Protocol of the Session on March 13, 2003

[Zuruf]

Entschuldigung! – Wenn ich das noch aufklären darf: Die Dringlichkeit ist noch nicht beschlossen, und deshalb steht sie auch noch nicht auf der Tagesordnung. Aus diesem Grund ist die Frage zulässig. – Bitte, Herr Senator!

Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Henkel! Ich habe keine Strafanzeige gestellt, sondern die von Amts wegen gestellte Strafanzeige wurde nach Aussprechung der Duldung zurückgezogen, zumal zum gleichen Zeitpunkt Greenpeace erklärt hatte, dass eventuell entstehende Schäden übernommen würden. Damit war von Seiten des Hauseigentümers kein Anlass einer Strafanzeige mehr gegeben. Der Innensenator hat erklärt, dass der Rechtsbruch auf anderer Rechtsgrundlage durch die entsprechenden Behörden weiterverfolgt wird.

Haben Sie noch eine Nachfrage, Herr Henkel? – Das ist nicht der Fall.

Dann rufe ich auf den Kollegen Over von der Fraktion der PDS zu einer Spontanen Anfrage auf! – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich möchte den Stadtentwicklungssenator Herrn Strieder fragen: Bekanntlich sind Einkaufswagenchips in der Politik immer ein gefährliches Pflaster, weshalb ich, als ich über den Einkaufswagenchip www.quartiersmanagement.de stolperte, zuerst etwas erschreckt war, aber mir dann doch dachte, dass dem sicherlich konzeptionelle Überlegungen zu Grunde liegen. Diese würden mich interessieren, und mich würde auch interessieren, wer auf die Idee gekommen ist und wie viel das Ganze gekostet hat.

Herr Senator Strieder!

„www.quartiersmanagement.de“ ist die Seite, auf der sich die 17 verschiedenen Quartiersmanagementprojekte des Landes Berlin selbst darstellen und den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zur Mitwirkung geben. Das ist insbesondere auch deshalb wichtig, weil wir Jugendliche gewinnen wollen, sich für ihren Bezirk und ihre Nachbarschaft zu engagieren. Um auf diese Seite aufmerksam zu machen, gibt es verschiedene Werbemittel: Ein Werbemittel ist von Ihnen angesprochen worden, und ein anderes Werbemittel ist eine Postkarte, auf der ein Bild mit einem Einkaufsnetz ist – Berlin im Netz. Es geht um die Nachbarschaften, um den Erhalt der kleinen Läden, darum, dass wir in den Nachbarschaften versuchen, miteinander zu leben, und dass diejenigen, die in den Quartieren wohnen, selbst etwas unternehmen, um ihre Quartiere am Leben zu erhalten. Insofern gibt es eine ganze Reihe von Werbemaßnahmen, die auf die Aktivitäten des Quartiersmanagements abzielen und sie bekannt zu machen, weil das die Voraussetzung ist, damit sich die Bürger engagieren. Was die Chips im Einzelnen gekostet haben, kann ich Ihnen leider nicht sagen.

Herr Senator Strieder!

Die Fragestunde ist damit beendet.

[Oh! von den Grünen]

Sie wissen ja gar nicht, wer dran gekommen wäre!

Ich rufe auf den vorgezogenen Tagesordnungspunkt

lfd. Nr. 8:

Bericht

Bericht des Petitionsausschusses gemäß § 12 des Petitionsgesetzes für die Zeit vom 29. November 2001 bis zum 12. Februar 2003

Drs 15/1400

Zu einer mündlichen Berichterstattung erhält der Vorsitzende des Petitionsausschusses, der Kollege Ralf Hillenberg, das Wort. – Bitte schön, Herr Hillenberg, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Petitionsausschuss ist ein besonderer Ausschuss. Sein Recht und seine Pflicht zum Tätigwerden beruhen auf Artikel 17 des Grundgesetzes, Artikel 34 der Verfassung von Berlin sowie auf den bewährten Regelungen des Petitionsgesetzes, in dem die Zulässigkeit, Prüfung und Behandlung von Petitionen im Einzelnen geregelt sind. Dort steht auch, dass der Petitionsausschuss dem Plenum des Abgeordnetenhauses über seine Arbeit zu berichten hat. Außerdem ist unser Ausschuss ein Seismograph der Problemfelder der Berlinerinnen und Berliner bzw. all derer, die Probleme mit der öffentlichen Verwaltung haben, und das sind bekanntlich nicht wenige.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß, mit wie viel Papier und Drucksachen wir überschüttet werden. Aber ich versichere Ihnen, es lohnt sich, einen Blick in

