Wir werden weitere 500 Millionen € dadurch einsparen, dass wir in dieser Legislaturperiode – da waren wir uns auch nie im Streit, Frau Klotz, auch als wir in der Koalition waren – 12 500 Stellen abbauen. Auch harte Maßnahmen.
Aber, Herr Dr. Lindner, das sind dann 1 Milliarde € Personalkosteneinsparung, konkret unterlegt und nicht pauschal gesagt: Wir sollen 30 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach rausschmeißen. – Das kann eine FDP machen.
Die schwierigen Auseinandersetzungen über die Finanzierung der Wohnungsbauförderung hat Herr Liebich schon angesprochen. Es ist richtig, dass das ein radikaler Kurswechsel war. Der ist auch vielen in meiner Partei nicht leicht gefallen, und es gibt auch ein hohes Risiko vor Gericht, wie im Übrigen fast jede Entscheidung heute vor Gericht landet. Nur sich selbst zurückzulehnen und zu sagen: Es gibt ein juristisches Risiko, und dann mache ich nicht die Dinge, die notwendig sind. – das wäre eine verfehlte Politik. Wir gehen auch dieses Risiko ein, weil wir den dringenden Kurswechsel in der Wohnungsbaupolitik brauchen. Das spart Milliarden – Milliarden, die in Bildung, in Ausbildung investiert werden können und die wir sonst nicht zur Verfügung hätten. Auch diese Politik ist richtig und war schwierig.
Wir haben mit den Universitäten gerungen, auch in schwierigen Prozessen. Wie können wir erreichen, 85 000 Studienplätze zu sichern, aber trotzdem auch finanzielle Spielräume zu gewinnen? – Ich bin stolz darauf, dass wir im Dialog mit den Universitätspräsidenten – nicht weil sie das alles freiwillig gemacht haben, sondern weil sie eingesehen haben, dass sich auch da etwas verändern muss – zu Verträgen gekommen sind und nicht im Streit, sondern im Konsens einen Lösungsweg gefunden haben und auch bei der Unimedizin radikale Veränderungen durchgeführt haben. Nicht zum Schaden der Unimedizin, sondern zum Vorteil der Unimedizin. Das sind Leistungen, die den Konsolidierungskurz belegen, aber andererseits auch inhaltliche Schwerpunkte setzen. Darauf ist diese Regierung stolz!
Herr Ratzmann, man kann nicht ein Urteil begrüßen und anschließend seine eigene Interpretation machen.
Herr Lindner kündigte schon an, er reiche eine Klage ein, und zwar unabhängig davon, wie der Haushalt aussieht.
Ich habe genau zugehört. Herr Lindner, das ist Ihre Verantwortung. Die kann ich Ihnen nicht nehmen. Ich gehe davon aus, dass jemand wie Sie wieder vor Gericht ziehen wird. Ich kann Ihnen dieses Recht nicht absprechen. Aber auch Sie haben die Notwendigkeit, Ihr Handeln zu überdenken. – Ich habe keine Angst davor, dass ein Urteil herauskommt, das der Regierung etwas ins Stammbuch schreibt. Wir haben parallel eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bezüglich der Haushaltsnotlage des Landes Berlin. Bei einem zweiten Urteil vor dem Landesverfassungsgericht, das negativ ausgeht, möchte ich mir die Konsequenzen für die Entscheidungsfindung in Karlsruhe nicht vorstellen.
Wir werden und verständigen, Herr Eßer. Sie werden sich zu jedem einzelnen schwierigen Punkt bekennen müssen. Aus dieser Pflicht werden wir Sie nicht entlassen.
Da ist die Frage, für was es helfen soll. Da gibt es schon Streit, ob es zur Beseitigung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts helfen soll oder zur Beseitigung der Haushaltsnotlage. Zur Beseitigung der Haushaltsnotlage hilft die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Ob eine bessere Ausstattung in Kitas oder in Schulen mit einer verlässlichen Halbtagsgrundschule zur Abwendung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts herangezogen werden kann, ist eine inter- essante juristische Frage. Ich wäre mir nicht so sicher, was man da entscheiden darf und was nicht.
Wir müssen die Frage stellen – nicht als Totschlagargument und nicht, weil es Leute gibt, Frau Klotz, die sagen, sie hätten schon immer gewusst, dass man noch 2 Milliarden € rausstreichen muss –, was juristisch notwendig ist, damit nicht wieder von Ihnen polemisch der Vorwurf gemacht werden kann, hier vorne säßen die Verfassungsbrecher. Man muss sich überlegen, welchen Handlungsspielraum dieses Parlament hat, und zwar nicht nur die Regierungsfraktionen, sondern auch die Opposition. Es muss dann auch dokumentiert werden, was Herr Lindner für nette Vorschläge gemacht hat, was Herr Zimmer bezüglich der 155 Millionen € gesagt hat oder was Sie demnächst alles an sozialen Errungenschaften in der Stadt verteidigen werden.
Sie werden sich dazu in einer sich verschärfenden Ausein- andersetzung bekennen müssen, was wir – auch im engen Rahmen des Urteils des Landesverfassungsgerichts – noch begründen können.
