Protocol of the Session on November 7, 2003

haben uns das Urteil lange genug angeguckt, jetzt haben wir genug Exegese betrieben, jetzt haben wir es genug auf farbige Zettel kopiert und im Raum verteilt, jetzt ist es gut, jetzt werden wir wieder weiter beraten, als wäre nichts geschehen. Das wird so nicht funktionieren, das sage ich Ihnen gleich.

Sanierungskonzepten, wenn es die dann irgendwann einmal von Ihnen geben sollte, auseinander setzen.

[Liebich (PDS): Deshalb in den letzten Minuten noch Ihre Vorschläge, sonst ist die Zeit vorbei!]

Es ist doch gar keine Frage, dass es hier eine politische Diskussion gibt. Sie sind doch diejenigen, die die politische Diskussion vermeiden wollen, weil Sie schon jetzt fröhlich durch die Lande ziehen und sagen – ich habe es von Herrn Wowereit gehört –: Der Rahmen, der vorgegeben wird, ist zu eng. Kann man denn jetzt überhaupt noch politische Entscheidungen treffen? Muss man nicht einfach nur mit einer Liste lang gehen und bestimmte Punkte abhaken? – Auf diese Art und Weise bereiten Sie sich jetzt den Weg in eine diskussionslose und nach Ihrer Hoffnung auch widerstandslose Sparpolitik in dieser Stadt vor. Diese wird es mit uns nicht geben. Das verspreche ich Ihnen.

[Beifall bei der CDU – Wechselberg (PDS): Sie werden sich noch wundern! – Zuruf des Abg. Dr. Flemming (SPD)]

Herr Müller, wenn Sie meinen, dass Sie auch zukünftig auf diesem Niveau diskutieren wollen – – Ich habe gehört, wie Herr Strieder zu Ihnen gekommen ist und gesagt hat: Schön, Michael, mit dieser Rede kannst du auch Parteivorsitzender werden. –

[Heiterkeit des Abg. Müller (SPD) – Zuruf von der CDU: Strieder weg!]

Ich kenne das Niveau Ihrer Parteitagsreden, aber für dieses Haus reicht es nicht. Also, diskutieren Sie gelegentlich einmal wieder inhaltlich mit.

[Beifall bei der CDU]

Herr Liebich, ich finde es anerkennenswert, dass Sie am Anfang Ihrer Rede das anerkannt haben, was sich gehört: Festzustellen, dass Fehler gemacht worden sind. – Ich bin gerne bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren, wie man bestimmte Dinge unterschiedlich bewertet. Das ist okay. – Ich will es ganz ausdrücklich sagen: Ich finde es bemerkenswert, dass Sie die Fähigkeit besitzen, in sich zu gehen und zu reflektieren, und sich trotzdem immer wieder zum willfährigen Schoßhündchen Ihres großen Koalitionspartners machen. Das müssen sie gelegentlich einmal begründen.

[Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]

Es reicht nicht, hier ein Bekenntnis abzugeben, aber trotz allem alles mitzutragen. Es reicht auch nicht, Frau KnakeWerner vorzuschicken, die irgendwelche Dinge nicht toll findet, die am Ende des Tages dann aber doch beschlossen werden. – Die Opposition in der Regierung zu spielen, werden Sie nicht dauerhaft aushalten. Diesen Spagat werden Sie nicht überstehen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Wechselberg (PDS): Totaler Quatsch!]

[Doering (PDS): In der Sprecherrunde gibt es keine Mehrheit!]

[Beifall bei der CDU]

Sie müssen auch nicht denken – auch das gebe ich Ihnen an dieser Stelle mit auf den Weg –, dass man immer nur gegen beschlossene Haushalte klagen muss und kann. Ich bin durchaus bereit darüber nachzudenken, ob auch nicht eingehaltene Beteiligungsrechte dieses Hauses dazu führen, dass man sich vor dem Verfassungsgericht wiedersieht. Wir lassen als Opposition mit uns so nicht umspringen, wie Sie es in der Vergangenheit gemacht haben und künftig vorhaben.