den schriftlichen Bericht zu werfen. Ich möchte Ihnen aber zusätzlich einen weiteren Einblick in den abwechslungsreichen Arbeitsalltag des Ausschusses geben und einige Fälle schildern, die den Ausschuss beschäftigt haben bzw. immer noch beschäftigen.

Beginnen möchte ich mit einer Verkehrsordnungswidrigkeit. Jeder Halter eines Kfz hat vermutlich schon einmal eine Anhörung mit Verwarnungsgeldangebot wegen Falschparkens erhalten und mehr oder weniger schuldbewusst 5 € überwiesen, um auf diese Weise die leidige Angelegenheit schnell aus der Welt zu schaffen. Manchmal sind 5 € sogar billiger als eine Tagesmiete. Ich weiß, dass der Innensenator zur Zeit entschuldigt ist, aber er sollte einmal darüber nachdenken, ob das nicht zu wenig ist. Einer der Petenten teilte der Bußgeldstelle mit, an dem Ort des Falschparkens niemals gewesen zu sein, der andere gab viel zu spät an, den Anhörungsbogen niemals erhalten zu haben. Die Petenten glaubten, damit sei die Sache für sie ausgestanden. Weit gefehlt. Zwar kam kein Bußgeldbescheid. Nach Ablauf von drei Monaten, der Verjährungsfrist bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, erhielt aber jeder einen Kostenbescheid in der bundeseinheitlichen Höhe von 18,62 €, also ein Mehrfaches des Verwarnungsgeldes. Was will ich damit sagen? – Vielleicht auch ein Hinweis an Senator Böger: Ich glaube, Herr Senator – das sind die Erfahrungen, die wir in diesem Ausschuss gemacht haben –, dass die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt und auch unseres Landes in bestimmten Bereichen zu wenig auf das Leben vorbereitet werden. Ich nenne als Beispiele: Wie bewirbt man sich; Umgang mit Behörden; Einschreiben bei Gericht; Steuererklärung; Fristeinhaltung etc. Da gab es vor Kurzem einen Film, der hieß „Ganz oben und ganz unten“. Da ging es darum, dass Mahnbescheide vom Gericht, Beschlüsse, aus Angst vor dem Inhalt dieser Briefe nicht einmal geöffnet wurden, mit der Folge, dass die finanziellen Belastungen derjenigen viel größer werden. Ich glaube, Herr Senator Böger, wenn wir eine solche Ausrichtung in der Schule einmal anböten, hätten Sie die große Mehrheit in diesem Parlament auf Ihrer Seite.

Dass ich Ihnen heute den ersten Bericht des Petitionsausschusses in dieser Legislaturperiode vorstellen darf, ist mir eine große Freude und zugleich ein Bedürfnis, denn wir, die Mitglieder des Petitionsausschusses, sind doch gleichsam die Bürgerbeauftragten des Parlaments oder der ständige Untersuchungsausschuss über die Arbeitsweise der öffentlichen Dienstes. Der Petitionsausschuss übt stellvertretend für das Parlament in einem sehr bürgerfreundlichen Verfahren Verwaltungskontrolle „von unten" aus. Als Anstoß für sein Tätigwerden genügt ein Brief einer Bürgerin oder eines Bürgers, um ein Petitionsverfahren in Gang zu setzen. Die Summe aller Aktivitäten liegt Ihnen heute als Drucksache vor. Natürlich ist im Bericht nicht jede Petition, die den Ausschuss intensiv beschäftigt hat, inhaltlich ausgewertet worden. Das wäre gar nicht leistbar. Aus dem statistischen Datenmaterial, das dem Bericht als Anlage beigefügt ist, lässt sich aber vieles über Art, Umfang und Erfolg der Tätigkeit unseres Ausschusses im Berichtszeitraum entnehmen.

