Protocol of the Session on November 7, 2003

Ich kann mich gut erinnern, dass Herr Wowereit ansonsten, wenn es um inhaltliche Auseinandersetzungen geht, dringende Aufgaben zu erledigen hat, beispielsweise das Unterschreiben von Autogrammkarten. Machen Sie das weiter, solange Sie noch gefragt sind.

Der Kern der Auseinandersetzung, Herr Wowereit, war nicht die Frage eines formalen Begründungserfordernisses. Es ging im Kern auch nicht um die Frage, wie man eine Milliardensumme aus dem Haushalt herausschneiden kann. Die Kernfrage war vielmehr, was man mit dem Geld macht, das man auf Kosten künftiger Generationen aufnimmt. Nimmt man es, um eine Sanierungsperspektive zu eröffnen und eigenständig zu handeln? Oder nimmt man es, um Konsum zu finanzieren und die Unfähigkeit, strukturelle Reformen anzugreifen, zu überdecken? – Das ist die Kernfrage.

[Beifall bei der CDU]

Sich hinzustellen und zu behaupten, dass Ihr Konsolidierungskurs erfolgreich sei, ist die zweite Dreistigkeit, die man am heutigen Tage rügen darf. Denn jeder, der sich die Entwicklung des Schuldenstandes anschaut, jeder, der sich die Entwicklung der Netto-Neuverschuldung unter Rot-Rot anschaut, jeder, der nicht blind ist, sich einfach einmal ein paar Balken anzuschauen,

[Frau Seelig (PDS): Können Sie ja machen!]

weiß, dass Sie eine abenteuerliche Verschuldungspolitik in dieser Stadt machen.

[Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Liebich (PDS)]

Sie brauchen gar nicht wehleidig dazwischen zu rufen, Herr Liebich.

[Liebich (PDS): Das ist nicht wehleidig!]

Sie tragen dafür die Verantwortung mit. Ich weiß, dass das für Sie unangenehm ist, aber es hilft nicht: Sie haben sich in diesen Zug gesetzt, dann müssen Sie auch bis zur Endstation mitfahren.

[Beifall bei der CDU – Doering (PDS): Er hat noch eher begriffen, was hier abgeht als Sie! – Liebich (PDS): Was wollen Sie denn?]

Vielleicht hilft es, wenn Herr Sarrazin zu diesem Thema einen seiner vielen Charts mitbringt. Vielleicht macht es Ihnen dann visuell einmal deutlich, was Sie in dieser Stadt treiben. Dann wird Herr Wowereit plötzlich wieder zum Gralshüter der sozialen Gerechtigkeit. – Der Mann, unter dessen Ägide in Berlin die unsozialsten Kürzungen überhaupt vorgenommen worden sind.

Herr Zimmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klemm?

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP Liebich (PDS): Sie wollten Vorschläge machen!] – Nun will ich Ihnen einmal etwas zu der Gefahr eines zweiten Urteils sagen. Ja, Sie werden das zweite Urteil mit Sicherheit bekommen, wenn Sie nicht das, was das Verfassungsgericht Ihnen aufgeschrieben hat, auch vollziehen. Das ist dann auch richtig. Das muss dann auch geschehen. Sie können nicht so weiter machen wie bisher und jetzt damit argumentieren, dass möglicherweise die Klage in Karlsruhe in Gefahr ist. – Herr Wowereit, die Klage in Karlsruhe ist deswegen in Gefahr, weil Sie dort vermutlich genauso schlecht und schlampig argumentiert haben, wie Sie es in diesem Verfassungsgerichtsverfahren getan haben. Das ist Ihr Problem. [Hoffmann (CDU): So ist es!]

Sie sind nicht in der Lage, substantiell zu argumentieren.

Wie soll Berlin künftig aussehen? – Diese Frage haben Sie gestellt. Sie haben aber leider an dieser Stelle noch nie eine Antwort gegeben. Wie ist denn Ihr Plan von Berlin? – Erklären Sie doch einmal den Berlinerinnen und Berlinern, wofür Sie gewählt worden sind.