[Zuruf des Abg. Wechselberg (PDS)]

Wir verlangen eine ernsthafte Diskussion, wir verlangen eine nachhaltige und eine sachliche Diskussion. Und wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, dann müssen Sie offensichtlich mit höherer Gewalt dazu angefasst werden.

[Liebich (PDS): Sie sind ja ständig bei Gericht, da kann man ja mit Ihnen gar nicht verhandeln! – Heiterkeit des RBm Wowereit und des Bm Wolf – Zuruf des Abg. Doering (PDS)]

Bundesrechtliche und landesrechtliche Vorgaben geben nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts im Rahmen vor, in dem wir uns bewegen. Aber das Verfassungsgericht sagt ganz deutlich: All das tun wir, damit wir wieder eine Handlungsperspektive in Berlin haben, damit in dieser Stadt wieder staatliche und politische Eigenverantwortung ausgeübt werden kann. Ein Sanierungskonzept ist erforderlich. Dies gibt den Rahmen vor, was jetzt

Zimmer

Und ich glaube, wenn Sie sich einmal zügig an die Arbeit machen, wenn Sie nicht durch Geschäftsordnungsdiskus

sionen und durch Verschiebung von Abstimmungen im Hauptausschuss die Enquete-Kommission verhindern,

Wenn es um das Sanierungskonzept geht, also die Frage, wie Berlin künftig mehr Einnahmen generieren kann, kommen wir an den großen Knackpunkt der politischen Diskussion der vergangen Monate in der Stadt und mit dem Senat. Herr Sarrazin, der immer noch der Hoffnung ist, er könne mit der Ausgabenreduzierung seinen politischen Auftrag in dieser Stadt erfüllen, müsste spätestens jetzt, wenn er das Urteil gründlich gelesen hat, verstanden haben, dass sein Auftrag ein anderer ist. Es geht darum, in der Stadt Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Es geht darum, strukturpolitische Maßnahmen zu ergreifen. Und es geht darum, öffentliche Mittel zu verwenden, damit es einen Benefit gibt, der am Ende eines wirtschaftlichen Prozesses auch zu Mehreinnahmen führt. Wenn Sie das nicht berücksichtigen, konterkarieren Sie das, was das Verfassungsgericht Ihnen richtigerweise aufgeschrieben hat. Wenn Sie an diesem Punkt scheitern, machen Sie so weiter wie bisher, aber Sie verspielen damit auch die Chancen Berlins auf eine Gesundung zum guten Teil aus eigener Kraft. Mit einer Schuldenhilfe des Bundes und der Länder wird es Ihnen nicht gelingen, die Probleme Berlins zu lösen. Das wissen Sie auch. Ihre Klage in Karlsruhe wird Ihnen diese Probleme nicht abnehmen. Ihre Klage in Karlsruhe wird Ihnen nicht die Deckungslücke zwischen den Einnahmen und den Ausgaben schließen. Das wissen Sie. Dort müssen Sie etwas tun.

zu tun ist. Also, was ist auf Grund bundesrechtlicher Vorgaben noch notwendig? – Da muss eine Positivliste erstellt werden, das kann doch nicht so schwer sein, dann kann man diesen Bereich schon einmal abhaken. Das Thema ist erledigt.

Dann brauchen wir das Berliner Landesverfassungsrecht. Da wird es schon schwieriger. Was bedeutet das Recht auf Arbeit, das in der Berliner Verfassung festgeschrieben ist?

[Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Man könnte es ganz weit fassen. Bedeutet das beispielsweise, dass man noch nicht einmal im öffentlichen Dienst betriebsbedingt kündigen dürfte, weil man damit Arbeitsplätze abbaut?

[Wechselberg (PDS): Das werden wir abwägen!]

Man könnte sogar so weit diskutieren. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die so mit Ihnen diskutieren wollen. Aber man begibt sich dort auf ein Terrain, das nicht einfach auszuloten ist, und es stellen sich Fragen, die nicht einfach zu beantworten sein werden.

[Wechselberg (PDS): Das ist richtig!]

