Protocol of the Session on August 28, 2003

Weiter Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Vorlage wurde vorab an alle Fachausschüsse überwiesen sowie an den Hauptausschuss, der die Federführung erhalten hat. – Ich stelle hierzu die nachträgliche Zustimmung fest.

Zum Antrag der Grünen, Drucksache 15/1979, wird um Überweisung an den Hauptausschuss gebeten. – Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Die lfd. Nr. 5 – Drucksache 15/1842 – ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 6:

I. Lesung

Gesetz zur Änderung zuständigkeits- und verfahrensrechtlicher Vorschriften

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/1919

Ich eröffne die I. Lesung. – Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Ich höre zu den Überweisungen und zu dem Verfahren keinen Widerspruch.

Die lfd. Nrn. 7 bis 11 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 12:

I. Lesung

Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden und über das Halten von Hunden in Berlin (HundehaltG Bln)

Antrag der CDU Drs 15/1959

Ich eröffne die I. Lesung. Die antragstellende Fraktion hat die Beratung gewünscht, für die nach der Geschäftsordnung eine Redezeit von fünf Minuten pro Fraktion zur Verfügung steht.

Für die Fraktion der CDU beginnt Herr Kollege Schmidt. – Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem in der letzten Woche erneut eine Hundeverordnung, nämlich die des Landes Brandenburg, durch das Bundesverwaltungsgericht für nichtig erklärt wurde, gibt es nunmehr keinen Grund, eine weitere Verzögerung bei der Initiierung eines Gesetzes hinzunehmen. Von Seiten des Senats ist hier offensichtlich in der nächsten Zeit nichts zu erwarten, so dass die CDU-Fraktion nunmehr einen Gesetzesentwurf zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden und über das Halten von Hunden in Berlin – ein so genanntes Hundehaltergesetz – eingebracht hat.

[Klemm (PDS): Danke!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Neuling in diesem Hause habe ich mir zu der Frage, wie das Halten von Hunden zu regeln ist, die Protokolle aus vergangenen Legislaturen angeschaut, und ich fürchte, dass wir die bekannten Argumente, die damals zu der in dieser Stadt noch gültigen Verordnung geführt haben, erneut austauschen werden, allerdings mit der Ergänzung der Erfahrungen, die wir aus dieser Hundeverordnung gewinnen konnten.

Welche Erfahrungen haben wir, hat die SPD mit der Verordnung zwei Jahre lang gemacht? Wir stellen fest, dass die verschärften Auflagen zum Halten von Hunden dazu geführt haben, dass es insgesamt zu weniger Beißvorfällen und Attacken insbesondere von gefährlichen Hunden in der Stadt kommt und dass sie in den Stadtquartieren, von denen Herr Schmidt gesprochen hat, in denen die Gefahrenlage vor allem für Kinder erheblich waren, gemindert werden konnten. Wir wollen, dass das so bleibt.

Ich gehe nur in einem Punkt auf den vorliegenden Antrag der CDU ein, da wir diesen Antrag sicherlich in die zuständigen Ausschüsse überweisen werden. In der Kurzbegründung des Gesetzes, das uns vorliegt, beschreibt die CDU ausführlich die Entwicklung in der Haltung von gefährlichen Hunden und führt uns zugleich noch einmal vor Augen, wie unerträglich die Situation in vielen Stadtteilen insbesondere für die Kinder vor Inkrafttreten der noch gültigen Hundeverordnung war. Dieser Bestandsaufnahme ist nichts hinzuzufügen. Leider ziehen Sie aus unserer Sicht nicht die konsequenten Schlussfolgerungen, die nach wie vor dringend erforderlich sind, um der objektiv vorliegenden Gefahrenlage und der subjektiv berechtigten Besorgnis vieler Bürger gerecht zu werden. Nach unserer Vorstellung muss ein Gesetz zur Gefahrenabwehr den Ordnungsbehörden auch die Möglichkeit geben, präventiv tätig zu werden. Hierzu sagen Sie in Ihrem Gesetzentwurf nichts. Sie stufen einen Hund erst dann als gefährlich ein, wenn es bereits zu einem Vorfall gekommen ist. Das ist für uns inakzeptabel.

Bitte schön!

Wir haben uns bei diesem Gesetz von dem Gedanken leiten lassen, die Bevölkerung Berlins so weit als möglich vor gefährlichen Hunden zu schützen und dabei den von vielen Experten geäußerten Hinweis zu berücksichtigen, dass kein Hund als gefährlich geboren wird.