Wer von Ihnen schon Zeit gefunden hat, den Bericht einzusehen, wird feststellen, dass die Bürgerinnen und Bürger Berlins dem Petitionsausschuss zu allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung Bitten und Beschwerden eingereicht haben. Manche Bereiche sind überproportional betroffen, so Sozialhilfe-, Justiz- und Ausländerangelegenheiten, andere weniger. Ich gehöre diesem Ausschuss mit Unterbrechungen sei 1992 an. Ich kann Ihnen sagen: Das Thema Beschaffung einer Wohnung spiel heute so gut wie keine Rolle mehr. Hier möchte ich Sie ebenfalls auf die statistischen Auswertungen am Schluss des Berichts hinweisen.

Die Mitglieder des Ausschusses müssen viel Arbeit und Zeit investieren, um die große Anzahl der Petitionen zu bewältigen. In diesem Berichtszeitraum hat der Ausschuss in 39 Sitzungen 2371 Petitionen abgeschlossen.

Der Ausschuss tagt jede Woche, auch in den Ferien; unsere Mitglieder führen in Einzelfällen klärende Gespräche mit den Petenten oder Vertretern der betroffenen Verwaltungen, wir unternehmen Ortsbesichtigungen oder werden auf andere Weise aktiv. Darüber hinaus hat der Ausschuss den direkten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern intensiviert und Bürgersprechstunden in Einkaufszentren abgehalten, getreu dem Motto: Kommt der Bürger nicht zur Politik, gehen wir zu den Bürgern. Diese Veranstaltungen werden über Erwarten gut angenommen. Wir erhoffen uns, hilfesuchende Bürgerinnen und Bürger auf diese unmittelbare Weise besser erreichen zu können.

An dieser Stelle gestatten Sie mir, vor allem auch den einzelnen Center-Managern auszusprechen. Wir waren heute z. B. im Märkischen Zentrum Reinickendorf, um jetzt schon die Veranstaltung im August vorzubereiten. Wir werden das in diesem Jahr fünfmal tun.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Nun zu einem anderen Thema. Eingaben zu den offenen Vermögensfragen im Ostteil der Stadt erreichen den Ausschuss nur noch in geringer Zahl, insbesondere Petitionen zur Modrow-Problematik sind selten geworden. Der Petitionsausschuss hat kürzlich aber doch wieder zwei gleich gelagerte Petitionen aus diesem Bereich nach längeren Prüfungen mit negativem Ergebnis abschließen müssen, was wir übrigens sehr bedauern, weil die finanziellen Folgen für die Petenten erheblich sind. Und das hätte nicht sein müssen, wenn die Petenten 1995 die richtigen Anträge gestellt hätten. Damals muss es zu Missverständnissen oder Fehleinschätzungen – die Petenten behaupten: zu Falschberatungen – gekommen sein. Wie auch immer, das war nicht mehr zu klären. Sie baten jedenfalls den Ausschuss, ihnen dabei behilflich zu sein, ihre Grundstücke doch noch zu den Vorzugsbedingungen entsprechend den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses erwerben zu können. Sie erinnern sich vielleicht, dass wir

Eine weitere Ortsbesichtigung, von der ich Ihnen berichten möchte, war ebenfalls sehr aufschlussreich und im Ergebnis auch sehr erfolgreich. Es ging bei dieser Eingabe um den Abriss einer sanierungsbedürftigen Altenpflegeeinrichtung und die Neuerrichtung eines Seniorenpflegeheimes nach heutigem Standard mit immerhin 87 Arbeitsplätzen. Hier gab es immense Schwierigkeiten mit dem bezirklichen Stadtplanungsamt. Die Bauherren, die sich an den Petitionsausschuss gewandt hatten, kritisierten den überlangen Verfahrensablauf, die mangelnde Sensibilität gegenüber der für einen Investor wichtigen Wirtschaftlichkeit und die nicht nachvollziehbaren städtebaulichen Bedenken, an denen das Bezirksamt unflexibel festhielt. Dieses Verhalten wurde letztlich mit einer negativen Entscheidung über den Vorbescheidsantrag gekrönt. Auch dieser Fall, der hinsichtlich der bezirklichen Vorgehensweise noch einer gründlichen kritischen Auswertung im Ausschuss bedarf – wir haben den Fall noch nicht abgeschlossen –, ist in dem Bericht auf den Seiten 27 bis 28 nachzulesen, so dass ich mir ersparen kann, Einzelheiten zu berichten. An dieser Stelle möchte ich einen Hinweis an das Parlament geben: Sie werden das alle beobachten, dass unsere Senatorinnen und Senatoren wie auch der Regierende Bürgermeister diese riesigen Mappen auf ihren Tischen liegen haben, die alle durchgelesen und durchgearbeitet werden sollen. Da kann es schon einmal passieren, dass das eine oder andere Schreiben vielleicht nicht ganz so intensiv gelesen wird. Das schien mir auch bei der Stellungnahme des bezirklichen Bürgermeisters passiert zu sein, denn die Antwort war fast identisch mit jener, die wir zuvor schon vom Stadtplanungsamt erhalten hatten.

