jahren in den alten Bundesländern vorexerziert worden und dort kläglich gescheitert.

Was noch viel schlimmer ist, Herr Strieder: Sie machen Berlin unglaubwürdig. Wir haben den Brandenburgern sei 10 Jahren erzählt, dass sie auf der grünen Wiese nicht so viele Einkaufszentren bauen sollen, weil sie sowohl die Entwicklung ihrer eigenen Städte als auch die Entwicklung Berlins gefährden. Und jetzt machen Sie genau das, was wir den Brandenburgern immer auszureden versucht haben. Das schafft für die bevorstehende Länderfusion keine glaubwürdige Grundlage und keine glaubwürdige Arbeitsbasis.

[Beifall bei der CDU – Beifall der Frau Abg. Hämmerling (Grüne)]

Jedem dürfte klar sein, dass Sie nicht nur mit der Landsberger Allee, sondern auch mit den anderen Großprojekten letztlich unsere Bezirkszentren gefährden und mit dazu beitragen, dass sich der Downtrading-Prozess, der in unseren Einkaufsstraßen Einzug gehalten hat – schauen Sie sich die Hermannstraße und die Turmstraße an –, weiter fortsetzen wird. Statt von neuen Großprojekten zu träumen, sollte man vielmehr seinen Schwerpunkt darauf legen, wie unsere Einkaufsstraßen, unsere bezirklichen Zentren, die nicht nur zum Einkaufen da sind, sondern auch den Mittelpunkt unseres städtischen Lebens darstellen, revitalisiert und aufgewertet werden könnten. Das ist die eigentliche Herausforderung einer Stadtentwicklungspolitik, nicht der Bau von irgendetwas auf der grünen Wiese.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Herr Strieder, wir fordern Sie auf, statt von immer weitern neuen Großprojekten zu träumen, sich diesen Problemen in unseren Kiezen zuzuwenden, sonst verwahrlosen diese noch viel mehr. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege! – Das Wort für die Fraktion der FDP hat nunmehr Herr Schmidt. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Hier konnte man eben wunderbar die schwarz-grüne Eintracht, das schwarz-grüne Wünschdir

was sehen, wenn es um den großflächigen Einzelhandel geht.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ich kann mich nur wundern: Landsberger Allee und grüne Wiese, irgendwie passt das für mich nicht zusammen. Ich weiß nicht, Herr Tromp, wie weit Sie schon in den Osten gekommen sind.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Aber die Landsberger Allee und dieser Standort liegen im Bezirk Lichtenberg, und der befindet sich in Berlin und nicht bereits in Brandenburg.

Genau die Argumentationen, wie sie Grüne und CDU hier vorgetragen haben, sind Gründe für die Kaufkraftabwanderung ins Umland, für die Zentren, die es im Bereich des Autobahnrings um Berlin gibt, und die uns an Kaufkraft in der Stadt fehlt. Es ist eine Fehleinschätzung, zu glauben, mit politischen Vorgaben könnte man Kundenströme lenken. Die suchen sich schon ihren Weg. Es ist irrsinnig, zu glauben, wenn man etwas verbietet, dann wird das nicht kommen und die Leute kaufen dann so ein, wie es Grüne und CDU gern hätten.

[Beifall bei der FDP und der SPD]

Zum Arbeitsplatzabbau muss ich Frau Hämmerling ausnahmsweise Recht geben. Das ist eine Entwicklung, die man bedauernswerterweise feststellen kann, aber die ließ sich nicht verhindern, weil die Kunden von den traditionellen Einkaufsstraßen mit Einzelhändlern in die großen Center weggehen, wie sie ECE und andere errichten. Dagegen kann man sich jedoch nicht einfach sperren. Diese Entwicklung muss man akzeptieren und danach handeln. Genauso sollten auch Schwarz-Grün ihre Politik ausrichten.

Herr Kollege Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Hämmerling?

Nein, ich glaube, dann komme ich aus dem Konzept. – Wir haben das im Ausschuss schon so oft diskutiert, da sind alle Fragen bereits gestellt worden. – Wir haben in Berlin den Zentrenatlas, es haben sich bestimmte Einzelhandelszentren gebildet, und die Politik sollte – das ist vernünftig – alles tun, um diese Zentren zu stärken und nicht zu schwächen. Das heißt, neue Zentren werden nicht ausgewiesen, Einzelhandelsansiedlungen im Bereich großflächigen Einzelhandels sollen genau in diese Zentren gehen.

Das hat man im Bereich der „Banane“ getan. Deshalb ist diese Ansiedlung dort durchaus vernünftig, planungsrechtlich betrachtet. Natürlich muss man sich anschauen, wer der Investor ist, der dorthin geht. Und das ist genau der Schwachpunkt an der Konstruktion, dass man dort wieder ein öffentliches Unternehmen vorschickt, das dort den Investor spielt und diesen Standort erschließen soll. Das ist der Punkt, den wir kritisieren.