[Abg. Liebich (PDS): Ah, jetzt kommen die Vorschläge endlich!]

Sagen Sie doch einmal deutlich, was in zwei, drei, vier oder fünf Jahren nach Ihrer Vorstellung in dieser Stadt passiert und nicht mehr passiert. Das ist Ihre Pflicht als Regierender Bürgermeister, wenn Sie nicht nur oberster

Zimmer

Wissen Sie eigentlich, Herr Müller, wie lange die SPD in dieser Stadt schon regiert? Wissen Sie eigentlich, wie viele Jahrzehnte Sie für diese Stadt die Verantwortung tragen? – Nicht, dass Sie sie ausgeübt hätten, aber Sie tragen sie im formellen Sinne.

Wissen Sie eigentlich, welche Höhe die Schulden unter Ihrer Ägide erreicht haben? – Ich habe es eben schon angesprochen. Halten Sie sich das eigentlich ab und zu vor Augen, wenn Sie sich hier herstellen und Ihre Reden halten? – Das wäre schön.

Vielleicht sollten wir hier eine Verschuldungsuhr aufbauen, damit Sie immer vor Augen haben, was Sie dieser Stadt mit Ihrer Politik antun, insbesondere, wenn Sie Ihre Reden halten und wenn Sie im Hauptausschuss und in anderen Ausschüssen nicht mehr in der Lage sind, sich mit substantiellen Vorschlägen aller Oppositionsfraktionen inhaltlich auseinander zu setzen. Die einzige Antwort, die Sie dazu kennen, ist, bei Aufruf zur Abstimmung die Hand bei „nein“ zu heben. Das ist Ihre Form von Aus einanderset n.

Repräsentant dieser Stadt auf Partys sein, sondern politische Verantwortung tragen wollen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Dann werden Sie in dieser Auseinandersetzung von Ihrem Bürgermeister Herrn Wolf sekundiert, und da es so schön war und wir uns heute schon zweimal über den Artikel in der „Berliner Zeitung“ unterhalten haben,

[Liebich (PDS): Der war super! – Doering (PDS): Klasse Artikel, schon gelesen!]

muss man sagen: Wenn für den ehemaligen haushaltspolitischen Sprecher und Fraktionsvorsitzenden der PDSFraktion die Antwort auf das Verfassungsgerichtsurteil und die Konsolidierung im Land Berlin ist, die Symphoniker mit einem 3 Millionen-und-noch-etwas-Haushalt im Jahr zu streichen, würde ich sagen: Schönen Dank! – Wenn das Ihre Antwort ist, wenn das die Substanz ist, die Sie in den Senat eingebracht haben, dann ist es in der Tat traurig. Es ist vor allen Dingen deswegen traurig,

[Beifall bei der CDU und bei den Grünen – Liebich (PDS): Ich denke, das war schon zu viel? – Doering (PDS): Da haben Sie auch zugestimmt!]

weil die Vorredner vergessen haben, weiterzulesen. Denn wenn Sie einmal die Abwägung treffen, ob wir dreistellige Millionenbeträge bei Herrn Strieder bei seinen Spielwiesen, Architekturwerkstatt, Stadtforum und was einem alles einfällt, gegen setzt – –

[Klemm (PDS): So ein Quatsch!]

Darum geht es, Herr Klemm. Die Frage ist, machen Sie Architekturwettbewerbe, drucken Sie Hochglanzbroschüren oder erhöhen Sie die Kitagebühren oder schließen Sie die Symphoniker? – Das sind Fragen, die Sie beantworten müssen.

[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen – Zuruf des Abg. Liebich (PDS)]

Das sind die Grundsätze, über die wir hier zu diskutieren haben. Dem werden Sie sich nicht entziehen können. Sie können sich hierher stellen und sagen: Die Opposition muss Fragen beantworten.

Herr Müller, es verbietet sich eigentlich, Ihre Rede zu kommentieren, denn sie war eine ähnlich schwache Leistung wie die Gesamtperformance Ihres rot-roten Senats. Aber wenn Sie davon sprechen, dass die Misstrauensanträge Politklamauk seien, besitzen Sie offensichtlich Expertise und Erfahrung als Vorklatscher des finanzpolitischen Dilettantenstadels, der links und rechts von mir sitzt und sich Senat nennt.