es 1994 diesen Käufern zur Heilung der ModrowVerträge ermöglicht haben, unter einem dreißigjährigen Vorkaufsrecht des Landes Berlin ihre Grundstücke zu erwerben.

Was für diese Leute ausschlaggebend war, sich für einen Kauf nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zu entscheiden, war allein die Tatsache, dass es Rückübertragungsansprüche gab und sie Angst hatten, ihre Grundstücke doch noch zu verlieren. Nachdem das LARoV diese Rückübertragungsansprüche zurückgewiesen hatte, wollten die Petenten ihre Verträge wieder zu den Bedingungen der Modrow-Verträge heilen. Dies ging nicht. Die Grundstückspreise lagen – wie Sie alle wissen – 1995 viel höher als heute, und trotz 50 %iger Reduzierung der Preise entstehen für beide Petenten sehr hohe Zahlungen, die sie leider leisten müssen.

Um doch noch etwas für die Petenten erreichen zu können, habe ich das Gespräch mit dem Senator für Finanzen, Herrn Dr. Sarrazin, gesucht. Herr Senator Sarrazin zeigte sich sehr aufgeschlossen für die Belange der Petenten, wofür ich sehr dankbar bin. Es konnte jedoch nichts getan werden, da in beiden Fällen kein soziale Härte erkennbar war.

Um auf den vorherigen Punkt zurückzukommen, Herr Senator Böger: Ich fürchte, dass in der Schule viel zu wenig auf solche Dinge des Leben vorbereitet wird, und gerade wir aus dem Ostteil der Stadt können davon ein Lied singen.

Nun ein Fall, der schon einige Zeit zurückliegt und der auch Aufnahme in den schriftlichen Bericht auf den Seiten 28 und 29 gefunden hat. Ich kann deshalb darauf verzichten, Ihnen Einzelheiten zu schildern, möchte den Fall aber stellvertretend für eine Vielzahl von Petitionen nennen, in denen der Aufwand für die Bearbeitung erheblich ist und wo sich letzte Zweifel, die trotz ausführlicher und sorgfältiger Stellungnahmen der Verwaltung bleiben, nur durch eine Ortsbesichtigung klären lassen.

Es ging in diesem Fall um die Praxis des Einschlusses in den besonders gesicherten Haftraum der Jugendstrafanstalt Berlin. Der Vorwurf der Petenten, dieser so genannte „Bunker" werde missbräuchlich zur Disziplinierung jugendlicher Gefangener eingesetzt, war doch so schwer wiegend, dass die zuständige Berichterstatterin für den Strafvollzug, die Kollegin Hertel, und ich uns selbst ein Bild von der Unterbringung in diesem Raum machen wollten. Wir haben dann später unsere Eindrücke dem Ausschuss geschildert und sind gemeinsam zu dem Ergebnis gelangt, dass auf den Haftraum leider nicht gänzlich verzichtet werden kann, wenn von den jugendlichen Gefangenen Gefährdungen gegen andere oder sich selbst ausgehen. Dieser Besuch hatte aber ein Nachspiel der besonderen Art. Mein Auto, das vor der Strafanstalt geparkt war, war in der Zwischenzeit aufgebrochen worden, und es fehlte einiges. Im Gegensatz zu Frau Hertel konnte

ich mir ein Grinsen trotzdem nicht verkneifen: Was macht man nicht alles für die Petenten!