Deswegen, glaube ich, dass unser Vorschlag, mit einer Enquete-Kommission diese Fragen zu klären, ein richtiger Vorschlag ist, weil sie nur dort eine vernünftige Diskussion mit Fachleuten bekommen werden. Denn die verfassungsrechtlichen Diskussionen, dieses Niveau verfassungsrechtlicher Diskussionen, das ich mit Ihnen aus dem letzten Jahr gewohnt bin, mit dem bekannten Ergebnis, lässt mich schauern vor der Vorstellung, ich müsste mit Ihnen die Grundrechte der Berliner Verfassung diskutieren. Dabei kann nichts herauskommen. Die EnqueteKommission ist für Sie ein Weg. Und das ist für Sie sogar ganz bequem, weil Sie sich ein paar Leute holen können, die von dem, worüber Sie eigentlich sprechen wollen, Ahnung haben.

[RBm Wowereit: Soll denn der Haushalt so lange warten?]

Die Enquete-Kommission ist eine Möglichkeit, für das Land Berlin neue Perspektiven zu öffnen und von anderen zu lernen. Die Enquete-Kommission soll einen zeitlich befristeten Auftrag haben. Da hat der Kollege Lindner völlig Recht, denn man wird die Schlussfolgerungen daraus nicht bis zum St.-Nimmerleinstag verschieben können. Ich glaube, dass eine Enquete-Kommission nach einem halben Jahr einen Zwischenbericht abgibt.

[RBm Wowereit: Einen Zwischenbericht! Wann kommt dann der Haushalt?]

Ich glaube, Herr Wowereit, dass Ihr Haushalt sowieso nicht vor Ende März beschlussfähig ist.

[Liebich (PDS): Bis Juli Haushaltssperre wegen Zimmer!]

[Doering (PDS): Wenn die CDU nicht weiter weiß, gründet sie einen Arbeitskreis!]

dann werden wir auch relativ zügig zu Ergebnissen kommen, die Ihnen helfen werden, einen verfassungsgemäßen Haushalt für die Jahre 2004/2005 aufzustellen. Es liegt in Ihrer Hand, wie schnell oder wie langsam es jetzt geht, denn Sie haben die Mehrheit in den Ausschüssen. Daran denken Sie bitte, bei all dem, was Sie uns erzählen.

[Beifall bei der CDU]

[Liebich (PDS): Tun wir auch!]

Deswegen müssen Sie sich auch um die Einnahmeseite kümmern. Vergessen Sie das nicht. Und vor allen Dingen, vergessen Sie, Herr Wolf, das nicht. Sie als Wirtschaftssenator sind, was das Ressort angeht, dafür zuständig.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Ich habe den Eindruck, dass die Forderungen, die mittlerweile etwas abgeschwächt sind, weil sie gemerkt haben, dass das etwas merkwürdig wirkt: Jetzt müsse sich die Opposition einmal Farbe bekennen, jetzt müsse die Opposition einmal Fragen beantworten, jetzt müsse die Opposition einmal Konzepte vorlegen, die allen bekannt sind.

[Liebich (PDS): Es hat keinen Sinn, deshalb lassen Sie es!]

Zimmer

Hätten Sie in der Vergangenheit die richtigen Entscheidungen gefällt, hätten wir heute die Probleme nicht, die wir jetzt haben, was bestimmte Beteiligungen angeht. Da sollten Sie eine Rede, Herr Müller, wenn Ihre Rede denn so schön war heute, auch auf Ihrem Landesparteitag halten, damit Ihre Genossinnen und Genossen über die Beteiligungsveräußerung vernünftige Beschlüsse fassen und nicht solche, wie Sie sie in der Vergangenheit gefasst haben. Wir werden also niemanden zurückhalten, werden aber auch niemanden zurücklassen, der nicht dazu in der Lage ist, seine eigene Verantwortung zu übernehmen. Das ist auch Ausdruck der sozialen Verantwortung, die man für Berlin und für die Gesellschaft in dieser Stadt hat. Wenn Sie nicht bereit dazu sind, sich diesen Herausforderungen zu stellen, können Sie sich sicher sein: Wir sind es.

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Gaebler das Wort. – Bitte sehr!