Wir haben dabei juristische Probleme. Wir wollen hier kein juristisches Seminar machen. Es ist aber nicht so leicht, beide Instrumente nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts zu nehmen, nämlich die extreme Haushaltsnotlage und die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Wenn ich das richtig interpretiere, ist das höchst problematisch. Man muss sich für das eine oder andere entscheiden. Wir haben uns spätestens durch die Klage für die Haushaltsnotlage entschieden. Ob dann noch Maßnahmen zur Beseitigung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durchgeführt werden können, ist eine juristische Frage, Herr Ratzmann. Wir können darüber philosophisch diskutieren. Wir werden einen Professor dafür und einen dagegen finden. Das ist die Problematik. Ein Urteil eines Landesverfassungsgerichts gibt Hinweise, aber es nimmt nicht alle Risiken.
Wie die Begründung im Haushalt sein muss, wie dokumentiert werden muss, was sich im Parlament bei der Haushaltsberatung abspielt – denn die Regierung macht nur den Entwurf, und Sie sind der Haushaltsgesetzgeber – und welche kontroversen Diskussionen ablaufen, ist eine spannende Frage. Das muss ernst genommen werden. Es hat eine neue Qualität. Bislang gab es so etwas in der Bundesrepublik noch nicht. Insofern handelt es sich um eine bahnbrechende Rechtsprechung. Da gebe ich Ihnen Recht. Sie hat auch Auswirkungen auf Länderregierungen wie die von Nordrhein-Westfalen. Ich nehme an, die dortige CDU hat bei Ihnen nachgefragt, wie sie die rotgrüne Koalition zu Fall bringen kann, beispielsweise durch Misstrauensanträge und Verfassungsklagen. Sie haben sicher Hilfestellung geleistet.
Das ist keine alleinige Berliner Frage mehr, sondern das spielt in der momentanen Situation in vielen Länderparlamenten eine Rolle. Es gibt aber auch Oppositionen in Länderparlamenten, die es sich dreimal überlegen, ob sie vor das Verfassungsgericht ziehen.
Ich nehme das Urteil sehr ernst, und zwar nicht, um einen billigen Vorwand für härtere Sparmaßnahmen zu haben, sondern wegen des enger gewordenen Rahmens, den das Landesverfassungsgericht vorgegeben hat, und der Frage, was wir noch machen können. Der Hinweis, dass Landesgesetze nicht tabu sind, sondern von diesem Haus zu ändern sind, wenn sie nicht mit der Kreditobergrenze in Einklang stehen – –
ist nicht selbstverständlich, Herr Ratzmann. Sonst hätte es dieses Hinweises nicht bedurft. Das bedeutet im Klartext, dass es nicht ausreicht, nur zu definieren, was schön und gut ist.
Wir werden uns als Regierung und als Koalitionsfraktionen die Begründung für den Haushaltsplanentwurf 2004/2005 selbstverständlich sehr sorgfältig vornehmen. Es muss nach meiner Einschätzung in einzelnen Titeln auch noch Veränderungen geben. Wir werden sehen, in welchem Umfang das sein wird. Das kann ich heute noch nicht sagen. Es wird eine ganz elementare Auseinandersetzung geben. Wir können und müssen diese auch politisch führen. Aber sie entzieht sich irgendwann einer juristischen Entscheidung. Über die Frage, was für diese Stadt sozial gerecht ist, kann kein Richter entscheiden. Seine Aufgabe ist es, juristisch zu entscheiden. Wir müssen die Entscheidung politisch treffen, wie unsere Stadt heute, im Jahr 2004, aber vor allem künftig aussehen soll. Darauf müssen Antworten gefunden werden.
Wir geben diese Antworten und würden uns freuen, wenn Sie mit uns in einen inhaltlichen Dialog über bessere Konzepte einträten würden, statt immer nur Nein zu sagen und Forderungen zu stellen. Sagen Sie selbst, wie wir eine besser Politik machen sollen. Wir werden die soziale Gerechtigkeit in dieser Stadt sicherstellen und diese auch für das Bundesverfassungsgericht begründen, aber vor allem für die Menschen in dieser Stadt. Ich möchte eine Stadt haben, in der die Menschen lebensfähig sind, in der Arme die notwendige Hilfe bekommen und in der Bildung sowie Ausbildung finanziert werden können.
Nein! – Das hat schon etwas. Ich glaube, Sie haben langsam gemerkt, dass Sie mit Ihrer bisherigen Politik nicht weiterkommen. Es ist für Sie offensichtlich ganz angenehm, jemanden zu finden, dem Sie den „Schwarzen Peter“ zuschieben können, ob es nun die Opposition oder das Verfassungsgericht ist, und sich dann hinzustellen und zu sagen: Eigentlich will ich euch ja Gutes tun. – Herr Wowereit, damit werden Sie nicht durchkommen. Das ist keine nachhaltige Politik. Das ist noch nicht einmal verantwortungsvolle Politik, sondern das sind tatsächlich Sprechblasen und Parteitagsreden. Wir brauchen hier keine Parteitagsreden. Die können Sie bei Ihrer SPD im Landesverband halten.
Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Das Wort für die Fraktion der CDU hat deren Fraktionsvorsitzender. – Bitte schön, Herr Zimmer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es freut mich, den Regierenden Bürgermeister in einer Debatte einmal emotional beteiligt zu sehen. Das hat man ja selten.