[Zuruf von RBm Wowereit]

Ich will das nicht als Vorwurf verstanden wissen, Herr Regierender Bürgermeister. Ich sage nur, dass das mal passieren kann. – Um der Sache auf den Grund zu gehen, haben wir eine Ortsbesichtigung vorgenommen, zu der ich die Mitarbeiterin sowie den Leiter des Stadtplanungsamtes, den Bezirksbürgermeister und den Investor eingeladen hatte. Herr Senator Strieder hat uns mit seiner Widerspruchsbehörde unterstützt. Aus unserer Sicht bestanden keine rechtlichen Grundlagen, den Vorbescheid zu versagen. Nachdem alle Beteiligten ihre Meinungen vorgetragen hatten, stellte der Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine positive Entscheidung im Widerspruchsverfahren in Aussicht. Ich habe mich daraufhin persönlich an die Mitarbeiterin des Stadtplanungsamtes gewandt und sie gefragt, ob sie in ihrer Entscheidung vielleicht auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtige. Sie hat dies vehement von sich gewiesen. Ihre Aufgabe sei es lediglich, stadtplanerische Aspekte zu berücksichtigen. Das genau ist eines der großen Probleme der Bezirke und der Berliner Politik, dass der eine nicht mit dem anderen spricht und es darum zu genau solchen Entscheidungen kommt.

[Beifall bei der SPD und der FDP]

Ich glaube, dass dieser Applaus auch verdient ist. – Wir alle hätten es lieber gesehen, wenn das Kind ohne erneute Ausreise bei seinen Großeltern hätte bleiben können. Das konnte der Ausschuss aus rechtlichen Gründen nicht erreichen. Kritisch anzumerken ist aber nach Meinung des Ausschusses, dass die Ausländerbehörde ihr Ermessen sehr eng ausgeübt hat. So hat das Kind eine befristete Aufenthaltserlaubnis von lediglich einem Jahr erhalten. Zwar geht auch der Ausschuss davon aus, dass nach Ablauf der Frist die Aufenthaltserlaubnis verlängert wird. Die Ausländerbehörde hätte sich aber durchaus großzügiger zeigen können und dem Jungen zumindest eine Aufenthaltserlaubnis für zwei oder mehrere Jahre erteilen können, denn den Spielraum hat diese Behörde. Für wenig großzügig erachtet der Ausschuss auch den Umstand, dass das Kind in aller Eile in den Winterferien nach Moskau ausreisen musste – und wer hat nicht schon etwas von

einem russischen Winter gehört – und nicht den Grundschulabschluss – so wie wir es gewünscht hatten – in diesem Sommer abwarten durfte. Selbst meine persönlichen Einwände bei der Ausländerbehörde halfen nicht. Ich will die Sache nicht weiter kommentieren, denn am Ende zählt der Erfolg. Das Kind lebt wohlbehütet bei seinen Großeltern. Auch in diesem Fall hat uns Innensenator Dr. Körting sehr unterstützt. Allerdings kommt auch ein Senator an bestehenden Gesetzen und Vorschriften manchmal nicht vorbei.