Der Züchter, der Halter und gegebenenfalls der Ausbilder sind Einflussgrößen, die aus einem normalen Hund einen gefährlichen Hund machen können. Insoweit regelt das Gesetz – lesen Sie es nach, wir haben dazu schon etwas gesagt – zum einen die Grundvoraussetzungen für ein gedeihliches Miteinander von Mensch und Hund, wohlwissend, dass es trotz der bekannten Tierliebe in unserer Stadt hier und da noch Probleme gibt. Zum anderen werden die strengen Regeln für den Umgang mit gefährlichen Hunden festgelegt. Die eingetretene Unsicherheit bei den bezirklichen Ordnungsbehörden und den weiteren Verantwortlichen muss ein Ende haben. Unser vorgelegter Gesetzentwurf schafft hier einen verbindlichen Ordnungsrahmen. Es wird erstmalig möglich sein, bereits nach einmaliger Auffälligkeit eines Tieres tätig zu werden und gegebenenfalls den Hund als gefährlich zu identifizieren. Die Auflagen und Konsequenzen sind umfassend, unabhängig von der Rasse oder Art des Tieres.

Jedes Gesetz ist nur so gut, wie anschließend die Umsetzung überprüft wird. Es hat sich gezeigt, dass, wenn man eine konsequente Umsetzung, die in der Vergangenheit dankenswerterweise von der Polizei wesentlich getragen wurde, verfolgt, es zu deutlichen Verbesserungen kommt. Die Polizei ist hiervon in der Zukunft zu entlasten. Die von uns angeregte Zentralisierung von Ordnungsaufgaben in bezirklichen Ordnungsämtern ist auch für die Überprüfung von als gefährlich eingestuften Hunden und deren Haltern chnellstmöglich umzusetzen. s

Wir sind uns darüber im Klaren, dass nichts so gut ist, dass es nicht noch verbessert werden kann. Dies gilt selbstverständlich auch für unseren Gesetzentwurf, so dass nach Vorlage aller Urteilsbegründungen Änderungen, die sich auf Grund juristischer Zwänge ergeben können, eingearbeitet werden müssen. Wir hoffen – da Tiere, insbesondere Hunde für viele Berliner Bürgerinnen und Bürger ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Lebens sind, der für Lebensfreude, Gesundheit und soziale Kontakte sorgt –, dass mit diesem Gesetz eine dauerhafte Lösung für eine sichere und artgerechte Hundehaltung geschaffen wird. Hierzu gehört auch, dass wir weiterhin für eine zusätzliche Ausweisung von Hundeauslaufgebieten im innerstädtischen Bereich eintreten. Mit unserem Gesetzentwurf haben wir eine tragfähige Lösung geschaffen, die einerseits dem Sicherheitsbedürfnis vieler Menschen Rechnung trägt und andererseits dem Wunsch der Tierfreunde nach einer gerechten Beurteilung der in ihrer Obhut lebenden Tiere nachkommt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Schmidt! – Für die SPD hat das Wort Frau BorskyTausch. – Bitte schön!

[Beifall bei der SPD]

[Beifall bei der SPD – Frau Hämmerling (Grüne): Aber nicht bei Schäferhunden!]

Es ist schon einige Monate her – hierauf hat Herr Schmidt hingewiesen –, dass Gerichtsurteile auch die Berliner Hundeverordnung in ihrem Bestand in Frage gestellt haben. Deshalb wird von der Koalition zu Recht erwartet, dass sie zügig für Rechtssicherheit für alle Hundehalterinnen und Hundehalter sorgt. Wie nicht unbemerkt blieb, haben sich die Koalitionsfraktionen die Diskussion um das Gesetz zur Haltung von Hunden nicht leicht gemacht. Gerade weil wir die schwierige Frage nicht leicht nehmen, bin ich sicher, dass wir am Ende der Diskussion