[Beifall und Heiterkeit bei der CDU und der FDP]

Zu glauben, man könnte das vornehmste Recht dieses Hauses auf ein Niveau der Diskussion ziehen, wie Sie es getan haben, beweist nur, dass Sie substantiell und argumentativ keinerlei Antwort haben.

[Gram (CDU): Nichts!]

Sie versuchen es einfach ganz billig und ganz klein.

[Beifall bei der CDU]

[Zuruf von der CDU: Zu lange! – Cramer (Grüne): Auch im politischen Sinne!]

[Frau Jantzen (Grüne): Herr Zimmer, was ist mit der Bankgesellschaft?]

zung mit inhaltlicher Politik in Berli [Beifall bei der CDU und der FDP]

Sie können sich durchaus in der Diskussion einer gewissen Ehrlichkeit befleißigen. Wenn es z. B. um die hier schon erwähnte Bildung, Wissenschaft und Forschung geht. Geben Sie doch zu, dass Sie rund 20 000 Studienplätze in Berlin abbauen werden, und stellen sich nicht hin und behaupten: Welche Stadt hat denn noch drei Universitäten? – Ihr Ziel ist es doch, mindestens eine der Universitäten abzuwickeln. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Darüber können wir politisch diskutieren, aber es durch die „kalte Küche“ zu versuchen, sich hinzustellen und zu behaupten, das Gegenteil wäre der Fall, das ist die einfachste Form, sich der politischen Auseinandersetzung zu entziehen. Auf diesem Niveau werden wir mit Ihnen nicht diskutieren. Aber trösten Sie sich: Die Berlinerinnen und Berliner werden es merken. Sie haben es jetzt schon gemerkt. Wenn Sie einmal in die Umfragen schauen, wissen Sie, dass 80 % der Berlinerinnen und Berliner mit der Arbeit des rot-roten Senats unzufrieden sind. Diese Menschen haben zu 100 % Recht.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Wenn Sie jetzt meinen, wir hätten uns in die Verantwortung für diesen Haushalt eingeklagt, Herr Müller, dann haben Sie das falsch verstanden. Wir haben aus Verantwortung für den Haushalt und für das Land Berlin geklagt. Das ist der Unterschied. Wir nehmen unsere Verantwortung für diese Stadt wahr. Deswegen haben wir geklagt. Deswegen werden wir uns, genauso wie in der Vergangenheit, auch mit diesen Kürzungskonzepten und

Zimmer

Es kann kein „Weiter so“ geben. Das wird sich auch auf die Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt

2004/2005 auswirken. Kein „Weiter so“ ist die Botschaft, die uns das Verfassungsgericht mit auf den Weg gegeben hat. Deswegen haben wir unseren Antrag gestellt, in dem wir fordern, dass die Haushaltsberatungen ausgesetzt werden, bis ein Haushaltsplanentwurf vorliegt, der den verfassungsrechtlichen Vorgaben des höchsten Berliner Gerichts entspricht. – Die SPD und die PDS kommen mit einem unbestimmten Vorschlag, in dem sie sagen: Lasst uns jetzt einmal die Beratungen unterbrechen. Zunächst war es ein Prüfauftrag, bei dem der Senat prüfen sollte, ob es irgendwelche Schlussfolgerungen gibt. – Sie haben während der Sitzung gemerkt, dass das nicht ganz so schlau war und sind dann dazu gekommen zu sagen, jetzt solle Ihnen der Senat einmal erklären, welche Schlussfolgerungen es daraus gibt. – Lesen Sie einfach das Urteil, dann wissen Sie, welche Schlussfolgerungen aus dem Spruch des Gerichts zu ziehen sind. Es reicht dann nicht aus, zu sagen: Wir unterhalten uns dann einmal irgendwann in einer Sprecherrunde, wie wir weiter mit den Haushaltsberatungen vorgehen. Das wird irgendwann von der Mehrheit festgestellt, jetzt sind wir genug in uns gegangen,