Nun ein weiteres Beispiel, das auch schon in der Fernsehsendung „Brisant“ Aufsehen erregt hat: Eine Beamtin hatte sich im Herbst 2002 beim Petitionsausschuss über die lange Dauer eines gegen sie gerichteten Disziplinarverfahrens beschwert. Sie bat den Petitionsausschuss, auf einen zügigen Abschluss des Verfahrens hinzuwirken; sie selbst sei mittlerweile zermürbt und wolle nur noch dessen Ende. Ich möchte Sie nicht mit einer langen Sachverhaltsschilderung zum Verfahrensablauf langweilen, sondern den Fall grob vereinfachen, wie er sich nach den ersten Ermittlungen bei der Disziplinarbehörde darstellte. Gegen die Petentin war im Mai 1995 ein förmliches Disziplinarverfahren wegen des Verdachts des Betruges eingeleitet worden. Zugleich wurde sie vorläufig vom Dienst suspendiert. Das förmliche Disziplinarverfahren wurde bis zum Abschluss des sachgleichen Strafverfahrens ausgesetzt. Die Petentin wurde zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt; nach Rechtskraft dieses Urteils wurde das förmliche Disziplinarverfahren im September 1996 fortgesetzt. Es gab eine zweite Verurteilung. Das Disziplinarverfahren wurde wieder ausgesetzt. Dann gab es die Verurteilung. Dann hat sich die Petentin an uns gewandt, und just, einen Monat später wurde das Disziplinarverfahren doch eingeleitet und wurden die Akten dem Gericht übergeben. Was will ich mit diesem Fall sagen? – Die eigentliche Frage, warum dieser Fall so lange dort gelegen hat, kann man nicht mehr nachvollziehen. Sie wissen, dass es in diesem Haus politische Veränderungen gegeben hat. An der Spitze des Innenressorts gab es mehrere Innensenatoren. Von der Warte her ist das Herrn Körting oder auch der Justizsenatorin nicht mehr anzulasten. Aber das, was sich in dieser Verwaltung abspielt, finde ich, gelinde gesagt, hanebüchen. Das kann auch nicht so bleiben. Überlegen wir uns nur, diese Beamtin bleibt seit sieben Jahren zu Hause, sie wird unter Beibehaltung der Bezüge bezahlt, wenn auch etwas geringfügig gekürzt. Sie wissen, was so eine Beamtin evtl. verdient. 80 % davon mal sieben Jahre, da kommt locker ein sechsstelliger Eurobetrag zusammen. Wenn wir so mit unserem Geld umgehen, dann gute acht, Berlin!

Wir haben also noch einmal bei dem Bezirksbürgermeister nachgehakt, der mir inzwischen bestätigt hat, dass er – da er selbst für Wirtschaft zuständig ist – diese Angelegenheit zur Chefsache machen werde. Ich halte es zumindest für nachdenkenswert, ob nicht generell die Bezirksbürgermeister für Wirtschaft zuständig sein sollten, um die Dinge, die wirtschaftlich zu betrachten sind und Arbeitsplätze schaffen, zur Chefsache zu machen.

Es gibt mitunter Fälle, die sich allen Mitgliedern des Petitionsausschusses nachhaltig einprägen; so auch der Fall des 13-jährigen russischen Staatsangehörigen – nennen wir ihn Anton –, dessen aufenthaltsrechtliches Schicksal den Petitionsausschuss in mehreren Ausschusssitzungen beschäftigt hat, nicht eingerechnet die Vielzahl der Gespräche mit den Petenten, ihren Anwälten, den Mitarbeitern der Senatsverwaltung für Inneres und nicht zuletzt auch mit Herrn Senator Dr. Körting selbst. Schließlich mussten wir auch noch die Deutsche Botschaft in Moskau in aller Eile einschalten, um sicherzustellen, dass der Junge sich das Visum zum Familiennachzug zu seinen Großeltern in Berlin auch wirklich zu dem vereinbarten Termin in der Deutschen Botschaft abholen konnte. Das setzte voraus, dass zeitgleich auch die Vorabzustimmung aus Berlin dort vorliegen musste. Der intensive Austausch von E-Mails zwischen dem Sekretariat des Petitionsausschusses und der Botschaft in Moskau klappte reibungslos. Der Junge ist längst wieder zurück in Berlin und lebt mit einem gesicherten Aufenthaltsrecht bei seinen sorgeberechtigten Großeltern. Ein großer Erfolg also auch für den Ausschuss. Nachlesen können Sie diesen Fall auf den Seiten 25 und 26. Den Aufwand, der hier betrieben werden musste, hält der Ausschuss indessen entschieden für zu hoch.

Ich möchte die schriftlichen Ausführungen um einige kritische Anmerkungen ergänzen und gehe davon aus, dass der Kollege Brinsa mir jetzt ganz besonders aufmerksam zuhört. Kollege Brinsa ist für diesen ausländerrechtlichen Fall der Berichterstatter und hat sich von Anfang an engagiert für die Belange des Jungen eingesetzt.

[Allgemeiner Beifall]