Nehmen wir nur die endlose Diskussion über Rasselisten. Rasselisten werden von Fachleuten übereinstimmend als untaugliches Mittel zur Regulierung der Gefahrhundproblematik angesehen. Eine Expertenanhörung hier im Hause hat dies vor einiger Zeit schon nachdrücklich belegt. Es gab nicht einen einzigen Kynologen, Verhaltensforscher oder Polizeiexperten, der einen rassebezogenen Regulierungsansatz für sinnvoll hielt. Ein hyperaggressiver Hund resultiert regelmäßig aus einer problematischen Hund-Halter-Beziehung. Empirische Befunde über die Auffälligkeit so genannter Kampfhunde ergeben ein eher unspektakuläres Bild. Um nur eine Zahl zu nennen: Nach einer nordrhein-westfälischen Statistik gingen in der Zeit von 1989 bis 1997 der einzige registrierte Todesfall sowie 41,9 % der Verletzungen von Menschen durch Hunde auf Schäferhunde zurück. Ob so genannte Kampfhunde im Verhältnis zu ihrer Verbreitung überproportional häufig beißen, ist unter Fachleuten umstritten. Nicht streitig ist demgegenüber, dass die registrierten Beißauffälligkeiten zum erheblichen Teil auf eine Minderheit unseriöser Hundehalter zurückgeführt werden müssen, die in der Vergangenheit die so genannten Kampfhundrassen missbraucht haben. Regulierungsansätze, die den Sachverhalt ignorieren, dass unseriöse Halterkreise ihr Bedürfnis nach Haltung eines Imponierhundes mit Hunden aller Rassen umsetzen können, sind zum Scheitern verurteilt. Hier muss zum Schutz der Menschen angesetzt werden. Und dann darf es nicht zum ewig gleichen Vollzugsdefizit bei der Umsetzung des neuen Hundegesetzes kommen, wann auch immer es kommen mag.

[Frau Hämmerling (Grüne): Wann ist das?]

ein Gesetz auf den Weg bringen, das – ohne unverhältnismäßig viele Hundehalterinnen und Hundehalter mit verschärften Auflagen zur Haltung ihrer Hunde zu belegen – die Sicherheit der Menschen gewährleisten wird.

[Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Klemm (PDS)]

Vielen Dank, Frau Kollegin Borsky-Tausch! – Die FDP folgt, und das Wort erhält Herr Kollege Lehmann. –Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kaum ein Thema hat in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit erzielt wie das Thema Kampfhunde und Hundeverordnung. Nach der Tragödie von Hamburg vor drei Jahren, bei der ein Kind von einem frei laufenden Pitbull zu Tode gebissen wurde, haben die Bundesländer – mehr hektisch als überlegt – Hundeverordnungen erlassen oder drastisch verschärft, so auch in Berlin im Juli 2000. In der Zwischenzeit sind einige der Hundeverordnungen durch das Bundesverwaltungsgericht und andere Gerichte für rechtswidrig erklärt worden. Viele Länder haben darauf reagiert – nur in Berlin passiert seitens des Senats rein gar nichts. Das so häufig angekündigte Hundegesetz ist nach Zeitungsberichten auf das Jahr 2004 verschoben. Dies bedeutet, dass wir in Berlin einen Zustand erdulden müssen, bei dem eine Verordnung existiert, die zum einen glasklar rechtswidrig und unverhältnismäßig ist, da sie gegen Grundrechte verstößt, und zum anderen kaum noch angewendet wird, weil die Verunsicherung der Behörde so groß ist.

[Beifall des Abg. Ritzmann (FDP)]

Man fragt sich wirklich, was der Senat, in diesem Fall besonders die Sozialsenatorin, den ganzen Tag so macht. Leider ja noch nicht einmal einen vernünftigen Haushaltsentwurf entwerfen.

[Zurufe der Abgn. Brauer (PDS) und Krüger (PDS)]

Lassen Sie mich Einiges zum Thema Kampfhunde sagen, bevor ich auf den Antrag der CDU eingehe. Trotz aller berechtigten Empörung und Betroffenheit über Beißunfälle: Alle Hunde verfügen über ein artgerechtes Aggressionsverhalten, alle Hunde stammen letztlich vom Wolf ab.

[Gelächter bei der PDS]

In der Literatur ist es belegt, dass auch ein Dackelmischling in der Lage ist, einen tödlichen Biss zu setzen. Trotzdem kommt es nach Auskunft von Tierärzten jährlich zu weit mehr Todesfällen im Zusammenhang mit Pferden. Setzt man die Zahlen ins Verhältnis zu den Risiken unserer modernen technischen Zivilisation, etwa der Zahl von etwa 8 000 Unfalltoten im Jahr, wird deutlich, dass die Wahrnehmung der Kampfhundproblematik in unserer medialen Öffentlichkeit mit einem hohen Maß an Irrationalität behaftet ist.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall beiden Grünen]

All dies ändert meines Erachtens nichts an der Notwendigkeit, die Bürgerinnen und Bürger wirksam vor gefährlichen Hunden zu schützen. Dieser Schutz hat jedoch mit Vernunft und Augenmaß zu erfolgen.

Nun aber schnell noch zum Antrag der CDU. In der Tendenz ist es ein guter Ansatz im Vergleich zur derzeit gültigen Hundeverordnung und im Vergleich zum Gesetzesantrag der Grünen, der viel zu bürokratisch und aufwändig ist.